Ludwig Uhland
Ernst, Herzog von Schwaben
Ludwig Uhland

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Erster Aufzug.

Erste Scene.

Saal im Palaste zu Aachen.
Auf beiden Seiten Eingänge, in der Mitte eine Flügelthür.

Kaiser Kunrad tritt von der Rechten auf, seinen Sohn Heinrich an der Hand führend, beide festlich gekleidet.

Kunrad. Die Sonne, die sich strahlend dort erhebt,
Sie führet einen folgeschweren Tag
Für mich und dich, geliebter Sohn, herauf.
Geweihet sollst du werden und gekrönt
Zu Aachen hier, der alten Krönungsstadt,
Als deutscher König; Erbe sollst du heißen
Des Thrones, der vor allen herrlich steht.
So stellt sich mir die große Hoffnung fest,
Daß mein Geschlecht, der sal'sche Frankenstamm,
Begründet sei als Deutschlands Herrscherhaus.
Noch fassest du die volle Deutung nicht;
Jedoch geziemt es dir, an solchem Fest
Dich würdig zu benehmen, achtsam, ernst,
Denn reiche Zukunft schwebt ob deinem Haupt.

Heinrich. Wohl glaub' ich, deine Rede zu verstehn.
Mein Lehrer und Erzieher, Bischof Bruno,
Hat mir gesagt, daß Gott uns auserwählt,
Neu aufzurichten Karls des Großen Reich.
Doch sieh! die Mutter wandelt dort heran;
Wie schön geschmückt! Doch traurig ist ihr Gang.

Die Kaiserin Gisela tritt von der Linken auf.

Gisela. Mein Herr und mein Gemahl, du bist bereit,
Dahinzugehn in feierlichem Zug
Zum hohen Dome, zu der Krönung Fest.
Da werden, wie du schreitest durch die Stadt, 4
Der Armen viel' und der Unglücklichen
Hilsflehend fassen deines Mantels Saum,
Denn Gnade blüht an solchem Freudentag.
Laß mich der Flehenden die erste sein,
Laß mich die erste fassen dein Gewand!
Ist doch mein Leiden auch das letzte nicht!

Kunrad. Nicht mein Gewand ergreife, nimm die Hand!
Sag an, was diese Hand vollführen soll!
Nichts je gebeten hat mich Gisela,
Was zu gewähren mir nicht rühmlich war.
O zögre nicht! Wo alles Volk sich freut,
Soll ich bekümmert sehn die Königin?

Gisela. Ob ich in Purpur, ob in schwarzer Tracht
Erscheinen solle, zweifelte mein Herz,
Darin die Freude ringet mit dem Leid.
Indes der Sprößling unsres Ehebunds
Der Königskrönung hier entgegengeht
Und drob das Herz mir schwillt von Mutterstolz,
Indes verzehrt ein andrer, auch mein Kind,
Der frühern Ehe erstgeborner Sohn,
Der einst der Schwaben Herzogsfahne trug,
Vom Vater, meinem Gatten, ihm vererbt,
Verzehrt im Kerker seiner Jugend Kraft.
Drei Jahre sitzt er auf dem Gibchenstein
Und horchet auf der Saale Wellenschlag,
Die unter seinem Gitter rauscht entlang.

Heinrich. Auch mich verdroß es, wenn ich's sagen darf.
Als jüngst ein Edelknabe zu mir sprach,
Du habest darum Ernsten eingesperrt
In einen tiefen und sehr finstern Turm,
Damit ich desto reicher werden soll.
Drum bitt' ich, lieber Vater, laß ihn los!

Kunrad. Ward Herzog Ernst entsetzt und eingekerkert,
Nicht unverschuldet litt er solche Schmach
Und nicht durch meinen, durch des Reiches Spruch.
Aufrührer war er, seines Königs Feind.
Begnadigt nach so frevelhafter That,
Empört' er gleichwohl sich zum zweitenmal
Und setzte so der Gnade selbst ein Ziel.

