Emma Uhland
Ludwig Uhlands Leben
Emma Uhland

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VII. Uhland als Lehrer an der Universität. Niederlegung seines Amtes. Ferneres Leben in Tübingen. Reise nach Wien.

1830–1838.

Groß war die Freude der Eltern, ihren Sohn nun an der Stelle zu sehen, welche er und sie schon lange für ihn gewünscht hatten. Der Großvater hatte bis in das achtzigste Lebensjahr eine Professorsstelle bekleidet, der Vater als Beamter sein Leben der Universität gewidmet; daß nun auch der Sohn hier wirken solle, machte sie ganz glücklich.

Unter der studierenden Jugend kam Uhland viel Zutrauen und Neigung entgegen. Doctor Klüpfel sagt in seinem Lebensabriß von Uhland über seine Lehrthätigkeit:

»Nach den Osterferien eröffnete er seine Vorlesungen in dem grüßten akademischen Hörsaale. Die Geschichte der deutschen Poesie im 13-14. Jahrhundert war der Gegenstand. Sein Vortrag war nicht frei; er las das sorgfältig ausgearbeitete Manuscript vor, aber mit kräftiger, markiger Stimme; man fühlte es ihm an, daß er sein Bestes gab, daß er sich mit ganzer Seele in den Stoff vertieft hatte. Das, was er vortrug, war nicht ein zum Behuf der Vorlesung im Drange des täglichen Bedürfnisses niedergeschriebenes Heft, sondern die Frucht vieljähriger Forschung. Im Sommersemester des folgenden Jahres gab er die Fortsetzung der Geschichte der deutschen Poesie im 15. und 16. Jahrhundert. So viele Geschichten der Poesie des Mittelalters wir auch seitdem in der deutschen Literatur bekommen haben, so ist doch keine vorhanden, die in wissenschaftlicher Durcharbeitung des Stoffes, wie in Frische und Schwung der Darstellung, jenen Vorlesungen Uhlands gleichkäme. Im Winter 1831-32 und im folgenden Sommer las er über romanische und germanische Sagengeschichte, dazwischen erklärte er auch zweimal das Nibelungenlied. Uhlands Vorlesungen weckten bei Manchen ein tieferes Interesse für Poesie und Geschichte und würden noch mehr Anklang gefunden haben und zahlreicher besucht worden sein, wenn nicht damals die Philosophie das Interesse der Höherstrebenden vorzugsweise in Beschlag genommen hätte. Noch mehr als durch seine wissenschaftlichen Vorlesungen wirkte er durch die Uebungen in schriftlichem und mündlichem Vortrage, die er einmal in der Woche zu halten pflegte. Es wurden hier Gedichte oder prosaische Aufsätze eingereicht und entweder von den Verfassern, oder wenn diese, was bei Gedichten häufig der Fall war, ungekannt bleiben wollten, von Uhland vorgetragen und beurtheilt. Er hatte dabei eine ungemein liebenswürdige Art, die Mängel zu rügen und andererseits das Gute anzuerkennen und die Verfasser zu ermuthigen. Nie fehlte es an Stoff; es fanden sich immer Viele ein, um sich zu betheiligen, beitragend oder zuhörend.« In einem Verzeichniß vom 1. Semester sind 49 Nummern von Beiträgen aufgeführt. Nach der ersten Vorlesung wurde Uhland durch einen stattlichen Fackelzug und ein Ständchen geehrt.

Die Freude der Wiedervereinigung mit den Eltern durfte Uhland nicht lange genießen. Im Frühjahr 1831 erkrankte die geliebte Mutter und starb am 1. Juni. Manche Nacht hat der Sohn an ihrem Bette wachend zugebracht und hatte dann am Tage ein neues Colleg auszuarbeiten und vorzutragen. Wenige Minuten nach dem Verscheiden, am Bette der Mutter, schrieb er die Strophe nieder:

Du, Mutter! sahst mein Auge trinken
Des ird'schen Tages erstes Licht;
Auf Dein erblassend Angesicht
Sah ich den Strahl des Himmels sinken.

Und als er von ihrer Bestattung zurückkam, entstand eben so schnell:

Verweh'n, verhallen ließen sie
Den frommen Grabgesang:
In meiner Brust verstummet nie
Von Dir ein sanfter Klang.

Auch der geliebte Vater wurde den Kindern kurze Zeit darauf, am 29. August, durch den Tod hinweggenommen. Wie tief ihm der Verlust der Eltern zu Herzen gieng, bezeugt das tief wehmüthige kleine Lied:

Zu meinen Füßen sinkt ein Blatt,
Der Sonne müd, des Regens satt;
Als dieses Blatt war grün und neu,
Hatt' ich noch Eltern, lieb und treu.

O wie vergänglich ist ein Laub,
Des Frühlings Kind, des Herbstes Raub!
Doch hat dies Laub, das niederbebt,
Mir so viel Liebes überlebt.

Während der Herbstvakanz kamen Schwabs mit ihrem neu gewonnenen Freund Niembsch (Lenau) zu Uhlands. Es war eine wohlthätige Erheiterung für ihn. Mancher Gang in die schöne Umgebung Tübingens wurde mit den Freunden unternommen; häufig nahmen auch die gemeinsamen Freunde, Paul und Gustav Pfizer, Theil an solchen Gängen. Mit Paul Pfizer wurde Uhland in der letzten Zeit seines Stuttgarter Aufenthalts durch Schwab bekannt. Pfizer wurde noch vor Uhlands Ernennung als Assessor an den Gerichtshof in Tübingen versetzt. Die beiden Männer wurden bald innig befreundet. Die gemeinsame Liebe zum deutschen Vaterlande beseelte Beide. Der jüngere Bruder, Gustav Pfizer, war dem Schlüsse seiner Studien nahe; er war ein eifriger Zuhörer Uhlands und seine dichterische Begabung brachte für das Stylistikum sehr willkommene Beiträge.

Niembschs liebenswürdiges Wesen und sein Dichtertalent machten ihn Uhland sehr werth; er hatte aber frühe schon ein fast ahnungsvolles Gefühl von dem Krankhaften in Niembschs Stimmung.

Ein zweiter Besuch von Schwab mit einer Anzahl Stuttgarter Bürger war für Uhland minder harmlos und zeigte sich später als folgenschwer. Es waren Stuttgarter Wahlmänner, die Uhland zur Annahme einer Wahl in die bevorstehende Ständeversammlung als Repräsentant ihrer Stadt zu bestimmen strebten. Die Vorgänge in Frankreich hatten die Hoffnungen der freisinnigen Partei unter der Stuttgarter Bürgerschaft neu belebt, und da auch Uhland die Ansicht theilte, daß die Verwirklichung der Verfassungsrechte und die Bestrebungen für eine innigere Verbindung der deutschen Stämme, als unter dem Bundestage bisher möglich war, mehr Aussicht hätten durchzudringen, so glaubte er sich dem Eintritt in die Kammer bei einer auf ihn fallenden Wahl nicht entziehen zu dürfen, so schwer ihm auch aus verschiedenen Gründen der Entschluß wurde. Am 3. Juni 1832 wurde er in Stuttgart, und Paul Pfizer in Tübingen gewählt. Beide wohnten dann auch Versammlungen der liberalen Abgeordneten von Württemberg und von gleichgesinnten Freunden in Boll und in Echterdingen an. Die Regierung, in der klugen Berechnung, daß die hochgehenden Wogen sich mit der Zeit legen könnten, verschob die Einberufung der Kammer so lang, als es nur immer möglich war, bis zum 15. Jan. 1833. Paul Pfizers Buch, Briefwechsel zweier Deutschen, war in dieser Zeit erschienen und hatte großes Aufsehen gemacht. Er wurde von der württembergischen Regierung sehr übel darum angesehen und nahm seine Entlassung aus dem Staatsdienst. So sehr die Ansichten von Pfizer und Uhland in allen andern Punkten übereinstimmten, so war dieses bei Pfizers Ausführung, daß Preußens König an die Spitze von Deutschland gestellt werden sollte, weniger der Fall, weil Uhland dieses ohne Ausschluß von Oesterreich nicht für möglich hielt.

Die Beschlüsse des deutschen Bundestags vom 28. Juni 1832, die die Verfassungsrechte so sehr bedrohten, machten auf Uhland tiefen Eindruck, wie der nächste Brief zeigt.

Uhland an Professor v. Rotteck.

Tübingen, 14. Juli 1832.

»Hochwohlgeborner, hochverehrter Herr!

Sie haben mir die Ehre erwiesen, im Namen der Redaction des Freimüthigen mich zu Beiträgen für denselben einzuladen. Es hat sich mir bei allem Interesse für die vaterländischen Angelegenheiten doch niemals ein besonderes Geschick für politische Ausführungen ergeben, und so steht mir auch jetzt nichts zu Gebote, was ich der geehrten Redaction einsenden könnte. Aber die jetzige Zeit kann zu Manchem einüben, was man vorher nicht gelernt, und so ist es für mich von größtem Werthe, mir vorkommenden Falles die Blätter dieser liberalen Zeitschrift geöffnet zu wissen und dadurch in Verbindung mit Männern treten zu können, deren Verdienste für die Sache der bürgerlichen Freiheit ich so hoch stelle.

