Ludwig Uhland
Ernst, Herzog von Schwaben
Ludwig Uhland

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Dritter Aufzug.

Palast zu Aachen, wie am Anfang des Stücks.

Gisela und Graf Hugo im Gespräch.

Gisela. Ihr kehrt zurück nach Basel, edler Graf?

Hugo. Dem Kaiser meldet' ich den neusten Stand
Der Angelegenheiten in Burgund. Er will,
Daß ich dort wieder gegenwärtig sei
Und mit unausgesetzter Wachsamkeit
Vorbeuge jedem neuen Friedensbruch.
Noch fehlt mir Euer Urlaub, hohe Frau!

Gisela. Befürchtet nicht, wie Ihr zu fürchten scheint,
Daß ich mit Auftrag Euch behellige,
Der dem, was Euch der Kaiser anbefahl,
Entgegen wäre! Nein, ich bitt' Euch selbst,
Verwendet Euer Ansehn, Euern Rat
Allwärts zur Söhnung und Beruhigung!
Mein Oheim, König Rudolf, schätzt Euch hoch.
O haltet sein geschwächtes Alter fest,
Daß er nicht wieder wanke dem Vertrag!
Und wie Ihr diesen stärket und erhebt,
So stillt und sänftiget am andern Teil
Die gährenden Vasallen, dämpft den Mut
Des stolzen Odo, der Verwegnes sinnt,
Und hütet überall, daß nicht mein Sohn
Verbindung knüpft und neuen Anhang wirbt!

Hugo. Verehrend ahn' ich Eurer Worte Grund.
Indes Ihr gegen den Geächteten
Zu wirken scheinet, seid Ihr überzeugt,
Sein Heil zu fördern; ist Burgund nur erst
Durchaus beruhigt und dem Reich gewiß,
Dann wird der Kaiser auch geneigter sein,
Die Acht zu nehmen von des Herzogs Haupt. 29
Ich aber gehe freud'ger ans Geschäft,
Da ich, dem Kaiser dienend, Euch zugleich
Und Eurem Sohne frommen darf.

Gisela.                                                 Noch eins!
Wenn Ihr jetzt wieder das Ottilienstift
Besucht und Edelgard ans Gitter tritt,
Grüßt sie von mir!

Hugo.                           Huldreiche Kaiserin!

Gisela. O! schöne Hoffnungen sind mir zerknickt.
Die einz'ge Tochter, die mir Gott geschenkt,
Ein holdes Kind, in zarter Jugend schon
Dem Könige von Frankreich anverlobt,
Nicht sollt' ich sie zum Traualtar geleiten;
Die Totenkrone statt des Hochzeitkranzes
Mußt' ich ihr flechten in das blonde Haar.
Und wieder hofft' ich, daß mein Ältester
Mir eine Tochter brächte zum Ersatz.
Denn wie des Vaters Stolz darin besteht,
Den Sohn gekrönt zu sehn mit Ruhm und Macht,
So ist's der Mutter Wonne, wenn der Sohn
Einhertritt mit der jugendlichen Braut,
Der liebenden, die ihm das Leben schmückt.
Umsonst hab' ich die Arme aufgethan
So seligem Empfang. Lebt wohl, Herr Graf!

(Graf Hugo ab.)

Indem Gisela abgehen will, tritt von der andern Seite der Kaiser mit dem Grafen Mangold auf.

Kunrad. Verweile, Gisela, wenn nicht zu sehr
Dich anderen Berufes Eile drängt!

Gisela. Auf dich zu hören, gehet jedem vor.

Kunrad. Aus Schwaben ist mir Botschaft zugekommen,
Sehr unerfreuliche, womit ich gern
Dein Ohr verschonte, wenn sie anders dir
So unerwünscht, wie mir, zu hören ist.
Der Überbringer dieser Kunde selbst,
Graf Mangold, melde dir, was dort geschehn!