Gisela. Rudolf, der Schattenkönig von Burgund,
Mein Oheim, dessen ich mich nie gerühmt,
Ein Greis, der niemals Jüngling war noch Mann, 5
Erzitternd vor dem meisterlosen Trotz
Unbändiger Vasallen, wandt' er sich
An seiner Blutsverwandten mächtigsten,
An Kaiser Heinrich, der vor dir geherrscht.
Damit er diesen sich verpflichtete,
Ernannt' er ihn durch bündigen Vertrag
(Denn ohne Sprößling war der dürre Stamm)
Zum Erben des burgund'schen Königtums.
Doch Gottes heil'ger Ratschluß fügt' es so,
Daß Kaiser Heinrich zu den Vätern ging,
Indes der Greis noch auf dem Throne schwankt.
War Heinrich als des deutschen Reiches Haupt
Thronerbe von Burgund, so tratest du,
Der neue Kaiser, in den Anspruch ein;
Schloß er als Blutsverwandter den Vertrag,
So blühte jetzt des Erbes Anwartschaft
Dem Schwesterenkel Rudolfs, meinem Sohn.
Darob entspann sich Hader zwischen euch,
Und als nun Rudolf selbst zu feige war,
Sich auszusprechen, wie er es gemeint,
Ergriff mein Sohn, in jugendlicher Hast
Und aufgeregt durch schlimmer Freunde Rat,
Ergriff die Waffen. Und urteile nun,
Wenn du es nochmals prüfend überschaust:
Hatt' er nicht einen Schein des Rechts für sich,
Den Schein, der leicht ein junges Herz verführt?

Kunrad. Ein Vorwurf liegt in deinem milden Wort,
Ich fühl' ihn, aber nicht verdien' ich ihn.
Als du nach Herzog Ernsts unsel'gem Tod
Die Hand mir gabest zu beglücktem Bund,
Da übernahm ich und beschwor die Pflicht,
Der zugebrachten Söhne jederzeit
Zu pflegen, wie ein rechter Vater soll.
Und als mich drauf der Fürsten und des Volks
Einstimm'ge Wahl zum Kaiserthron berief,
Da steckt' ich mir nach wohlermess'nem Recht
Die scharfen Grenzen meines Wirkens aus.
Burgund gehört dem Reiche, Schwaben bleibt
Bei deinem Stamme; danach handelt' ich.
Weil Ernst nicht lassen wollte von Burgund,
Mußt' ich ihn strafen als des Reiches Vogt.
Weil Schwaben deinem Hause bleiben soll, 6
Ließ ich das Herzogtum bis jetzt erledigt.
Die Jugend Hermanns, deines zweiten Sohnes,
Gestattete mir nicht, ihn zu belehnen,
Damit nicht, gleich dem Bruder, ihn die Macht
Verleitete zu übermüt'gem Thun.
Dem klugen Bischof Warmann übertrug
Ich unterweilen die Statthalterschaft,
Den Deinen blieb das Herzogtum bewahrt.

Gisela. Nicht ziemet mir, erlauchtester Gemahl,
Das Urteil über deinen Herrschergang,
Die kräftige Verwaltung deines Amts.
Doch, was ich sagte, wirst du gern verzeihn;
Der Kinder Fehle zu entschuldigen,
War doch von je der armen Mütter Recht.

