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Der Meistergesang.

1. Entstehung, Ausbreitung und Zweck der Singschulen.

Die Meistersänger hatten einen eigenen Mythus über den Ursprung ihrer Kunst und Kunstgenossenschaft. Zur Zeit Kaiser Ottos I. und des Papstes Leo VIII. im Jahre 962 habe Gottes Gnade zwölf Männer erweckt, welche, keiner vom andern wissend, in deutscher Sprache zu dichten und zu singen angefangen und so den Meistergesang in Deutschland gestiftet haben. Diese zwölf Meister seien von dem Anhang des Papstes vor dem Kaiser der Ketzerei angeklagt worden. Der Kaiser habe anfangs wirklich gemeint, es sei eine neue, unreine Sekte, weil der Haufe sich gemehrt. Es sei ihnen hierauf ein Tag anberaumt worden, an dem sie sich auf der hohen Schule zu Pavia stellen sollten. Der Kaiser selbst habe sich dahin (irrig »gen Paris«) begeben und es seien nun vor seinem versammelten Rate und in Gegenwart vieler Doktoren und Magister, auch der päpstlichen Legaten, die zwölf Sänger nach Zahl, Maß und Wort genau abgehört worden. Man habe ihnen mit Wohlgefallen aufgemerkt und der Kaiser und seine Herren haben sich überzeugt, daß es keine Rottengeister seien. Als nun auch der Papst Leo vernommen, wie diese Meisterlieder Gott nicht zuwider seien, hab' er den Meistergesang jedermann erlaubt und sonderlich die Deutschen ermahnt, weil Gott die Kunst ihnen bekannt gemacht, sollen sie dieselbe ausbreiten und ihm Lob, Preis und Ehre singen. Und so habe Gott den Meistergesang über 600 Jahre bei gutem Klange forterhalten.

Dieses ist der Inhalt eines Meisterliedes (bei Wagenseil S. 504 ff.; vergl. auch ebendas. S. 550 f.), das zwar erst am Ende des 16. Jahrhunderts verfaßt zu sein scheint, aber ohne Zweifel auf älteren Überlieferungen beruht. Anachronismen fehlen freilich dieser Sage nicht. Der geringste darunter ist, daß Leo VIII. im Jahre 962 noch nicht den päpstlichen Stuhl bestiegen hatte. Aber auch von den sämtlichen Dichtern, deren Namen in die Zwölfzahl gesammelt sind, fällt keiner in die Zeit Ottos I. und Leos VIII. und ebensowenig sind sie großenteils unter sich gleichzeitig. Es sind, wenn wir die verdorbenen Namen herstellen, folgende zwölf: Frauenlob, Mügling (sonst Heinrich von Müglin), Klingsor, der starke Poppe, Walther von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach, Marner, Regenbogen der Schmied, Reinmar von Zweter, Konrad von Würzburg, der Canzler, der alte Stolle.

Der älteste, Walther von der Vogelweide, gehört dem Anfang des 13. Jahrhunderts, Frauenlob mit mehrern andern dem Schlusse desselben und Heinrich von Müglin dem weit vorgerückten 14. Jahrhundert an.

Als den ersten Sammelplatz ihrer Genossenschaft betrachteten die Meistersänger die Stadt Mainz. Wagenseil berichtet a. a. O. S. 492:

»Insgemein rühmen sich die Meister-Singer, daß Kaiser Otto der große ihre Genoßschaft mit absonderlichen Freiheiten begnadet, auch solche hernach auf einem Reichstag zu Mainz vermehret und bestättiget und ihnen dazu eine königliche güldne Kron geschenket habe, denselben öffentlich damit zu zieren, so in den Singen den Preis erlangen würde, und soll diese Kron annoch in der Stadt Mainz verwahrlich aufbehalten werden. Von der Meister-Singer überaus herrlichem Wappen, dessen Mitte diese Kron in einem kleinen Schildlein einverleibet, wird hernach folgen.«

Der Wappenbrief, welcher sich nebst den Privilegien der Genossenschaft gleichfalls zu Mainz befindet, zeigt, nach Wagenseils weiterer Meldung S. 515, als Wappen derselben einen gevierten Schild, der in zwei Feldern den Reichsadler und in den beiden andern den böhmischen Löwen, in der Mitte aber die erwähnte Königskrone enthält. Dieses Wappen habe Kaiser Karl IV. der Meistersängergesellschaft wo nicht erteilt, doch also verbessert.

Die Namen der jezeitig berühmtesten Sänger in der Zwölfzahl, der auch für andre Genossenschaften beliebten, anzunehmen, war altherkömmlich. Im Heldengedichte Gudrun, aus dem 13. Jahrhundert, entführt Horand für seinen König die Tochter des Königs von Irland, indem er sie durch seinen wundervollen Gesang bezaubert und ihr am Hofe seines Herrn noch viel herrlichern verheißt: (Gudrun, herausgegeben von A. J. Vollmer. Leipzig 1845. 8. S. 42. S. 24.8 Kudrun, herausgegeben von K. Bartsch. Leipzig 1865. 8. S. 87. H.)

Er sprach zer schönen Hilden: »Vil edelez magedîn,
Mîn herre tegelîche hât in dem hove sîn
Zwelve, die ze prîse für mich singent verre.
Swie süeze sî ir wîse, doch singet aller beste mîn herre.«

Rumelant von Schwaben, aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, schließt ein Lied zum Lobe eines freigebigen Herren so:

Zwelf meistersinger möhten niht vol singen
Die tugent, die man in eine siht vol bringen.

(Müller B. II, Meistergesangbuch S. 19; vgl. Museum II, S. 147. [F. H. v. d. Hagen, Minnesinger III, S. 69 H.])

Um die Mitte des 14. Jahrhunderts verfaßte Lupolt Hornburg von Rotenburg a. d. T. ein meistersängerisches Lied zum Lobe der besten Sänger. Es sind ihrer auch zwölfe, dem 13. Jahrhundert angehörend, und zum Teil dieselben, welche in dem Meisterliede bei Wagenseil genannt sind (Museum II, 22 ff.).

Die im letztern aufgezählten zwölf Meister scheinen diejenigen zu sein, welche in der alten Mainzer Schule für die Stifter galten. Die Singschulen zu Nürnberg und Augsburg aber bildeten für sich neue Zwölfzahlen, ohne darum jenen ältern Meistern die Ehre zu versagen (Wagenseil S. 515. Büsching, Sammlung S. 202).

Dem sagenhaften Ursprunge dieser Zwölfmeisterschaft war es ganz angemessen, daß die Meistersänger selbst solche poetisch oder sinnbildlich auffaßten. Ein Meisterlied von den alten Sängern (worin jedoch die Zwölfzahl etwas überschritten wird) stellt dieselben als Hüter eines blütenreichen Rosengartens dar:

Die stöck die stunden rosen voll,
Das was ir kluegs gedichte usw.