Mangold. Erlauchte Frau, laßt es den Boten nicht
Entgelten, wenn die Botschaft Euch mißfällt!
Indes der Ungar deutsche Mark bedräut
Und wider ihn das Aufgebot ergeht,
Indes erhebt von schwäb'schen Gauen her
Sich innre Gährung. Durch den Schwarzwald streift 30
Unheimlich eine kriegerische Schar,
Die man zuerst für Räuber achtete
(Denn ihre Zehrung holt sie mit Gewalt),
Bis man hernach an ihrer Spitze sah
Den Fürsten Ernst und Wernern, seinen Freund.
Noch werden sie auf fünfzig kaum geschätzt,
Noch sind sie unberitten, schlecht bewehrt,
Noch öffnete sich ihnen keine Burg,
Noch lagern sie in Wald und Felsgeklüft;
Und doch ist dumpfes Harren überall,
Und mancher, der die Klinge schon geputzt,
Um mit dem Heer nach Ungarn auszuziehn,
Erwartet, was daheim geschehen will.

Gisela. Schreckt nicht die Reichsacht und der Kirchenbann,
Womit mein Sohn belegt ist, jeden ab?

Mangold. Ein sonderbarer Glaube herrscht im Volk.
Sie wollen's nicht begreifen, daß ihr Fürst
So lang gesessen in der Kerkernacht;
In wundervolle Reisen wandeln sie
Die öden Jahre der Gefangenschaft
Und geben sein Ergrauen vor der Zeit
Dem scharfen Strahle fremder Sonnen schuld.

Gisela. Ich selber hab' es immer nicht gefaßt,
Wie, der so jung sei und so lebensfroh,
Im Kerker modern könne, und noch jetzt
Erscheint er mir im Traume anders nie,
Denn frisch und blühend, wie er sollte blühn.
Die Mutter, die ihn unterm Herzen trug,
Kann nicht vergessen, was sein Alter ist.
Doch laßt mich weiter hören, was man spricht!

Mangold. In Indien und im ganzen Morgenland
Hat er der Abenteuer viel bestanden.
Durch eines finstern Berges Eingeweid'
Riß ihn auf schwankem Floß ein wilder Strom;
Der ries'ge Greis entführt' ihn durch die Wolken;
An dem Magnetberg fuhren seinem Schiff
Die Nägel aus, daß es in Trümmer ging;
Mit Völkern von unmenschlicher Gestalt
Hat er gekämpft und manchen Sieg erlangt.
Was je ein Pilger Seltsames erzählt,
Das wird auf Eures Sohnes Haupt gehäuft, 31
Und dieser Schein des Wunderbaren zieht
Leichtgläubige Gemüter mächtig an.

Gisela. Wohl fuhr mein Sohn durch einen finstern Berg,
Ein furchtbar Schicksal rafft' ihn durch die Luft,
Die Nägel seines Schiffes lösten sich,
Die ungetreuen, daß es scheiterte,
Und auf den Scheitern treibt er noch umher.
Weh ihm, wenn sich das edle Menschenbild
Zu wilden Mißgestalten ihm entstellt!

Kunrad. Graf Mangold, diese Rede kränk' Euch nicht!
Ihr habt gethan, was Ehr' und Pflicht gebot,
Und mein Vertrauen lohnet Euch dafür.
Dies Schwert hat meine Hand Euch umgehängt,
Nicht um darauf zu ruhn; den Toten nur
Legt man die Schwerter unters müde Haupt.
Zur fernern That bezweckt' ich Euch zu weihn,
Und wenn ich vom ital'schen Heereszug
Zurück Euch hielt, so war die Absicht die,
Daß ich mir einen wohlerprobten Arm
Bewahrte für die heimische Gefahr.
Der Augenblick ist da, der Aufruhr gährt;
Ihr sollt ihn mir vertilgen in der Brut.
Und wie ich Eures Oheims klugem Sinn
Der Staatsgeschäfte Leitung anvertraut,
So übergeb' ich Eurer Tapferkeit
Die Kriegsmacht mit vollkommener Gewalt.
Nur rasch zum Werk, der Rücken werd' uns frei!
Der Ungarn Andrang, den die Meuterer
Zu nützen hofften, leidet nicht Verzug.
Mit nächstem werd' ich selbst in Schwaben sein,
Um nachzusehn, was Euer Schwert vollführt.

Mangold. Geblendet von so hellem Gnadenschein,
Von plötzlicher Erhebung überrascht,
Versagt mir jeder Ausdruck meines Danks
Und meiner treuesten Ergebenheit.

Kunrad. Die Vollmacht langt Ihr bei dem Kanzler ab.
Dich, Gisela, gemahn' ich deines Eids.   (Ab.)