Mit der aufrichtigsten Verehrung beharre ich Eurer Hochwohlgeboren gehorsamster Diener L. U.«

Im Herbste, nach dem Schlusse der Vorlesungen, machten Uhlands wieder eine Schweizerreise und dieses Mal glückte ihnen die Besteigung des Rigi besser, als die zwei früheren Male; sie konnten bei klarem Himmel die Aussicht, und Abends und Morgens die herrlich beleuchteten Schneeberge des Berner Oberlandes genießen. Ueber den Vierwaldstättersee fuhren sie dann nach Altdorf und Bürglen, das Uhland als Tells Geburtsort immer anziehend war, stiegen das Schächenthal und den Gebirgspaß zwischen den Klariden hinauf und gelangten bei schon angebrochener Nacht noch glücklich ins Linththal, nach Stachelberg hinab. Den Schluß der Reise bildete auch in diesem Jahre wieder ein Besuch bei dem Freunde in Eppishausen.

Uhland hatte seine Antrittsrede an der Universität lange verschoben, weil ihm bei seiner Ernennung im Ministerium gesagt worden war, sie könne ihm erlassen werden; da aber die Ansicht in Tübingen eine andere war, so mußte er sich doch noch dazu entschließen. Er entwickelte dabei die Sage von Ernst, Herzog von Schwaben. Da nach der Vakanz die Zeit bis zum Beginn der Ständeversammlung nur noch kurz war, so konnte er keine Vorlesung mehr beginnen, und da er später, durch die Ereignisse gedrängt, um seine Entlassung einkam, so war diese Antrittsrede – eine eigene Ironie des Zufalls – Uhlands letzte akademische Thätigkeit. Deßhalb sagte er später: die obligate Musik dabei habe ihm »abgeblasen.«

Nach dem Neujahr 1833 bezog Uhland mit seiner Frau eine Interims-Wohnung in Stuttgart. Auch bei diesem Landtag wurde er in der Commission mit der Dankadresse beauftragt. Schon in der Commission, und noch mehr in der Kammerberathung, in geheimer Sitzung, wurde jeder Satz, der eine entschiedene Farbe trug, verwischt, die neuesten Bundesbeschlüsse, die die Verfassung bedrohten, sollten nicht erwähnt werden, so daß Uhland endlich selbst gegen die Adresse stimmte. Erfahrungen dieser Art mögen ihn später in seinem Gedichte »Wanderung« zu der Stelle veranlaßt haben: »Nur nichts mein Lieber, nur nichts vom Bundestag!«

Die am 13. Febr. eingebrachte Motion des Abgeordneten Pfizer gegen die Bundesbeschlüsse vom 28. Juni 1832 wurde von der Regierung so übel aufgenommen, daß der Geheimerath, noch ehe die Kammer an die Berathung kam, in einem Rescript einzelne Behauptungen der Motion, als »ungegründet und eben so wenig mit den Verhältnissen des Königs zum deutschen Bunde, als mit dessen Souveränetätsrechten vereinbar« bezeichnete und hiernach die Erwartung für gerechtfertigt erklärte, »daß die Kammer der Abgeordneten die Pfizer'sche Motion mit verdientem Unwillen verwerfen werde.« Nicht nur bei den Meinungsgenossen von Pfizer, auch bei den ruhigeren Kammermitgliedern, wenn sie auf die Rechte und die Ehre der Stände hielten, mußte dieses Ansinnen der Regierung einen bittern Eindruck machen. Die staatsrechtliche Commission, von welcher Uhland und Pfizer Mitglieder waren, wurde mit der Berathung über dieses Rescript beauftragt und am 7. März trug Uhland als Berichterstatter der Commission eine feste, entschiedene Antwort an den Geheimenrath vor. Die Regierungspartei strengte alle ihre Kräfte an, um diese Antwort zu hintertreiben, und jede Entgegnung für jetzt, bis auch die Motion selbst berathen sei, zu verschieben. Obwohl sonst die Opposition in der Minderzahl war, wie bei der sogenannten Demagogenfrage und der über die Wahl des Freiherrn von Wangenheim, so fühlten sich doch in diesem Falle auch manche andere Kammermitglieder gedrungen, nachdem die Adresse manche ihrer schärfsten Kanten durch ihre Amendements eingebüßt hatte (so daß Uhland bat, »die Adresse doch nicht ganz auszubeinen«), dieses Mal mit der Opposition zu stimmen. Im Laufe der Debatte hatte Uhland erklärt, daß er die Motion auch zur seinigen mache. Die Adresse schließt mit dem Satze: »Nimmermehr würden wir uns bestimmt finden können, eine Motion mit Unwillen zu verwerfen, welche uns noch unabhängig von unserem Urtheil über die Hauptfrage, den Eindruck gewissenhafter Forschung von Seiten des Verfassers zurückließ. Vornehmlich halten wir uns aber für verpflichtet, gegen die vorgreifende Einschreitung in den gemessenen Gang unserer Verhandlungen, wie solche durch den Erlaß vom 27/28. Febr. geschehen ist, eine Einschreitung, wodurch uns für die Beschlußnahme selbst die Gemüthsstimmung angesonnen wird, sowohl die Freiheit der Kammer als die verfassungsmäßige Unverantwortlichkeit des einzelnen Mitgliedes derselben hiemit feierlich zu verwahren.« Dieser Erklärung folgte nach wenigen Tagen die Auflösung der Kammer und neue Wahlausschreiben. Auch in die neue Kammer wurde Uhland nach einem hitzigen Wahlkampf wieder gewählt. Er erhielt zwar nur Stimmengleichheit mit dem Obertribunalpräsidenten Volley, welcher sonach als der Aeltere in die Kammer zu treten gehabt hätte, aber die Wahl nicht annahm. Als Staatsdiener hatte Uhland die Genehmigung zum Eintritt von der Regierung nöthig, welche ihm aber versagt wurde. In dem Rescript an das Rectorat der Universität wird diesem der Auftrag ertheilt, dem Professor Uhland zu eröffnen:

»Daß, da er auf dem aufgelösten Landtag bei den Verhandlungen über die bekannte Pfizer'sche Motion theils als Verfasser der Antwortsadresse auf das Geheimerathsrescript, theils durch die bei der Berathung dieser Adresse abgegebene Erklärung, wonach er ohne allen besondern Anlaß, gleichsam dem Tadel des Geheimenraths zum Trotze, die Pfizer'sche Motion nachträglich auch zu der seinigen machte, ein Benehmen sich erlaubt hat, das, wie wenig es auch die Rechtssphäre des Abgeordneten an und für sich überschreiten mag, doch mit der äußeren Achtung, welche der Staatsdiener gegen die Staatsregierung, selbst als Mitglied »einer ständischen Opposition, nicht außer Augen setzen darf, im offenen Widerspruch steht, ihm der nachgesuchte Urlaub zum Behuf seines abermaligen Eintritts in die Ständeversammlung unter Beibehaltung seines Amts nicht ertheilt werden könne.«

Die Ehre gebot Uhland, das ihm theure Amt zum Opfer zu bringen und um seine Entlassung in folgendem Schreiben einzukommen.

Professor Dr. L. Uhland kündigt seine Staatsdienststellung ehrerbietigst auf.

»E. K. Majestät!

Durch das akademische Rectoratamt wird mir so eben ein aus K. Ministerium des Innern des Kirchen- und Schulwesens ergangener Erlaß vom 14. d. M. auf meine Eingabe vom 10. ebd. dahin eröffnet: »daß mir der nachgesuchte Urlaub zum Behuf meines abermaligen Eintritts in die Ständeversammlung unter Beibehaltung meines Amtes nicht ertheilt werden könne.«

Diese Verfügung des provisorischen Departements-Chefs, über deren beigefügte Motive ich mich hier jeder Aeußerung enthalte, nöthigt mich, den bisher von mir bei hiesiger Universität bekleideten Staatsdienst hiemit aufzukündigen.

In größter Ehrerbietung

E. K. M. Dr. L. Uhland.«

Tübingen, 16. November 1833.

Nun mußte Uhland aber auch noch um seine gleichbaldige Entlassung einkommen, um in die Kammer treten zu können, worauf wieder an das Rectorat die Antwort des provisorischen Departements-Chefs, Staatsraths Schlayers, einlief:

»Da S. K. M. vermöge höchster Entschließung vom gestrigen Tage dem Professor Dr. Uhland an der Universität Tübingen auf dessen dießfallsige Eingaben vom 16. und 19. d. M. die nachgesuchte gleichbaldige Entlassung aus dem Staatsdienste sehr gerne zu ertheilen geruht haben, so wird solches dem akademischen Senat in Tübingen zu erkennen gegeben, um hievon dem Dr. Uhland Eröffnung zu machen und das Weitere zu besorgen.

Schlayer.« Stuttgart, 22. Mai 1833.

