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1. Epiphytische Vegetation der eigentlichen Hylaea.

Nidularium eleutheropetalum und Hillia Ulei auf Japarandiba Spruceana bei Yurimaguas (Peru)

Tafel 1, Nidularium eleutheropetalum und Hillia Ulei auf Japarandiba Spruceana bei Yurimaguas (Peru).

(Nach photographischer Aufnahme von E. ULE, 1902.)

Clusia auf einer Myrtacee bei Manáos.

Tafel 2. Clusia auf einer Myrtacee bei Manáos.

(Nach photographischer Aufnahme von E. ULE, 1902.)

Neben Palmen und Lianen sind es besonders die Epiphyten, die dem tropischen Urwalde überall ihr Gepräge aufdrücken und die eine der wunderbarsten Anpassungen unter den Pflanzengenossenschaften bilden. Größere und kleinere Formen von Bromeliaceen, Orchidaceen, Moraceen, Cactaceen, Farnen, Bärlappen und anderen Pflanzen sieht man an Stämmen, starken Aesten oder Zweigen bald in schwindelnder Höhe, bald näher dem Boden wachsen.

Cactaceen, auch mit ihren epiphytischen Formen, sind vorwiegend in Amerika vertreten, und Bromeliaceen kommen diesem Erdteil allein zu. Durch zahlreiche Arten und mannigfaltige Formen spielen besonders die Bromeliaceen eine große Rolle in der Physiognomie des amerikanischen Tropenwaldes.

Ueberhaupt hat die epiphytische Vegetation dieses Erdteiles, welche zuerst A. F. W. SCHIMPER in eingehender Weise geschildert hat Botanische Mitteilungen aus den Tropen von Dr. A. F. W. SCHIMPER. Heft 2: Die epiphytische Vegetation Amerikas, 1888., ihren besonderen Charakter.

Am besten ist die Epiphytenflora der gebirgigen und reichgegliederten Küstengegenden Südbrasiliens und der nördlichen Gebirgsländer Südamerikas bekannt, während ausführlichere Mitteilungen über das große Waldgebiet des gewaltigen Amazonenstromes noch fehlen.

Gewiß gibt es Epiphyten auch in der Hylaea, und es kommen auch manche interessante und riesige Formen vor, aber eine solche Rolle wie in den tropischen Gebirgswäldern spielen sie dort nicht. Man nimmt an, daß hohe Wärme, verbunden

mit großer Feuchtigkeit, wie sie am Amazonenstrom herrschen, eine der Hauptbedingungen der epiphytischen Lebensweise der Gewächse sei. Bis zu einem gewissen Grade trifft dies auch zu, jedoch scheint ein mehr hervortretender Wechsel der Jahreszeiten und Luftbewegung dem Gedeihen dieser Pflanzenwelt doch noch günstiger zu sein. In der kühleren Jahreszeit gewinnen die Epiphyten Zeit um ihre Reservestoffe zu bilden, während sie in den beständig heißen Gegenden immer gegen Austrocknung zu kämpfen haben. Bei den heftigen Regengüssen am Amazonenstrom müssen die Epiphyten schnell das nötige Wasser aufnehmen und sind dann der drückenden Tropenhitze ausgesetzt. In vielen Gegenden des Amazonasgebietes herrschen verhältnismäßig wenig Winde; ein Umstand, der auch der Verbreitung der Samen, namentlich der höchst entwickelten Epiphyten, nicht vorteilhaft ist. Berücksichtigen wir nun noch die Herkunft der Epiphyten, so sind sie gewiß aus Xerophyten entstanden und haben sich aus jenen Formationen herausgebildet, die dem Urwalde angrenzen als Gebirge, Felspartien oder Savannen Die Ansicht SCHIMPERS, daß die Epiphyten in dem dichten Urwalde aus dem Bedürfnis nach Licht entstanden seien, wird hier nicht geteilt, denn langjährige Erfahrung und Beobachtung bestätigten dieselbe nicht.. Hier beim gelegentlichen Ueberhandnehmen des Waldes wurden einige Pflanzen zu Kletter- und Schlingpflanzen, andere flüchteten auf die Kronen der Bäume und vermochten sich dort um so leichter anzupassen, als sie an ihrem bisherigen Standorte bereits mit der Dürftigkeit des Bodens und Dürre zu kämpfen hatten.

Große Waldkomplexe am Amazonenstrom liegen nun fern diesen Entstehungsgebieten der Epiphyten, und dieser Umstand nebst den anderen soeben erwähnten klimatischen Ursachen mag wohl dazu beitragen, daß hier so manche sonst verbreitete Vertreter fehlen. Cactaceen und Bromeliaceen sind in der Hylaea viel weniger und dann in besonderen Formen vorhanden, und von den letzteren sind solche Arten selten, deren Samen einen Flugapparat besitzen. Besonders merkwürdig ist es, daß Tillandsia usneoides L., die in Amerika von Florida bis Argentinien überall verbreitet ist, das Becken des Amazonenstromes vollständig gemieden hat.