Gisela. Herr Graf, vergönnt mir, Euer Schwert zu sehn!
    (Sie nimmt es.)
Und ist nun das die mörderische Spitze,
Die nach dem Blute meines Sohnes lechzt?
Nicht kann ich Schwerter schmelzen, und nicht darf 32
Ich Menschen rühren, doch zum Himmel noch
Darf ich mich wenden in der Seelenangst.
O gnadenreiche Mutter, der ein Schwert
Durchs Herz gegangen, als du thränenvoll
Aufblicktest zu dem Kreuze deines Sohns:
Dich fleh' ich an, gestatte du es nicht,
Daß dieser kalte Mordstahl meinem Kind
Die Brust durchbohre und die meine mit!
    (Sie giebt das Schwert zurück. Mangold ab.)
Ein Pilger stehet dort im Säulengang,
Er sah mich beten, und gefaltet hält
Auch er die Hände. Segne Gott den Mann,
Der mein schmerzvolles Flehen unterstützt!
Tritt ein! Die Thore dieses Hauses sind
Jedwedem offen, der nach Hilfe geht.

Pilger. Wer mir kann helfen, muß ein Meister sein.

Gisela. Dein Blick ist finster, deine Stirn gefurcht,
Ein tiefer Kummer, nicht von gestern her,
Hat dich getrieben auf die Pilgerfahrt.

Pilger. Das Angedenken einer grausen That
Verfolgt mich.

Gisela.                   Rede, wenn ich's wissen soll!

Pilger. Ich war ein Ritter, nein, ein Jäger nur.
Mich trieb die unbarmherz'ge Lust, das Tier
Zu hetzen auf das Tier; mich rührt' es nicht,
Wenn mich die Hindin, blutig und zerfetzt,
Bethränten Auges bat um ihren Tod.
Wär' mir, wie einst dem heiligen Hubert,
Das Kreuz erschienen auf des Hirsches Haupt,
Ich hätt' ihm doch den Pfeil ins Herz geschnellt.
Nun kam der Herzog einst (Ihr werdet bleich,
Erlauchte Frau?), er kam in meinen Forst,
Als eben dort ein Zwanzigender strich.
Welch bess're Kurzweil hätt' ich ihm gewußt,
Als ihn zu laden zu so edler Jagd?
Auf schweißbeträuften Rossen rannten wir
Dem Wilde nach, der Herzog hatte schon
Sich mit gespannter Sehne vorgelegt,
Da gönnt' ich ihm den Hauptschuß nicht, ich warf
Querüber meinen Speer, der Hirsch flog hin,
Hin flog das led'ge Pferd, am Boden lag
Der Herzog, in der Seite meinen Speer. 33

Gisela. Weh dir!

Pilger.                 Gebüßt war meine Lust.

Gisela.                                                         Warum
Zerreißest du mein Herz, das schon genug
Von Angst gequält ist, noch mit Schrecknissen
Verfloss'ner Tage? Mörder meines Gatten,
Unsel'ger Adalbert! ist dir es leid,
Daß dich die Zeit und deiner Schuld Gefühl
Unkenntlich machte? Gerne hab' ich stets
Auch Unbekannten hilfreich mich gezeigt;
Warum, wenn irgend Not zu mir dich führt,
Hebst du den Vorhang, der wohlthätig mir
Die gräßliche Vergangenheit bedeckt?

Adalbert. Der Herzog aber richtete sich auf,
Und ächzend sprach er: »Komm! dir ist verziehn,
Komm her, damit ich sterb' in deinem Arm!«
Und als ich ihn im Arme hielt, da schlossen
Die Jäger einen dichten Kreis umher.
Und wieder sprach er: »Ist kein Priester hier?
Mich drücken meine Sünden.« Drauf begann
Er, uns zu beichten mit gebrochnem Laut.
Sein Letztes war: »Für meine Seele betet!
Sagt meiner Frau, der Gisela, sie soll
Ihr Witwentum bewahren, soll nicht mein
Vergessen!« Ward's Euch ausgerichtet?

Gisela.                                                             Ja.