Die noch Ungelehrten werden gewarnt, die Blumen nicht zu zertreten und aufgefordert, sich durch eigene Meisterschaft einen Ehrenkranz zu verdienen (Görres, Altdeutsche Volks- und Meisterlieder, aus den Handschriften der Heidelberger Bibliothek, Frankfurt 1817. S. 222 ff.). Eine Erinnerung an die zwölf Helden der deutschen Sage, die im Rosengarten zu Worms um Rosenkränze bekämpft werden müssen, mag hierbei wohl zugrunde liegen. Wie in den Rosengartenliedern der kühne Spielmann Volker, so spielt hier Konrad von Würzburg die Geige, und wie dort die gewaltigen Recken, so watet hier der liederreiche Walther von der Vogelweide durch die Rosen.

Auf einer Anschlagtafel, die auf dem Markte zu Nürnberg hing, war, nach Wagenseil S. 541, ein Garten gemalt, in dem mehrere Personen umherwandelten. Darüber stand die Inschrift:

Zwölf alte männer vor viel jahren
Thäten den garten wohl bewahren
Vor wilden thieren, schwein und beeren,
Die wollen ihn verwüsten geren;
Die lebten, als man zehlt vorwahr
Neunhundert und 62 jahr (d. h. im J. 962).

Dieses Sinnbild hat Hans Sachs in einem Meistergesange auf die zwölf besondern Meister von Nürnberg angewandt (Tenzels Monatliche Unterredungen 1697. S. 422 f. 431-33; daraus bei Büsching, Sammlung I, 212ff.):

Der gart bedeutt in Nürnberg die singschul,
Hat lang geblüht durch zwölf erwählte dichter;
Ir kunst hat sich weit ausgebreit
In alle land, durch fremde meistersänger,
Welche die kunst für andre gaben preisen.
Die zwölf saßen auf dem meisterstuhl usw.

Es werden nun diese zwölf, sämtlich nürnbergische Handwerker aus dem 15. Jahrhundert, aufgezählt, darunter ein Bäcker, ein Nagler, ein Heftelmacher, ein Schneider, ein Briefmaler, ein Schwertfeger, ein Barbier; der letzte Leonhard Nunnenbeck, Leinweber (der Lehrmeister des Hans Sachs).

Noch in einem andern Gesange wird der Kranz ausgeboten, der in jenem Rosengarten geflochten ist (Görres a. a. O. 226 ff.):

Fröhlich so will ichs heben an
Mit meinem gesang auf dieser bahn usw.

Soweit die Fabeln und Bilder von der Stiftung und Fortpflanzung des Meistergesangs. Versuchen wir nun auch, das Wirkliche und Wahrhafte zu ermitteln!

Zwei Momente jener Überlieferungen sind hauptsächlich ins Auge zu fassen: die Anknüpfung der Meistersänger an die Liederdichter des 13. Jahrhunderts und die Angabe, daß die älteste Singschule zu Mainz bestanden habe. Die künstlichen Formen des ritterlichen Minnesangs, die Bestimmung der Lieder für den musikalischen Vortrag, die Vereinigung des Dichters und des Tonsetzers in derselben Person machen es notwendig, anzunehmen, daß dieser Gesang durch Unterricht ausgebildet und fortgepflanzt wurde. Walther von der Vogelweide, dessen frühere Lebenszeit noch in das 12. Jahrhundert fällt, sagt von sich:

Ze Osterrîche lernte ich singen unde sagen (Manesse I, 132a).

Auch finden sich bei diesen ältern Dichtern manche Andeutungen auf Kunstregel und Kunstgebrauch. Die Sitte, Versart und Tonweise nach dem Erfinder zu benennen, läßt sich gleichfalls bis in das 12. Jahrhundert verfolgen (Manesse I, 38b: Do hort ich einen ritter vil wol singen In Nürnberges wise usw.).

War nun diese Liederkunst auch im ganzen wesentlich Eine, so müssen wir doch unter ihren Pflegern zweierlei Klassen unterscheiden: Diejenigen, welche die Kunst zu ihrem Berufe gemacht hatten, und die übrigen, welche dieselbe mehr aus freier Lust oder als ein Wahrzeichen der geselligen Bildung betrieben. Die erstern hießen Meister, ein Name, der in jenen Zeiten jedem zukam, der sich der Ausübung irgend einer Kunst mit Auszeichnung widmete. Die andern, die Liebhaber und Lehrlinge, denen der Gesang nur eine Nebenbeschäftigung war, wurden mit ihren fürstlichen oder adeligen Namen bezeichnet. »Unsres Sanges Meister« wird Walther von der Vogelweide in einem Liede genannt, worin der Truchseß von Singenberg um die Mitte des 13. Jahrhunderts seinen Tod beklagt, aber er selbst schon stellt die Meister den Schnarrenzern (snarrenzäre) snarrenzen, garrire Grammatik II, 341, 3. gegenüber (Manesse I, 127a).