Uhland reiste nun sogleich nach Stuttgart ab, um sein mühevolles Amt daselbst wieder anzutreten. Wie viel lieber und seiner Natur angemessener wäre das Fortwirken in seinem Lehrberufe für ihn gewesen, wenn ihn seine Ueberzeugung nicht zum Wiedereintritt in die Kammer gedrungen hätte! Die Regierungspartei hatte sich in der neuen Kammer doch etwas verstärkt und fest organisirt; auch wurden durch die Nothwendigkeit, das Budget zuerst zu berathen, die staatsrechtlichen Fragen verschoben, und als dann dieses von der Mehrheit verwilligt war, so wurde im December die Kammer vertagt. Von den staatsrechtlichen Fragen kam nur die eine Motion von Schott über die Herstellung der Preßfreiheit nach der Berathung in der staatsrechtlichen Commission auch zur Berathung und Abstimmung in der Kammer. Aus Uhlands Rede zur Unterstützung von Schotts Antrag, »die Regierung um Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Preßfreiheit durch Aufhebung der Censur zu bitten,« führen wir einige Stellen an:

»Von allen staatsrechtlichen Fragen, die in dieser Kammer angeregt wurden, von den Interessen, die man den materiellen gegenüber die geistigen nannte, ist einzig die Frage von der Preßfreiheit zur Begutachtung und nun auch zur Berathung durchgedrungen. So oft aber auch diese Frage in Erinnerung gebracht wurde, war es immer, als ob ein Gespenst durch den Saal schritte, etwa der Geist eines Erschlagenen. Ich gebe dieser Scheue keine feindselige Deutung, sondern die billigste. Es war eine alte Verheißung: »ein freies großes Deutschland, lebenskräftig und in Einheit gehalten, wiedergeboren aus dem ureigenen Geiste des deutschen Volkes, sollte wieder unter den Völkern Europa's erscheinen.«

Das hatten nicht deutsche Demagogen verkündigt, sondern mächtige Monarchen den Völkern zum Lohne ihrer Anstrengungen verheißen. Aehnliches wurde auch zur Weihe des neueröffneten Bundestags ausgesprochen. Die deutschen Völker harrten in unermüdlicher Geduld auf die Erfüllung dieser Verheißungen, sie verharrten geduldig, auch nachdem sie den Glauben an die Erfüllung derselben aufgegeben hatten. Selbst einzelne thätliche Ausbrüche der Ungeduld stehen in keinem Verhältniß mit der vorherrschenden Ruhe in der großen Masse des Volkes. Es war aber auch in der That nicht möglich, daß die verheißene Verjüngung Deutschlands in Erfüllung gehe. Sie sollte heraustreten aus dem Geiste des Volks. Diesem Geiste aber war kein Organ geschaffen, kein Feld freier Wirksamkeit für das große Erneuerungswerk eröffnet. Im Gegentheil wurde dieser Geist in immer engere Bande geschlagen. Die Beschlüsse, wodurch die Preßfreiheit vernichtet, Bücher und Zeitblätter verboten, die öffentlichen Verhandlungen der Volkskammern unter besondere Aufsicht gestellt, Vereine und Versammlungen untersagt, gemeinschaftliche Vorstellungen an den Bundestag über öffentliche Angelegenheiten für ungesetzlich erklärt wurden, alle diese Beschlüsse waren nicht geeignet, den ureigenen Geist des deutschen Volkes zur Gestaltung zu bringen. Gleichwohl hat derselbe jezuweilen ein Lebenszeichen gegeben. Die Julirevolution des Jahres 1830 gab nicht blos den politischen Ideen des weltbürgerlichen Liberalismus neues Leben; sie erweckte auch ein Gefühl von mehr natürlicher als politischer Art, das Nationalgefühl. Auch in der deutschen Eiche hob es wieder zu rauschen an. Die Volksstämme der vorliegenden constitutionellen Bundesstaaten betrachteten sich und sahen ihre Blöße. Ohne selbstständige Macht, ohne Anhalt in einem größeren Verbande, dem sie mit Neigung und Vertrauen angehört hätten, standen sie in dumpfer Erwartung, ob sie, bei ausbrechendem Kampfe, mit Aufopferung deutschen Nationalgefühls dem Zuge der liberalen Ideen, oder im deutschen Bundesheere der Fahne des Absolutismus folgen würden. In diesem peinlichen Zustand der Unentschiedenheit mußte die Erinnerung an jene alte Verheißung von einem mächtigen zugleich und freien Deutschland schmerzlich wiederkehren. – – Statt daß nun ein großartiger Entschluß diesen neuerwachten Regungen des deutschen Nationalgefühls entgegen gekommen wäre, und sich derselben zu schöner Entwicklung bemächtigt hätte, folgten sich Schlag auf Schlag weitere und verstärkte Hemmungen und Gewaltmaßregeln. Selbst die unschuldigen Hülfrufe deutscher Staatsbürger an den Bundestag zu Gunsten des mit der Verzweiflung ringenden polnischen Volkes waren strenge zurückgewiesen, und zum Anlaß genommen worden, die Thore des Bundespalastes gemeinschaftlichen Vorstellungen über öffentliche Angelegenheiten für immer zu verschließen.

Nur vereinzelt bestand noch in den minder mächtigen Staaten der ständische Organismus. Es gehört zur Unnatur der deutschen Zustände, daß das Repräsentativsystem nur in den kleineren Bundesstaaten sich begründet hat. Die schwächeren Schultern sollen die Träger der großen Volksrechte sein .... Ermüden wir dennoch nicht, unsre ehrenvolle Bürde, das künftige Eigenthum des gesammten Deutschlands, einer helleren Zukunft entgegenzutragen. Rechte und Freiheiten, die in unserer Pflege mühsam gedeihen, können, wenn wir sie nur treulich schirmen und furchtlos vertheidigen, einst noch von größeren Volksvertretungen und in der Mitte selbstständiger Bundesstaaten von einer deutschen Nationalversammlung zu voller und segensreicher Entfaltung gebracht werden.

Die Frage von der Preßfreiheit ist geeignet, alle übrigen Fragen, welche die freie Entfaltung des Volksgeistes angehen, zu vertreten und in sich aufzunehmen. Unterliegen wir auch im Kampfe für sie, einem Kampfe der geistigen, der moralischen Kraft gegen die mechanische, so werde ich doch niemals das Vertrauen aufgeben, daß der ureigene Geist eines großen reich begabten Volkes einst noch diesem die würdige Stellung erringen werde, die ihm nicht bloß von Monarchen dieser Erde verheißen, sondern von einer viel höheren Macht angewiesen ist.«

Schotts Antrag in dieser Sache erhielt zwar die Mehrheit, blieb aber, wie zu erwarten war, von der Regierung unberücksichtigt.

Ueber das Budget gab Uhland seine Stimme mit folgenden Worten ab: »Die Abstimmung über das Budget ist die Blume aller vorangegangenen Abstimmungen. Früher ausgesprochene Gesinnungen verlieren ihre Geltung, wenn sie hier nicht die Probe halten. Ich meines Theils würde mit meinem ganzen bisherigen Verfahren in Widerspruch gerathen, wenn ich jetzt für die Verwilligung stimmte. Von den Verfassungsfragen, auf die ich besonderen Werth legte, ist keine erledigt. Ueber die Bundesbeschlüsse vom 28. Januar 1832, deren praktische Bedeutung wohl nicht lange mehr zweifelhaft sein wird, hat keine Berathung stattgefunden. Durch Unterdrückung der Preßfreiheit ist die Verfassung in einem der wichtigsten Rechte verletzt; darum kann es mir nicht genügen, um Herstellung dieses verfassungsmäßigen Rechtes zu bitten. Mit einer solchen Bitte ist gar nichts geschehen, wenn zugleich zur Fortsetzung des verfassungswidrigen Zustandes die Mittel dargebracht werden. Das Steuerverwilligungsrecht steht mir nur durch die Verfassung zu, ich darf es auch nur für diese, für den von ihr begründeten Rechtszustand gebrauchen. Im Laufe der Etatsberathung selbst bin ich nach Form und Gegenstand bei vielen und erheblichen Abstimmungen in der Minderzahl geblieben. Vorzüglich finde ich den Aufwand für die Departements des Kriegswesens und der auswärtigen Angelegenheiten, welch' letzteres zu den unserem Verfassungsleben feindseligen Beschlüssen mitgewirkt hat und solche täglich vollzieht, weder der Größe unseres Landes angemessen, noch den wahren Interessen desselben förderlich. Dagegen sind die Anerbietungen der Kammer für Zwecke des Unterrichts und der Volksbildung, worin ich unsere wahrsten Interessen erkenne, nicht angenommen worden. Unter solchen Umständen stimme ich, meinen früheren Abstimmungen getreu, auch hier mit Nein.«

Kurz vor dem Schlusse des Jahres wurde die Kammer vertagt und Uhland konnte nun wieder nach Hause zurückkehren, aber leider nicht mehr zu dem ihm so werthen Amte, das er so lange sich gewünscht und gerne versehen hatte. Wer es beobachten konnte, mit welch' herzlichem Vertrauen ihm viele seiner Zuhörer ergeben waren, wie sein männlich fester und doch milder Sinn sie ansprach, der mußte, zumal beim Blick auf das fruchtlose Ringen in der Kammer, es beklagen, daß diese Wirksamkeit ein so frühes Ende finden sollte. Zum Zeichen ihrer Anhänglichkeit wurde ihm nach seiner Zurückkunft von einer Deputation der Studentenschaft ein schöner silberner Pokal übergeben, welcher in einem Kranze von Eichenlaub die Inschrift enthielt: »Dem Meister deutschen Rechts und deutscher Kunst. Die Studierenden der Universität Tübingen.« Auf dem Deckel hält ein ruhender Löwe eine kleine Tafel mit der Inschrift: »Das alte Recht.«