Adalbert. Mein Friede war seit jenem Tag dahin.
Denn wo ich ging und wo ich rastete,
War mir's, als krampfte sich ein Sterbender
An meine Brust, als hört' ich dicht am Ohr
Ein letztes Röcheln. Drum den Pilgerstab
Ergriff ich, nahm mein Söhnlein auf den Arm,
Nach Sankt Georgen trug ich es hinüber,
Daß es erwachs' in strenger Klosterzucht
Und nicht den Jagdspieß werf' auf seinen Herrn.
Zum heil'gen Grabe wallt' ich, betete
So lang und brünstig dort, daß ich dem Stein
Eindrückte meiner Kniee Spur. Umsonst!
Kein Friede stieg erquickend mir herauf.
Zehn Jahre lang, in harter Sklaverei,
Zog ich am Pfluge wie ein Stier und riß
Der dürren Erde Schollen auf. Umsonst, 34
Die Saat ging auf, kein Segen grünte mir.
Als ich nun wiederkam ins deutsche Land
Mit dem Entschluß, mir einen finstern Wald
Zu suchen, den, wie meine Seele, nie
Ein Sonnenstrahl durchdringt, um mir darin
Ein Klausnerhaus zu bauen und mein Grab,
Da fragt' ich erst, als ich die Straße zog:
»In welchem Kloster, welcher Siedelei,
In welcher tiefsten Einsamkeit verweilt
Die Witwe des erschlagnen Herzogs Ernst,
Um zu beweinen ihres Gatten Tod
Und um zu beten für sein Seelenheil?«
Da wies man mich des Weges fort und fort,
Bis ich vor diesem Kaiserschlosse stand
Und bis ich trat in dieses Prunkgemach.
Jetzt weiß ich, warum der Ermordete
Von mir nicht läßt, und jetzt ist mir es klar,
Daß er von mir nicht lassen wird, solang
Vergessen bleibt, was sterbend er befahl.

Gisela. Wenn dies dich quält und mich zu quälen treibt,
So höre denn, mir zur Rechtfertigung
Und dir zum Troste, wie es sich begab!
Ich lebte, wie es Witwen ziemlich ist,
Mit meinen Kindern einsam und betrübt.
Die Herrn des Landes aber forderten,
Daß meinem Sohne, dem verwaisten Ernst,
Ein zweiter Vater werde, der zum Schutz
Dem Knaben sei und der das Herzogtum
Bevogte bis zu Ernstes Mündigkeit.
Der tapfre Graf in Franken, Kunrad, warb
Um meine Hand, und er vor allen schien
Ein tücht'ger Schutzherr meiner Sprößlinge,
Ihn wünschten die Vasallen unsres Lands,
Er ward von meinen Räten mir gerühmt;
Ich aber blieb dem Witwenstande treu.
Als ich nun eines Morgens vom Gebet
Aus der Kapelle kam, da war der Hof
Mit hochzeitlichen Reitern angefüllt,
Aus deren Reihn der hohe Kunrad trat
Und mich auf einen schmucken Zelter hob.
Die Landesherren aber und das Volk,
Die mich verteid'gen sollten, jubelten 35
Der seltsamen Entführung Beifall zu.
So ist's geschehn. Verdamme, wenn du kannst!

Adalbert. Vermess'ner Sinn, der sich zu weise dünkt,
Die Warnung eines Sterbenden zu achten!
Den du den Hort der Deinigen geglaubt,
Er ist ihr Feind, ihr Unterdrücker jetzt.
Du aber stehest mit geteiltem Herzen
Inmitten doppelseitigen Verbands,
Und schon hast du dem erstgebornen Sohn
Durch schnöden Eid stiefmütterlich entsagt.

Gisela. Willst du mich töten, wie du den Gemahl
Mir tötetest?

Adalbert.             Ein Warner komm' ich dir.
Umsonst hat Kaiser Heinrich Euch ermahnt,
Den Bund zu lösen, dem die Kirche zürnt,
Weil du des Kunrads Anverwandte bist.
Vergebens zauderte der Erzbischof,
Da er dich krönen sollt' als Königin.
So muß nun ich erscheinen im Palast,
Nicht um, ein Höfling, Weihrauch dir zu streun,
Nein, um zu warnen mit dem letzten Hauch
Des Sterbenden, den ich in mir gesaugt,
Daß du entsagest diesem Ehebund,
Daß du die Witwe bleibest Herzog Ernsts
Und seinen Kindern eine Mutter seist.

