Ludwig Thoma
Lottchens Geburtstag
Ludwig Thoma

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Vierte Szene

Die Tür in der Mitte wird halb geöffnet, und man hört die laute und fröhliche Stimme von Cölestine Giselius, die sogleich eintritt und unter der Tür nach rückwärts spricht.

Cölestine trägt einen Blumenstrauß: Es ist nit notwendig, Babettche, ich dank vielmals; ich werd schon was finde, wo ich den Strauß nei steck. Ganz eintretend, zu Frau Giselius. Gute Morche, Tildche! Ei, wo is denn unser Geburtstagskind, daß ich mein Glückwunsch anbring?

Frau Giselius ihr entgegengehend: In der Stadt, Stinche. Nei, was du wieder für Geld ausgegebe hast. Nimmt ihr den Strauß ab. Den stelle mir aber in die Mitt. Sie nimmt eine Vase, die auf dem Flügel steht, steckt den Strauß hinein und stellt ihn auf den Tisch.

Cölestine sieht den Professor, der hinter seiner Zeitung steckt. Mit einem Knicks: Allerergebenst, Herr Geheimrat!

Professor Giselius ohne auszusehen: Guten Morgen!

Cölestine zu Frau Giselius: Was macht se denn in der Stadt?

Frau Giselius: Sie muß was besorge; wahrscheinlich will sie uns auch e Präsent mache.

Cölestine: Zur Feier des Tags? Nei, wann ich denk, daß der klei Spatz heut zwanzig Jahr alt werd! Ich mein immer noch, ich muß sie im kurze Rock sehe.

Frau Giselius: Es ist fast schad, Stinche.

Cölestine: Und jetzt werd se euch bald aus'm Nescht fliege.

Frau Giselius: Da is noch gar kei Aussicht!

Cölestine: Du, glaub das net! Vor du guckst, is se weg.

Frau Giselius: Wann's ebe sei muß...

Cölestine: Ich muß d'r doch was erzähle... Sieht nach Professor Giselius, der in seine Zeitung vertieft ist. Ich wollt scho vorgescht're, aber du warscht net daheem. Mit dem Kopf auf Giselius deutend. Un mit dem do kann m'r doch über nix gescheidt's redde.

Frau Giselius neugierig: Von Lottche was?

Cölestine: Hör als zu! Am Samstag wart'r doch auf'm Kränzche bei Nonebergs. Isch d'r da nix aufgefallen

Frau Giselius nachdenkend: N-nei.

Cölestine: Ei, mir hat doch die Musovius erzählt, daß en neugebackener Privatdozent beim Lottche die Kur geschnitte hat.

Frau Giselius: Ach, die hört's Gras wachse.

Cölestine eifrig: Gib nor acht! Ich bin also gescht're zum Kaffee wieder bei d'r Musovius, un auf emol kommt en B'such, en junger Mensch un macht ei eckich Kompliment nach dem annere, un wie mir'n endlich glücklich in ein Stuhl drin hawwe, pischpert mir die Musovius ins Ohr: Du, das isch er...

Frau Giselius gespannt: Der...?

Cölestine: Deim Lottche die Kur geschnitte hat.

Frau Giselius: Wie sieht er dann aus?

Cölestine: Wie se halt aussehe. Mit dem Kopf nach Giselius deutend. Und mit die Gedanke immer wo anders.

Frau Giselius: Ich kann mir gar net denke...

Cölestine: Er werd wohl net sehr stürmisch gewese sei. Du weißt ja, wie die Gattung nach dem Professor hin nickend die Kur macht.

Frau Giselius: Ich hab' wohl gesehe, wie so e junger Mann unserm Lottche e Limonad gebracht hat...

Cölestine: Das is viel.

Frau Giselius: Aber getanzt hat'r net mit ihr.

Cölestine: Er werd vielleicht net könne; aber hör' zu. Die Musovius bringt natierlich möglichscht bald 's Gespräch drauf, daß ich die Tant bin von Fräulein Giselius, und da werd er rot, wie e Institutmädche und fangt en ganz vernünftige Dischkurs an, wie's ihr geht, und ob sie gut heimgekomme isch vom Kränzche, und halt so weiter, fascht wie e normaler Mensch...

Frau Giselius: Guck emol!

Cölestine: Und ich hab'n bißche aufgemuntert und hab' auch in's Gespräch eifließe lasse, wie m'r nächschtens den Geburtstag von unserem Lottche feiern. Da könne Sie sich e bißche angenehm erweise, sagt die Musovius, und er sagt, er muß so bald auf Giselius hinüber nickend unserer Kapazität do sein Antrittsbesuch mache.

Frau Giselius: Is er auch Jurist?

Cölestine: Nei. Er isch Zoolog.

Frau Giselius: Zoolog? Sie fängt herzlich zu lachen an.

Cölestine: Ei, was hoscht du dann?

Frau Giselius setzt sich auf einen Stuhl und lacht ausgelassen weiter: Ich muß mich setze.

Cölestine: Was amüsiert dich dann so?

Frau Giselius: Ich erzähl dir's schon, Stinche; laß mich nur erst Luft kriege! Zoolog is'r! Lacht auf ein neues. Wann du hörst, was mir für e Debatt geführt hawwe, du lachst dich krank...

