Ludwig Tieck
Herr von Fuchs
Ludwig Tieck

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Erster Aufzug.

Erster Auftritt.

(Ein Zimmer, zur linken Hand ein Schrank; zur rechten, etwas mehr im Hintergrunde, ein großer Krankenstuhl; neben dem Schranke ein Schirm.)

Friedrich, Peter, die das Zimmer aufräumen.

Peter. Ob der Herr wohl schon aufgestanden ist?

Friedrich. Ich weiß nicht. –

Peter, indem er den Krankenstuhl auf die Seite schiebt. In dem Stuhle muß es sich mit wahrem Vergnügen krank sein lassen.

Friedrich. Meinst Du?

Peter. Und vollends so, wie der Herr von Fuchs –

Friedrich. Wie so?

Peter. Je nun, ich meine, daß er doch dabei gesund ist, wie der beste Fisch –

Friedrich. Wenn er von dem Geschwätz etwas hört, so hast Du am längsten hier gedient.

Peter. Ja, daß ich doch ein Tölpel wäre: – Nein, den Punkt in unserm Kontrakt werde ich gewiß nicht vergessen. Es gefällt mir hier im Hause; Du bist ein guter Kamerad, die Köchin ist ein hübsches Mädchen, der Herr bezahlt gut; – und da mag er nun meinethalben auf den Tod liegen; ein Bedienter hat sich um die Verrichtungen seines Herrn nichts zu bekümmern.

Friedrich. Daß Du Dich nur aber gegen niemand Fremdes versprichst!

Peter. Ei, als wenn ich so ausnehmend auf den Kopf gefallen wäre! – Du denkst wohl, weil ich erst drei Wochen in der Stadt diene?– Ja, da sollst Du mich noch kennen lernen: in acht Tagen will ich Dir aufzurathen geben, grausame Nüsse aufzubeißen, denn –

Friedrich. Fort! – der Herr kömmt.

Beide gehen ab.


Zweiter Auftritt.

von Fuchs im Schlafrock; er geht sogleich zum Schrank, und schließt ihn auf; er betrachtet mit innigem Wohlbehagen einzelne Geldbeutel, und zählt Goldstücke ab.

v. Fuchs. Ah, guten Morgen, guten Morgen, theure Freunde! – Wenn man mit Sonnenaufgang gleich seine ganze liebe Familie vor sich sieht, – o das ist eine freudige Empfindung! dies sind die wohlgezogensten Kinder, die man haben kann, die zärtlichsten Anverwandten. – Ich habe mich aus der Welt zurückgezogen, um in einer weisen Einsamkeit euch ganz allein zu leben; für mich giebt es keinen Krieg und keine Weltbegebenheiten; in diesem kleinen verschloßnen Staat, lebt ihr Ludwigs, Friedrichs und Wilhelms, in der größten Einigkeit neben einander; dies ist der wahre Stein der Weisen; die Tinktur, die den Dummkopf zum Philosophen, den Taugenichts zum Wohlthäter des Menschengeschlechts macht. – Narren behaupten, das goldene Zeitalter sei verloren; Dichter, die froh sind, wenn sie einmal Silbergeld in die Hände bekommen; – aber der Kenner weiß, was er davon halten soll. – Wenn die verdammte Liebe mir nicht das Leben sauer machte, so wär' ich der glücklichste Mensch auf Gottes Erdboden. Er verschließt den Schrank.


Dritter Auftritt.

von Fuchs. Fliege.

Fliege. Guten Morgen, gnädiger Herr! Wie haben Sie geschlafen?

v. Fuchs. Ziemlich; und ich war so eben in meiner Andacht. Er zeigt auf den Schrank.

Fliege. Es thut mir leid, daß ich Sie gestört habe.

v. Fuchs: Thut nichts. – mir wird jeden Morgen beim Aufstehn so wohl ums Herz, wenn ich dieses goldene Alphabet durchlese.

Fliege. Natürlich.

v. Fuchs. Ach Fliege, was fehlte mir noch, wenn mir das Mädchen nicht so im Kopfe steckte?

Fliege. Nichts.

v. Fuchs. Und das in meinen alten Tagen! Alle Vorzüge kann mir dieser Schrank verschaffen, – nur nicht Schönheit.

Fliege. Die Allmacht des Goldes –

v. Fuchs. Wenn es mich hier im Stiche ließe!

Fliege. Wenn uns nur nicht der Sohn des alten Krähfeld im Wege stände, der sterblich in sie verliebt ist!

v. Fuchs. Und der alte Vormund Rabe selbst, der sie wie ein Drache für einen gewissen Herrmann hütet; für einen Kerl, der jetzt in der Welt umherreis't, um in einem fremden Klima seinen Verstand zur Reife kommen zu lassen.

Fliege. Man muß den Vormund einschläfern; – und ich will diese Medea sein, und Ihnen dies goldene Vließ erobern.

v. Fuchs. Du bist ein braver Mann, ein treuer Freund.

Fliege. Ich thue alles für Sie, was ich kann; denn Sie sind mein Gönner, mein Beschützer, mein gnädiger Herr.

v. Fuchs. Und werd' es bleiben. – hier hast Du meine Hand darauf.

Fliege. Ich glaube Ihnen, denn ich kenne Ihren Edelmuth.

v. Fuchs. Du irrst Dich nicht; denn ich habe wirklich einen starken Hang zum Edelmuth.

Fliege. Es ist einer Ihrer erklärtesten Vorzüge.

v. Fuchs. Ich kann mein Gold mit dem ruhigsten Gewissen betrachten.

Fliege. Warum nicht?

v. Fuchs. Kein Vorwurf steigt mir aus meinem Kasten entgegen.

Fliege. Nie.

v. Fuchs. Keine Thränen einer Waise, kein Seufzer einer Wittwe hängt an einem einzigen meiner Goldstücke.

Fliege. An keinem.

v. Fuchs. Ich kann dreist die Musterkarte der zehn Gebote durchgehn, – denn Fliege, ich lästre nicht, ich fluche nicht, ich entweihe keinen Feiertag, beneide keinen meiner Nächsten, ich stehle nicht.

Fliege. Sie betrügen nicht.

v. Fuchs. Ich ermorde niemand.

Fliege. Ei bewahre!

v. Fuchs. Eben so wenig leih' ich auf Pfänder.

Fliege. Eben so wenig leihen Sie auf Pfänder.

v. Fuchs. Ich bin auch kein solcher Narr, daß ich mein Vermögen auf große Projekte wagte.

Fliege. Ei, da müßte es weit mit Ihnen gekommen sein.

v. Fuchs. Ich pachte keine Aecker –

Fliege. Nicht einen einzigen. –

v. Fuchs. Ich baue keine Schiffe –

Fliege. Auf Ihrem Gewissen liegt nicht eine ersoffene Seele.

v. Fuchs. Was für ein Staat, wenn alle Bürger so ihre Pflicht erfüllten! – Was könnte man mehr verlangen?

Fliege. Das hieße sehr viel verlangen.

v. Fuchs. Das ist auch meine Meinung.

Fliege. Und Sie sind sogar ein nützlicher Bürger. Sie machen es nicht, wie so manche reiche Leute, die das Geld in den Kasten sperren, und daneben verhungern; – nein; bei Ihnen heißt es: leben und leben lassen!

v. Fuchs. Freilich.

Fliege. Ihr Geld ist stets ein Mittel zum Genuß; außerdem würde es keinen Werth für Sie haben: Sie sind ein Philosoph.

v. Fuchs. Genau genommen, ja.

Fliege. Freilich nicht von der strengsten Disciplin; dazu gehört aber wahrhaftig wenig Verstand, um, wie ein gewisser Diogenes, ein Hund zu sein.

v. Fuchs. Du hast Recht.

Fliege. Sie geben dem Weinhändler zu verdienen –

v. Fuchs. Nicht mehr als Schuldigkeit. Er giebt mir seinen Wein dafür.

Fliege. Dem Fleischer –

v. Fuchs. So ein Mann will doch auch leben.

Fliege. Sie haben ein angenehmes Haus –

v. Fuchs. Auf gute Wohnungen hab' ich von je gehalten.

Fliege. Sie halten Bediente –

v. Fuchs. Dadurch kömmt Geld in Umlauf, – besonders wenn sie stehlen.

Fliege. Sie halten sich einen guten Freund, wie mich.

v. Fuchs. Der meine rechte Hand und mein Leben ist.