Kunrad. Man rühmet, Gisela, von dir, du seist,
Gleich wie an Würden die erhabenste,
So auch die weiseste der deutschen Fraun,
Und oft schon warest du Vermittlerin
Von Zwiespalt, welcher unversöhnlich hieß.
Auch zwischen mir und deinem Sohne, der
Mit meinen schlimmsten Feinden sich verschwor
Und wider mich des Aufruhrs Fahne schwang,
Hast du Versöhnung einst herbeigeführt.
Bestätiget in seinem Herzogtum
Nahm ich ihn mit auf den ital'schen Zug,
Vertraut' ihm meiner Scharen Führung an;
Belehnt mit Kemptens stattlicher Abtei
Entließ ich ihn und lud durch diese Gunst
Auf mich den Haß gekränkter Geistlichkeit.
Doch kaum hat er die Alpen überstiegen,
Indes im fernesten Apulien ich
Mir die Normannen nehm' in Lehenspflicht,
Ruft er die alemann'sche Jugend auf,
Verheert das Elsaß und bedrängt Burgund.
Hat, wie du sagst, der Jugend Ungeduld,
Hat böser Freunde Rat ihn irrgeführt,
So war ihm jetzt im einsamen Verließ
Zu reiflicher Besinnung Zeit gegönnt.
Und wenn ich jetzo, deinem Wunsch gemäß,
Von neuem gänzlich ihn begnadigte
Und, gleichwohl ungebessert, unbeschämt,
Er wieder sich auflehnte gegen mich; 74
Sprich! könntest du nach deinem weisen Sinn
Auch dann noch ihn rechtfert'gen, könntest du
Zum drittenmal verlangen –

Gisela.                                         Wie? du willst?
Mein banges Flehen hat dein Herz gerührt?
O sprich es aus! Gieb mir Gewißheit!

Kunrad.                                                       Eins
Vernimm zuvor! Wenn jetzt zum drittenmal
Dein Sohn mir trotzig sich entgegenstemmt,
Wenn er den nötigen Bedingungen,
Die ihm das Reich vorschreibt, sich widersetzt,
Dann hab' ich meine Vaterpflicht erfüllt,
Dann bin ich der Vollstrecker des Gerichts,
Das furchtbar über ihn ergehen muß.
Du aber leg' die Finger auf die Brust
Und schwöre mir mit einem teuren Eid,
Daß du alsdann ihm nicht zur Hilfe sein,
Daß du nicht rächen wirst, was ihm geschieht,
Und daß du selbst nicht bittest mehr für ihn!

Gisela. Ich schwöre das bei dem wahrhaft'gen Gott.
Gieb mir den Sohn! Für ihn verbürg' ich mich.

Kunrad. Zuvorzukommen jedem deiner Wünsche,
War stets mein Trachten, und so hab' ich auch,
Vorahnend, was du jetzt von mir begehrst,
Nach dem Gefangnen zeitig ausgeschickt.
Sein Bruder Hermann hat ihn abgeholt,
Und angekommen sind sie diese Nacht.
Geh, Heinrich, führe deine Brüder her!
Durch dieses freudenreiche Wiedersehn
Verherrliche sich uns dein Ehrentag!

(Heinrich durch die Mittelthür ab.)

Gisela. Nimm meinen Dank, den heißen Herzensdank.
Den Dank, der aus dem vollen Auge quillt!
Die Thräne, die den Purpur mir benetzt,
Sie ist der reichste, königlichste Schmuck,
In dem ich könnt' an deiner Seite gehn.

Ernst, Hermann und Heinrich treten auf.

Heinrich. Hier ist er.

Ernst.                         Meine Mutter!

Gisela.                                                 O mein Sohn!
Bist du's, mein Ernst? Wie hager, o wie bleich!

Hermann. Das Reisen durch die Nacht hat ihn verstört. 8

Ernst. Wohl war es eine lange, kalte Nacht!

Gisela. Die braunen Locken sind ihm halb ergraut.

Ernst. Das ist der Reif von jener kalten Nacht.
Hier atm' ich Morgen. Mutterliebe, dir
Ist aufgetauet dies erstarrte Herz!

Gisela. Wohlthätig wirkt der Freiheit reine Luft,
An innrer Heilkraft ist die Jugend reich;
Auch du wirst neu aufleben, teurer Sohn!

Kunrad. Die trüben Bilder der Vergangenheit,
Die Spuren trauriger Erfahrungen,
Laßt sie verschwunden und vergessen sein!
Der heitern Zukunft öffnen wir den Blick,
Die mit dem heut'gen Tage sich erschließt!
Schon rufet uns der Glocken Feierklang,
Die Krone harret dieses Jünglinges.
Hernach in offner Reichsversammlung wird
Mit Schwaben neu belehnet unser Ernst.