Auch von seinen Stuttgarter Wählern wurde Uhland durch das Geschenk eines kostbaren Kunstwerks, eines großen silbernen Pokals, geehrt. Die Zeichnung dazu war von Maler Schnitzer, die meisterhafte Ausführung von Commerzienrath Sick. Den untern Theil des Pokals bildet eine gar schön modellirte Jünglingsgestalt, mit dem Schwert in der Hand, den andern Arm um den Stamm einer Eiche geschlungen. Am Baume lehnt der Schild mit der Aufschrift: Wahrheit. Die Trinkschale selbst zeigt an ihrer äußern Seite die vier Stände, den Handel mit der abgebrochenen Zollschranke, den Lehrstand, die Kunst und den Ackerbau. Den Deckel schmückt ein goldner Lorbeerkranz und eine Lyra. Frauen und Jungfrauen Stuttgarts wollten Uhland auch durch ein Zeichen ihrer Liebe ehren. Ihre kunstreichen Hände vereinigten sich zur Fertigung eines höchst geschmackvollen Arbeitssessels und Fußteppichs. Während des Landtags wurde Uhland durch einen Brief von Ferdinand Wolf aus Wien erfreut, von dem hier ein Auszug folgt.


Wien, 16. August 1833.

»Indem ich mir die Freiheit nehme, Ew. Wohlgeboren ein Exemplar meines Werkchens über das altfranzösische Epos zu übersenden, erfülle ich nur die Pflicht der Dankbarkeit. Denn fast auf jeder Seite habe ich Ihren trefflichen Aufsatz über diesen Gegenstand benützt und angeführt, und er ist trotz der neueren Leistungen der Franzosen mein sicherster Führer, ja die Grundlage meines Büchleins geblieben – – –«

Es war für Uhland immer eine wahre Erholung, wenn er von den aufregenden Landtagsbeschäftigungen durch etwas von außen Kommendes wieder auf die eigenen Studien geführt wurde. Vereinigen konnte er die verschiedenen Beschäftigungen nicht, die politischen Gedanken ließen ihn nicht los, auch wann er Zeit zu Anderem gehabt hätte, was während dieser Session schon öfters der Fall gewesen wäre, weil er nicht wie früher in Commissionen beschäftigt war.

Zu Hause angekommen, versenkte er sich dann in seine Forschungen und arbeitete am Mythus vom Thor.

Ob ihm die Stille des Hauses oder die ungestörte Arbeit wohl that, unerwartet regte sich die Lust zum Dichten im Frühling und Sommer 1834. Wie in seiner Jugend folgte eine Zeitlang ein Lied dem andern. In einem Heftchen, in welches er die meisten der Dichtungen eintrug, welche er für den Druck bestimmte, finden sich folgende mit dem Datum der Ausführung eingetragen.

15/16. März Die Bidassoabrücke, 2. April Dichterseegen. Am gleichen Tage Die Lerchen. 15. April Die Geisterkelter, 27. Mai, mit dem Beisatze: auf dem Wege nach Pfullingen: Maienthau. Ebendamals zu Unterhausen: Die versunkene Krone. 14. Juni Von den Sterbeklängen Nr. 2 und 3: Die Orgel und die Drossel. 16. Juni Die Todtenglocke (Nachruf 6). Ebendamals Die Birke (in Schildeis). 20. Juni Die Glockenhöhle, 22. Abendwolken, 22/23. Juni Sonnenwende, 28/29. Reisen, 7. Juli Die Malwe, 8. Juli Wein und Brod, 20. Juli Das Singenthal, 23. Das versunkene Kloster, 26. Das Glück von Edenhall. Auf diesen Liederfrühling kommt dann wie ein trüber Herbsttag am 6/7. Octbr.: Wanderung.

Schon in der Blüthezeit von Uhlands Dichten finden wir die gleiche Erscheinung von rasch sich folgenden Liedern, wie wenn Ein Lied das andere weckte, und dann wieder von langen Pausen, ohne daß in seinem äußern Lebensgang ein Grund für diesen Wechsel zu finden wäre.

Von jetzt an begegnen wir dieser anhaltenden dichterischen Stimmung nicht mehr bei Uhland und nur vereinzelt und nach längeren Pausen entsteht ein neues Lied. Aus der ersten Jugendzeit, vom Jahr 1804, findet sich ein ungedrucktes Lied von ihm, das fast einer Prophezeiung oder einem frühen Grundsatz über das Dichten in späteren Lebensjahren gleichen könnte.

Laßt uns Freude kosten, Freude singen,
Weil die Jugend in der Fülle blüht!
Will der Mann noch mit der Muse ringen,
Wird's ein ernstes dämmerichtes Lied.
Will der Greis die goldnen Saiten rühren:
Wird's ein Denkspruch, seinen Stein zu zieren.

Es wurde an einer neuen Auflage (der achten) der Gedichte gedruckt, als die oben bezeichneten Gedichte entstanden; so konnten die meisten davon, gleich vom Herzen weg, eingereiht werden. Von nun an erschien fast jährlich eine, öfters auch zwei Ausgaben in einem Jahr, auch wurden die Ausgaben späterhin von einem Tausend auf zweitausend Exemplare erhöht. Die Sangbarkeit der Lieder veranlagte, daß viele davon componirt wurden, von Glück, Kreuzer, Silcher, später auch von Mendelssohn und Anderen, was auch zur Verbreitung der Gedichte beitrug. Der folgende Brief Uhlands bezeichnet die Art seiner geschäftlichen Verbindung mit der Cotta'schen Buchhandlung.

Uhland an den Kammerherrn G. von Cottentdorf.

»Euer Hochwohlgeboren

haben die Güte gehabt, mir das Honorar für die achte Auflage mit 1000 fl. nebst 24 Freiexemplaren selbst zu übersenden, wofür ich meinen ergebensten Dank bezeige und mir erlaube, die der Buchhandlung nöthige Quittung hier anzuschließen.

Da ich selbst nicht mehr als das bisherige Honorar in Anspruch genommen hatte, so ist nun nur zu wünschen, daß der Erfolg der vermehrten Sammlung dem erhöhten Honorar und der übrigen Ausstattung entsprechen möge.

Meine Frau beauftragt mich, für die ihr früher schon gütig überschickten Exemplare des schön gearbeiteten Bildnisses Ihnen verbindlichst zu danken.

Verehrungsvoll verharre ich

Euer Hochwohlgeboren

gehorsamster

L. U.«

Nach einem Besuch, den Niembsch von Strehlenan bei Uhland machte, schreibt Niembsch an seinen Schwager Schurz nach Wien über diesen Besuch:

– – »Neulich war ich mit Mayer bei Uhland in Tübingen. Er war wieder ganz Poet, die leidige Politik ist wenigstens bis zum nächsten Landtag abgeschüttelt. Er war auch ganz Freund und ich hatte ihn nie so liebenswürdig getroffen: Es ist ein schöner Zug in seinem Charakter, diese wahrhaftige Freude an den poetischen Bestrebungen eines Andern. Das Urtheil eines solchen Mannes wiegt Bibliotheken von Recensionen auf. Ich las ihm einige Faustiana vor, und zwar die nächtliche Scene im Walde mit der Johannisprocession las ich ihm, ohne es zu wissen, gerade in der Johannisnacht. Er hatte große Freude daran. Von seinen Gedichten wird jetzt schon die achte Auflage gedruckt. Am Johannistag machten wir, nämlich Uhland sammt Frau, Mayer und ich einen Ausflug nach Niedernau, einem hübschen Badort. Auf dem Wege wurde sehr viel über Poesie verhandelt, bis in die kleinsten praktischen Details. Uhland spricht sehr gründlich und ist gewandt im Denken und scharf im Auffassen fremder Ansichten. Schwab äußerte einmal gegen mich seine Verwunderung, daß Uhland mit so viel Poesie so viel Schärfe des Urtheils vereinige, mich wundert das gar nicht. Ohne scharfes Urtheil kann man bei der glücklichsten poetischen Fähigkeit nichts schreiben, das da fertig ist, klippt und überall klappt. Mayer sprach weniger, der Bescheidene schien mehr seine Freude daran zu finden, daß er die Freunde hörte und genoß« – –

Die Liebe zu Kindern veranlaßte Uhlands, denen der Himmel die Freude eigener Kinder versagt hatte, einen Knaben von fünf Jahren, Sohn eines früh gestorbenen würdigen Geistlichen, Dekan Steudel, zu sich zu nehmen und zu erziehen. Gott hat diesen Entschluß mit seinem Segen begleitet, der kleine Wilhelm wuchs fröhlich und gesund heran und vergalt Liebe mit Liebe, ohne seiner Mutter und seinen Geschwistern fremd zu werden. Uhland folgte bei seiner Erziehung dem Beispiele seiner eigenen Eltern und ließ den Knaben sich frei entwickeln, dem guten Grunde vertrauend, den Wilhelms Eltern früh schon gelegt hatten. Wer neben Uhland aufwachsen durfte, seinen religiösen Sinn, seine Liebe zu seinen Mitmenschen, seine Seelenreinheit und Wahrhaftigkeit und seinen rastlosen Fleiß täglich vor Augen hatte, brauchte auch nicht viele in Worte gefaßte Lehren.