Fliege. Und ein paar Mädchen oben ein –

v. Fuchs. Das ist meine Schwachheit.

Fliege. Ueber Sie flucht kein Tagelöhner, wenn er in der Sonnenhitze für Sie arbeiten muß; Sie lassen keine Waaren kommen, um die Preise zu erhöhen: Sie bauen keine Häuser, um für die Miethe den Leuten das Geld aus der Tasche zu locken; Sie bekleiden kein öffentliches Amt, um von der ganzen Stadt verwünscht zu werden: – sondern mit der einzig wahren Weisheit genießen Sie Ihr Vermögen in einer goldenen Ruhe.

v. Fuchs. Die Unruhe in Ansehung meiner Besuche abgerechnet.

Fliege. Diese könnten Sie sehr bald los werden, wenn sie nicht so gute Procente brächten.

v. Fuchs. Sie sind eine wahre Pension für mich.

Fliege. Und ein Erwerb, der der strengsten Rechtschaffenheit keinen Eintrag thut.

v. Fuchs. Natürlich, denn alle diese Geschenke und Freundschaftserinnerungen werden mir ja aufgedrungen.

Fliege. Sie geben sich für krank aus, um nicht in der großen Welt leben zu dürfen –

v. Fuchs. Und verdiene mit dieser Krankheit mehr als ein Doktor von funfzig der einträglichsten Patienten.

Fliege. Eine Schaar eigennütziger Dummköpfe belagert Sie, bewirbt sich um Ihre Gunst, macht Ihnen Geschenke, – um vom sterbenden Herrn von Fuchs zu Erben eingesetzt zu werden.

v. Fuchs. Ha! ha! ha! und so mein Vermögen und ihre eigenen Geschenke wieder zu bekommen, – mit dem Fisch die Angel. – Aber eher sollen sie sich zu Tode bluten.

Fliege. Recht so, gnädiger Herr.

v. Fuchs. Sie trachten nach meinem Vermögen, ich nicht nach dem ihrigen.

Fliege. Zugleich ist es eine Bestrafung des Eigennutzes; in der sich andre spiegeln und bessern mögen. Kann es einen edlern, moralischern Endzweck geben?

v. Fuchs. Offenbar nicht – Und diese Leute sind ja auch Herren ihres Eigenthums; sie können ihr Geld wegwerfen, sie können es mir geben: auf beide Arten haben sie nachher keinen Anspruch daran.

Fliege. Es giebt so leicht keinen Menschen in der ganzen Welt, der nicht Ihr ganzes Vermögen nähme, wenn man es ihm als Geschenk anböte.

v. Fuchs. Ich möchte auf die Gefahr den Versuch nicht machen.

Fliege. Und wollten Sie denn ein Sonderling sein, der sich vor der ganzen übrigen Welt auszeichnet?

v. Fuchs. Da verdiente ich nicht ein Mensch zu sein, der sich doch durch den Verstand von den Thieren unterscheiden soll.

Fliege. Mich wundert aber doch, daß noch nichts gekommen ist; es hat schon acht geschlagen, und das ist doch sonst die gewöhnliche Zeit. – Es klopft.

v. Fuchs. Wer mag's sein? – Sieh nach.

Fliege. Gewiß der Advokat Geyer; ich kenne das Klopfen mit dem knöchernen Finger.

v. Fuchs. So bring mir geschwind mein Handwerkszeug! den Stuhl! die Pelzstiefeln! Meine Mütze!– Fliege bringt alles in Ordnung; v. Fuchs setzt sich in den Stuhl; Fliege geht ab. Der Zug von meinen Raubvögeln kömmt. Fliege kömmt wieder. Nun?

Fliege. Eine goldene Uhr, gnädiger Herr!

v. Fuchs. So? – daß ich nachsehen kann, wenn es Zeit zu sterben ist.

Fliege. Mit einer schönen Kette, und einem Petschaft mit Ihrem Wappen.

v. Fuchs. Gieb mir die Pelzstiefeln, und stelle den Tisch mit Arzeneien hieher. Worüber lachst Du so?

Fliege. Ueber den Narren, der nun draußen mit seinen Projekten herumgeht, und an den dürren Fingern abzählt, daß nun dies doch wohl das letzte Geschenk sein würde, das er sich von der Seele preßt, und was nun für ein hoch- und wohl-ansehnlicher Mann aus ihm wird, wenn man Ihr Testament eröffnet; wie man ihn nur den reichen, wohlweisen Rechtsgelehrten nennt, wie ihm dann hundert Dummköpfe nachlaufen, und ihn ihren Patron und Schutzheiligen nennen –

v. Fuchs. Gieb mir nur die Mütze, lieber Fliege, und laß ihn herein.

Fliege. Gott schenke Ihnen nur noch lange einen so guten Jahrmarkt –

v. Fuchs. Und Gesundheit, um noch lange so krank zu bleiben.

Fliege. Daß Sie auch noch im künftigen Jahrhundert –

v. Fuchs. Wir schreiben schon 1793, es ist nicht mehr sehr lange. – Schlag mir hier nur noch den Mantel herum, rück mir das Kissen anders, und laß ihn ganz geschwind mit seiner Uhr herein. Fliege geht ab. – Nun muß ich nur geschwind wieder ein halb Dutzend Krankheiten an den Hals kriegen. Husten, Schnupfen, Gicht, Schwindsucht, kommt geschwinde; laßt es mich so natürlich machen, daß der altkluge Aeskulap selber bei mir zum Narren würde, denn es ist kein Spaß, es kömmt hier auf Geld an. – Er kömmt. – Er ächzt und seufzt sehr schwer, und läßt den Kopf sinken. O weh! o weh! o! o!


Vierter Auftritt.

Vorige. Geyer.

Fliege. Es ist noch immer beim Alten; Sie sind der Mann nach seinem Herzen. Sie thun aber Recht, daß Sie ihn oft besuchen, auch solche kleine Andenken können freilich nicht schaden, denn in der Krankheit freut er sich wie ein Kind darüber; Sie verstehn Ihren Vortheil. – laut. Gnädiger Herr, der Herr Geyer ist gekommen.

v. Fuchs. Was?

Fliege. Herr Geyer ist gekommen, und erkundigt sich nach Ihrem Befinden.

v. Fuchs. Ich danke ihm.

Fliege. Er nimmt sich die Freiheit, Ihnen eine schöne goldne Uhr zum Präsent anzubieten.

v. Fuchs. Er ist willkommen. Bitt' ihn, mich öfter zu besuchen.

Fliege. Ja.

Geyer. Was sagt er?

Fliege. Er dankt Ihnen, und wünscht Sie oft zu sehn.

v. Fuchs. Fliege!

Fliege. Gnädiger Herr?

v. Fuchs. Bring ihn her; wo ist er? Ich muß dem Manne doch die Hand geben.

Fliege und Geyer nähern sich ihm.

Fliege reicht ihm die Uhr. Hier ist die Uhr! –

Geyer. Wie geht es Ihnen, gnädiger Herr?

v. Fuchs. Danke, Herr Geyer. – Wo ist die Uhr? Meine Augen sind sehr schwach.

Geyer. Es thut mir leid, daß Sie noch immer nicht besser sind.

Fliege, leise zu ihm. Wie Sie spaßen können!

v. Fuchs. Sie machen sich aber zu viel Unkosten.

Geyer. Gar nicht. Wollte Gott, ich könnte Ihnen die Gesundheit schenken, wie ich Ihnen diese Kleinigkeit schenke.

v. Fuchs. Sie geben so viel Sie können. Ich danke Ihnen. Ich werde Ihre Freundschaft nicht vergessen. Besuchen Sie mich ja recht oft.

Geyer. Ich werde nicht ermangeln.

v. Fuchs. Verlassen Sie mich nicht.

Fliege. Hören Sie wohl?

v. Fuchs. Ihre Mühe soll nicht unbelohnt bleiben.

Fliege. Sie sind ein glücklicher Mann!

v. Fuchs. Ich werde es nicht lange mehr machen –

Fliege. Sie sind sein Erbe.

Geyer, leise zu Fliege. Gewiß?

v. Fuchs. Ich fühle mein Ende. O weh! o! o! o! – Der Tod klopft an, – o weh! o! o! o! – ich muß mich reisefertig machen –

Fliege. Ach! gnädiger Herr, alle Menschen müssen sterben.