Ernst. Erhabner Kaiser, deine Huld an mir
Soll dir in deinem Sohn vergolten sein.
Ihr aber, meine treugeliebten Brüder,
In frischer Jugendblüte steht ihr da;
Ich stehe frühgealtert zwischen euch,
Dem Laube gleich, das vom vergangnen Jahr
Am frischbegrünten Zweige hängen blieb.
O nehmt an mir ein Beispiel, Jünglinge,
Daß eure Jugend euch beglückter sei!
Du wirst, mein Hermann, zu dem ersten Kampf
Hinabziehn in Italiens Waffenfeld.
O mögen schönre Kränze dir erblühn,
Als meiner Jugend Kämpfe mir gebracht!
Und du, mein Heinrich, der du heute wirst
Zum Erben eines hohen Throns geweiht,
O streu' in deinem Volke solche Saat,
Daß bess're Früchte dir gedeihn, als mir!

Heinrich. Dank deinem Wunsche!

Hermann.                                         Dank und Bruderkuß!

Gisela. Ihr teuren Söhne! Segen über euch,
Ihr, meine Hoffnung, meine Lust, mein Stolz!

Kunrad. Laßt uns vereint zum Krönungsfeste gehn,
Und alles Volk erfreue sich, wenn es
So schön verbunden sieht sein Königshaus!

(Sie gehen durch die Mittelthür ab, der Kaiser mit Heinrich, Gisela mit Ernst und Hermann.) 9

 


 

Zweite Scene.

Saal der Reichsversammlung.

Bischof Warmann und Graf Mangold v. Veringen treten von verschiedenen Seiten auf.

Mangold. Dich sucht' ich, Oheim!

Warmann.                                       So erregt, so heiß!
Was ist geschehn?

Mangold.                     Du weißt es nicht?

Warmann.                                                   Was denn?

Mangold. Du hast nicht das Gespenst gesehen, das
Am hellen Tag, im vollen Krönungszug
Gewandelt durch die Straßen dieser Stadt?

Warmann. Nicht hatt' ich Muße zur Gespensterschau;
Beschäftigt war ich auf besonderen
Befehl, an des erkrankten Kanzlers Statt
Zu fertigen den neuen Lehensbrief
Für Herzog Ernst von Schwaben.

Mangold.                                             Hat dir nicht
Die Hand gezittert?

Warmann.                       Sprich mir deutlicher!

Mangold. Dort bei den Marmorsäulen des Palasts
Stand ich mit der gesamten Ritterschaft,
Zum Krönungszuge festlich aufgeschmückt.
Da stiegen sie die hohen Stufen nieder,
Der Kaiser, an der Hand den jungen Sohn,
Hernach die Kaiserin, zur Rechten ihr,
Im Fürstenmantel, aber blaß und hager,
Wie aus dem Grab erstanden, Herzog Ernst.
Er wankt' an mir vorüber, und ein Blick
Aus seinem hohlen Auge fiel auf mich,
Ein Blick, nicht strafend, doch von solcher Macht,
Daß er mich ausschloß von der Festlichkeit,
Daß ich geheftet an der Säule stand,
Als schon der lange Zug hinabgewallt
Und das Geläute längst verhallet war.
Wie selig könnte dieser Tag mir sein,
Der schönste meines Lebens, wenn ich treu
Geblieben wäre! Wie viel anders nun!
Dich muß ich drum verklagen, deinem Rat
Hab' ich gefolgt, als auf dem Tag zu Ulm
Ich mit den andern von dem Herzog wich. 10
Von dir nun fordr' ich, richte du mich auf
Aus der Vernichtung, denn sie ist dein Werk.

Warmann. Verwöhnter Sohn des Glückes! sprachst du so,
Als jüngst in Kärnten auf dem Siegesfeld
Der Kaiser dankend dir die Rechte bot,
Dir selbst umgürtete das Ehrenschwert
Und dich mit Lehen reich begnadigte?
Damals erkanntest du, daß meine Hand
Aus des Empörers unfruchtbarem Dienst
Zu lohnesreichem dich emporgeführt.