Außer diesem Pflegesohn hatte Uhland, seitdem er in Tübingen wohnte, fast immer den einen oder den andern jungen Anverwandten bei Tische, wohl auch im Hause, so lange die Studienzeit währte. So verschieden die Naturanlagen dieser jungen Leute auch waren, so gewannen doch Alle den Onkel Uhland von Herzen lieb, seine edle Männlichkeit war ein leuchtendes Beispiel für sie.

Eine Reise, die von Uhlands im Sommer 1834 in das bayrische Gebirge nach Partenkirchen, an den schönen Achensee, dann nach München, Regensburg, Bamberg, Würzburg unternommen wurde, machte ihnen um so mehr Freude, als der Jugendfreund Karl Mayer, Oberamtsrichter in Waiblingen, zum Theil dabei ihr Begleiter war. Im September wartete Uhlands eine andere Freude. Auf einer größeren Reise nach Westphalen begriffen, verweilte Herr von Laßberg wieder einige Tage in ihrem Hause. Ein solcher Besuch war Uhland immer ein Fest und niemand würde ihn da wortkarg gefunden haben. Schmeller von München und Hoffmann von Fallersleben erfreuten Uhland auch durch ihren werthen Besuch.

Den Winter von 1834–35 widmete Uhland fast ausschließlich dem Studium der nordischen Mythologie und der Abfassung der ersten Frucht dieses Studiums, seines Thors, der 1836 ausgegeben wurde. Im Sommer 1835 führte ihn das Suchen nach alten Volksliedern den Rhein hinab, nach Cöln. Ein eigenes Zusammentreffen war es, daß er in Cöln im gleichen Gasthof mit dem König von Württemberg zu wohnen kam. Uhland wurde daselbst von einem großen Zuge Sänger und patriotischer Gesinnungsgenossen mit einem Ständchen überrascht.

Die erste Hälfte des Jahrs 1836 mußte er wieder in Stuttgart bei einem unerquicklichen Landtag zubringen.

Auch hatte er den Schmerz, die einzige Schwester, die ihm so theuer war, während dieser Zeit zu verlieren.

Nach dem Schlusse des Landtags bezog Uhland ein neugekauftes Haus, das ihm durch seine freundliche Lage an der Neckarbrücke und durch den großen Garten, der hinter dem Hause terrassenförmig am Oesterberg hinaufführt und den weiten Ausblick über das Neckarthal gewährt, lieb wurde. Mancher Freund Uhlands wird sich erinnern, mit welchem Behagen er ihn in seinen Garten führte, ihm mit heimathlichem Stolze von dort aus die Gegend zeigte und in traulichem Gespräche mit ihm oben weilte. Wir erinnern uns besonders auch eines solchen traulichen Morgens mit Anastasius Grün. Bis in das hohe Alter, bis zu seiner letzten Krankheit stieg er mit Leichtigkeit die vielen Treppen zu der oberen Terrasse hinan. Bei mancher frohen Weinlese versammelten sich die Tübinger Freunde mit ihren Kindern dort oben, da ein Theil des Berges mit Reben bepflanzt war. Uhland war dann ein recht heiterer Wirth, hatte meistens zwei Kinder der Gäste an den Händen, aus liebreicher Sorge für sie, und Abends half er eifrig beim Abbrennen des Feuerwerks. Aber auch allein war er sehr gerne oben, in seine Arbeiten vertieft. Viel beschäftigte ihn auch der Wolken und des Windes Zug. Er war ein guter Wetterprophet, theilweise auch aus körperlicher Empfindung, denn das Herannahen eines Gewitters fühlte er durch einen Druck auf den Kopf lange vorher, ehe Andere seine Nähe ahneten.

Ueber den »Thor« schreibt Freund Laßberg am 21. August 1836 wie folgt:

»Ich danke Ihnen herzlich für die Mittheilung Ihrer Sagenforschungen. Ich habe bereits ein halbhundert Seiten in Ihrem Thor gelesen und es kam mir oft vor, als wenn ich es schon einmal gelesen hätte; als ich die Sache näher betrachtete, fand sich, daß es Ihre Darstellung, Ihre Ansicht, Ihre Erklärung war, die mich so ansprach, ich möchte sagen: anheimelte; denn ich hatte von Anfang, als ich mit diesen Mythen bekannt wurde, bis nun, sie beinahe immer so angesehen und aufgenommen, wie ich sie in Ihrem Buche vorgetragen finde; auch habe ich wieder eine Klarheit und Gediegenheit in diesem Opusculum gefunden, welche mich immer in Ihren Schriften, selbst in Ihren poetischen, so sehr erfreute. Aber welchen großen Plan, mein Freund! haben Sie sich vorgezeichnet! Ich fürchte, daß die nordische Mythologie allein Ihre Zeit auf viele Jahre in Beschlag nehmen werde; wo bleiben Zeit und Raum für unsere Lieder? – –«

Freund Schmeller schreibt aus gleicher Veranlassung:

»Ihre Darstellung hat uns jenes großartige, sinnbildliche Volksepos des Nordens vom Werden, Wirken und Vergehen der Welt und ihrer Kräfte freundlich und anschaulich genug gemacht. Und damit mögen wir zufrieden sein, da von Früherem, aus welchem auch diese in ihrem Dogmatismus schroffen und abenteuerlichen Phantasiegebilde hervorgegangen sein dürften, kaum mehr irgend schriftliche Kunde zu hoffen ist. Hätten wir nur auch von Lappen, Finnen, Letten, Slaven wenigstens so viel so Altes wie vom germanischen Norden.«

Uhland an Professor A. W. Strobel in Straßburg.

Tübingen, 1. November 1836.

»Verehrtester Herr Professor!

Daß Sie in Gemeinschaft mit Herrn Collard meine mythologische Arbeit in das Französische übertragen wollen, gereicht mir sehr zur Ehre und Freude. Ist meine Schrift überhaupt geeignet, in Frankreich einigen Anklang zu finden, so wird eine Bearbeitung aus so befreundetem Sinn und durch so geschickte Hände, von der Sie mir bereits eine Probe gefälligst überschickt haben, das Beste dazu thun. Mit Vergnügen würde ich die Verlagshandlung auffordern. Ihnen die Bogen der Fortsetzung zugehen zu lassen, wenn ein zweiter Theil wirklich schon druckfertig wäre. Allein er muß erst geschrieben werden.

Als Mitglied unserer Abgeordnetenkammer war ich acht Monate von Haus entfernt und größtentheils auch meinen Studien entfremdet, zu denen ich erst kürzlich zurückgekehrt bin. Die Ungewißheit, ob und wann ich jene Arbeit fortzuführen im Falle sein werde, veranlaßte mich, dem ersten Heft auch den besonderen Titel zu geben, wodurch es als Monographie für sich bestehen könnte. Zwar beabsichtige ich, nun auch den Mythus von Odin zu behandeln, aber dazu sind mir noch so manche Vorarbeiten nöthig, daß ich die Zeit der Beendigung noch nicht zu bestimmen vermag, wenn mir auch die Lust zum Werke ungeschwächt bleiben sollte. Ich hielt mich für verpflichtet, hierüber umständlicher zu sein, weil es vielleicht auf Ihr Vorhaben Einfluß haben könnte.

Schon länger beschäftigt mich eine Arbeit über die deutschen Volkslieder, wie sie in geschriebenen und gedruckten Sammlungen, so wie auf fliegenden Druckblättern des 15. und 16. Jahrhunderts vorkommen. Da Straßburg eine der Hauptwerkstätten dieser alten Liederdrucke war (wie z. B. dort bei Thiebalt Berger um 1570 viele einzelne Liederbogen gedruckt wurden, auch nach Docens Miscellaneen I, 275 daselbst noch 1624 das große nun verschollene Liederbuch von 333 schönen Liedern herauskam), so bat ich vor einiger Zeit Herrn Dr. August Stöber um Nachricht, ob sich auf den dortigen Bibliotheken Wohl noch Einiges für diesen Zweck vorfinde, wie denn namentlich die alten Flugblätter öfters in Collectaneenbände zusammengefaßt wurden. Er meldete mir, daß die Stadtbibliothek wegen Bauwesens derzeit nicht ganz zugänglich sei, theilte mir jedoch einige Notizen mit, die er Ihrer Güte verdankte, worin unter Anderem eines Bohnenliedes von Murner gedacht ist. Es ist mir nun sehr erwünscht, mich an den in jener Zeit so wohl bewanderten Herausgeber der Beiträge zur deutschen Literatur mit der Anfrage unmittelbar wenden zu können, ob sich mir etwa in Straßburg noch Quellen für die Kenntniß der alten volksmäßigen Lieder erschließen könnten?

Ihnen und dem Herrn Rektor Collard mich hochachtungsvoll empfehlend

Ihr ergebenster L. U.«

Uhland an Herrn Dr. Böhmer zu Frankfurt.