Geyer. Aber Fliege –

Fliege. Und Sie haben die Jahre –

Geyer. Ich bitte Dich, hör mich doch an. – Bin ich gewiß sein Erbe?

Fliege. O natürlich. Jetzt sind Sie, hochgeborner Herr Geyer, meine einzige Hoffnung; bescheint mich die neu aufgehende Sonne nicht, – so werde ich ein Opfer meiner Treue.

Geyer. Sie soll Dich bescheinen und erwärmen.

Fliege. Ich habe Ihnen freilich wohl einige Dienste geleistet, und hier hab' ich die Schlüssel zu Ihren Koffers und Kisten, das Inventarium Ihrer Juwelen; ich hebe Ihre Uhr und Ihr Geld auf; ich bin Ihr Hausverwalter hier.

Geyer. Bin ich aber Universal-Erbe?

Fliege. Auch nicht ein einziges Legat. Diesen Morgen ist es richtig gemacht, das Siegel ist noch warm, und die Tinte kaum trocken.

Geyer. Ich bin aber doch neugierig, was den alten Mann wohl so an mich attachirt hat.

Fliege. Was anders als Ihr Verstand? Ihr heller Kopf?

Geyer. Du willst Deine Dienste nicht erwähnen, aber ich werd' es Dir nicht vergessen.

Fliege. Nein wirklich, er lobte von je Ihren großen Scharfsinn; er schätzt Leute, die für jede Sache pro et contra sprechen können, Knoten schlingen und sogleich wieder aufknüpfen: einen solchen Erben hat er sich immer gewünscht. – Es klopft. Aber wer klopft denn da? – Lassen Sie sich nicht sehen, – oder sagen Sie, Sie wären nur auf einen Augenblick im Vorbeigehen herangekommen, und hören Sie, erinnern Sie sich zuweilen, wenn Ihre Erndte blüht, Ihres ergebensten Dieners.

Geyer. Höre Fliege –

Fliege, indem er ihn an die Thür führt. Wenn befehlen Sie Ihr Inventarium? Oder eine Kopie Ihres Testaments? Sobald Sie wollen, steht sie Ihnen zu Dienste.

Geyer drückt ihm die Hand, und geht ab.

v. Fuchs. O vortrefflicher Fliege! ich möchte Dich küssen!

Fliege. Still, der Herr von Krähfeld ist da.

v. Fuchs. Leg die Uhr in den Schrank.

Fliege. Schweigen Sie still, thun Sie als ob Sie schliefen.


Fünfter Auftritt.

Vorige. von Krähfeld, mit einem Krückstock, etwas hinkend und gebückt.

Fliege. Herr von Krähfeld, Sie sind willkommen.

v. Krähfeld. Was macht Dein Herr?

Fliege. Wie immer; um nichts besser.

v. Krähfeld. Wie? besser?

Fliege. Nein, gnädiger Herr, eher schlimmer.

v. Krähfeld. Gut, wo ist er?

Fliege. Dort in jenem Stuhl, eingeschlafen.

v. Krähfeld. Schläft er viel?

Fliege. Diese ganze Nacht hat er kein Auge zugethan, gestern eben so wenig; nur etwas Schlummer.

v. Krähfeld. Gut. Er sollte einen Doktor nehmen.

Fliege. Er hat zur Arzneikunst kein Vertrauen. Er haßt alle Aerzte. Ich habe ihn oft sagen hören, ein Doktor sollte zeitlebens nichts von ihm erben.

v. Krähfeld. Wie? Ich nichts von ihm erben.

Fliege. Ihr Doktor nicht.

v. Krähfeld. So, so, so, so. Das meint' ich auch nicht. – Wie befindet sich seine Apoplexie?

Fliege. Wie immer. Er stammelt; seine Augen sind matt, sein Gesicht ist bleicher als gewöhnlich –

v. Krähfeld. Wie? Reicher als gewöhnlich?

Fliege. Nein, gnädiger Herr, bleicher als gewöhnlich.

v. Krähfeld. Gut.

Fliege. Er schnappt immer nach Luft, und die Augen fallen ihm zu.

v. Krähfeld. Gut.

Fliege. Sein Fleisch ist braun wie Leder.

v. Krähfeld. Sehr gut.

Fliege. Sein Puls geht langsam und stark.

v. Krähfeld. Alles gute Symptome.

Fliege. Und von seinem Kopf fließt ein beständiger kalter Schweiß.

v. Krähfeld. Wirklich! Ah, ich bin ganz anders gesund! – Was soll denn das Nicken mit dem Kopf bedeuten?

Fliege. Er hat alles Gefühl verloren; man kann kaum bemerken, daß er noch athmet.

v. Krähfeld. Schön! schön! – O nun überleb' ich ihn gewiß! das macht mich wieder um ein Dutzend Jahre jünger.

Fliege. Ich wollte so eben zu Ihnen gehen.

v. Krähfeld. Ist sein Testament endlich fertig? Wie viel hat er mir vermacht?

Fliege. Nicht deswegen, gnädiger Herr.

v. Krähfeld. Wie? Was? Nichts?

Fliege. Er hat nicht sein Testament gemacht.

v. Krähfeld. Ah, so, so! – Was machte denn aber der Rechtsgelehrte Geyer hier?

Fliege. Er hatte gewittert, daß hier ein Mann wohne, der sein Testament machen wolle, drum kam er sogleich gelaufen, und schenkte ihm dabei diese Uhr.

v. Krähfeld. Um auch etwas von der Erbschaft zu erwischen?

Fliege. Ich weiß es nicht, gnädiger Herr.

v. Krähfeld. Ich weiß es aber. – Ich muß ihm zuvorkommen. – Sieh, Fliege, da hab' ich einen Beutel voll Dukaten mitgebracht, ob der wohl die Uhr aufwiegt?

Fliege. O gewiß, gnädiger Herr. Sind denn alte Leute nicht wieder wahre Kinder? Er vergißt über so ein Geschenk Krankheit und Tod, macht tausend Projekte, wie er es anlegen will, – und er wird in diesem Punkt mit jedem Tage schwächer.

v. Krähfeld. Er wird sich also darüber freuen?

Fliege. Geld ist seine Universalmedicin, diese Herzstärkung wird ihn sogleich etwas besser machen.

v. Krähfeld. Ja, freilich, freilich.

Fliege. Ich glaube aber, das wäre nicht gut.

v. Krähfeld. Was?

Fliege. Wenn er besser würde.

v. Krähfeld. Nein wahrhaftig nicht. – Ich möchte es darum fast wieder mitnehmen!

Fliege. Und warum wollten Sie sich die Mühe machen? – Wenn es hier liegt, ist es dann nicht eben so gut, als läg' es in Ihrem Hause? – denn alles hier, gnädiger Herr, ist ja so gut, wie Ihr Eigenthum.

v. Krähfeld. Wie? wie? lieber Fliege?

Fliege. Ich will es Ihnen deutlich machen. – Dies Geld soll er bekommen.

v. Krähfeld. Verstehe.

Fliege. Und sobald er nun wieder einen hellen Augenblick hat, so will ich ihn bereden, sein Testament zu machen, und ihm diesen Beutel zeigen.

v. Krähfeld. Gut, gut.

Fliege. Hören Sie mich nur weiter, es kömmt noch besser.

v. Krähfeld. O, mit Freuden.

Fliege. Ich rathe Ihnen also, jetzt gleich nach Hause zu gehn; da setzen Sie sich hin, machen Ihr Testament, und setzen den Herrn von Fuchs zum Universal-Erben ein.

v. Krähfeld. Wie? was? und enterbe meinen Sohn?

Fliege. Verstehen Sie mich doch nur recht: das ist ja alles nur ein Spaß, eine wahre Komödie.

v. Krähfeld. Aha!

Fliege. Dies Testament müssen Sie mir denn gleich schicken. – Wann ich ihm dann nun die ganze Summe von Ihren Sorgen, Ihren Nachtwachen, ihren inbrünstigen Gebeten und andern Aufmerksamkeiten in baarem Gelde vorrechne, und dann noch zu guterletzt Ihr Testament zum Vorschein bringe, – Ihr Testament, worin Sie einen braven, wohlgerathenen Sohn enterben, bloß um ihm Ihr Vermögen zuzuwenden, – kann er dann wohl so kannibalisch grausam, so felsenhart, so gewissenlos sein –

v. Krähfeld. Und mich nicht zum Erben einsetzen?