Mangold. Du mahnst mich glücklich an das Feld der Schlacht.
Ich sehe Rettung, nach Italien ruft
Die Heerfahrt, neuer Lorbeer grünet dort
Für die entehrte Stirne.

Warmann.                             Thöricht Herz,
Das Sieg und Ehre mißt nach dem Erfolg
Des Augenblicks, des ewig wechselnden!
Als Herzog Ernst im Kerker schmachtete.
Da warst du freudig in des Kaisers Dienst;
Nun Herzog Ernst zu Gnaden wieder kam,
Gleich wähnst du dich verstoßen und entehrt.
Du weißt, wie eine Reiterschar sich schwenkt,
Noch aber kennst du nicht den Lauf der Welt.
Wohl wahr, es kommen Augenblicke, wo
Die kampfbewegte Welt mit einem Schlag
Zum sel'gen Paradies verwandelt scheint,
Der Wolf hat sich zum Lamme hingestreckt,
Der Geier nistet mit der frommen Taube,
Die Schlange, die vom Apfelbaume lauscht,
Sie schlüpft in das Gezweige scheu zurück,
Und in der alten Unschuld tritt der Mensch
Aus dem Gebüsch, worin er sich versteckt.
So waltet heut im kaiserlichen Haus
Vertrauen, Liebe, Segnung. Und gewiß,
Wenn wir feindsel'gen Sinns verdächtig sind,
Geziemt es schweigend uns zurückzustehn.
Doch oft am Abend noch des klaren Tags,
Des wolkenlosen, steigt Gewitter auf
Mit aller Elemente wildem Kampf.
Sieh, Jüngling, nicht von gestern ist der Groll,
Und wenig trau' ich der Beschwichtigung.
Dem Herzog wurmt es ewig um Burgund, 11
Vertrauen sog er nicht im Kerker ein.
Des Kaisers Herrschsucht und der Stände Trotz
Sind ein uralter, nie versöhnter Zwist.
Nicht brauchst du ihn zu schüren, aber fest
Mußt du dich stellen, mußt auf das nur baun,
Was in der menschlichen Natur beruht,
In der Gewalten ew'gem Gegensatz,
Der unter allen Formen wiederkehrt.
Selbst wenn du augenblicklich tiefer stehst,
Wenn fremde Regung den Gebieter faßt,
Wenn neue Neigung einmal dich verdrängt,
Bleib unermüdlich nur in deinem Dienst!
Die Herzensregung, die Begeistrung weicht,
Das ewige Bedürfnis kehrt zurück,
Du wirst hervorgerufen, und bewährt
Bist du in deiner Unentbehrlichkeit.
Drum, ist auch heut nicht unser Ehrentag,
Noch kommen Tage, wo man nach uns fragt,
Wo man begehret deines tapfern Arms.

Mangold. Was hör' ich? Hieher wälzet sich der Zug.

Warmann. Der Herzog wird belehnt in diesem Saal.

Mangold. Soll ich entfliehen? soll ich bleiben?

Warmann.                                                             Bleib!
Sieh! diese Rolle, dieses Pergament,
Es ist der Gnadenbrief für Herzog Ernst,
Von mir verfaßt, besiegelt, eben jetzt;
Und dennoch kann aus dieser Rolle noch
So manches sich entfalten, was du nicht
Erwartet und ich selber kaum geahnt.

Der Kaiser, Gisela, Heinrich, Ernst, Hermann, geistliche und weltliche Reichsstände ziehen auf. Kunrad läßt sich auf dem Throne nieder, Gisela zu seiner Rechten, Heinrich zur Linken, neben Gisela die geistlichen, neben Heinrich die weltlichen Stände. Hinter den Schranken Volk.