Gisela. In meinem Heiligsten greifst du mich an,
Du wirfst mir vor, was noch kein Weib ertrug,
Du kränkst mich da, wo auch die Löwin fühlt,
Du reißest an den Banden der Natur.
War meine Einsicht kurz, mein Vorsatz schwach,
Die Liebe doch ist ewig stark in mir;
Hab' ich den Eid' geschworen allzu rasch,
So hab' ich tausendfältig drum gebüßt;
Hab' ich den Witwenschleier nicht bewahrt,
Die Kaiserkrone trag' ich unentweiht.
Es segnet mich mein Haus, es segnet mich
Das Volk, so weit man deutsche Zunge spricht.
Der Andacht bau' ich hohe Tempel auf,
Der Krankheit weih' ich Pflegehäuser ein,
Der Armut spend' ich meiner Kammern Schatz,
Allwärts entblühet Segen meiner Spur.
Und thront der Kaiser mit dem Schwert des Rechts, 36
So thron' ich mit der Gnade Palmenzweig;
Vermittlerin bin ich, Fürbitterin,
Wie meinen Kindern, so dem ganzen Volk.
Du aber, der du strafend vor mich trittst,
Und mir die Krone werfen willst vom Haupt
Und mir das Herz erdrücken in der Brust,
Was thatest du, das dich berechtigte,
Mich zu vernichten? Sprich! was thatest du?
Den Stein hast du gehöhlt mit deinen Knien,
Am Pflug hast du gezogen statt des Stiers,
Dich selbst hast du zerfleischet, ob dir gleich
Der, den dein Speer gefällt, so schön verzieh.
Dein Werk ist tot, unfruchtbar all dein Thun.
Und wenn du nun durch deutsche Gaue wallst
Und siehst die Burgen glänzen auf den Höhn
Und siehst die Ritter reiten durch das Thal
Und hörst des Jagdhorns Klänge durch den Wald,
Die wohlbekannten –

Adalbert.                           Weck' nicht diesen Hall!

Gisela. Und siehst das Feuer brennen auf dem Herd
Und siehst die Kinder spielen vor der Thür,
Mußt du nicht schamrot werden vor dir selbst,
Daß du so leblos durch das Leben gehst?
Warst du nicht selber einst ein Rittersmann?
Hast du nicht einen Forst, nicht eine Burg?
Hast du nicht einen Herd und hast ein Kind,
Das du verlassen so unväterlich?
Und wenn dich nicht die Lust des Lebens lockt,
Weißt du nichts mehr von Ritterpflicht und That?
Ist keine Unschuld mehr bedrängt? Ist kein
Unglücklicher, der tapfern Arms bedarf?
Irrt nicht dein Herzog, dem den Vater du
Erschlagen, irrt er hilflos nicht umher,
Geächtet, ohne Burg und ohne Herd?
O! läge nicht der Eid vor meinem Mund,
Wär' nicht verschüttet mein lebend'ger Quell,
Wär' nicht gebunden meiner Liebe Kraft,
Ich wollte mit dir ringen, finstrer Geist!
Und wie die Sonn' ins Mark der Erde dringt
Und aus dem Boden treibt die grüne Saat,
So wollt' ich dich ergreifen, totes Herz,
Und bersten sollte mir dein starres Eis!   (Ab.) 37

Adalbert. Bin ich verwandelt? Wie ist mir geschehn?
Hat mich ein Zauberstab berührt? Bin ich
In einen Wunderbrunnen eingetaucht?
Was nicht der Ölberg, nicht das heil'ge Grab,
Was nicht des Jordans hochgeweihte Flut
An mir gethan, das hat dies Weib vermocht.
Ja, Gott kann Wunder wirken überall.
Der Schuld, die mich zermalmte, bin ich los,
Das Thor der Gnade schließt sich leuchtend auf,
Dem Hoffnungslosen ist ein Weg gezeigt.
Nicht das entsühnte meine Mörderhand,
Daß ich sie wund gerungen im Gebet;
Nein, hilfreich sei dem Sohne sie gereicht,
Dem sie den Vater freventlich geraubt!
Soll ich gegeißelt sein, so sei's für ihn!
Mein Blut, für ihn vergossen, wascht mich rein,
Mein Geist, für ihn verhaucht, schwebt himmelan,
Und mein Geschlecht, das ich verflucht gewähnt,
Noch kann es blühen, bis ins fernste Glied
Bin ich gesegnet. Heil sei diesem Weib!   (Ab.)

 


 


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