Fassen wir nun gerade die Meister, die eigentlichen Träger der Kunst, genauer ins Auge, so bemerken wir bei ihnen schon von der blühendsten Periode des Minnesanges an innerlich eine mehr und mehr vorwiegende Neigung zu Betrachtung und Lehre und damit im Einklang eine strengere Gemessenheit der äußern Form. Während Walther, der älteste mit Sicherheit bestimmbare unter den im Mythus der Meistersänger aufgezählten Stiftern der Kunst, unter denen, die von Minne sangen, höchst geschätzt war, so ist doch schon ein großer Teil seiner Lieder dem ernsteren Nachdenken, der religiösen Betrachtung, den politischen und kirchlichen Kämpfen gewidmet, und die Strophenarten, deren er sich dafür hauptsächlich bedient und die er bei verwandten Gegenständen gerne wiederholt, sind von einem gedehntern und weitschichtigern Bau, als der lyrischen Beweglichkeit angemessen wäre. Von dieser Seite schließt sich ihm um die Mitte des 13. Jahrhunderts Reinmar von Zweter an, der gleichfalls im Verzeichnis der alten Meister genannt ist. Dieser hat das eigentliche Minnelied bereits aufgegeben und, völlig dem Lehrhaften und Polemischen zugewandt, dichtet er nur noch in ganz wenigen langen und scharfgemessenen Weisen, deren eine schon im Manessischen Kodex »vrou Eren don« überschrieben wird. Dieser Charakter des Inhalts und der Form befestigt sich auch immer mehr im weitern Verlaufe des Jahrhunderts, wie die zahlreichen Lieder aus dieser Zeit bezeugen, die im zweiten Bande der Bodmerischen Ausgabe des Manessischen Kodex und in Müllers Sammlung deutscher Gedichte usw., dem zweiten Bande, Berlin 1875, aus dem alten Meistergesangbuche zu Jena, abgedruckt sind. (Vgl. Docen, Misc. II, 275f.) Die Verfasser dieser Gedichte werden großenteils Meister betitelt und gehören nach allen Anzeigen schon meist zum Bürgerstande. Nun ist zwar keineswegs zu erweisen, daß unter den Sangesmeistern des 13. Jahrhunderts sich zunftmäßige Verbindungen gebildet hatten, wie sie später unter den Meistersängern bestanden. Dagegen spricht vielmehr das Wanderleben der ältern Sänger, welche an den Höfen der Fürsten und auf den Burgen des Adels, Lohn und Beifall suchend, mit ihrer Kunst umherzogen. Das aber ist unleugbar, daß, von den äußern Einrichtungen abgesehen, die Grundzüge des Meistergesanges hinsichtlich der Gegenstände sowohl als der strophischen Form in den ältern Liedern vorgezeichnet sind. Der gemeinsamen Hauptregel des Strophenbaus wird nachher besonders gedacht werden. In den Singschulen der Meistersänger wurden daher auch die Tonweisen der älteren Meister fortgesungen und auf neue Texte angewandt oder auch erweitert und umgeändert. Die Liederbücher jener Schulen nahmen zum Teil noch Gedichte der Sänger vom Anfange des 13. Jahrhunderts in sich auf, aber vorzugsweise nur solcher, welche wir zuvor mit dem Namen Meister bezeichnet haben. Von diesen haben also die Meistersänger nicht mit Unrecht den Ursprung der Kunst abgeleitet, und das Gedächtnis dieser geschichtlichen Verbindung ist in der Tradition von den zwölf Stiftern des Gesanges sagenhaft aufbewahrt. Diesen innern Zusammenhang hebt es auch nicht auf, daß wir, was sich früher lebendig entwickelte, nun im Zustande der Erstarrung finden. Wenn der Winterfrost dem Strauche die Blätter abstreift und wir an den dürren Ästen und Zweigen wenig Gefallen haben, so waren doch diese nicht weniger vorhanden, als noch das rauschende Grün sie verhüllte.

Eine ausdrückliche Hinweisung auf die Stadt Mainz als den ursprünglichen Sitz der Kunst enthält ein, freilich schon später, Meistergesang des M. Ambrosius Metzger: meisterliche Freiung (das heißt Meister-Erklärung) der Singer, Wagenseil S. 549 f.:

So viel ich hab bericht darvon,
Durch das lesen bekommen,
Hat die kunst schon
In Mainz der statt sein anfang genommen
Durch ein thumherrn prächtig.
So fast schöne lieder gedicht.
Desgleich wohnt drin ein Hufschmied auch,
So Regenbogen geheißen;
Den rechten brauch
In dem meistergsang thät er weisen usw.

Es werden dann noch Marner und Mügling als die Mitgründer der Kunst genannt, deren also hier nur vier sind. Auch diese Angaben sind freilich nur sagenhaft und ebenso, was auf der vordersten Seite des Gesangbuchs der Meistersängergesellschaft zu Colmar geschrieben stand: »Dis buoch und dafel ist der XII meister gedicht und ist ob VII hundert joren zu Menz im dunkeln gelegen und in der liberig«; (Vergl. die genaue Mitteilung dieser Stelle in: Meisterlieder der Colmarer Handschrift, herausgegeben von K. Bartsch. Stuttgart 1862. 8. S. 1. H.) wobei wir jedoch nur das hohe Alter, nicht das Herkommen des Buches von Mainz anzufechten brauchen. Vergl. Grimm 118. Büsching, Sammlung I, 169.

Unter dem Domherrn zu Mainz ist Frauenlob verstanden, der auch in den früher angeführten Liedern von den zwölf alten Meistern voransteht; sein Name eröffnet auch das Colmarer Liederbuch (Museum II, 184), und was in seinen und des mit ihm genannten Regenbogen Gedichten vorkommt, ist wohl die Hauptquelle der meistersängerischen Überlieferung.

Meister Heinrich von Misen, genannt der Frouwenlop, Über ihn ein Aufsatz von Docen, in der Aurora 1804. Nr. 92. 93. 100. Museum II, 156 ff. wie die Würzburger Liederhandschrift seinen Namen vollständig gibt (Museum I, 160), lebte zu Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts. Von Geburt nach allen Umständen ein Niederdeutscher, war er nach der Überlieferung der Meistersänger Doktor der Theologie und Domherr zu Mainz (Museum II, 160), für welches letztere seine gleich näher zu erwähnende Beisetzung im Kreuzgang an der dortigen Domkirche spricht. Er starb 1317, und von seinem Begräbnis meldet Albertus Argentinensis (aus dem 16. Jahrhundert) bei Urstisius B. II, S. 108, folgendes:

»Anno domini 1317, in vigilia sancti Andreæ, sepultus est Henricus dictus Frauwenlob , in Maguntia, in ambitu majoris ecclisiæ, juxta scalas, honorifice valde: qui deportatus fuit a mulieribus ab hospito usque ad locum sepulturæ, et lamentationes et querelæ maximæ auditæ fuerunt ab eis, propter laudes infinitas quas imposuit omni generi fœmineo in dictaminibus suis. Tanta enim ibi copia fuit vini fusa in sepulchrum suum, quod circumfluebat per totum ambitum ecclesiæ. Cantica canticorum dictavit teutonice, quæ vulgariter dicuntur Unser Frauwen Lied, et multa alia bona.«

Man zeigt noch im Kreuzgang des Domes seinen, jedoch erneuerten Grabstein (Schreiber, Handbuch für Reisende am Rhein 94; als Titelkupfer in Görres Volks- und Meisterliedern).

Der Beiname Frauenlob wird bald eben von dem auf das Lob »unser Frauwen«, Mariens, in der poetischen Bearbeitung dieses Dichters gedeuteten hohen Liede, bald von einem Wettstreite, den er mit andern Sängern über den Vorzug des Namens Frau vor dem Namen Weib führte, abgeleitet. (Vgl. Museum II, 157 f.) In der Art des ritterlichen Minnesanges hat er zwar das Lob der Frauen nicht gesungen, aber er hat die gepriesen, durch welche nach mehrfachen Äußerungen in den Liedern jener Zeit das ganze Geschlecht verherrlicht ist. Frauenlobs Gedichte sind, auch wo sie sich auf die Minne beziehen, mehr lehrend und betrachtend, und besonders herrscht in ihnen die Richtung auf das mystisch Religiöse. Man vergl. nun: Heinrich« von Meißen des Frauenlobes Leiche, Sprüche, Streitgedichte und Lieder, erläutert und herausgegeben von L. Ettmller, Quedlinburg und Leipzig 1843. 8. Frauenlob starb nicht 1317, sondern 1318. H.) (Vgl. Museum II, 166.)