Tübingen, 24. December 1836.

»Hochgeehrtester Herr Doctor!

Sie haben mich durch Übersendung des alten Liederbändchens, wofür ich den Empfangschein hier beilege, sehr erfreut. Dasselbe enthält, wie es immer der Fall ist, nach Art, Alter und Werth sehr verschiedene Stücke; ich traf darunter manche alte Bekannte, doch unter anderen Druckorten, aber auch Mehreres, was mir neu ist und meine Sammlung bereichert. Ich hoffe mit Vergleichung und Excerpten in einigen Wochen fertig zu sein und dann Ihr weiteres so gütiges Erbieten benützen zu können. Daß Sie die einst mit Brentano aufgezeichneten Notizen für mich nachsehen wollen, erkenne ich mit vielem Danke; das Wunderhorn hat seiner Zeit überaus anregend gewirkt, allein den Wenigen, welche die Neigung für diese alten Lieder nachhaltig bewahrt haben, muß es angelegen sein, was dort erneuert und ergänzt ist, in seiner ursprünglichen Gestalt zu constatiren. Im zweiten Bande desselben, S. 302 ff., finden sich die Abenteuer Thedels von Walmoden, nach den Reimen von Georg Thym (Wolfenbüttel 1563); dieses Büchleins habe ich noch nirgends ansichtig werden können, sollte Brentano solches etwa auch von der Frankfurter Bibliothek gehabt haben?

Verehrungsvoll beharre ich

Ihr gehorsamster Diener

L. U.«

Uhland an Ferdinand Wolf in Wien.

Tübingen, 9. Mai 1827.

»Verehrtester Herr!

Sie haben mir seiner Zeit mit den altfranzösischen Untersuchungen, dann mit Bruder Rausch und nun neuerlich mit der Floresta so werthvolle und erfreuliche Geschenke gemacht, daß es höchste Zeit ist, mich über das lange Ausbleiben meines Dankes zu entschuldigen. Bei einer ohnedieß nicht sehr schreibseligen Natur war ich in den letzten Jahren oft lange den Studien meiner Neigung gänzlich entrückt, und so gerieth auch mein literarischer Briefwechsel in den leidigsten Rückstand. Im Herzen blieb ich gleichwohl alter Sagen- und Liederdichtung treulich zugethan, und so habe ich auch Alles, was Sie für dieses Feld theils in besonderen Schriften, theils in den Wiener Jahrbüchern und den altdeutschen Blättern geleistet, zu meiner Belehrung und Freude mit regem Antheil verfolgt.

Die jüngste Zeit war auch unserem gemeinschaftlichen Interesse für die altfranzösische Sagengeschichte überaus günstig. Durch die rüstige und einsichtsvolle Thätigkeit Michels und Anderer öffnen sich die Quellen täglich ergiebiger; und doch wie Vieles ist hier noch zu thun! weitverzweigte Adern des karolingischen Epos sind noch kaum geschürft. Es wäre zu wünschen, daß, während die Herausgabe der Quellen doch nur allmählig vorschreiten kann, ein unterrichteter Mann ein übersichtliches Werk in lebendigen Auszügen aus den Gedichten aller französischen Fabelkreise nach Art von Müllers Sagenbibliothek oder Ellis' specimens lieferte. Diese Bücher sind auch nach Veröffentlichung der altnordischen Sagen und der Metrical Romances von Weber, Utterson etc. nicht überflüssig geworden, sondern werden stets für den Ueberblick des Sageninhalts für literargeschichtliche und andere Beziehungen nützliche Dienste leisten

Lange schon ist es mein Wunsch, Sie, geehrtester Herr, einmal unter den reichen Schätzen der Wiener Bibliothek heimsuchen zu können. Wenn ich noch ein Heft der nordischen Forschungen fertig haben werde, dann gedenke ich ernstlich an die deutsche Heldensage zu gehen, für deren Betrachtung mir jene nordischen Studien eine nothwendige Vorarbeit zu sein schienen. Da sollen denn Wolfdietrich, für den mich bereits Herrn Bergmanns Güte wohl ausgerüstet hat, Herzog Ernst, dessen Sage bei Ihnen in einer noch wenig bekannten Bearbeitung vorhanden ist u. s. w. an die Reihe kommen. Namentlich aber verspreche ich mir in Wien noch manches Förderliche für eine Arbeit im Fache des älteren deutschen Volksliedes. Ich gehe seit Jahren darauf aus, eine Sammlung alter, hoch- und niederdeutscher Volkslieder mit einer übersichtlichen Einleitung und mit Anmerkungen zur Geschichte der einzelnen Lieder, über die Anklänge derselben in der Volkspoesie verwandter Stämme u. dgl. m. zu Stande zu bringen. Schon manchmal habe ich für diesen Zweck den Wanderstab ergriffen, aber das Angesammelte hat mir noch immer nicht die genügende Füllung. Was ich suche, sind volksmäßige Lieder, wie sie, wenn auch die besten weit früheren Ursprungs, in handschriftlichen Sammlungen des 15 – 16. Jahrhunderts zu finden sind. Jene kurzen, epigrammatischen Tanzreime, Kinder des Augenblicks, wie sie aus Oestreich, Steyermark, Tirol, dem bayrischen Gebirge schon vielfach aufgezeichnet sind, kommen mir weniger in Betracht, als die balladenartigen, typischen, ernsten oder scherzhaften Tones. Für diese Klasse ist besonders Meinerts leider nicht fortgesetzte Sammlung sehr schätzbar, und es werden wohl auch in dem unter Herrn Leitners Anordnung zu erwartenden steirischen Liederschatze reichhaltige Beiträge dieser Art zu Tage treten. Im Vorwort zu Ziska's und Schottky's östreichischen Volksliedern war eine eigene Sammlung des älteren östreichischen Volksgesanges in Aussicht gestellt, es ist aber nichts davon erschienen.

Leon hat 20 Jahre vorher in Bragur ( VI, 70) einige alte Stücke gegeben. – – – Dieß ist z. B. einer der alterthümlichen Sammelbände, die ich unter Ihrer freundlichen Führung auf der kaiserlichen Bibliothek einzusehen begierig wäre.

Haben Sie die Gefälligkeit, auch Herrn Endlicher, dem Mitgeber des Bruder Rausch, meinen herzlichen Dank zu sagen.

Mit aufrichtiger Hochachtung und Ergebenheit

Ihr

L. U.«


Das Jahr 1837 durfte Uhland seinen Arbeiten widmen. Er strebte seine schon lange begonnene Volksliedersammlung zu vervollständigen. Eine Reise nach Straßburg wurde auch zu diesem Zwecke unternommen und zugleich wollte er auch seiner Frau das Münster zeigen. Später im Jahre besuchte er auch wieder Herrn von Laßberg in Eppishausen, welchen er dieses Jahr in neuer Häuslichkeit traf, da er sich im Jahr 1835 eine Frau in Westphalen geholt, die ihn 1836 mit Zwillingstöchtern beschenkt hatte.

Durch die Ernennung von Gustav Schwab zum Pfarrer in Gomaringen, nur zwei Stündchen von Tübingen entfernt, wurde für Uhlands eine neue liebe Nachbarschaft gewonnen. Als rüstiger Fußgänger legte er den Weg dahin oft zurück, um einen Tag in dem behaglichen Pfarrhause bei den geliebten Freunden zuzubringen.

Mit dem Jahr 1838 begann wieder ein Landtag, dießmal ein außerordentlicher, hauptsächlich zur Berathung eines Criminalgesetzbuches. Nun mußten wieder seine Arbeiten zur Seite gelegt werden; so wenig er mit der strengen Richtung des vorgelegten Gesetzes einverstanden war, so widmete er doch fast all seine Zeit der mühsamen, unerquicklichen Prüfung desselben. Wenn er auch neben den täglichen Sitzungen und dem Durchgehen der Vorlagen einige freie Stunden hatte, so konnte er sie nur zum Lesen eines Buches für seine Studien benützen, weil seine Gedanken zu sehr von der fremdartigen Amtsaufgabe hingenommen waren.

Während all den Jahren seiner Landstandschaft hat er nur eine einzige Sitzung, und diese wegen Unwohlseins versäumt. Erleichtert wurde ihm die beständige Anwesenheit freilich dadurch, daß seine Frau über die Landtage mit ihm nach Stuttgart zog. Auch der Pflegesohn und ein geliebtes Töchterchen der verstorbenen Schwester waren mit in Stuttgart.

Freiherr von Laßberg an Uhland.

Eppishausen, am 21. Hornung 1838.

»Lieber Freund Uhlandus!

In der Freude meines alten, aber noch immer grünen Herzens kann ich nicht umhin, Ihnen zu sagen, daß ich vorige Woche die Nachricht erhielt, wie daß mir die alte bischöfliche Burg zu Meersburg für den von mir gebotenen Preis von der Domänenkammer zu Karlsruhe zugeschlagen wurde. Eine schöne, große Burg, wohlerhalten, da vor einem Jahre noch das Hofgericht sammt dem Hofrichter darinne saß, hell, warm, und in einer Lage, die eine der schönsten Aussichten am Bodensee gewährt. Sagen Sie dieß auch Schwab und Abel, und daß man in einem Sommertag von Stuttgart oder Tübingen, wenn man ein wenig frühe aufsteht, mit der Post bequem nach Meersburg kommen kann.

