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2. Epiphytische Vegetation im Grenzgebiet der Hylaea.

Platycerium andinum und Polypodium Ulei bei Tarapoto (Peru)

Tafel 3. Platycerium andinum und Polypodium Ulei bei Tarapoto (Peru).

(Nach photographischer Aufnahme von E. ULE, 1902.)

Platycerium andinum, rings einen Baumstamm umgebend, im Walde bei Tarapoto (Peru).

Tafel 4. Platycerium andinum, rings einen Baumstamm umgebend, im Walde bei Tarapoto (Peru).

(Nach photographischer Aufnahme von E. ULE, 1902.)

Ueber die Menge der Niederschläge im großen Becken des Amazonenstromes ist man nur im allgemeinen unterrichtet; so geht aus den wenigen Beobachtungen hervor, daß sie allmählich von der Mündung an flußaufwärts zunimmt. Die durchschnittliche Regenmenge von Pará ist berechnet auf 202 cm im Jahre, die von Manáos auf 220 cm, und für Iquitos wird sogar eine solche von 284 cm angegeben. In der Nähe der ersten Gebirge nimmt die jährliche Regenmenge schnell wieder ab und vermindert sich nach und nach in den verschiedenen Hochländern der Anden bis zu den fast regenlosen Gebieten an der Küste des Stillen Oceans.

Die weiten Niederungen dieses Riesenstromes besitzen fast gar keine Steigung, denn in einer Entfernung von fast 3000 km von der Küste des Atlantischen Oceans haben die Flußbetten eine Höhe über dem Niveau des Meeres, die oft 200 m noch nicht erreicht.

Die ersten Gebirgszüge von ungefähr 1000 m Höhe treten meist unmittelbar an die große Ebene heran, wo sie von den Flüssen durchbrochen werden, und hinter ihnen liegen noch weite Hochländer, ehe die hohen Anden auftreten. Bevor man von Yurimaguas am Huallaga aus an das steile Gebirge gelangt, muß erst ein Niederungswald durchwandert·werden. Die Vegetation dieses Waldes besitzt noch die meisten Charakterpflanzen des Amazonaswaldes, doch kommen manche Gebirgstypen hinzu. Ebenso ist die Epiphytenflora wenig verändert. Sie vermehrt sich um einige Arten der Araceen und Gesneriaceen, welche hier auch als Kletterpflanzen reichlich vertreten sind. Steigt man nun das Gebirge hinauf, so ändert sich nach und nach der Wald, indem die Bäume robuster, knorriger und dichtlaubiger werden. Auf den felsigen Gebirgsrücken der höchsten Erhebungen bis zu 1400 m Höhe erscheinen diese Veränderungen noch auffallender, und die Gehölze werden zwergartig. In diesen Gebirgswäldern und besonders auf den Höhen herrscht das Reich der Epiphyten. Hier ist oft das Zweigwerk mit einem dichten Schleier von Tillandsia usneoides L. und von Usnea behangen. Viele Farne, darunter schöne Elaphoglossum, Lycopodien, Bromeliaceen, besonders reizende Pseudocatopsis Eine Untergattung von TiIIandsia mit kleinen, kurzblütigen Arten., sogar eine epiphytische blau blühende Pitcairnea, manche Orchidaceen und Gesneriaceen bedecken hier Stämme, Aeste und Zweige der Bäume. Vor allem sind es aber eine Anzahl strauchartiger Epiphyten, die dieser Genossenschaft eigentümlich sind. Eine Anzahl von diesen, wie die prächtigen Arten der Ericaceengattung Thibaudia, wachsen allerdings ebenso gut auf den Felsen wie auf den Bäumen. Als andere epiphytische Sträucher sind Arten von Blakea aus der Familie der Melastomataceen, dann einige Rubiaceen, Araliaceen und Solanaceen zu nennen. Reichliche Niederschläge, häufige Winde und geeignete Ortsbedingungen begünstigen diese reiche und mannigfaltige Epiphytenvegetation, welche mehr an die der Gebirgswälder des südlicheren Brasiliens erinnert.