Kunrad. Erlauchte Fürsten, eurer Gegenwart
Bei unsrem heut'gen Feste seid bedankt!
Die Krönung ward vollbracht nach eurer Wahl,
Und so verhoffen Wir, ihr werdet jetzt
Die Treue, die ihr rühmlich Uns bewährt,
Auch Unsrem vielgeliebten Sohne weihn.
Ein anderes Geschäft von Wichtigkeit
Versammelt hier uns in dem Saal des Reichs.
Auf öfteres Ersuchen Unsrer Frau,
Der Kaisrin Gisela, und Unsres Sohns, 12
Des jetzt gekrönten Königes, sowie
Nach dem zuvor mit euch gepflognen Rat,
Am meisten doch nach Unsres Herzens Drang
Beschlossen Wir, mit Unsrem Stiefsohn Ernst,
Der nach des Reiches Spruch gefangen lag,
Uns wieder zu befrieden, ihn durchaus
In Würden und in Ehren herzustellen;
Und darum haben Wir den heut'gen Tag,
Als einen freudenreichen, auserkiest,
Dem Fürsten das verwirkte Fahnenlehn
Des Herzogtums von Schwaben neuerdings
Vor offner Reichsversammlung zu verleihn.
Der Anlaß früherer Mißhelligkeit,
Der Zweifel wegen des burgund'schen Erbes,
Fiel weg, nachdem der König Rudolf sich
Entschieden und den alten Erbvertrag,
Den er mit Kaiser Heinrich abgeschlossen,
Auf Unsere Person bestätigt hat.
Da Ihr, mein Sohn, bei dieser Abkommnis
Euch zu beruhigen Uns angelobt
Durch förmlichen, besiegelten Verzicht,
So haben Wir willfährig Unsrerseits
Den Lehensbrief auf Schwaben ausgestellt
Und nehmen jetzo, wenn es Euch geliebt,
Sogleich die feierliche Handlung vor.

Ernst. Ich trete vor den kaiserlichen Thron
Und bitte nach Gebühr, daß Eure Huld
Von neuem mit des Reiches Fahnenlehn,
Dem Herzogtum von Schwaben, mich belehne.

Kunrad. Aus kaiserlicher Machtvollkommenheit
Ergreif' ich Schwabens Herzogsfahne, die
Nach altem Recht und Kriegsbrauch in den Schlachten
Des deutschen Reichs das Vordertreffen führt,
Damit du, Ernst, der zweite dieses Namens,
Belehnet werdest mit dem Herzogtum
Samt Zugehörden und Gerechtsamen.
Nach Unsrem und gesamter Fürsten Schluß
Hast du auf dieses herzogliche Banner
Zu dem gewohnten Eid der Lehenstreu'
Uns zu beschwören ein Gedoppeltes.

Ernst. Laßt mich vernehmen, was ich schwören soll!

Kunrad. Fürs erste sollst du schwören, daß du nicht 13
An irgend einem, Freien oder Knecht,
Dich rächest, der zu deinen Gegnern hielt,
Zumal an keinem deiner Mannen, die
Von dir getreten auf dem Tag zu Ulm.

Ernst. Nicht Rache dürstend kehr' ich in die Welt.
Versöhnung, Ruhe nur ist mein Begehr;
Drum bin ich diesen Schwur zu thun bereit.

Kunrad. Fürs zweite sollst du feierlich beschwören,
Daß du den landesflücht'gen Grafen Werner
Von Kiburg, der zum Aufstand dich gereizt,
Der noch zur Stunde nicht sich unterwarf
Und als des Reiches Feind geächtet ist,
Daß du nicht diesen, noch die mit ihm sind,
In deines Herzogtumes Grenze dulden,
Vielmehr, wenn er sich drin betreten läßt,
Ihn greifen wollest zu des Reiches Haft.

Ernst. Das soll ich schwören? Nein, erlaßt mir das!

Kunrad. Du zögerst?

Gisela.                       Gott! es geht mir furchtbar auf.