Fliege. Gewiß nicht.

v. Krähfeld. Diesen ganzen Streich hab' ich mir gestern schon ausgedacht.

Fliege. Ich glaub' es.

v. Krähfeld. Du glaubst es nicht?

Fliege. Ja, gnädiger Herr.

v. Krähfeld. Es ist ganz mein eigenes Projekt.

Fliege. Wenn er nun das gethan hat –

v. Krähfeld. Mich zum Erben ernannt?

Fliege. Sie, der Sie ihn so gewiß überleben –

v. Krähfeld. Natürlich.

Fliege. Ein so muntrer Mann –

v. Krähfeld. Freilich.

Fliege. Ja, gnädiger Herr –

v. Krähfeld. Auch daran hab' ich gedacht. – Wie doch dieser Mensch der Dollmetscher und Verdeutscher meiner Gedanken ist!

Fliege. Das Ganze ist dann nicht allein zu Ihrem Nutzen –

v. Krähfeld. Sondern noch mehr meines Sohnes; – wie klug ich mir das alles ausgedacht habe!

Fliege. Der Himmel weiß es, gnädigster Herr, wie es von je an mein eifrigstes Bestreben gewesen ist, meine Sorge, die mir vor der Zeit graue Haare gemacht hat, etwas zu Stande zu bringen –

v. Krähfeld. Ich verstehe Dich, lieber Fliege.

Fliege. Für Sie arbeit' ich hier.

v. Krähfeld. Ja wohl, wohl. – Ich will auch sogleich gehn.

Fliege, leiser. Gehn Sie zum Henker!

v. Krähfeld. Ich weiß, Du bist mir ergeben.

Fliege. Wirklich?

v. Krähfeld. Und unter diesen Umständen –

Fliege. Da Ihr Verstand eben so schwach ist, als Ihr Gehör –

v. Krähfeld. Will ich für Dich ein wahrer Vater sein.

Fliege. Ich will ein ganzer Kerl von Sohn werden.

v. Krähfeld. Ich bin ganz jung geworden, nicht wahr?

Fliege. Freilich, aber machen Sie nur schnell.

v. Krähfeld. Gut, gut, ich gehe schon. Er geht ab.

v. Fuchs. O ich berste, Fliege! Knöpf mir geschwind die Weste auf! – ich wäre fast vom Stuhl gefallen, – laß Dich umarmen, Fliege.

Fliege. Ich thue nach Ihrem Befehl; ich gebe jedem Worte, und lasse ihn damit laufen.

v. Fuchs. Es giebt kein lustiger Schauspiel, als zu sehn, wie blinde Habsucht sich selbst bestraft.

Fliege. Durch unsre Hülfe.

v. Fuchs. Das Alter hat diesen Narren nun fast taub, stumm und blind gemacht, die Jahre haben ihm alle Zähne ausgeschlagen, keiner seiner Sinne ist mehr brauchbar, er ist froh, daß er noch lebt, – und doch will dieser Dummkopf noch eine Erbschaft erschleichen, die er auf keine Art genießen kann, als wenn ihm mein Geld seine Jugend zurückgeben könnte! Fliege, fast sollte man glauben, es wäre ein verdienstlich Werk, diese Geschöpfe zu betrügen.

Fliege. Die Natur prägt sie als Narren aus; und als solche muß man sie verbrauchen. Es klopft.

v. Fuchs. Wie? Noch einer?

Fliege. Setzen Sie sich wieder in Ihren Stuhl. Ich kenne die Stimme, es ist Rabe, der Kaufmann.

v. Fuchs. Laß mich einmal todt sein.

Fliege. Wer ist da?

Er öffnet die Thür, und läßt Rabe herein.


Sechster Auftritt.

Vorige. Rabe.

Fliege. Ah Herr Rabe! Erwünscht! O wenn Sie wüßten, wie glücklich Sie sind!

Rabe. Wie? Was? Worin?

Fliege. Endlich ist die Stunde gekommen.

Rabe. Ist er todt?

Fliege. Noch nicht: aber so gut als todt. Er kennt keinen Menschen mehr.

Rabe. Das ist schlimm; was soll ich dann anfangen?

Fliege. Wie so?

Rabe. Ich hatte ihm hier eine Perl mitgebracht.

Fliege. Vielleicht hat er noch so viel Gedächtniß, Sie zu erkennen; er schreit immer nach Ihnen; wenn er spricht, nichts als Ihr Name. – Ist die Perl ächt?

Rabe. Die schönste, die ich bis jetzt gesehn habe.

v. Fuchs, rufend. Herr Rabe!

Fliege. Hören Sie.

v. Fuchs. Herr Rabe!

Fliege. Er ruft Sie; gehn Sie hin, und geben Sie sie ihm. – Herr Rabe, gnädiger Herr, ist hier, und hat Ihnen eine kostbare Perl mitgebracht.

Rabe. Wie geht es, gnädiger Herr? – Sag ihm doch, daß sie zwölf Karat wiegt.

Fliege. Es hilft nichts, er hat alles Gehör verloren; aber doch ist es ihm ein Trost, Sie zu sehn –

Rabe. Sag ihm, daß ich auch einen Diamant für ihn habe.

Fliege. Am besten ist, Sie geben es ihm selbst in die Hand; dort ist noch der einzige Ort, wo er Verstand hat. Sehn Sie, wie er danach greift!

Rabe. Was ist das für ein trauriger Anblick!

Fliege. Ach, wenn der Erbe weint, so muß er unter dem Schnupftuch lachen.

Rabe. Wie? Bin ich sein Erbe?

Fliege. Ich habe es beschworen, daß ich vor seinem Tode Niemanden das Testament zeigen will: aber Herr von Krähfeld ist hier gewesen, und Geyer ist auch hier gewesen, und noch andre, die ich nicht alle herrechnen kann; alle wollten erben; aber ich nahm meinen Vortheil wahr, und rief immer Ihren Namen: Herr Rabe! Herr Rabe! nahm Papier, Feder und Tinte, und fragte ihn dann: Wen er zum Erben einsetzen wolle? Herr Rabe. Wer der Exekutor sein sollte? Herr Rabe. Wenn er bei einer Frage stillschwieg, so legte ich sein Kopfnicken, was im Grunde nur Schwachheit war, für Einwilligung aus, und so schickt' ich die andern unter lauter Flüchen nach Hause.

Rabe. O mein lieber Fliege! – Er umarmt ihn. Sieht er uns auch nicht?

Fliege. Ach, wenn der gute Mann noch sehn könnte! – Er kennt keinen Menschen, keinen Bedienten mehr; seine eigne Frau und Kinder würden ihm jetzt unbekannt sein.

Rabe. Hat er denn Kinder?

Fliege. Was thun Ihnen einige Bastarde, die er in der Betrunkenheit immer an Zigeuner verschenkt hat? Wissen Sie's nicht? Es ist ein Stadtmärchen. Alle seine Leute sollen seine Sprößlinge von einigen Judenmädchen sein, mich ausgenommen. Er ist im eigentlichsten Verstande ein Hausvater; aber er hat ihnen allen nichts vermacht.

Rabe. Sehr gut, sehr gut. Weißt Du aber auch gewiß, daß er uns nicht hört?

Fliege. Sehn Sie doch nur das armselige Gerippe an; ich zweifle selbst oft, ob er noch lebt.

Rabe. Ich will jetzt gehn, und ihm lieber unter diesen Umständen mit der Perl nicht beschwerlich fallen.

Fliege. Auch nicht mit dem Diamant. Wozu auch diese Umstände? Ist nicht alles hier das Ihrige? Bin ich denn nicht hier, Ihr treuer eifriger Diener?

Rabe. Du hast Recht, lieber Fliege. Er giebt ihm beides. Du bist mein Kamerad, mein Freund, meine Handlungskompagnie; ich stehe Dir mit allem was ich habe, zu Dienste.

Fliege. Mit etwas ausgenommen.

Rabe. Und das wäre?

Fliege. Ihr schönes Mündel. Rabe geht fort. Ist er fort? Ich wußte, daß er nicht eher gehen würde. Er giebt dem Herrn von Fuchs die Perl und den Diamant.

v. Fuchs. O meisterhafter Fliege, Du hast Dich selbst übertroffen! Es klopft. Wer ist da? – Ich will nun Ruhe haben; laß Musik kommen, wir wollen schmausen und trinken; ich muß mich erholen. – Fliege geht ab. Eine Perl, einen Diamant, eine Uhr, einen Beutel mit Dukaten, – ein sehr guter Fischzug.