Regenbog oder Regenbogen (beides kommt in seinen eigenen Gedichten vor, Museum II, 186, 3. 190, 1), bei den spätern Meistersängern Barthel Regenbogen, sang mit Frauenlob »wider strit« (in die Wette) über den Wert der älteren Meister, über Frau und Weib usw., hat jedoch der heftigen Äußerungen unerachtet, welche in diesen Wettgesängen vorkommen, Frauenlobs Gedächtnis im Liede (Museum I, 194, 160, Hanmann S. 163) gefeiert. In denjenigen seiner Lieder vorzüglich, welche aus der Colmarer Handschrift bekannt gemacht worden sind, gibt er Nachricht von seinen persönlichen Verhältnissen. Er war erst ein Schmied und gewann auf hartem Amboß kümmerlich sein Brot, dann griff er zur Kunst des Gesanges und fuhr weit umher. Ettmüller, Frauenlob, Vorrede XXIV: ›der Regenboge zu Ulm‹. Er rühmt sich selbst einen Meister, der vor edeln Fürsten und mächtigen Kaisern zu singen wage, doch klagt er auch einmal über die Kargheit der Großen und droht, wenn sie ihm nicht besser lohnen, zu der Esse Glut, zu Hammer, Zang' und Amboß, der ihm willig Fleisch und Brot mitteile, zurückzukehren (Vergl. Bartsch a. a. O. S. 400. 401. H.) (Museum II, 172, N. 46. Aretin, Beiträge IX, 1169. Vergleiche auch ebendaselbst 1137 usw.).

Besonders aber kommt uns ein Lied in Betracht, in welchem er die Sänger am Rheine, namentlich Frauenlob, zum Wettkampf herausfordert (Museum II, 186 f. [F. H. v. d. Hagen, Minnesinger III, S. 344, 345]):

Got dank' iu, meister! (ir) habet mich empfangen schon, usw.

Daß am Rheine, worunter wir in der Verbindung mit Frauenlob besonders die Stadt Mainz zu verstehen haben werden, die besten Sänger seien, war also am Ende des 13. Jahrhunderts eine bekannte Sage, wodurch Regenbogen eben dahin gezogen wurde. Davon ist zwar nichts gesagt, daß diese Sänger eine Schule, eine geregelte Genossenschaft bildeten. Dennoch werden sie von ihm in einer gewissen Gesamtheit, der Meister Frauenlob an der Spitze, aufgerufen, und der nach alter Sitte wandernde Sänger stellt sich ihnen als Ansässigen gegenüber, so daß wir die schulmäßige Genossenschaft bis zum Abschlusse vorbereitet finden. Hierbei verdient auch das Bild Beachtung, welches in der am Anfang des 14. Jahrhunderts gefertigten Manessischen Liederhandschrift den Gedichten Frauenlobs vorgesetzt ist. Der Meister sitzt erhaben auf dem Stuhle mit aufgehobenem Finger und gesenktem Stabe, unter ihm steht eine Schar von neun Männern, die meisten mit Saiten- und Blasinstrumenten und besonders ausgezeichnet ein Geigenspieler, aber auch zwei, nicht mit Instrumenten versehen, welche singend gedacht sein mögen. Daneben Frauenlobs Wappen, ein Frauenkopf mit Krone, ohne Zweifel die von ihm gefeierte Himmelskönigin und damit auch die Ableitung seines Namens von diesem Lobe derselben anzeigend. Dieses Bild ist sehr wahrscheinlich noch zu Lebzeiten des Meisters gemalt worden; später würde man wohl eher die auch auf dem Grabstein dargestellte Szene gewählt haben, wie er von den Frauen zu Grabe getragen wird.

Schon damals also wurde Frauenlob als Haupt und Leiter einer Kunstgesellschaft betrachtet, und wenn auch dieser noch nicht die bestimmte Einrichtung der späteren Singschulen gegeben war, so können doch letztere sich aus und nach ihr allmählich gestaltet haben, womit dann auch die in ihnen gehegte Überlieferung stimmt. Der Geist der Belehrung und frommen Betrachtung und der gelehrte Anstrich, wovon Frauenlobs und Regenbogens Lieder das Muster gaben, hat auch in den Singschulen sich fortgepflanzt, nur mit stets zunehmender Steifheit und Trockenheit.

Die Verbreitung des Meistergesangs gibt Grimm (a. a. O. S. 129) folgendermaßen an: »Im 14. Jahrhundert blüht er zu Mainz, Straßburg, Colmar, Frankfurt, Wirzburg, Zwickau, Prag. Im 15. zu Nürnberg, Augsburg. Im 16. zu Regensburg, Ulm, München (H. Sachs, Göz I, 5, Frankfurt, ebendaselbst), Steiermark, Mähren (Iglau), Breslau, Görliz bis nach Danzig. Im 17. zu Memmingen, Basel, Dinkelsbühl.« S. auch noch Büsching, Sammlung I, 166 und N. 4.

Dieses Verzeichnis macht jedoch, wie der Verfasser selbst bemerkt, auf keine Vollständigkeit Anspruch, auch beruht es nicht sowohl auf noch vorhandenen Stiftungsurkunden, als auf einzelnen Angaben, aus denen oft nur das Vorhandensein, nicht aber die Entstehungszeit der Singschulen an diesem oder jenem Ort erhellt.

Es mögen daher hier einige weitere Notizen teils zur Vermehrung des Verzeichnisses, teils für die Zeitbestimmung folgen.

Aus einem Meisterliede, welches 1597 zu Straßburg gedichtet und abgesungen worden, ist in den »Historischen Merkwürdigkeiten des ehemaligen Elsaßes aus den Silbermannischen Schriften gezogen«, Straßburg 1804, S. 120, folgende Stelle mitgeteilt:

Noch sind vor der zeit
In der welt weit
Herrlich dichter gewesen,
Findt man ir nam bereit.
Noch leben heut
Zu Leipzig und zu Dresden,
Zu Eßling, Nördling, Wien, Breslau,
Zu Danzig, Basel, Steier,
Zu Colmar, Frankfurt, Hagenau,
Im römischen reich zu Speier,
Weißenburg gleich,
Pforzheim ist reich
An dichter, wie wir lesen

Eßlingen hat auch Grimm in den Zusätzen seiner Schrift (S. 187) noch namhaft gemacht; dort hat der Meistersänger Daniel Holtzmann aus Augsburg zweimal Schule gehalten, das heißt sich in der Singschule hören lassen, wie er in der Zueignungsschrift seines Fabelbuchs »Spiegel der natürlichen Weisheit« usw. 1571 an Bürgermeister und Rat der Stadt Eßlingen sagt (Eschenburg, Denkmäler altdeutscher Dichtkunst. Bremen 1799. S. 378). Auch Worms ist nach einer Angabe des Joh. Staricius, in der Mitte des 17. Jahrhunderts, beizufügen (W. Grimm, Heldensage 320).