Ernst. Ich war nach Ulm gekommen auf den Tag,
Mit Euch zu unterhandeln um Burgund.
Nicht als ein Flehender erschien ich dort,
Nein! an der Spitze meiner Lehnsmannschaft,
Auf deren Treu' und Kraft ich sicher ging.
Da traten Anshelm vor und Friederich,
Die beiden Grafen, und erklärten laut,
Sie seien mir zu Dienste nicht verpflichtet
Entgegen ihrem Herrn und Könige,
Der ihrer Freiheit höchster Schirmvogt sei.
Mit diesen stimmte die gesamte Schar,
Verlassen stand ich plötzlich da; mein Schwert
Warf ich zur Erde; schmählich, unbedingt
Mußt' ich mich übergeben, und hinweg
Ward ich geführt zum Felsen Gibchenstein.
In jener Not, in jener tiefen Schmach
Blieb einzig nur Graf Werner mir getreu,
Der meiner Jugend Freund und Führer war.
Auf Kiburg warf er sich, sein festes Schloß,
Und wurde dort von Euch, erhabner Herr,
Drei Monden lang belagert und bedrängt.
Als man zuletzt die gute Feste brach,
Entkam er selber mit genauer Not 14
Und irrt seitdem geächtet durch die Lande.
Sollt' ich nun den verleugnen, der so fest
An mir gehalten? Nein, verlangt es nicht!

Kunrad. Du bist in großer Täuschung, wenn du meinst,
Daß Werner das um deinetwillen that.
Du warst nur stets das Werkzeug seiner stolzen,
Gefährlichen Entwürfe.

Ernst.                                   Ja, ich weiß,
Mit großen Dingen trägt sich dieser Mann,
Doch nicht mit strafbarn noch gefährlichen.
Was er für mich, was ich für ihn gethan,
Es war ein Bund der Redlichkeit und Treue.

Kunrad. Je eifriger du sprichst, je klarer wird's,
Wie eng der Meutrer dich umgarnet hat,
Und um so weniger darf dir der Schwur,
Den Wir von dir begehrt, erlassen sein.

Ernst. Die Treue sei des deutschen Volkes Ruhm,
So hört' ich sagen, und ich glaub' es fest
Trotz allem, was ich Bitteres erfuhr.
Ihr selbst, o Kaiser, höchstes Haupt des Volks,
Das man um Treue rühmet, habt noch jüngst,
Was von Verrat Ihr denkt, so schön bewährt.
Als Mifiko, der junge Polenfürst,
Gedrängt von Eurer Waffen Ungestüm,
Zu Odelrich, dem Böhmenherzog, floh
Und dieser, um den Zorn, den Ihr ihm tragt,
Zu sühnen, Euch den Flüchtling anerbot,
Da wandtet Ihr Euch mit Verachtung ab.
Was Ihr vom Feind, vom Fremdlinge verschmäht,
Könnt Ihr's verlangen von dem eignen Sohn,
Vom deutschen Fürsten? Nein, Ihr könnt es nicht.

Kunrad. Vom Sohne heisch' ich, daß er nicht dem Feind,
Dem bittersten des Vaters sich geselle;
Vom deutschen Fürsten, daß er nimmermehr
Die Friedensstörer heg' in seinem Land.
Was ich verlang', ist dir zwiefache Pflicht,
Und sehr mit Unrecht nennst du es Verrat.

Ernst. Nennt's, wie Ihr wollt, doch ist es Treue nicht,
Es ist nicht Freundschaft, ist nicht Dankbarkeit,
Nichts, was begeistern könnt' ein edles Herz.

Kunrad. Noch einmal frag' ich: Schwörest du den Eid,
Den Wir bedungen, oder schwörst du nicht? 15
Antworte nicht zu rasch, erwäg es reiflich!
Es handelt sich nicht bloß ums Herzogtum,
Nicht bloß um fernere Gefangenschaft;
Des Kerkers bist du ledig, aber was
Ich mühsam abgelenkt von deinem Haupt
Damals, da man zu Ulm dich richtete,
Jetzt hängt es unabwendbar über dir:
Die Acht des Reiches und der Kirche Bann.

Gisela. Erbarmen meinem Sohne!

Kunrad.                                           Muß ich dich
Des Schwurs erinnern, Gisela?