Einen Vertreter der Bromeliaceengattung Nidularium zeigt Tafel 1. Man sieht hier, wie sich diese Pflanze; auf einer kleinen, oft astlosen Lecythidacee, Japarandiba Spruceana ULE n. sp., welche stammblütig ist, angesiedelt hat. Nidularium gehört zu einer Gruppe, welche sich durch einen in eine Blattrosette versenkten Blütenstand auszeichnet und welche am besten mit den Gattungen Canistrum und Aregelia zu vereinigen ist. Sie ist in Südbrasilien in zahlreichen Arten verbreitet, die teils nur auf dem Boden oder Felsen wachsen, teils auch auf Bäumen sich ansiedeln, teils epiphytisch vorkommen. Nur zwei Arten, die sich durch gänzlich freie, schüppchenlose Blumenblätter und eine verkürzte Rispe auszeichnen, sind auch in der Hylaea Ob Nidularium (Canistrum) amazonicum ( MEZ.) wirklich am Amazonenstrom wächst, ist durchaus nicht erwiesen bei den oft so unzuverlässigen Angaben, welche von Gärtnern herrühren. Sicher ist es in Südbrasilien von FRITZ MÜLLER bei Blumenau gefunden worden. Das Vorkommen zweier Arten dieser Gattung in der Hylaea ist daher ein völlig isoliertes. verbreitet, von denen Nidularium eleutheropetalum ULE n. sp. unsere Tafel darstellt.

Die Pflanze verdankt irgend einem Vogel, der vielleicht in einer Blattachsel des kleinen Bäumchens Samen absetzte, ihren Standort. Im Schutze der großen Blätter der Lecythidacee keimte und entwickelte sich das junge Nidularium. Alle möglichen Spruceana ULE selbst, gelangten nun in die Blattrosette der Bromeliacee, welche dadurch Stoff zu ihrem Aufbau gewann, denn diese Pflanzen nehmen Nahrung durch die Blätter auf, während die Wurzeln nur zum Anklammern dienen. Die starren Scheiden der flachen Blätter schließen sich eng zusammen, so daß sie wie in einer Cisterne Wasser zu halten vermögen. War nun die Pflanze hinlänglich gekräftigt, so bildete sie Ausläufer und entwickelte sich endlich zu jenem kräftigen und blühenden Stock, wie wir ihn vor uns sehen. Jetzt konnten leicht weitere Humusanhäufungen stattfinden, weil sich zwischen solchen Bromeliaceenstöcken auch gern allerlei Getier aufhält. In dem abgebildeten Stock befand sich z. B. das Nest einer kleinen Biene. Unter diesen Umständen siedelte sich ein anderer Epiphyt, Hillia Ulei K. SCH. n. sp., dessen kleine Samen einen Haarschopf tragen, zwischen den Rosetten des Nidularium an. Von diesem kleinen Strauch aus der Familie der Rubiaceen mit lederartigen Blättern und langen Fruchtkapseln ragen rechts einige Zweige hervor.

Hillia ist die einzige epiphytische Rubiaceengattung, deren Samen einen Haarschopf besitzen, während andere Beeren tragen. Charakteristisch für den Amazonaswald ist das Vorherrschen der Araceen, Cyclanthaceen, Moraceen und Clusia unter den die Stämme und Aeste der Bäume überziehenden Gewächsen. Von den zahlreichen Araceen wachsen verschiedene Arten auf dem Boden, andere sind Kletterpflanzen, und nur ein Teil gehört zu den Epiphyten. Unter diesen sind einige sogenannte Nestepiphyten, welche ein Wurzelgeflecht von negativ geotropischen Wurzeln zum Ansammeln von Nährstoffen bilden, andere Hemiepiphyten, welche lange Stützwurzeln in den Boden senden. Die Gattungen der Moraceen, Ficus und·Coussapoa, entwickeln sich meist zu Baumwürgern, indem sie starke Nährwurzeln am Stamme hinab zum Boden senden, die mit Seitenwurzeln den Stützbaum umklammern und ihn endlich erdrücken.

Tafel 2 stellt eine Clusia bei Manáos dar, welche unter der Krone einer kleinblätterigen Myrtacee eine zweite mit großen, lederartigen, dunkelgrünen Blättern gebildet hat. Man sieht, wie sie oben angeheftet ist und wie die dem Stamm angedrückten Wurzeln nach unten leiten.

Fast gänzlich fehlen in der eigentlichen Hylaea jene Epiphyten, die auch auf dem Boden wachsen, obwohl gerade die Hemiepiphyten und weniger ausgebildeten Formen vorwiegen. Es ist dies wohl ein Beweis, daß die Epiphyten nicht aus dem dichten Urwalde hervorgegangen sind, sondern ihren Ursprung xerophytischen Genossenschaften zu verdanken haben.