Außer der angenommenen Mutteranstalt zu Mainz waren die berühmtesten Singschulen die zu Straßburg, Nürnberg und Augsburg. Aber auch über ihre Stiftung fehlt es an gleichzeitigen, urkundlichen Nachrichten.

Über die zu Straßburg, Wegen Nürnbergs vergl. Aretin, Beiträge IX, 1151: Ketner, 1134, 66. 1153, 1170, 64. 1172, 68. deren Blüte Grimm schon ins 14. Jahrhundert versetzt (vergleiche jedoch S. 26), finde ich nur im angeführten Schilterischen Glossar s. v. Bardus den Anfang des Briefs, mittels dessen der dortige Magistrat im Jahre 1598 die Gesellschaft der Meistersänger renoviert hat, so lautend:

»Demnach ungevähr vor einhundert und fünf jahren die uralte löbliche kunst des teutschen Meistergesangs durch etliche kunstliebende gottesfürchtige Personen allhier aufgerichtet worden« usw. Diese Aufrichtung würde hiernach erst ungefähr in das Jahr 1493 fallen, wenn nicht etwa auch hierbei nur eine spätere Bestätigungsurkunde zugrunde liegt. Bei Nürnberg weisen die von Hans Sachs aufgezählten zwölf Hauptmeister gleichfalls nicht über die Mitte des 15. Jahrhunderts hinauf. Zu Augsburg ist die Singschule nicht, wie Beischlag behauptet, erst im Anfang des 16. Jahrhunderts, sondern nach Grimms Annahme (S. 129) wirklich im 15., und zwar, worüber ich ein glaubwürdiges Zeugnis aufgefunden, etwas vor der Mitte desselben, gegründet worden. In einer früher schon angeführten handschriftlichen Gedichtsammlung aus dem 15. Jahrhundert, dem sogenannten Liederbuche der Clara Hätzlerin, steht ein gegen die Städte polemisches Lied, das nach seiner ausdrücklichen Meldung zur Zeit der Verkündigung des Jubeljahres, 1450, gedichtet ist, und darin folgende Strophe:

Augspurg hat ain weisen rat.
Das prüft man an ir kecken tat
Mit singen, dichten und klaffen;
Si Hand gemachet ain singschuol
Und setzen oben auf den stuol.
Wer übel redt von pfaffen. (Man sehe die Stelle in: Haltaus, Liederbuch der Clara Hätzlerin S. 41, und in: Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder ... herausgegeben von Ludwig Uhland I, S. 430. Vergl. ebendaselbst S. 426. H.)

Diese Singschule wird hier, um 1450, offenbar als eine noch neue Einrichtung bezeichnet.

Die einzige, meines Wissens, herausgegebene gleichzeitige Stiftungsurkunde ist der von H. Schreiber a. a. O. nebst andern Urkunden der Meistersänger zu Freiburg im Breisgau aus dem dortigen Stadtarchive mitgeteilte Stiftungsbrief der Gesellschaft vom Jahre 1513, wodurch wir überhaupt zuerst von dieser Gesellschaft Kunde erhalten haben.

Fortgedauert haben die Meistersängerschulen, wenn auch in einem kümmerlichen Dasein, an mehreren Orten noch bis gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts. Von Nürnberg bemerkt Häßlein in seiner 1794 erschienenen Abhandlung (Bragur III, 89), es sei nun über 20 Jahre, daß die letzte öffentliche Schule gehalten worden. Vergl. Ranisch, Historischkritische Lebensbeschreibung Hans Sachsens. Altenburg 1765. 8. S. 26–28. Die Gesellschaft zu Straßburg bat (nach den angeführten Silbermannischen Merkwürdigkeiten S. 121), (nachdem sie vielen zum Gespött geworden, am 11. September 1781 den Magistrat um Aufhebung ihrer Einrichtung und um nützliche Verwendung ihrer Einkünfte, welche eben nicht beträchtlich waren und größtenteils von den milden Stiftungen herkamen, denen sie also, da dem Begehren willfahrt wurde, auch wieder zufielen. Häßlein bringt a. a. O. S. 107 f. eine Nachricht aus Beckers deutscher Zeitung 1792, St. 5, S. 80 bei, daß zu Ulm die Meistersänger aus der Weberzunft noch jetzt im besten Flore seien; dabei versichert der Herausgeber, daß sie auch in anderen Städten Oberdeutschlands noch Lehrlinge in ihrer Kunst aufnehmen und lossprechen und zunftmäßige Meister machen.

Um sich über den Zweck der Singschulen zu belehren, wär es besonders wünschenswert, die alten Stiftungsbriefe zu Rate ziehen zu können. Es steht uns aber hierfür erwähntermaßen nur der Freiburgische von 1513 zu Gebot. Derselbe hebt so an (Badisches Archiv II, 195ff.):

