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Drittes Bild

Die Bühne bleibt dunkel.

Massenchöre (wie aus der Ferne).
Wir ewig eingekeilt
In Schluchten steiler Häuser.
Wir preisgegeben
Der Mechanik höhnischer Systeme.
Wir antlitzlos in Nacht der Tränen.
Wir ewig losgelöst von Müttern,
Aus Tiefen der Fabriken rufen wir:
Wann werden Liebe wir leben?
Wann werden Werk wir wirken?
Wann wird Erlösung uns?

(Die Bühne erhellt sich. Großer Saal.

Auf der Tribüne ein langer schmaler Tisch. Links sitzt die Frau. Im Saal Arbeiter und Arbeiterinnen dicht gedrängt.)

Gruppe junger Arbeiterinnen
Und Schlacht speit neue Schlacht!
Kein Zaudern mehr mit jenen Herren,
Nicht Schwanken und nicht schwachen Pakt.
Einer Schar Genossen Auftrag:
In die Maschinen Dynamit.
Und morgen fetzen die Fabriken in die Luft.
Maschinen pressen uns wie Vieh in Schlachthaus,
Maschinen klemmen uns in Schraubstock,
Maschinen hämmern unsre Leiber Tag für Tag
Zu Nieten ... Schrauben ...
Schrauben ... drei Millimeter ... Schrauben ... fünf Millimeter,
Dörren unsre Augen, lassen Hände uns verwesen
Bei lebendigem Leibe ...
Nieder die Fabriken, nieder die Maschinen!

Vereinzelte Rufe im Saal
Nieder die Fabriken, nieder die Maschinen!

(Am Tisch auf der Tribüne erhebt sich die Frau.)

Die Frau        Einst Blinde noch und angefallen
Von Marterkolben saugender Maschinen,
Verzweifelt schrie ich jenen Ruf.
Es ist ein Traum, der eure Blicke hemmt,
Ein Traum von Kindern, die vor Nacht erschreckt.
Denn seht: Wir leben zwanzigstes Jahrhundert.
Erkenntnis ist:
Fabrik ist nicht mehr zu zerstören.
Nehmt Dynamit der ganzen Erde,
Laßt eine Nacht der Tat Fabriken sprengen,
Im nächsten Frühjahr wärn sie auferstanden
Und lebten grausamer als je.
Fabriken dürfen nicht mehr Herr,
Und Menschen Mittel sein.
Fabrik sei Diener würdigen Lebens!
Seele des Menschen bezwinge Fabrik!

Gruppe junger Arbeiter
So sollen die und wir verkommen.
Sieh unsre Worte zerstriemen sich in Wut und Rache.
Die Herren bauen sich Paläste,
Da Brüder in den Schützengräben faulen.
Und Tanz quillt auf und Wiesen, bunte Spiele,
In Nächten lesen wir davon und heulen auf!
Und Sehnsucht ist in uns nach Wissen ...
Das Höchste nahmen sie,
Und es ward böse.
Nur manchmal in Theatern springt es uns entgegen
Und ist so zart ... und schön ... und höhnisch wieder!
In Schulen haben unsre Jugend sie zerstört,
In Schulen unsre Seelen zerbrochen.
Einfache Not ists, die wir rufen ...
Riecht wohl -- diese Not gebeizter Dämpfe!
Wer sind wir heute?
Wir wollen nicht warten!

Eine Gruppe von Landarbeitern
Verstoßen hat man uns von unsrer Mutter Erde,
Die reichen Herren kaufen Erde sich wie feile Dirnen,
Belustgen sich mit unsrer gnadenreichen Mutter Erde,
Stoßen unsre rauhen Arme in Rüstungsfabriken.
Wir aber siechen, von Scholle entwurzelt,
Die freudlosen Städte zerbrechen unsre Kraft.
Wir wollen Erde!
Allen die Erde!

Masse im Saal        Allen die Erde!

Die Frau        Durch die Quartiere ging ich.
Von Schindeldächern tropfte grauer Regen,
An Stubenwänden schossen Pilze aus der Feuchte.
Und eine Kammer traf ich, saß darin ein Invalide,
Der stotterte: »da draußen war es besser fast ...
Hier leben wir im Schweinekober ...
Nicht wahr ... im Schweinekober?« ...
Und schamhaft Lächeln fiel aus seinen Augen.
Und mit ihm schämt ich mich.
Den Ausweg, Brüder, wollt ihr wissen?
Ein Ausweg bleibt uns Schwachen,
Uns Hassern der Kanonen.
Der Streik! kein Handschlag mehr.
Streik unsre Tat!
Wir Schwachen werden Felsen sein der Stärke,
Und keine Waffe ist gebaut, die uns besiegen könnte.
Ruft unsre stummen Bataillone!
Ich rufe Streik!
Hört ihr:
Ich rufe Streik!
Der Moloch frißt das sechste Jahr die Leiber,
Auf Straßen brechen Schwangere zusammen,
Vor Hunger sind sie nicht mehr fähig,
Zu tragen Last der Ungebornen.
In euren Stuben stiert die Not,
Stiert Seuche, Wahnsinn, Hunger, grüner Hunger.
Dort aber, schaut nach dort:
Die Börsen speien Bacchanalien,
Sekt überströmt errungene Siege,
Wollüstig Prickeln tanzt Geschehen
Um goldene Altäre. Und draußen?
Saht ihr das fahle Antlitz eurer Brüder?
Fühlt ihr die Leiber,
Klamm im abendlichen
Feuchten Frost?
Riecht ihr Verwesung Hauch?
Hört ihr die Schreie? frage ich.
Hört ihr den Ruf?
»Die Reihe ist an euch!
Wir angekettet an Kanonenrohre,
Ohnmächtige wir,
Wir schrein euch zu:
Ihr! seid uns Helfer!
» Ihr: seid die Brücke!!«
Hört ihr! Ich rufe Streik!
Wer weiter Rüstungswerkstatt speist,
Verrät den Bruder. Was sage ich: verrät?
Er tötet eignen Bruder.
Und Frauen ihr!
Kennt ihr Legende jener Weiber,
Die ewig fruchtlos,
Weil sie Waffen mitgeschmiedet?
Denkt eurer Männer draußen!
Ich rufe Streik!