Jenseits dieses Gebirges befinden sich weite Ebenen und Hügelländer, welche ein viel trockeneres Klima besitzen. Geographisch wird dieses Gebiet zu einer Region gerechnet, die nur zwischen 60-130 cm Regenhöhe hat. Auch wenn man den Huallaga hinauffährt und verschiedene Stromschnellen passiert, so tritt man in dasselbe trockene Gebiet ein. An den Ufern des schnell steigenden und fallenden Flusses gibt es kein eigentliches Ueberschwemmungsgebiet mehr.

Die Wälder sind niederer, mit gedrungenerem Wuchs der Gehölze, doch oft lichterer Gruppierung derselben. Hier treten auch Cactaceen auf, wie Cereus amazonicus K. SCH., der sich überall im Gebüsch herumschlingt und stützt, und ein hoher Säulencactus, Cereus trigonodendron K. SCH. Gruppenweise wachsen riesige Bromelia-Arten, Pitcairnea corallina LIND Diese sowie einige andere Bromeliaceen nach freundlicher Bestimmung von Herrn Dr. KARL MEZ, Halle. und seltener Ananas, Streptocalyx und Aechmea auf dem Boden. Eigentümlich ist hier die epiphytische Vegetation, welche stellenweise in Menge auftritt und wie der ganze Wald einen recht xerophytischen Charakter trägt. Unter Araceen kommt ein riesiges Anthurium als Nestepiphyt vor, Bromeliaceen sind vertreten durch Aechmea, Guzmania und Tillandsia, darunter neben der hohen Tillandsia adpressiflora MEZ auch zuweilen Tillandsia streptocarpa BAK. und T. usneoides L. Letztere Formen sind nach neueren Untersuchungen von Prof. MEZ-Halle Tauformen im Gegensatz zu Regenformen, wie T. paraensis MEZ, T. bulbosa HOOK. u. a. Verschiedene Orchidaceen und einige Farne wie Polypodium- und Asplenium-Arten fehlen dieser epiphytischen Genossenschaft nicht.

Eine der schönsten Zierden bildet aber ein riesiges Platycerium, das oft einen Durchmesser von 3 m erreicht. Tafel 3 zeigt ein solches Platycerium andinum BAK., welches auf einem niederen Baum an einem Bergabhang bei Tarapoto wächst. Die Aeste dieses Baumes sind außerdem noch mit einem Polypodium bedeckt, das lange, grasartige, linealische Fruchtwedel entwickelt hat, die dicht wie ein Bart herabhängen. Nach Prof. HIERONYMUS stellt es eine neue Art, Polypodium Ulei HIERON. aus· der Verwandtschaft von P. vaccinifolium LANGS. et FISCH. und P. salicifolium WILLD. dar.

Platycerium andinum BAK. besitzt zweierlei Blätter, von denen die oberen, aufrechten bleiben und Mantelnischenblätter genannt werden und die anderen, herabhängenden, welche jährlich abgestoßen werden, die Fruchtwedel darstellen.

Die Mantelnischenblätter bilden einen großen Schild, der dem Stamm anliegt, indem nur der obere gelappte Teil, der dazu dient, alle möglichen Stoffe aufzufangen, absteht. Der untere Teil ist namentlich nach dem Zentrum zu oft bis auf 1 cm verdickt und bildet mit der Zeit durch jährliches Hinzuwachsen ein dickes Polster, das wie ein Schwamm Wasser festhält Höchst wahrscheinlich nimmt Platycerium auch wie viele Bromeliaceen Wasser durch die Blätter auf.. An einseitig beleuchteten Stellen oder in schräger Lage entwickelt sich nur ein einfaches Individuum des schönen Farnes. Anders aber wächst dieses Platycerium, wenn es an dem Stamm, namentlich eines Baumes mit rissiger Rinde, auftritt, da umzingelt es, wie Tafel 4 darstellt, diesen bald gänzlich. Es erscheint dann als ein gewaltiger Schirm von mehreren Metern Durchmesser rings um den Stamm. Nach oben ragt ein Kranz der Nischenblätter hervor, und nach unten hängen überall die Fruchtwedel herab. In seinem hellen, leuchtenden Grün bildet dieser Farn in der Tat eines der schönsten Gebilde der dortigen Wälder.