Fliege kömmt zurück. Die geschwätzige Madam Murner, die Frau des deutschen Gelehrten, war da, und erkundigte sich, wie Sie geschlafen hätten, und ob Sie Besuch annähmen?

v. Fuchs. In drei Stunden, eher nicht –

Fliege. Ich hab es ihr schon gesagt.

v. Fuchs. Wenn der Wein mich fröhlich gemacht hat, dann. – Ich wundre mich über den eisernen Glauben dieses Deutschen, der sein Weib allenthalben so herumlaufen läßt.

Fliege. Er weiß, daß ihr Gesicht nicht eine große Empfehlung ist, hätte sie aber Louisens Gesicht, –

v. Fuchs. Louisens, – o ihre Lippen, ihren Wuchs, – komm hinein, beim Wein wollen wir manches darüber sprechen.

Fliege. Ich habe auch schon einen Anschlag im Kopfe, den ich Ihnen vorlegen will. Herr Rabe stände mit dem Herrn von Krähfeld in gar keiner Proportion, wenn er blos so mit seiner Perl und dem Diamant durchkommen sollte. – Kommen Sie nur, und hören Sie mein Projekt. Beide gehn ab.


Siebenter Auftritt.

(Ein Spaziergang in der Stadt, vorn rechts das Haus des Kaufmann Rabe.)

Birnam. Murner. Mehrere Spaziergänger.

Birnam geht auf und ab, und sieht aufmerksam nach dem Hause des Kaufmanns hinauf. Was mich wundert, ist, daß mich diese ganze Liebschaft noch nicht ennüyirt, denn beim Henker! ich habe sie heut den ganzen Tag noch nicht gesehen. Am Ende ist sie auf der Promenade, und ich stehe hier wie ein Narr Schildwach vor ihrer Thür.

Murner geht auf und ab, betrachtet alle Gebäude und jeden Vorübergehenden sehr aufmerksam; er schreibt von Zeit zu Zeit etwas in sein Taschenbuch.

Birnam. Was mag das für ein Mensch sein? – Wenn das ein Nebenbuhler ist, so geht er verdammt gründlich zu Werke. Ich glaube gar, er nimmt das Haus geometrisch auf, um recht en règle zu approchiren.

Murner kömmt auf Birnam zu. Um Verzeihung, wo geht man von hier nach dem Hafen?

Birnam etwas mürrisch. Rechts, – wenn die Straße zu Ende ist.

Murner. Ich danke Ihnen. Er geht bei Seite und schreibt wieder etwas in seine Schreibtafel.

Birnam. Was fehlt dem Kerl?

Murner. Können Sie mir auch wohl den Weg zum Kaufmann Meinhard zeigen?

Birnam. Ich kenne ihn nicht, denn ich bin selbst hier fremd.

Murner. Das thut mir leid. Er streicht etwas in seiner Schreibtafel aus, und schreibt dann weiter.

Birnam. Wie so, leid?

Murner. Weil meine Anmerkung nun unnütz war.

Birnam. Welche Anmerkung?

Murner. Die ich so eben über die Einwohner dieser Stadt niedergeschrieben hatte, daß sie sehr mürrisch wären, besonders, wenn man sie nach dem Hafen fragte. – Aus welchem Lande sind Sie, wenn ich so frei sein darf? Es ist ein merkwürdiges Ohngefähr, daß zwei Reisende sich gerade hier treffen.

Birnam für sich. Gerade hier, gerade hier, sagt er. – laut. Mein Herr, ich bin ein Engländer, ich reise zu meinem Vergnügen, ich bin jetzt hier aus Langeweile verliebt, und es ist manchem schon übel bekommen, der mir bei solchen Gelegenheiten ins Gehege kam.

Murner. Ich glaub' es Ihnen, das ist ein nationeller Zug; o Sie sind ein Engländer; ein Engländer, – nun so ist meine Mühe doch nicht ganz unnütz gewesen. Wenn Sie Zeit haben, so können Sie mir wahrscheinlich manches von Ihrer merkwürdigen Insel erzählen.

Birnam. Wenn es sonst nichts ist, mit Freuden, denn Zeit hab' ich sehr überflüssig.

Murner. Von Ihrer Staatsverfassung –

Birnam. Davon grade wenig, aber desto mehr vom Schauspiel, vom Vauxhall, von unsern gefälligen Mädchen.

Murner. Auch das ist interessant, sehr interessant, für den Beobachter, für den Erzieher ganz besonders. Glauben Sie mir, man darf sich unter den Pädagogen meines Vaterlandes kaum mehr sehen lassen, wenn man damit nicht einigermaßen Bescheid weiß. Sie lesen keinen Bogen in unsern neueren Erziehungsschriften, wo nicht von Unzucht, Ehebruch, Wollust und dergleichen, weitläuftig gehandelt wird. Und das ist nützlich, sehr nützlich –

Birnam. Und liest sich auch ganz gut. –

Murner. Aber erst müssen Sie mir über England Rede stehn; ich wünschte längst mir von einem Augenzeugen vieles ins reine setzen zu lassen; – vornehmlich die Fruchtbarkeit des Bodens betreffend. –

Birnam. Damit kann ich nun wenig dienen. Der Boden um London ist fett, schwarz, weich, sehr zum Koth aufgelegt.

Murner. Schön, schön! Aber sehr fruchtbar?

Birnam. Es wächst da wenig; die vielen Landstraßen in der Gegend der Hauptstadt nehmen allen Platz weg.

Murner. Wahrhaftig ein Nachtheil der Hauptstädte mehr. – Er schreibt. Vom Handel werden Sie mich sehr unterrichten können, neuen Fabriken, neuen Erfindungen –

Birnam. So hin und wieder; – mein Vater ist selbst einmal Kaufmann gewesen.

Murner. Vortrefflich! O Sie sind ja eine wahre Fundgrube für mich. Ihr Name?

Birnam. Birnam.

Murner. Birnam. Er schreibt ihn nieder. – Sie sind wahrscheinlich schon viel gereist?

Birnam. Durch den größten Theil von Europa. –

Murner. Viel Schicksale gehabt?

Birnam. Dreimal Schiffbruch gelitten.

Murner. O Sie sind eine wahre Merkwürdigkeit. – Das Jahr Ihrer Geburt?

Birnam. 1768. – Ich glaube der Kerl reist, um sich zum Thorschreiber auszubilden.

Murner. 1768. Er schreibt es nieder. – Ein Vertrauen ist des andern werth; ich muß Ihnen also sagen, daß ich ein Schriftsteller aus Deutschland bin, der jetzt durch dieses Land reist, um eine vollständige Beschreibung desselben herauszugeben. Ich bin schon seit einigen Wochen hier. – Darum ist mir alles so wichtig und merkwürdig: – meine Reisebeschreibung, so kurze Zeit ich auch erst hier im Lande bin, ist doch schon einige Bände stark.

Birnam. Um des Himmels willen, giebt es viele so rüstige Schriftsteller, und muß das alles gelesen werden, so dank' ich dem Himmel, daß ein Meer zwischen unsern Ländern liegt.

Murner. Warum denn? Warum denn das? – Aber Sie sind ein Engländer, ein Sonderling; ich kenne Sie. Sie haben aber darin wirklich recht; man sollte den größten Theil unsrer Bücher verbrennen, und die Städte von den Bibliotheken säubern, – aber nur nicht die Reisebeschreibungen und andere nutzbare Werke, die eigentlich praktischen Bücher. Unter diese wird meine Reisebeschreibung gewiß gehören. Sehn Sie nur, wie voll alles von Notaten ist. Er zeigt ihm die Schreibtafel. An jedem Abend schreib' ich sogleich nieder, was ich am Tage gesehn habe. – Hier stehn Sie.

Birnam. Ich? Wie komme ich zu der Ehre?

Murner. Weil ich von Ihnen weitläuftig in meiner Reisebeschreibung sprechen werde.

Birnam. Von mir?

Murner. O ich merke schon, daß Sie mit eine Hauptrolle darin spielen werden.

Birnam. Wie in aller Welt –

Murner. Sie sind ein Engländer, – merkwürdig; Sie sind gereist, – noch merkwürdiger; Sie haben Schiffbruch gelitten, – eine Art von Robinson: wären Sie noch gar vielleicht auf eine wüste Insel gekommen, so bliebe nichts mehr zu wünschen übrig. – Sind Sie vielleicht?