Wir Burgermeister und Rat der Stadt Friburg im Brisgau thund kunt menglichem mit diesem Briefe, daß vor uns in geseßnem Rate erschinen sind die ersamen Michel Punt, der Schumacher Bruderschaft Meister, Jakob Rumel, Rudolf Balduf, Ludwig Würzburger, Heinrich Wißland und ettlich ander unser Burger und Inwoner von der Singer-Bruderschaft und habend uns fürgetragen: Nachdem sich wiland der ersam Herr Peter Sprung, unser Obristermeister seliger, gar uß fründlicher erlicher Neigung und Meinung mit ihnen besprochen und beredt einer Bruderschaft der Sengerie und ihnen daran zwen Guldin Gelds, ablösig mit vierzig Guldin Hauptguets, zugeordnet, die sie auch seiner verlahnen Witwe mit Recht vor uns anbehalten, wie wir des gut Wissen hätten, werend si daruf geneigt und willig, so vil an ihnen stund, sollich Bruderschaft und Singen uofzurichten, in Betrachtung, daß dennocht Dennocht, Schmeller I, 375: dennoch, denn doch. Gott der allmächtig dardurch gelobt, die Selen getrost und die Menschen zu Ziten, so sie dem Gesang zuhorten, von Gotslästerung, auch vom Spil und anderer weltlichen Üppigkeit gezogen wurden. Inmaßen dann das alles obgemelter Peter Sprung seliger ordenlich und wohl betrachtet und deshalben dise Bruderschaft dester begiriger angefangen het, mit demütigem und underthänigem Anrufen, wir wolten desselben Peter Sprungen seligen und ihr aller Gemüt und Willen, so hierinne ihrthalben ganz gerecht und guet were, betrachten, auch dabi bedenken die Guettät, so den armen Selen dardurch nachgeschehen mocht, und ihnen sollich Bruderschaft und Ordnung des Gesanges gonstlich bewilligen und zulassen; also nachdem wir Burgermeister und Rat obgenannt nit anders vermerken können noch mögen, dann daß Peter Sprungen seligen und ir aller Meinung uß erbarem Grund und Fürnemen geflossen, auch dabi bedacht und ermessen, wie vor me viel Personen, geistlich und weltlich, Gelt an dise Bruderschaft gegeben, in Meinung, daß die volzogen solt werden, wie ihnen angezeigt sig, als wir dann in der Rechtshandlung zwischen den Singern und Peter Sprungen seligen Witwe gar eigentlich underricht worden sind: so haben wir sollich Bruderschaft und Ordnung des Gesangs mit allen Puncten und Artikeln, wie dann die von Stuck zu Stuck harnach volgent, bewilliget und zugelassen, dieselben auch sovil an uns ist, confirmirt und bevestnet, bewilligen lassen zu confirmiren, und bevestnen die jetzt wissentlich in Kraft dieß Briefs, meinen und wellen, daß derselben Ordnung und Bruderschaft des Gesangs in allem Inhalt von allen denen, die es berüren thuet, gestracks gelebt und nachkommen und darwider deheines Wegs gethan noch gehandelt sol werden, doch uns und allen unsern Nachkommen hierinne unser Oberkaiten ußdrücklich vorbehalten, gerürte Ordnung zu meren, zu mindern, zu endern, gar oder zum Teil abzuthun, wie und zu welcher Zit uns und unsern Nachkommen geliebt, eben und gefällig ist. Und wie und wenn das geschicht, daran sollend uns und unser Nachkommen die obgemelten ietzig und all künftig Singer und Brüder diser Bruderschaft, noch Niemands Intrag, Sperrung oder Irrung thun, alles ufrecht, erbarlich und ungeverlich. Und lutet die angezeigt Ordnung, so uns von Peter Sprungen seligen und nachgehend den Singern, wie obstat, fürgebracht ist, von Wort zu Wort also: usw.

Es folgen nun 18 »Artikel der Singer«, wovon ich hier nur dasjenige aushebe, was zur nähern Erklärung des Zweckes dieser Verbindung dient.

Jedes Jahr sollen zwei »gemeine Hauptsingen« im Predigerkloster gehalten werden, das eine am Tage des Evangelisten Johannes, in den Weihnachtfeiertagen, das andre am Pfingstdienstag. Je am Morgen nach einem solchen Hauptsingen sollen aber auch noch »zwei gesungne Empter volbracht werden: ein Selampt, darinne sol man bitten für die Stifter diser Brüderschaft, auch für alle die, so in der Brüderschaft sind, es sient Singer oder nit. Desglichen sol man alle die verkünden, so uß diser Bruderschaft gestorben sind, und dabi aller gläubigen Selen nit vergessen.« Das zweite gesungene Amt, zu dem man orgeln soll, wird nach dem ersten Hauptsingen »von unser lieben Frowen«, nach dem andern »von der heiligen Dreivaltigkeit« gehalten. Am Tage vor jedem Hauptsingen soll der Prädicant, der im Kloster predigt, verkünden, »daß morndes das Hauptsingen gehalten, daß man auch allen Brüdern und Schwestern, so in diser Brüderschaft sind, das Jarzit mit den beiden Emptern, wie obgemelt ist, begon werd« usw. Ein solches Seelamt soll auch je auf die beiden Fronfasten Quatemberfasten. Schmeller I, 613. stattfinden. (Art. 1 bis 4.)

Weiter bestimmt Artikel 5:

Item, wann ein Bruder oder Schwester uß diser Bruderschaft abstirbt, so soll man ihme das Libfäll lip bevilhe (bevilde, auch bîvilde), lipfil, leibfall, exequiae, sepultura, corporis commendatio terrae. Schilter, Glossarium S. 539 b. Von bevelhen usw. im Sinne von begraben. Grammatik II, 721. mit einem gesungnen Selampt zu den Predigern halten und dortzu allen Brüdern und Schwestern verkünden und söllent desselben Abgestorbnen Fründ Wachs und Kerzen zu solchem Libfäll geben. Wär es aber ein Frömbder, der dise Bruderschaft gehalten und doch nit Früntschaft im Land hett, die sich sin beladen wölte, so sin Absterben fürkompt, soll man ihme nicht destminder in der Bruderschaft Kosten das Libfäll halten und begon, wie obstat.

Artikel 8 besagt:

Item die Prediger-Herren sollend auch allweg zu dem Hauptsingen unter ihnen selbs, ob sie es gehaben mögend, oder anderswa zwen gelert Mann, oder doch zum wenigsten einen, die sich der heiligen göttlichen Geschrift verstanden, zu Merker geben und darsetzen. Desglichen sol die Bruderschaft auch zwen geben usw.

Sodann Artikel 12:

Item die geistlichen und weltlichen Merker, so gesetzt werden, sollen getrüw Ufmerken uf die Senger haben, und wo sie dieselben in ihrem Gesang irrig erfinden, es sig in welchem Stuck und wie es well, nichts vorbehalten, das sollend sie ihnen sagen und sollich Irthumb bi ihnen abstellen, auch die Singer ihrem Entscheiden und Geheiß gehorsam und gewertig sein.

Vermöge Artikels 14 sollen außer den Mitgliedern der Brüderschaft selbst

Doctores, Priester und Rathsherren frigen Zugang haben, dem Singen ufzulosen, und von denselben allen nichts genommen werden.

Endlich in Beziehung auf die Mahle, welche vermutlich nach den Hauptsingen stattfanden und wozu nach Artikel 7 die Predigerherren ihre Küche hergeben mußten, wird Artikel 15 (S. 201) angeordnet:

Item es soll auch bestellet, daß ob den Malen gesungen, zu nämlich in Anfang, im Mittel und am End des Mals, und Niemants gestattet werden, torliche Lieder zu singen; aber nach dem Mal mag ein ieder singen, was er will, doch daß es alweg erbarlich und züchtiglich zugang, und ob sich Jemands im Singen ob den Malen mit Worten oder Werken unschickenlich hielte, den sollen die Singer nach der Gebure strafen.