In den verschiedenen Gebieten der Hylaea ändert sich vielfach die epiphytische Vegetation. Die den Ueberschwemmungen ausgesetzten Wälder an den Flüssen mit weißem Wasser, welches eine helle, lehmige Farbe besitzt, zeigen in ihrem Baumwuchs eine schärfere Individualisierung, so daß sich vielfach die einzelnen Bäume mehr abheben. Oft sind die Baumkronen frei von Epiphyten und Lianen. Stellenweise, namentlich wo Flußströmungen den Wald durchbrochen haben, sieht man die absterbenden oder vereinzelten Bäume mit Schlingpflanzen überladen oder mit Epiphyten bedeckt.

Auch an gewissen Waldstellen, an denen sich mehr Feuchtigkeit ansammelt oder die von feuchten Winden getroffen werden, ist die epiphytische Pflanzenwelt wohlentwickelt. In solchen nassen Wäldern mit niederem und lichterem Wuchs kommen auch einige mehr hygrophytische Epiphyten vor, wie Trichomanes punctatum POIR., Asplenium juglandifolium LAM., Hecistopteris pumila J. SM. und ein Laubmoos Crossomitrium, das ebenso wie Lejeunea-Arten die Blätter vieler Pflanzen überzieht. Andererseits wachsen hier Bromeliaceen, wie Streptocalyx, Billbergia, Aechmea, Guzmania; viele Araceen wie Anthurium, Philodendron, Monstera; Peperomia und Farnkräuter in riesigen Formen, wie Polypodium decumanum WILLD., oder in ganz kleinen. Besonders in den alten Blattachseln mancher Palmen, wie Attalea und Orbignya speciosa, siedeln sich alle möglichen Gewächse an, unter denen Moraceen und Farne, besonders Anetium citrifolium SPLITZ und Nephrolepis sp. am häufigsten sind. Auch die wagrechten Aeste in den Schirmkronen der Riesen des Waldes sind oft dicht bewachsen mit Orchidaceen und anderen Epiphyten. Zuweilen kommen auch Tillandsia-Arten vor, wie die 1-2 m hohe T. adpressiflora MEZ., oder kleinere Arten, die im Amazonaswald selten sind.

In dem angrenzenden Gebiete, der sogenannten Terra firme (überschwemmungsfreies Gebiet), nehmen die Epiphyten noch mehr ab; doch richtet sich dies auch nach den Feuchtigkeitsverhältnissen. So sind sie auf sumpfigen Strecken oft noch reichlich vertreten. Die hohen Stämme sind im allgemeinen noch weniger bewachsen, und die Pflanzen, die hier vorkommen, zeichnen sich dadurch aus, daß ihre Stengel und Blätter dicht dem Stamm angedrückt sind, als wären sie mit demselben verwachsen. In dieser Art findet man Jugendformen von Araceen und Marcgraviaceen und ausgebildete Formen von Trichomanes Ankersii HOOK. et GREV., Melastomataceen und einen Cereus. Es sind dies alles Anzeichen des mehr xerophytischen Charakters der epiphytischen Pflanzenwelt des Amazonaswaldes.

Ein ganz anderes Bild bieten nun die Wälder an den Flüssen mit schwarzem Wasser, wie z. B. am Rio Negro. Zuerst fehlt hier die charakteristische Ufervegetation der Flüsse mit weißem Wasser. Das Ueberschwemmungsgebiet ist pflanzenreicher, aber weniger verschieden von dem überschwemmungsfreien Lande. Der Wald ist hier von unten an dichter, niederer und von oft mehr braungrüner Belaubung. Armut an Lianen und Epiphyten zeichnet dieses Gebiet aus. Beginnt dieser Wald aber in Savannen überzugehen, wie es auf sumpfigem und sandigem Boden oft statthat, so treten auch mehr epiphytische Gewächse auf. Auf ganz dürrem Sandboden entwickelt sich eine Formation, in der Gebüschgruppen abwechseln mit offenen SandsteIlen, die zerstreut mit Cladonia, Schizaea, Rhynchospora und Paepalanthus bewachsen·sind. Solche savannenartigen Gebiete, die Campinas genannt werden, sind nicht entstanden durch den Mangel an Feuchtigkeit, sondern durch die Dürre des Bodens. Gewisse Oertlichkeiten dieser Campinas sind nun wieder besonders reich an Epiphyten, namentlich auch an seltenen und schönen Orchidaceen, welche hier in den niederen Gehölzen sich angesiedelt haben. In gleicher Weise sind auch manche lichtere Uferregionen am Rio Negro und anderen schwarzen Flüssen bevorzugt von einer Reihe epiphytischer Gewächse, unter denen wieder, außer Orchidaceen, einige in der Hylaea so seltene Tillandsien, z. B. T. paraensis MEZ. und endemisch Araeococcus micranthus MEZ. vorkommen. Ueberhaupt gedeiht in der üppigen und mannigfaltigen Vegetation der ausgedehnten Wälder des Amazonenstromes an geeigneten Stellen auch eine interessante und reiche Epiphytenflora. Wohl mangelt es auch hier nicht an riesigen Formen, wie solche von Philodendron und Polypodium beweisen; nur ist diese Pflanzengesellschaft nicht so allgemein verbreitet und im Verhältnis ärmer an Arten.


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