Birnam. Nie, bei meiner Ehre.

Murner. Schade, Schade. – Aber gereist sind Sie doch: Sie werden mir wahrscheinlich auch Nachrichten von andern Ländern geben können: o es ist möglich, daß Sie einen ganzen Band füllen.

Birnam. Ja, wenn Sie mich für so gelehrt halten, so irren Sie wahrhaftig: und überdies, Er sieht sich um – mir war's als hätt' ich sie jetzt da unten gehn sehn; – ich komme eigentlich hieher, ein hübsches Mädchen zu sehn, und soll nun Unterricht in der Länderkunde geben.

Murner. Desto besser, gelehrt sind Sie nicht, sagten Sie, desto besser. – Gelehrt sollen Sie auch nicht sein; einen Gelehrten könnte ich gar nicht brauchen; aber interessant, interessant sind Sie. – Auf Stand und Gelehrsamkeit kommt es wahrhaftig nicht an. In Hamburg habe ich das Glück gehabt, einen Mann kennen zu lernen, – sehn Sie, es war nur ein wandernder Handwerker, – ein Schneider: aber er war interessant, und hat mir zu ganzen 300 Seiten Stoff gegeben. Er war durch ganz Deutschland und Ungarn gereist, durch Böhmen und Pohlen; er war ein paar mal Soldat gewesen, und jetzt zuletzt Bedienter beim Fürsten Kaunitz, – ein Mensch, der zu einem Schriftsteller geboren war: ich habe viel von ihm erfahren, sogar, man sollte es kaum glauben, über die geheimen Ursachen des jetzigen Krieges hat er mir manche Aufschlüsse gegeben.

Birnam. Wahrhaftig? – Aber jeder Leser ist vielleicht nicht vorurtheilsfrei genug, dem Schneidergesellen in Ihrem Buche zu glauben.

Murner. Erlauben Sie mir, er erscheint da als ein polnischer Starost; das ist man den Schwachen schuldig. Aus Ihnen mache ich zum Beispiel einen englischen Lord, der mit geheimen Aufträgen vom Hofe incognito reist.

Birnam. Das sind aber Falsa.

Murner. Sehr unschädliche; – und gäbe man mir auch einige Unwahrheiten Schuld, desto besser: so habe ich Gelegenheit, in einem sogenannten Anhang oder Nachtrag, meinen Recensenten zu widerlegen, zu beschimpfen, ihn, wenn es möglich ist, moralisch todtzuschlagen.

Birnam. Ein so friedliebender Mann? Ei lassen Sie mich das nicht glauben.

Murner. Ja, ja, unsre Schriftstellernaturen sind von unsern gewöhnlichen sehr verschieden. Man ist ein ganz andrer Mensch, sobald man nur die Feder ergreift; und Sie wissen es nicht, – Herr, Sie wissen es nicht, was einem so ein boshafter Recensent für Herzeleid macht! – zu dem divertirt dergleichen das Publikum. – Glücklich ist der Schriftsteller, der mit einem von unsern hochberühmten Herrn Gelehrten in Streit geräth; das ist so gut, wie ein Kapital auf viele Jahre. Man muß den Streit nur zu würzen verstehn; zu viel Gründlichkeit macht Langeweile; das zu viele Schimpfen im Gegentheil kann auch ermüden; etwas Personalität schadet nicht, und gut angebracht –

Birnam. Personalitäten? Ist das aber Recht?

Murner. Schriftstellerrecht. – Dann geräth der und der bekannte Mann, den man bis jetzt für vernünftig gehalten hat, in Hitze; das amüsirt. Jemand, den man sich beständig in einer gewissen kalten, philosophischen Ruhe gedacht hat, fängt an zu schimpfen wie eine Marketenderin; das überrascht: – man interessirt sich für den Zank, weil er mit Leidenschaft geführt wird, und man die Personen genauer kennen lernt, – so schreiben sich ganze Bände voll.

Birnam. Aber bringt das, zum Henker, keinen üblen Ruf?

Murner. Thut nichts. Manche Leute würden ihren üblen Ruf nicht gegen den besten vertauschen. Das zieht an, das macht neugierig auf alles was so ein verrufener Mann schreibt: man lacht, oder man findet sich weise dabei. Leider, so ist es nun einmal. Ich meines Theils, ich habe bis itzt den allerunbescholtensten Ruf, – aber eben darum – zuckt mit den Achseln. – – Sehr heftig. Ich schwöre es Ihnen zu, in Augenblicken der Verzweiflung über den Undank meines Vaterlandes, habe ich schon oft die Feder ergriffen, um ein ganzes Glaubensbekenntniß von Spinocismus, Jakobinismus, von Flüchen und Plattitüden zu schreiben, – Confessions, gegen welche Barths und Rousseaus furchtsam geschrieben sind. –

Birnam. Und das sind allgemeine Schriftstellermaximen in Ihrem Lande?

Murner. Nein, Gottlob nicht! Einige Schriftsteller leben immer so still für sich weg: das ist auch sehr gut: zu viele politische Köpfe würden sich einander schaden.

Birnam. Ich bin in der Schriftstellerwelt freilich herzlich unbekannt; aber sie ist interessanter als ich dachte. Das sind Talente, von denen ich bis jetzt noch keine Vorstellung hatte.

Murner. Wirklich? – Sie sind auch erst in unserm Zeitalter zu einer gewissen Vollkommenheit gediehen; eben so wie die Kunst, Reisebeschreibungen zu machen. Ehedem pflegte man sich nur das Merkwürdigste mit einer emsigen Mühsamkeit aufzuzeichnen; aber so eine trockne Gründlichkeit ist unausstehlich; – einem rechtschaffenen Reisebeschreiber muß alles merkwürdig sein. Wenn man nicht gräbt, wozu hat denn der Mensch die Hände, als zum Schreiben?

Birnam. Eine sehr gute Bemerkung.

Murner. Sie glauben nicht, was ich Ihnen bei jedem Baum sagen will. – Bei einer Eiche zum Beispiel über die Nutzbarkeit zum Bau-, Zimmer- und Brennholz, über die Nothwendigkeit der Rinde zur Lohgerberei, und über die Mast, o über die Mast erstaunlich viel. Fahre ich vor einem Berge vorüber, so sind entweder Höhlen darin, oder er ist ein vulkanisches Produkt, oder er hat Erze, oder ehemals gehabt, oder ich vermuthe wenigstens, daß er sie haben könnte; dann wird bei der Gelegenheit ein großer Theil der Bergwerkskunde abgehandelt. So werd' ich heut' Abend, bei Gelegenheit Ihres Namens, einen kurzen Abriß von ganz England machen, eine Beschreibung seiner Produkte, und einen ziemlich weitläuftigen Auszug aus seiner Geschichte. Bei Ihren Seereisen lasse ich mich denn über die ganze Marine heraus, und so immer weiter. – Man hat natürlich treffliche Bücher zum Nachschlagen. – Begreifen Sie nun? –

Birnam. O ja, ich begreife jetzt recht gut, wie man ein solches Buch schreiben kann; aber wie man es lesen kann –

Murner. Da irren Sie wieder. Ich muß es zur Ehre meines Vaterlandes gestehen, Reisebeschreibungen sind jetzt Modelektüre. Manche Leser haben freilich das Unglück immer zu schlafen; nun macht es aber doch wahrhaftig ihrem Verstande immer noch mehr Ehre, über eine Reisebeschreibung, als über Werthers Leiden einzuschlafen. Die Reiselektüre gehört zur Aufklärung, zu den Fortschritten des Jahrhunderts.

Birnam. So?

Murner. Wollen Sie mich jetzt zum Hafen begleiten? Ich habe dort noch manches über den Volkscharakter einzusammeln. Ich will Ihnen unterwegs etwas von meinen Planen über die Kindererziehung mittheilen, denn das ist ganz hauptsächlich mein Fach.

Birnam. Wahrhaftig, Ihre Gesellschaft ist mir sehr angenehm: Sie haben mein ganzes Herz gewonnen; wir werden Freunde werden. Aber jetzt muß ich fort. Sehn Sie das allerliebste Mädchen dort! – über den verdammten Vormund. –

Murner. Schön, recht schön; ich traue ihr viel Natur zu. Aber was nützt es Ihnen jetzt, sie anzusehn? Kommen Sie, kommen Sie.


Achter Auftritt.

Vorige. Rabe. Louise.