Auch der pergamentene Anschlag, mittels dessen, nach erhaltener Bestätigung, die Eröffnung des Singens verkündigt wird, enthält beachtenswerte Äußerungen. Es wird darin in Beziehung auf die christliche Lehre, welche namentlich auch die hohen Schulen in Behaltnis haben, gesagt:

»Welich tröstlich Lere wir von der wirdigsten Priesterschaft predigen oft unfruchtbarlich oder verdrießlich hören. Wird doch die durch der göttlichen Kunst Doctores, auch frier Künste Meister in den ungelerten Leien verstentlich bracht mit übersüßisten Gedichten ze singen in den zwölf meisterlichen Tönen uß den frien Künsten!« Nach Aufzählung dieser freien Künste, der Logik, Grammatik, Arithmetik, Rhetorik und Musik, wird dann die Absicht ausgesprochen, »mit usw. obgemelter Sengeri und Gedicht uß göttlichen und natürlichen Künsten usw. wider ze ernüwen die Loblichkeit, so lang Jar und Zit bißher vergangen gewesen und nun in Verspulgung Verspulgung, Nichtgebrauch, Abgewöhnung; spulgen, pflegen, gewohnt sein. Fundgruben I, 392 a.] abgestiegen ist, ze kurzwilen umb Glori, Lob und Ere der Gottheit und unser himmelschen Trösterin usw. uns zu Glück und Heile usw. und zu Widerstand und Mindrung, nemlich an den Firtagen, manigerlei jetzt laufender nüw angenomner Lüderi, üppiger, unnutzer, unerlicher und verdammter Wort und Werk, so denn die Jungen geneigter denn zum Guten, leider, jetzt lernen usw. in Hoffnung, obgemeldt Kunst Gott und der Welt gesellig, kurzwilig, loblich und geliebt gehandhabt und also gepflanzt werd.« Am Schlusse heißt es noch: Diejenigen, welche als Sänger oder Zuhörer teilnehmen wollen, werden »in schuldiger Erberkeit von den Meistersengern daselbs empfangen und zugelassen«.

Fassen wir diese einzelnen Artikel der Singerordnung Auf bei Bibliothek zu Colmar befindet sich ein Bruchstück der Satzungen dortiger Singgesellschaft von 1549. Sie haben den geistlich-katholischen Zuschnitt des Freiburger Statuts, es werden auch Schwestern aufgenommen, der ersungene Kranz soll nicht beim Tanze getragen werden. Angeführt wird »das Buch von Menz«, der vermißte Colmarer Codex (jetzt auf der k. Hof- und Staatsbibliothek zu München, in Auswahl herausgegeben von K. Bartsch. Stuttgart 1862. 8. H.); aus diesem soll hauptsächlich auch gesungen werden. Übrigens wird ausdrücklich auf die Satzungen von Augsburg und Nürnberg als Vorbilder Bezug genommen, diese hatten also wohl ursprünglich und vor der Reformation das gleiche Gepräge. unter ihre Hauptgesichtspunkte zusammen, so zeigt sich eine doppelte Bestimmung der neugestifteten Brüderschaft: einmal die gottesdienstliche Feier, besonders zum Seelenheile der abgeschiedenen Genossen (»die Guettät, so den armen Selen dardurch nachgeschehen mocht,« Freiburger Stiftungsbrief S. 196), sodann die Ausübung der Sing- und Dichtkunst. In ersterer Hinsicht trifft dieser Verein mit so vielen andern geistlichen Brüderschaften, Konfraternitäten, überein, wie sie in älterer Zeit zu wohltätigen oder kirchlichen Zwecken, insonderheit auch zur Teilnahme an Begräbnissen, bestanden und an bestimmten Tagen ihre genossenschaftlichen Mahlzeiten hatten (Hüllmann, Städtewesen des Mittelalters, Teil IV. Bonn 1829. S. 179. Keysler, Antiqu. septent.. Hannover 1720. S. 359f. Schmeller I, 254). Noch jetzt bestehen an katholischen Orten solche Genossenschaften, gewöhnlich unter dem Patrozinium eines Heiligen, z. B. die Josephsbrüderschaften. Für die kirchlichen Zwecke ist auch in obigem Stiftungsbrief Artikel 7 der neue Altar unser Frauen in der Kirche der Predigerherrn eingeräumt, »damit die Bruderschaft daruf gehalten werden möge«.

Wenn übrigens gleich diese kirchlichen Feierlichkeiten mit Gesang verbunden, »gesungene Ämter« waren, so konnte doch dabei der eigentliche Meistersang, der in deutscher Sprache und in nichtliturgischen Tonweisen stattfand, nicht eintreten. Dennoch wär' es möglich, wenn es auch nicht nachgewiesen werden kann, daß die ältern Singschulen überhaupt auf solche kirchliche Brüderschaften, als die herkömmliche Form für Vereine zu frommen und geistigen Zwecken, gegründet waren. Auch die schon erwähnte Erneurung der Straßburger Singschule von 1598 gedenkt der bisherigen Teilnahme von »Personen beiderlei Geschlechts«, wie im Freiburger Stiftungsbriefe Brüder und Schwestern, letztere namentlich in Beziehung auf die Seelenämter und die Bestattung, vorkommen. Für Nürnberg berichtet Wagenseil S. 555:

»Wann ein Meister-Singer mit Tod abgangen, sind alle Gesellschafter schuldig, ihn zu Grab zu begleiten. Ist aber ein Merker gestorben, so verfügen sich, nachdem der Sarch in das Grab versenket, und ehe er noch mit Erde beschüttet worden, die gesammte Gesellschafter dahin und singen ein Gesellschafts-Lied zu letzten Ehren.«

So hat sich hier das Seelamt nach der Reformation gestaltet. Selbst was schon von Frauenlob gemeldet wird, wie ihn die Frauen zu Grabe getragen, würde den Sitten der Zeit näher gerückt werden, wenn wir in ihnen Schwestern einer von diesem Meister begründeten Singbrüderschaft annehmen dürften, und wie ein Nachhall des brüderschaftlichen Seelamts klingt es, wenn Meister Regenbogen sein Lied an die Jungfrau Maria zum Gedächtnis Frauenlobs so beschließt Das ganze Lied bei Görres a. a. O. S. 332 ff. (und bei F. H. von der Hagen, Minnesinger III, S. 354. H.). (Hanmann S. 163):

Unt hilf uns zuo dir in der himel veste!
Da vind' ich meister Vrouwenlop, ouch an der stat so vil der lieben geste.