Warmann.                                         Mein Fürst,
Vernehmet, was die Kirche zu Euch spricht.
Als Ihr Euch ungehorsam, undankbar
Erhobet gegen Euren Herrn und Vater,
Damals habt Ihr, vom bösen Geist gespornt,
Selbst nicht geweihtes Eigentum verschont.
Der heil'ge Gallus und das fromme Stift
Von Reichenau erseufzten Eurem Drang.
Schon war der Bannstrahl über Euch gezückt,
Und nur die kaiserliche Fürsprach' hielt
Den Arm zurück, der noch gehoben ist;
Des warnet Euch die Kirche mütterlich.

Gisela. Warnt eine Mutter so?

Kunrad.                                     Und jetzt bist du
Gemahnet. Jetzt antworte mit Bedacht!
Beschwörst du die Bedingung oder nicht?

Ernst. Die Luft des Kerkers, die ich lang gehaucht,
Hat abgespannt die Sehnen meiner Kraft.
Wohl bin ich mürbe worden, doch nicht so
Bin ich herabgekommen, nicht so ganz
Zerbrochen und zernichtet, daß ich den
Verriete, der mir einzig Treue hielt.

Kunrad. Genug! Die Pflicht des Vaters ist erfüllt,
Auch soll der jüngre Bruder keineswegs
Entgelten, was der ältere verbrach.
Dem Hermann fällt das Herzogtum anheim,
Er führe nach Italien mir das Heer!
Mit reiner Hand erheb' ich dieses Schwert
Und spreche so den Spruch der Reichesacht:
Aus kaiserlicher Macht und nach dem Schluß 16
Der Fürsten steh' ich und erkläre dich,
Vormals der Schwaben Herzog, Ernst den Zweiten,
Als Feind des Reichs, als offenbaren Ächter.
Vom Frieden setz' ich dich in den Unfrieden,
Dein Lehen teil' ich hin, woher es rührt,
Dein eigen Gut gestatt' ich deinen Erben,
Erlaube männiglich dein Leib und Leben,
Dein Fleisch geb' ich dem Tier im Walde preis,
Dem Vogel in der Luft, dem Fisch im Wasser.
Ich weise dich hinaus in die vier Straßen
Der Welt, und wo der Freie wie der Knecht
Fried' und Geleit hat, sollst du keines haben.
Und wie ich diesen Handschuh von mir werfe,
Wie dieser Handschuh wird zertreten werden,
Sollst du verworfen und zertreten sein.

Die Fürsten. Sollst du verworfen und zertreten sein!

Warmann. Im Namen sämtlicher des Reichs Bischöfe,
Verbann' ich dich, vormal'gen Herzog Ernst,
Samt allen, die dir helfen und dich hegen,
Als unsrer heil'gen Kirche Mutterschoß
Und übergebe dich dem ew'gen Fluch.
Verflucht seist du zu Haus und auf dem Feld,
Auf offnem Heerweg, auf geheimem Pfad,
Im Wald, auf dem Gebirg und auf der See,
Im Tempel selbst und vor dem Hochaltar!
Unselig sei dein Lassen und dein Thun,
Unselig, was du issest, was du trinkst
Und was du wachest, schlummerst oder schläfst!
Unselig sei dein Leben, sei dein Tod!
Verflucht seist du vom Wirbel bis zur Zeh'!
Verflucht sei der Gedanke deines Hirns,
Die Rede deines Munds, des Auges Blick,
Der Zungen Odem und des Herzens Schlag,
Die Kraft des Armes und der Hände Werk,
Der Lenden Mark, der Füße Schritt und Tritt
Und selbst der Kniee Beugung zum Gebet!
Und wie ich dieser Kerzen brennend Licht
Auslösch' und tilge mit des Mundes Hauch,
So aus dem Buch des Lebens und der Gnade
Sollst du vertilget sein und ausgelöscht!

Die Bischöfe. Sollst du vertilget sein und ausgelöscht! 17

Ernst. Hin fahr' ich, ein zwiefach Geächteter,
An meine Fersen heftet sich der Tod,
Und unter Flüchen krachet mein Genick.
Vom Werner lass' ich nicht.   (Ab.)

 


 


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