Da der ganze Kreis von Platycerium andinum BAK. fest an den Stamm angewachsen ist, so stellt er den großartigsten Sammelapparat epiphydscher Gewächse dar, denn nicht nur alle möglichen Stoffe geraten da hinein, sondern auch das Wasser, welches bei Regen am Baume herunterläuft, wird da wie in einer Regenrinne aufgefangen und von den schwammigen Polstern festgehalten. Vermutlich bildet sich ein solcher Kranz dieses Farnes durch seitliche Sprossungen. Die großen, dort angehäuften Humusmassen wiegen gewiß mehrere Zentner.

Die Gattung Platycerium Ueber Blattbildung bei Platycerium vgl. K. GöBEL: Pflanzenbiologische Schilderungen, I, 1889, p. 222. ist in etwa 10 Arten bekannt und namentlich in Westafrika und in den Ländern des Indischen Oceans verbreitet. Die eigentümliche Wachstumsart in Schirmen soll auch in Australien vorkommen, doch ist Platycerium andinum BAK. wohl eine der schönsten und größten Arten. Sein Verbreitungsgebiet ist kein sehr großes, indem es sich auf jene xerophytischen Wälder beschränkt, welche in Peru den Uebergang der Hylaea zu dem Vegetationsgebiet der Anden ausmachen. Ueberhaupt kommen hier eine Anzahl epiphytische Formen vor und darunter hoch entwickelte, welche man in dem feuchten Waldgebiet des Amazonenstromes nicht beobachtet. Es muß hier verschiedene Bedingungen geben, welche das Gedeihen der epiphytischen Gewächse mehr befördert, als es die fast beständige feuchte Hitze vermag. Vielleicht wirken häufiger Luftwechsel und Winde anregend auf die epiphytische Vegetation, denn so sehr dieselbe auf möglichst geringen Stoffverbrauch eingerichtet ist, kann sie doch zu Zeiten einer regen Assimilation nicht entbehren, um ihre Reserve- und Schutzorgane zu bilden. In Gebieten, wo die Vegetation unter Trockenheit und anderen widrigen Bedingungen zu leiden hat, da werden viel mehr Teile verdorren und abgestoßen, die von den Epiphyten festgehalten und verbraucht werden.

Dagegen in regenreichen Gebieten wächst alles in Ueppigkeit, und wo sich solche abgestorbenen Teile bilden, werden sie von heftigen Regen bald abgespült. Das Bevorzugen zarter Epiphyten von manchen Gehölzen wie Crescentia Cujete L. und Psidium Guyava RADD. und dem Gesträuch in der psammophilen Gebüschregion mag damit auch zusammenhängen.

Die soeben betrachteten Gebiete dürfen im strengen Sinne nicht mehr zur Hylaea gerechnet werden, denn diese hört im Gebirgswald bei ca. 800-1000 m Höhe auf. Das höhere Gebirge, welches zur subandinen Flora gehört, ist ausgezeichnet durch seinen Epiphytenreichtum, unter denen baumbewohnende Sträucher, besonders Ericaceen, charakteristisch sind. Das andere Grenzgebiet, der xerophytische Wald, besitzt weniger epiphytische Pflanzen, jedoch besondere Formen, unter denen Platycerium andinum BAK. hervorzuheben ist. Am Abhang des Gebirges tritt es erst auf, wo der Wald trockener wird, denn übermäßige Feuchtigkeit scheint ihm nicht zuträglich zu sein.


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