Wie viele geschichtliche Erinnerungen knüpfen sich an diese Besitzung. König Dagobert von Austrasien baute sie, Karl Martell erneuerte die Burg, die Welfen, die Hohenstaufen besaßen sie. Wahrscheinlich trat sie Conradin seinem Vormunde, dem biedern Bischofe Eberhard von Waldburg, ab. – – Die Gegend sowie die ganze Nachbarschaft ist fruchtbar, freundlich und wohlangebaut; der Wein, welcher seit einigen Jahren da aus Traminertrauben gezogen wird, gehört gewiß unter die vorzüglichsten Weine Schwabens, und ich hoffe, wir sollen in einem der runden Gemächer der alten Burg, welche die Aussicht auf die blauen Fluthen des Potamus geben, mehr als Einmal die Erfahrung hievon machen. Jetzt geht es an's Einpacken, das ist mühsam und langweilig; aber das Auspacken und Aufstellen ist hinwieder lustig, und dann will ich auch wieder mit erneutem Muth und Lust arbeiten; denn dort wird mir ein Wunsch gewährt, den ich bisher stets vergeblich nährte, alle meine Bücher und Handschriften in einem schönen, hellen, gewölbten (ehemaligen Archiv) Saale beisammen aufstellen und durch die Glasthüre eines anstoßenden Arbeitszimmers alles übersehen zu können.

Sie wissen nun, mein Freund! wo Sie uns wieder finden können; hiemit sage ich Ade! Herzliche Grüße von Jenny und mir an Frau Emma. Wälzen Sie indessen den Stein des Sisyphus und lassen Sie es sich nicht verdrießen, quand même

Ihr

treuer Freund

J. v. Laßberg.«

Die Stände wurden im Juli vertagt und Uhland trat noch von Stuttgart aus eine Reise nach Wien an, allein, weil die Frau durch Sorge um eine kranke Schwester vom Mitreisen abgehalten wurde. Von dieser Reise gibt er in den folgenden Briefen Bericht an seine Frau.

Wien, 10. Juli 1838.

»Liebste!

Gestern Abends gegen sieben Uhr bin ich am Ziel meiner Reise angelangt; ich beeile mich, Dir davon Kunde zu geben. Die Eilwagenreise nach Regensburg, wo man Morgens vier Uhr ankam, gewährte eben nicht viel Merkwürdiges; doch war es mir lieb, Freising und die vormalige Universitätsstadt Landshut mit ihrem langen Thurme zu sehen. Einer meiner Reisegefährten, der meist die Unterhaltung führte, war ein Regensburger Israelit, Namens Lilienthal; dieß erinnerte mich daran, daß bei dem früheren Besuche in Regensburg ein Herr Rosenheim meine erste Bekanntschaft war. Herr Gruber, Architekt und Professor an der Gewerbeschule, den ich damals auch kennen lernte, widmete sich mir sehr freundschaftlich, er führte mich zur Walhalla und auf einige Bierkeller. Der Dom war dießmal innerlich ganz mit Gerüsten verstellt, ich glaube um ein fehlendes Gewölbe zu ergänzen. Die Bibliothek beschäftigte mich mehr als ich gehofft hatte. Den folgenden Morgen fuhr ich um vier Uhr mit dem Dampfschiffe ab. Die zweitägige Donaufahrt war überaus genußreich, nicht durch alte oder neue Bekanntschaften auf dem Schiffe, deren sich mir keine darbot, sondern durch den reichen Wechsel schöner Landschaftsbilder; milde und fruchtbare Gegenden, mit der Aussicht auf nahes oder ferneres Gebirge, wechseln mit wilden Felspartien, wie besonders beim Strudel und Wirbel der Donau, der Burg Dürrenstein u. s. w. Mein Reisebericht ist freilich ein sehr trockner, aber ich habe nicht die Gabe, solche Anschauungen sogleich wiederzugeben; sie sollen darum nicht verloren sein. Einen eigenthümlichen Reiz hatte mir auch die fortlaufende Erinnerung an die Fahrten Kriemhildens und der Nibelungen. Auf der Post traf ich noch keinen Brief von Dir, will aber darum doch nicht zögern, den meinigen abgehen zu lassen. Auf der Bibliothek, woselbst ich vorhin eine Weile war, wurde ich von Wolf freundlich aufgenommen und werde morgen meine Arbeiten beginnen. Dein nächstes Schreiben adressirst Du am besten an mich im Gasthof zur Stadt Frankfurt, wo ich gestern mit Mühe Unterkunft fand. Möge mir bald erfreuliche Nachricht von Euch zukommen; ich bin sehr begierig, wann Eure Abreise nach Tübingen stattfinden wird und reise in Gedanken mit Euch. Am Hochzeitfeste bring' auch meine Glückwünsche dar, die mir aus treuem Herzen gehen. Meyer grüße bestens. Lebe wohl, Liebe! Die Reise gibt viel Schönes und Werthes, aber Du wirst es mir nicht verdenken, wenn ich mich auf die Heimath freue.

Dein L.«

Wien, 18. Juli 1838.

»Dein Brief, Liebste! hat mich sehr erfreut; er bringt mir gute Nachrichten und er kommt von Dir. Ich las ihn gleich am Stephansthurme, in dessen Nähe die Post ist. Mein hiesiger Aufenthalt läßt sich für meine literarischen Zwecke günstig an; ich finde Manches, was mir bisher nicht zugänglich war, und von Seiten der Besitzer oder Bewahrer freundliches Entgegenkommen. Die öffentliche Bibliothek hat unter den Musikalien viele ältere Liederbücher mit deutschen Texten, die ich nacheinander durchgehe und deren Ertrag ich noch nicht bemessen kann. Ein hiesiger Antiquar, Namens Kuppitsch, ist zugleich Liebhaber und Sammler seltener Drucke des sechzehnten Jahrhunderts und hat davon einen ungemein reichen Vorrath zusammengebracht, worunter denn auch Vieles an Liedern in Sammlungen und fliegenden Blättern sich befindet. Er hat mir bereits Mehreres mit nach Hause gegeben. Ein Privatgelehrter, Kaltenbäck, hat mir gleichfalls sein Besitzthum in diesem Fache zum Gebrauche angeboten. Das finde ich allerdings, daß ich in Folge meiner vielfachen Nachforschungen auf diesem Gebiet häufig auch alten Bekannten begegne. Auf der Bibliothek bringe ich gewöhnlich den Vormittag von neun bis zwei Uhr zu. Wolf ist mir nicht nur hier gefällig, sondern bringt mir auch aus seiner eigenen Bibliothek viel Interessantes von altfranzösischer und altenglischer Poesie zu. Die Sammlung von Alterthümern, die einst auf dem Schlosse Ambras bei Innspruck aufgestellt war und deren Custos, Bergmann, mir schon durch Briefwechsel befreundet war, habe ich unter seiner Leitung gesehen. Einige auswärtige Arbeiter im Felde altdeutscher Literatur, Mone von Karlsruhe und Hahn von Heidelberg, habe ich gleichfalls kennen gelernt. Dabei geht denn auch der gesellige Verkehr nicht leer aus. Am Samstag machte ich mit Endlicher, dem Custos des Naturalienkabinets, einem überaus freundlichen Manne und dessen Familie, sowie mit dem vorgenannten Herrn Kaltenbäck, nachdem wir in Endlichers Hause auf dem Lande zu Mittag gegessen, einen Spaziergang auf den Leopoldsberg und den Kahlenberg, Aussichtspunkte, von denen man die Stadt Wien und den Lauf der Donau weithin überschaut, dann das Marchfeld mit den kleinen Karpathen im Hintergrunde; nach der andern Seite zeigen sich die steyrischen Gebirge. Ein trauriger Anblick aber war das Dörfchen Kahlenberg, das an eben diesem Tage zum größten Theil abbrannte. Auf heute Abend bin ich mit Mone zu Wolf eingeladen und auf Samstag habe ich gar eine Einladung zum Erzherzog Karl nach seinem Schlosse Weilburg bei Baden erhalten. Ich weiß nicht, ob ich diese Gunst Bergmann verdanke, der die Söhne des Erzherzogs unterrichtet. Uebrigens versichert Bergmann, daß dort ein einfacher Ton herrsche; auch werden wir damit einen Ausflug nach Heiligkreuzthal und Baden über den Sonntag verbinden. Im Ganzen bringe ich übrigens gerade die Abende meistens einsam zu; die Theater sind bis zum Anfang Augusts, eins ausgenommen, sämmtlich geschlossen und die meisten Angestellten fahren Abends oft ziemlich weit hinaus auf benachbarte Dörfer, wo sie mit ihren Familien den Sommer über wohnen. Ich helfe mir dann mit Spaziergängen im Prater und andern öffentlichen Gärten. Doch erlaubt die große Hitze nicht frühe auszugehen. Ich finde den Aufenthalt hier nicht wohlfeil; man ißt an keiner Wirthstafel, sondern zu jeder beliebigen Zeit nach der Karte, was sich hier auch mir, meines geringen Appetits unerachtet, nicht als Ersparniß darstellt. Mit dem ersten August hat die Bibliothek Ferien. Einige Tage dürften dann hinreichen, um noch einige wieder eröffnete Theater zu besuchen und meine sonstigen Arbeiten abzuschließen. In München möchte ich auf dem Rückweg ein Paar Tage verweilen, da ich dort noch Einiges einzusehen habe.