Rabe. Jetzt sind wir genug spazieren gegangen, wir wollen wieder ins Haus gehn.

Louise. Schon? – Es ist so schönes Wetter.

Rabe. Eben darum, weil es so schönes Wetter ist.

Birnam. Daß so ein Engel einen solchen Zuchtmeister haben muß!

Murner. Das ist eine Erziehung nach der alten Art; aber kommen Sie nur, eben davon will ich Sie ja unterhalten.

Rabe. Es sind mir zu viel Leute auf der Promenade.

Louise. Ich habe wenige gesehn.

Rabe. So? – das glaub' ich wohl; weil Sie heut schon wieder nur den Herrn von Krähfeld sahen. – Denken Sie, ich habe es nicht bemerkt, wie er Ihnen nachging? Wie Sie ihn von der Seite ansahen, als Sie thaten, als wenn Sie gegenüber etwas betrachteten? O, ich habe auch Augen. – Und der naseweise Engländer, – wahrhaftig, da steht er schon wieder!

Birnam. Daß ich ihn nicht abprügeln darf, so wie ich möchte!

Murner. Nun, wenn Sie denn doch einmal verliebt sind, so will ich Ihnen die Art erzählen, wie ich um meine Frau warb. Da werden Sie lernen, wie sich in solchen Fällen ein Mann beträgt, der von Philosophie und Schwärmerei gleich weit entfernt ist.

Birnam, ärgerlich. So wollt' ich! – Herr ich gehe mit Ihnen; aber es ist des Kerls wegen, der mir da ewig im Wege steht, – wahrlich nicht Ihrer Geschichte zu gefallen.

Murner. Ihre Liebe macht Sie heftig. – Kommen Sie, kommen Sie. Er geht mit Birnam ab.

Rabe. Endlich ist er fort! Es ist nicht auszustehn.

Louise. Was thut er Ihnen aber? Ich kenne ihn kaum.

Rabe. Desto mehr aber den Herrn von Krähfeld? O ich kenne Sie auch. Ihr seliger Vater hat mich aber wahrhaftig nicht umsonst zu Ihrem Vormund gesetzt; und so lange ich das Amt habe, sollen Sie nicht an ihn denken.

Louise. Hat er Ihnen aber zugleich das Recht gegeben, mir grausam zu begegnen?

Rabe. Ich sorge für Ihr Beste, ich bewahre Sie vor Verführung: das ist meine Pflicht. Wenn Sie heirathen wollen, warum denn nicht meinen Mündel, den jungen Herrmann? Einen hübschen Menschen mit einem ansehnlichen Vermögen, den Freund Ihres Vaters, meinen Busenfreund? Antworten Sie.

Louise. Was kann ich Ihnen neues antworten? dem Himmel sei Dank, daß Herrmann jetzt auf Reisen ist. Ihre Tyrannei, seine Zudringlichkeit, macht mich unglücklich, so sehr, daß ich nichts so sehnlich wünsche, als den Tag, der mich von Ihrer Herrschaft befreien wird.

Rabe. So? so? damit Sie dann hübsch thun können, was Sie wollen? damit Sie dann keinen Aufseher mehr haben? Aber nein, Sie werden, Sie sollen ihn noch lieben; ich habe es ihm versprochen. Sie werden es einsehn, wie gut ich es mit Ihnen meine, wenn ein so schönes Vermögen beisammen bleibt: – Sie werden ihn gewiß noch heirathen.

Louise. Wollen wir nicht hineingehn?

Rabe. Ah, – Wie? Was? Was seh' ich denn da? Ihre Fenster stehn ja offen? –

Louise. Um frische Luft im Zimmer zu bekommen.

Rabe. So? So? – Meinen Sie? – Ah, wenn ich Sie nicht kennte! – Um ein niedliches Briefchen von dem Herrn von Krähfeld ins Zimmer zu bekommen: um zu berathschlagen, wie Sie den alten Vormund betrügen wollen, wo Sie sich einander antreffen wollen, und welche Bedeutung Ihre Winke haben sollen. – O ich kenne Sie.

Louise. Herr Vormund –

Rabe. Aber ich will schon Mittel finden, ich will Sie doch überlisten: ich will eiserne Stangen vor das Fenster ziehn lassen; ich will es zumauern lassen; Sie sollen hinten auf dem Hofe wohnen, niemand zu sehn bekommen, nur auf dem Hofe spazieren gehn. – So weit wird es kommen!

Louise. Aber Herr Vormund –

Rabe. Da seh' ich den Fliege kommen; er grüßt; er will zu mir. – Gehn Sie hinein; riegeln Sie die Thür zu, machen Sie die Fenster zu, ich sag' es Ihnen, – und auch die Vorhänge. Er schließt auf, Louise geht hinein. Sein Herr ist gewiß todt. – Ich will ihn nicht hineinnehmen; ich will lieber draussen mit ihm auf und ab gehn.


Neunter Auftritt.

Rabe. Fliege.

Rabe. Willkommen, Fliege, ich vermuthe deine Nachricht schon.

Fliege. Ich glaube nicht.

Rabe. Ist er nicht todt?

Fliege. Bewahre!

Rabe. Doch nicht besser?

Fliege. Seine Besserung war nie so zu fürchten als jetzt.

Rabe. O ich bin ein unglücklicher, kreuzlahmgeschlagener Mann! Wie? Was? – Wie ist es denn aber zugegangen?

Fliege. Wie? – Geyer und der Herr von Krähfeld sind bei ihm gewesen, und die haben den neuen Magnetiseur Schirmer zu ihm kommen lassen; – ich war gerade in einem andern Zimmer.

Rabe. Und davon ist er besser geworden? Nicht möglich! Nicht möglich! Wie sollte das zugegangen sein? Ich kenne den verdammten Charlatan, den Quacksalber, den Lumpenkerl; ich habe ihn ja noch gekannt, da er als Friseur herumlief; dann ging er unter eine Bande herumziehender Komödianten; ein Kerl, der nicht lesen und schreiben kann, – wie sollte der denn solche Wunderkuren verrichten? Es ist nicht möglich!

Fliege. Weiß der Himmel, wie es zugegangen ist! – Er strich ihm über die Brust und den Unterleib eine Viertelstunde, und darauf ward es sogleich mit ihm besser.

Rabe. Wäre der Kerl doch beim Frisiren geblieben, so hätte er doch nicht Leute unglücklich gemacht! – Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Ich wollte alles darum geben, wenn der Schurke gar nicht in unsre Stadt gekommen wäre.

Fliege. Jetzt ist nun ein Kollegium von Aerzten zusammengekommen, um mit einander zu berathschlagen, auf welche Art seine Gesundheit am besten könnte hergestellt werden. Da war nun ein Gerede von Brunnenkuren, – sie wurden verworfen; von Bädern und mineralischen Wassern, – ebenfalls; von Kräuterkuren, – sie gingen nicht durch: bis endlich das abgeschmackteste von allem beschlossen ward, wie es denn sehr oft geht, wenn sich Leute tagelang den Kopf zerbrechen, um das gescheidteste ausfindig zu machen. – Rathen Sie einmal, was.

Rabe. O ich bin kein Doktor.

Fliege. Sie würden es auch zeitlebens nicht errathen. – Ein junges Weib, oder Mädchen, die ihn vollkommen in vierzehn Tagen kuriren soll.

Rabe. Wie? Was? Hätt' ich doch nie geglaubt, daß die Aerzte solche Narren sein könnten.

Fliege. Man irrt sich oft in den Leuten. Aber sie haben alle ihre Ehre zum Pfande gesetzt, daß er dadurch besser würde.

Rabe. Und ich setze meine Ehre zum Pfande, daß sie alle toll sind.

Fliege. Und sollten Sie wohl glauben, daß der alte Herr so abergläubisch wäre, auf dies Hausmittel zu vertrauen.

Rabe. Wirklich?

Fliege. In der That. – Da ich nichts ohne Ihr Vorwissen unternehmen mag, so kam ich nur geschwinde zu Ihnen, um mich hier Raths zu erholen, denn ich habe den Auftrag, dies Mittel zu besorgen.

Rabe. Was kann ich da für Rath geben? – O alle meine schöne Hoffnungen! – Es fehlt ja nicht an solchen Mädchen in unsrer Stadt.