Was nun aber, neben diesem Kirchlichen, die andre, und zwar die Hauptbestimmung der neuerrichteten Freiburger Brüderschaft anbelangt, Ausübung der Sing- und Dichtkunst, so zeigen uns die Urkunden allerdings auch hiebei eine geistliche Richtung, die es um so eher gestattete, die Singschule mit der religiösen Konfraternität zu verbinden. Es ist im Stiftungsbriefe gesagt, daß dadurch Gott der Allmächtige gelobt, die Seelen getröstet und die Menschen, während sie dem Gesange zuhörten, von Gotteslästerung, vom Spiel und andrer weltlichen Üppigkeit abgezogen würden; es sind zwei geistliche, gelehrte Männer, die sich der heiligen, göttlichen Schrift verstehen, zu Merkern bestellt, den Priestern und Doktoren ist besonders der freie Zugang eröffnet und das Absingen »torlicher Lieder« ist selbst beim Mahle verboten. Auch der Anschlag spricht davon, daß diese Kunstübung zur Ehre Gottes und der Jungfrau Maria, sowie zum Heile der Seelen gereichen soll. Noch über hundert Jahre nachher finden wir in derselben Singschule die religiöse Richtung nicht nur forterhalten, sondern sogar noch bestimmter ausgesprochen. Eine gleichfalls von Schreiber (S. 205ff.) mitgeteilte Einladung zu einem Meistersingen, vom Jahre 1630, fängt so an:

Kund und offenbar sei Jedermeniglichen, daß uf heut den hochheiligen Festtag ein ehrsame Bruderschaft der wohlgelerten Meistersenger alhie mit göttlicher Gnad, Hülf und Beistand fürgenomen, ein christliche geistliche Singschul zu halten, solches in aller Zahl und Maß, wie Gesangs Brauch und unser Tablatur vermag, anzuschlagen! Derowegen ist unser Bitt und Beger, wo etwan Meister oder Gesellen vorhanden weren, die Gott mit solcher Kunst begabt hett, auch Lieder könnten, die Zahl und Maß haben, wie dann ein Jeder, der ein rechter Singer ist, wohl weist sich zu halten, wann er diser Kunst will pflegen; ist derowegen nochmals unser Bitt, wo etliche, wie obgemelt, vorhanden weren, wollen sich zu uns verfügen, alda mit uns singen auß lauter heiliger göttlicher Geschriften. Was auf einer geistlichen Singschuel verbotten ist, das weist ein jeder wohlgelerter Maistersinger vorhin wohl, als nemlich Bossenlieder, Bremberger, Bergrisch, auch soll keine Reizlied (vergl. Wagenseil S.543. 555), Schmützung, Schmehung oder Eingreifung in Religion Sachen gesungen werden. Wie dann Mancher wohl weist und sich mit Fleiß darinnen üben thut; sondern soll alles geistlicherweis uf diser Schuel gehalten werden usw.

Hiemit stimmt denn auch überein, was sonst von dem Geiste der Singschulen bekannt ist. Nicht bloß die Tradition, daß der Papst, nachdem er die zwölf Stifter der Kunst tadellos erfunden, die Deutschen ermahnt, solche zu Gottes Preis und Ehre auszubreiten; oder die Anweisung des Liedes bei Görres (S. 228), durch Gesang von der heiligen Jungfrau und von der Marter des Herrn um den Kranz zu werben; sondern auch der großenteils und sogar in zunehmendem Maße geistliche Inhalt der Lieder von Frauenlob an bis zu den spätesten Meistersängern.

Auch in der Nürnberger Schule bestand die Vorschrift, »sich in dem Doppelsingen aller Possenlieder und Stampeneien« zu enthalten (Bragur III, 97). Das Vorbild der Meistersänger war der fromme König David, wie z. B. in der Einladung zum Freiburger Meistersingen von 1630:

Kumbt her, ihr Singer algemein!
Uf unser Schuel soll ihr geladen sein;
Und singet her all mit Fleiß
Dem Herren zu Lob, Ehr und Preis
Und lobet Gott mit sießem Ton,
Wie auch der König David schon!
Der sang dem Herren schön Gedicht,
Also solt ihr auch sein verpflicht.

Auf einer Anschlagtafel der Nürnberger Meistersänger war der König David vorgestellt, wie er, auf der Harfe spielend, vor dem am Kreuze hangenden Heiland kniet (Wagenseil 542).

Gleichwohl finden wir vom Anfang an die Singübungen, sowohl das Hauptsingen, als das Singen bei und nach dem Mahle, auch wieder hinreichend von den religiösen Gebräuchen unterschieden. Diese werden in der Kirche, am Altare, vorgenommen, für die Hauptsingen ist (Artikel 7) auf den Winter die Konventstube, auf den Sommer das Refektorium des Predigerklosters angewiesen. An andern Orten fanden übrigens die Singschulen auch in den Kirchen statt. Die »torlichen Lieder« sind zwar selbst während des Mahles ausgeschlossen, »aber nach dem Mal mag ein ieder singen, was er will, doch daß es alweg erbarlich und züchtiglich zugang« (Art. 15). Endlich besagt der öffentliche Anschlag ausdrücklich, was die Priesterschaft oft unfruchtbar predige, werde doch »durch der göttlichen Kunst Doctores, auch frier Künste Meister in den ungelerten Leien verstentlich bracht mit übersüßisten Gedichten ze singen in den zwölf meisterlichen Tönen uß den frien Künsten«, es sei »eine Sengeri und Gedicht uß göttlichen und natürlichen Künsten«.

Unter den Doktoren der göttlichen Kunst sind ohne Zweifel Frauenlob und Müglin verstanden, die in den Verzeichnissen der Altmeister Doctores der Heiligen Schrift genannt werden (Wagenseil 503. 550); Klingsor erscheint als ein Meister der freien Künste. Selbst den Schmied Regenbogen hörten wir einen Kranz ausbieten, der aus Philosophie, Astronomie und andern weltlichen Künsten geflochten ist, und unter seinem Namen findet sich ein besondres Gedicht zum Lobe der sieben freien Künste (Manesse II, 197 f.). In dem Kranzliede bei Görres (S. 228) heißt es gleichfalls, nach Anführung der geistlichen Gegenstände des Gesanges:

Singt er von dem Planeten-Heer,
Die Element und die acht Sphär,
So wirbt er um des Kranzes Ehr. Vergl. noch Wagenseil 558 f. Aretin, Beiträge IX. 1180.

Übrigens war diese Gelehrsamkeit, wie sie in den Liedern erscheint, eine ziemlich nebelhafte und verworrene. Man sang mehr von den Wissenschaften, als aus denselben, man bediente sich ihrer Namen und Terminologien nach Art der Zauberformeln, es war nur ein dunkler, ahnungsvoller Drang nach ihren Mysterien. Auch andre völlig weltliche Gegenstände wurden in den Formen des Meistergesangs behandelt, obwohl, wenigstens in der spätern Zeit, meist außerhalb der Schule.

Nach all diesem ergibt sich uns als Zweck der Singschulen ein gesellschaftlich geregelter Betrieb der Singkunst und Dichtkunst in vorherrschender Richtung auf Erbauung und Lehre, auf göttliche und menschliche Weisheit: »Gott und der Welt gefällig«, wie der Freiburger Anschlag sagt. Der äußern Form geistlicher Brüderschaften unerachtet aber war es eine Kunst und Weisheit der Laien, in ihrer Sprache und ihren eigenen Tonweisen betrieben und, wie sich bei den Leistungen des Meistersanges zeigen wird, mitunter selbst in scharfer Opposition gegen die Geistlichkeit.


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