Diese Zeilen treffen Dich ohne Zweifel in Tübingen. Mögen sie Dich mit den Kindern gesund finden und in heiterer Stimmung und freundlich gedenkend

Deines L.

Grüße die Kinder.«


Wien, 28. Juli 1838.

»Theuerste!

Deiner lieben Briefe sind nun drei in meinen Händen, der letzte vom 20. d., der mir Eure glückliche Ankunft in Tübingen meldet. Wenn Du mich gleich nicht im Garten erblickst, so bin ich dennoch manchmal dort. Ich mache hier die Erfahrung, daß für einen kürzeren Aufenthalt in einer großen Stadt die Verfolgung eines nicht ganz beschränkten literarischen Zweckes etwas Mißliches hat. Will man dann dem Umgang, den Merkwürdigkeiten des Orts, den Umgebungen auch ihr Recht widerfahren lassen, so ist man bedeutend umgetrieben, ohne doch Allem genügen zu können. So habe ich mir selbst am wenigsten genügt, indem ich dießmal mit dem Schreiben an Dich länger im Anstand blieb. Oefters werde ich schon vor dem Gange auf die Bibliothek und dann auf dieser selbst mit Besuchen erfreut und auch die Einladungen sind mit großem Zeitaufwand verbunden. Die Reise nach Baden nahm zwei Tage in Anspruch. Früh morgens am Samstag fuhr ich mit Bergmann hinaus, wurde dann um zehn Uhr in dem schön gelegenen Schlosse Weilburg dem Erzherzog vorgestellt, hierauf von dem Erzieher seiner noch im Hause befindlichen Kinder zu der nahen Burgruine Rauheneck und in die schönen Gartenanlagen geführt und endlich zur Tafel gezogen. Es war bei all diesem kein höfischer Zwang. Abends ging ich noch mit Bergmann durch ein schönes Thal nach dem Kloster Heiligkreuz, wo wir im Wirthshaus übernachteten; den Vormittag hindurch und auch zum Mittagessen waren wir im dortigen Cisterzienserstift, wo Bergmann bekannt ist; dieses Klosterleben war mir etwas Neues. Nachmittags machten wir den Rückweg durch die Briel, eine Gegend, die in solcher Nähe bei einer Residenzstadt überrascht; mächtige Felspartien, Wälder, frische Wiesengründe, Ruinen, worunter zum Ueberfluß auch manche künstliche, von denen der verstorbene Fürst Liechtenstein ein großer Liebhaber war. Die Woche über setzte ich meine Arbeit auf der Bibliothek fort, besuchte die Gemäldegallerie, auch einigemal das geöffnet gebliebene Theater in der Leopoldstadt, und war zweimal, nach erhaltener Einladung, auf dem Lande: in Döbling bei einem der Collegen Wolfs, von Gevay, der jeden Dienstag dort Gesellschaft gibt, und in Penzing, bei Hofrath Kleyle, in dessen Hause Niembsch wohlbekannt ist. Der Tochtermann des Ersteren, von Löwenthal (als Dichter Otto von Walden), bei welchem Niembsch wohnt, führte mich dorthin und dann noch auf einen schönen Aussichtspunkt bei St. Veit. Ein eifriger Freund der altdeutschen Literatur, von Karajan, beim Archiv angestellt, der sich mir überhaupt sehr gefällig erweist, hat mich auch auf einen Abend in seine Wohnung in der Vorstadt, bei der ein hübscher Garten ist, eingeladen. Am heutigen Sonntag werde ich mit Karajan zu Grillparzer nach Dornbach gehen, wo die Gegend sehr schön sein soll. Ich habe Grillparzer zuvor schon ein Paarmal hier gesprochen, er war ganz wieder, wie wir ihn in Stuttgart kennen gelernt hatten. Am Dienstag ist die Bibliothek zum Letztenmal geöffnet, dafür wird dann am Mittwoch die Hauptbühne, das Burgtheater, wieder eröffnet. Die Schätze des Antiquar Kuppitsch, Laxenburg, die Eisenbahn u. s. f. dürften mich immer noch mehrere Tage beschäftigen und meine Abreise bis zum Ende der Woche verzögern. So sehr ich mich nach Hause freue, will ich doch, einmal hierher gekommen, das Erforderliche mitnehmen. Bestimmtere Nachricht gebe ich Dir jedenfalls noch von hier aus.

Ich schließe diesen Brief nach der Rückkehr von der heutigen Sonntagspartie, die wegen veränderlicher Witterung nicht nach Dornbach, sondern nach Klosterneuburg gemacht wurde, wo ich bei dem Geistlichen, der uns im Kloster herumführte, meine Gedichte antraf. Grillparzer, Karajan, von Feuchtersieben und noch ein Freund von diesen waren meine Geleiter.

Lebewohl mit den Kindern, deren Wohlverhalten mich freut, grüße sie und sei aus liebendem Herzen gegrüßt.

Dein L.«

Wien, 6. August 1838.

»Liebste Emma!

Mein Aufenthalt in Wien hat sich länger hinausgezogen als ich bei Absendung meines letzten Briefes vom 29. Juli, dem Deine erfreuenden Zeilen vom 26. entgegenkamen, mir gedacht hätte. Die Arbeit auf der Bibliothek setzte ich noch einen Tag über den Anfang der Ferienzeit fort und erhielt auch sonst Einiges mitgetheilt. Den ganzen Freitag war ich nicht hier; Wolf lud mich wiederholt zu einer Fahrt nach Ebergassing, einem Schloß, nicht weit von der ungarischen Grenze, ein, wo ein Freund von ihm, der Baron Münch-Bellinghausen, als Dichter des Trauerspiels Griseldis unter dem Namen Halm bekannt, sich aufhält. Derselbe wünschte meine Bekanntschaft zu machen und soll wegen Augenübels die Stadt jetzt nicht besuchen. Das Schloß ist an einem großen Park gelegen, der von einem frischen Flüßchen durchströmt, angenehme Spaziergänge gewährt. Münch macht durch Einfachheit und Gutmüthigkeit bei geistiger Bildung einen vortheilhaften Eindruck. Ich hatte hier auch Gelegenheit, das Landleben einer österreichischen Adelsfamilie anzusehen. Professor Rosenkranz von Königsberg war mit mir eingeladen. Gestern war ich, nachdem ich bei Karajan zu Mittag gegessen, mit diesem in Laxenburg, wo auf einer Insel des umfangreichen, mit schönen Wasserspiegeln geschmückten Parkes, eine künstliche Ritterburg erbaut ist, in deren überfüllten Räumen aber viele wirkliche Alterthümer, Waffen, Rüstungen, Glasgemälde und andere Bilder, Humpen u. dgl. versammelt sind.

Die Theater habe ich nun öfters besucht und in der Oper besonders das Ensemble, in Chören, Terzetten etc. ausgezeichnet gefunden. Das neue, auch wieder eröffnete Burgtheater werde ich heute zum Erstenmale besuchen, um Kotzebues Kleinstädter zu sehen. Das Lustspiel soll dort vorzüglich aufgeführt werden.

Ich hätte gewünscht, morgen Abend abzureisen; allein der Eilwagen, auf dem nächsten Wege (über Braunau) nach München, auf welchem man, ohne längere Zeit vorher einen Platz bestellt zu haben, expedirt werden muß, fährt erst am Mittwoch Abend fünf Uhr von hier ab. Auf diesen habe ich bereits ein Billet in Händen. Man kommt in München Samstag in der Frühe an. Ich werde diesen Aufschub der Abreise benützen, um die Gemäldegallerie im Belvedere, die ich früher etwas rasch besichtigt, noch einmal gemesseneren Schrittes zu durchwandern, auch einige weitere Merkwürdigkeiten noch mitzunehmen. In München ist zwar der Sonntag für meine Absichten auf der Bibliothek nicht günstig, vielleicht aber kann ich an diesem Tage die Pinakothek besuchen. Wenn ich nicht irre, so fährt der Eilwagen von München Abends ab; ob ich davon am Montag Gebrauch machen kann, wird davon abhängen, wie ich mit meinen Desiderien auf dortiger Bibliothek vorankomme.

Mein inniges Verlangen ist, bald wieder bei Dir, Liebste, zu sein und noch einige Wochen mit Dir und unseren lieben Pfleglingen in der ländlichen Stille unseres Hauses und Gartens vor dem herannahenden Landtage verleben zu können.

Im frohen Vorgefühl des Wiedersehens

Dein L.«


Nach der Rückkehr aus Wien mußte Uhland nochmals, doch nur auf einige Wochen, zum Landtag. Für das so mühsam und eifrig berathene Criminalgesetz konnte er aber nicht stimmen, weil er mehrere Strafsätze zu hart fand und ihm andere Artikel nicht für einen constitutionellen Staat zu passen schienen.

Mit dieser Session war sein ständisches Wirken in Württemberg geschlossen.


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