Masse im Saal
Wir rufen Streik!
Wir rufen
Streik!

(Aus der Masse im Saal eilt der Namenlose auf die Tribüne,
stellt sich rechts an den Tisch.)

Der Namenlose
Wer Brücke bauen will,
Muß auch für Pfosten sorgen.
Streik ist heute Brückensteg, dem Pfosten fehlen.
Wir brauchen mehr als Streik.
Das Kühnste angenommen.
Durch Streik erzwingt ihr Frieden,
Einen Frieden.
Schafft Ruhepause nur. Nicht mehr.
Der Krieg muß enden
In alle Ewigkeit!
Doch vorher letzten, rücksichtslosen Kampf!
Was nützts, wenn ihr den Krieg beendet?
Auch Friede, den ihr schafft,
Läßt euer Los unangetastet.
Hie Friedensmaske, altes Los!
Hie Kampf und neues Los!
Ihr Toren, brecht die Fundamente,
Brecht Fundamente! rufe ich.
Dann mag die Sintflut
Das verweste Haus, durch goldne Ketten
Vor Verfall bewahrt, fortschwemmen.
Wir bauen wohnlicher System.
Den Arbeitern gehören die Fabriken
Und nicht dem Monsieur Kapital.
Vorbei die Zeit, da er auf unsern krummen Rücken
Nach fernen Schätzen gierig Umschau hielt
Und fremdes Volk versklavte, Kriege sann,
Papierne Lügenmäuler kreischen ließ:
»Fürs Vaterland! Fürs Vaterland!«
Doch immer mitschwang wahre Melodie:
»Für mich! Für mich!«
Vorbei die Zeit!

Ein Ruf der Massen aller Länder:
Den Arbeitern gehören die Fabriken!
Den Arbeitern die Macht!
Alle für Alle!
Ich rufe mehr als Streik!
Ich rufe: Krieg!
Ich rufe: Revolution!
Der Feind dort oben hört
Auf schöne Reden nicht.
Macht gegen Macht!
Gewalt ... Gewalt!

Eine Stimme        Waffen!

Der Namenlose Ja, nur Waffen braucht ihr!
Drum holt sie euch, erstürmt das Stadthaus!
Der Kampfruf: Sieg!

Die Frau        Hört mich!
Ich will ...

Der Namenlose Schweigen Sie, Genossin!
Mit Händedruck, Gebet und brünstgen Bitten
Erzeugt man keine Kinder.
Schwindsüchtge werden nicht gesund durch Wassersuppen,
Zum Bäumefällen brauchts die Axt.

Die Frau        Hört mich ...
Ich will nicht neues Morden.

Der Namenlose Schweigen Sie, Genossin.
Was wissen Sie?
Sie fühlen unsre Not, ich geb es zu.
Doch waren Sie zehn Stunden lang im Bergwerk,
In blinden Kammern Kinder heimatlose,
Zehn Stunden Bergwerk, abends jene Kammern,
So Tag für Tag das Los der Massen?
Sie sind nicht Masse!
Ich bin Masse!
Masse ist Schicksal.

Masse im Saal Ist Schicksal ...

Die Frau        Doch überlegen Sie,
Masse ist ohnmächtig.
Masse ist schwach.

Der Namenlose Wie fern Sie der Erkenntnis sind!
Masse ist Führer!
Masse ist Kraft!

Masse im Saal Ist Kraft.

Die Frau        Gefühl zwängt mich in Dunkel,
Doch mein Gewissen schreit mir: Nein!

Der Namenlose Schweigen Sie, Genossin!
Der Sache willen.
Was gilt der Einzelne,
Was sein Gefühl,
Was sein Gewissen?
Die Masse gilt!
Bedenken Sie: ein einzger blutiger Kampf
Und ewig Frieden.
Kein Maskentand, wie früher Frieden,
Wo unter Hülle Krieg,
Krieg der Starken gegen Schwache,
Krieg der Ausbeutung, Krieg der Gier.
Bedenken Sie: aufhört das Elend!
Bedenken Sie: Verbrechen werden Märchen,
An Morgenhorizonten leuchtet Freiheit aller Völker!
Glauben Sie, daß leicht ich rate?
Krieg ist Notwendigkeit für uns.
Ihr Wort bringt Spaltung,
Um der Sache willen
Schweigen Sie.

Die Frau        Du ... bist ... Masse
Du ... bist ... Recht

Der Namenlose       
Die Brückenpfosten eingerammt, Genossen!
Wer in den Weg sich stellt, wird überrannt.
Masse ist Tat!

Masse im Saal        (hinaus stürmend). Tat!!!

(Die Bühne verdunkelt sich.)


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