Fliege. Das wohl nicht; allein der alte Mann ist darin sehr delikat; und es ist bei der Kur die Bedingung gemacht, daß er zu dem Mädchen Neigung haben müsse: alle diese verabscheut er. Und dann, glauben Sie nicht, daß ein solches Mädchen so klug sein würde, sich bei ihm zu bereichern? – Nein, es muß ein simples, unbefangenes Mädchen sein, das Ihnen keinen Schaden thut.

Rabe. Ja, was ist da zu machen?

Fliege. Sollten Sie nicht irgend ein Mädchen im Hause haben? das würde mehr wirken, als alle Perlen und Diamanten. Oder eine weitläuftige Anverwandte? – Einer von den Aerzten hat ihm schon seine Tochter angeboten.

Rabe. Zur Maitresse.

Fliege. Bewahre! zur Frau.

Rabe. Zur Frau?

Fliege. Ja freilich. – Der Herr von Fuchs würde sie auch vielleicht angenommen haben, aber er kennt sie nicht, und hat also keine Neigung zu ihr: – aber, wer weiß, wenn er sie sieht; – die Neigungen des Menschen sind oft wunderlich, – und ich fürchte, in schwachen Augenblicken vermag oft ein Mädchen viel, besonders über einen alten Mann.

Rabe. Seine Tochter?

Fliege. Warum nicht? der Herr Doktor ist schlau, – er weiß, daß er seine Tochter bald wieder bekömmt, und zwar als eine reiche Wittwe. Es kömmt dann blos auf ihn an, ob er sich oder die Tochter zum Erben ernennen lassen will.

Rabe für sich. Ich bin in einem großen Gedränge! – Bei Herrmann mach' ich mich freilich für meine Dienste gut bezahlt, – ob ich ihm mein Wort halte? – aber die Gefahr ist hier zu groß; wenn ich nicht eile, so erndtet der Doktor wahrhaftig da, wo ich so mühsam gesäet habe.

Fliege. Er hat angebissen.

Rabe. Ob sie es auch thun wird? Sie muß; und warum nicht? Man läßt ihr dafür mit dem Krähfeld etwas mehr Freiheit, – o sie willigt ein. Und Herrmann, – für den ist es auch gut; wahrhaftig, ich thue ihm einen Dienst damit. In vier Wochen ist sie Wittwe, und wenn sie erst an den Alten verheirathet gewesen ist, so scheint ihr Herrmann golden. Herrmann ist ein kluger Mann: ich lasse ihm zur Noth einen Theil der Erbschaft. – Ja ich muß dem Doktor, dem Schurken, zuvorkommen. – Fliege, ich habe mich auf etwas besonnen.

Fliege. Nun?

Rabe. Mein Mündel soll seine Frau werden.

Fliege. Wirklich?

Rabe. Wenn ich nur wüßte, daß er Neigung zu ihr bekommen könnte.

Fliege. Die hat er schon. Da er sie einmal vor seinem Hause vorbeigehn sahe, gestand er mir, daß er dies Mädchen am ersten lieben könnte: ich hätte Ihnen daher gleich zu dieser gerathen; aber ich fürchtete ihre Gewissenhaftigkeit.

Rabe. Ei was! – Es ist also alles richtig. Geh nur gleich zu ihm, sag ihm wie bereitwillig ich sogleich gewesen sei, da Du kaum das erste Wort hättest fallen lassen, – wie es denn auch in der That ist. – Schwöre ihm, es sei ganz mein freiwilliger Entschluß gewesen.

Fliege. Ich bin Ihnen Bürge, daß er nun alle übrigen abweisen wird. – Aber kommen Sie nicht eher, bis ich nach Ihnen schicke, denn ich habe mehrere Geschäfte.

Rabe. Vergiß es auch nicht.

Fliege. Gewiß nicht. Er geht ab.

Rabe. Hm! hm! hm! – Er klingelt, Louise riegelt von inwendig die Thür auf.


Zehnter Auftritt.

Rabe. Louise.

Louise. Klingelten Sie?

Rabe. Ja wohl. – O ich glaube gar, Sie haben geweint? Ei nicht doch; denken Sie denn, daß es vorhin mein Ernst war?

Louise. Nicht?

Rabe. Je, purer Scherz, bei meiner Seele! – Sie wissen, ich liebe Sie, wie mein leibliches Kind, und ein zärtlicher Vater geht leicht zu weit in seiner Sorgfalt. Weiß man denn nicht, daß es blos auf den Willen der Weiber ankömmt, die ganze Welt zu betrügen? – Nein, ich traue Ihnen, und Sie sollen Beweise davon haben. – Gehen Sie nur hinein, und ziehn Sie sich an. Wir sind beim Herr von Fuchs gebeten. Sie sollen künftig sehn, ob ich wohl ein argwöhnischer eigensinniger Mann bin. Er geht mit Louise ins Haus.


Eilfter Auftritt.

Karl von Krähfeld. War das nicht Louise, die eben hineinging? – das arme Mädchen muß viel von dem harten Vormunde leiden. Ihre Fenster sind zugemacht, die Vorhänge herunter gelassen. Ich hätte sie heute so gern gesprochen. – Ob sie nicht ans Fenster kommen sollte? – Wenn nur diese beiden Monate seiner Vormundschaft verflossen wären! – Mein Vater willigt gewiß ein, und in meinen Armen sollte das tugendhafte Mädchen glücklich sein. – Ist ihre Sehnsucht nur halb so stark, als die meinige, so kömmt sie gewiß. – Er lehnt sich an einen Baum, und sieht aufmerksam nach den Fenstern hinauf.


Zwölfter Auftritt.

Karl von Krähfeld. Fliege.

Fliege für sich. Ich hatte doch vorher den jungen Krähfeld gesehn, – ob er sich nicht in der Gegend dieses Hauses herumtreiben sollte? – Da ist er ja – Ganz gehorsamster Diener, Herr Baron.

Karl. Schon gut.

Fliege.Sie werden verzeihen –

Karl. Ich bitte Dich, geh, und laß mich zufrieden.

Fliege. Lieber Herr Baron, verachten Sie meine Armuth nicht.

Karl. Das nicht, aber Deine Niederträchtigkeit.

Fliege. Niederträchtigkeit?

Karl. Ja. Frage nicht noch, als ob Du daran zweifeltest. –

Fliege weinend. Gut, gut, der Arme muß oft viel leiden, man wird es gewohnt; – aber wahrhaftig, es ist grausam.

Karl. Wie? Er weint?

Fliege. Es ist wahr, ich bin arm, und muß mir selbst meinen Unterhalt suchen; ich habe kein eignes Vermögen, sondern muß mein Brod im Dienste erwerben: aber bin ich darum schon schändlich? Hab' ich schon zwischen Freunden oder Familien Uneinigkeit gestiftet? gelogen? geschmeichelt? Hab' ich Meineide geschworen, oder die Unschuld verführt? – Ich will mich lieber auf eine kümmerliche Art durchhelfen, als im Ueberfluß schändlich leben.

Karl. Es kann sein, daß ich Dir Unrecht that, – und wenn ich auch nur ein Wort zu viel sprach, so vergieb mir, und sage, was Du mir zu sagen hättest.

Fliege. Es betrifft Sie; und blos aus Rechtschaffenheit und Liebe zu Ihnen, hab' ich Sie aufgesucht, ob es gleich einigermaßen Unrecht ist, daß ich gegen das Interesse meines Herrn handle. – So hören Sie denn, Ihr Herr Vater ist so eben im Begriff, Sie zu enterben.

Karl. Wie?

Fliege. Er will Sie ganz wie einen wildfremden Menschen behandeln; und weil mir das im Herzen wehe that, kam ich hieher es Ihnen zu sagen.

Karl. Unglaublich! Unmöglich! – Mein Vater kann nicht so unnatürlich sein. –

Fliege. Die Rechtschaffenheit zweifelt immer an dem, was nicht gut ist. Ich will Ihnen aber noch mehr sagen. Es ist schon geschehen, oder geschieht doch in diesem Augenblick; und wenn es gefällig wäre, mit mir zu gehn, so wollt' ich Sie an einen Ort führen, wo Sie selbst alles mit anhören könnten. –

Karl. Ich bin vor Erstaunen außer mir.

Fliege. Wenn es nicht wahr ist, so nennen Sie mich einen Schurken, und strafen mich, so hart Sie nur immer wollen. – Das Herz blutet mir. –

Karl. Komm, ich will mit Dir gehn. – Beide gehn ab.

 


 


 << zurück weiter >>