Cölestine zu Giselius hin nickend: Mit d'r Kapazität?

Frau Giselius: Natierlich! Du glaubst net, was der für Mücke im Kopf hat!

Cölestine: Ich kann mir's denke.

Frau Giselius: Nei, auf des kommscht du deiner Lebtag net. Un... wieder in Lachen ausbrechend un von der Zoologie is auch die Red...

Cölestine neugierig: Mach e bißche zu!

Frau Giselius: Du, was die für e Roll spielt in meim Lebe! Lacht.

Professor Giselius über seine Zeitung weg: Was bedeutet dieser Heiterkeitsausbruch?

Frau Giselius: Ich will g'rad erzähle, was für väterliche Pflichte du entdeckt hast.

Professor Giselius aufstehend: Das ist doch eine Frage, die nur zwischen dir und mir sich besinnend aber – ja! Gut, meine Schwester soll ihre Meinung sagen; sie könnte in gewisser Beziehung sogar authentisch darüber urteilen.

Cölestine: Was wollt'r von mir?

Frau Giselius eifrig: Also, unser Lottche...

Professor Giselius: Nein, ich bestehe darauf, daß ich das... Problem unserer Cölestine vortrage.

Frau Giselius: Ich hab jetzt scho angefange...

Professor Giselius: Und ich habe bestimmte Gründe, warum ich selbst zunächst einige Fragen stellen will. Wir wollen hier ad hominem demonstrieren.

Frau Giselius zu Cölestine: Du kannst dich freue.

Cölestine neugierig: So macht doch zu!

Professor Giselius: Gerade mit dir kann ich das ad hominem demonstrieren.

Cölestine: Es wär' doch g'scheidter, wann Tildche...

Professor Giselius nötigt Cölestine in einen Stuhl, schlägt die Arme übereinander und spricht in lehrhaftem Ton: Du wirst mir den Gefallen tun, nicht wahr, Cölestine, logisch zu folgern und präzis zu antworten?

Cölestine resigniert: In Gottes Name!

Professor Giselius: Und insbesondere möchte ich dich ersuchen, nicht vom Hauptgedanken abzuirren, wie das nun einmal leider der weibliche Fehler ist...

Cölestine: Und ich möcht dich insbesondere gebete hawwe...

Frau Giselius: Halt dich am Stuhl fescht, Stinche!

Professor Giselius sich unwillig räuspernd: Du bist zwar schon ziemlich bei Jahren, Cölestine, aber noch im status quo ante, ich meine...

Cölestine: Daß ich sitze gebliewe bin...

Professor Giselius: Daß du im eigentlichen Sinne Mädchen bist. Was wollte ich sagen? Ja. Nehmen wir an, es würde dich jemand zur Frau begehren.

Cölestine: I, wo werd eener!

Professor Giselius: Als Hypothese angeführt, es würde ein Mann um dich werben...

Cölestine: Das gibt's nimmer.

Professor Giselius ungeduldig: Natürlich gibt es das nicht mehr. Aber konditionaliter, wenn es so wäre, – würdest du nicht doch froh sein, wenn dir eine geeignete Persönlichkeit Aufschlüsse erteilen würde?

Cölestine: Von dir möcht' ich gewiß kei'.

Professor Giselius: Ich rede doch ganz im allgemeinen...

Cölestine: Ei, du bischt doch der letzt, den m'r um so was fragt!

Professor Giselius sehr ungeduldig: Kannst du einen Gedanken nicht vom Persönlichen losschälen? Wer spricht denn von mir?

Frau Giselius: Du selber.

Professor Giselius: Ich?

Frau Giselius: Du willst doch deiner ganze Verwandschaft Instruktione gewe. Denk' dir nur, Stinche, er is wie drauf versesse.

Cölestine: Ja, sag mir nur g'rad, wie du auf so Idee kommscht? Biet' er sich an, er will mir Aufschluß erteile!

Professor Giselius verzweifelt: Aber...

Cölestine: Ich dank d'r recht schö für'n gute Wille.

Professor Giselius: Aber...

Frau Giselius: Un die nämlich G'fälligkeit will er unserm Lottche erweise...

Cölestine mit lustiger Entrüstung: Hör emol. das geht über'n Spaß!

Professor Giselius: Ich bitte mir endlich Ruhe aus, und daß man hier nicht von einem Spaß spricht!

Cölestine: Ernst kann doch so was net sei! Ich wenigstens verbiet mir dei' Aufschlüss'.

Professor Giselius: Es ist Ernst, und wenn du mich ruhig angehört hättest, dann wäre ich vielleicht gerade durch dich in meinem Vorhaben bestärkt worden.

Cölestine: Durch mich?

Professor Giselius: Aber natürlich, man begegnet bei euch stets einem Widerspruch oder schlechthin der Unmöglichkeit den eigenen Vorteil zu erkennen.

Cölestine zu Frau Giselius: Was hat'r denn heut?

Professor Giselius: Propter imbecillitatem sexus, wie die Römer zutreffend sagten. Wegen der angebotenen Schwäche des weiblichen Geschlechtes!

Frau Giselius: Du, mir wolle heut vergnügt sei. Komm nur net ins Deklamiere!

Professor Giselius deklamierend: Ist es nicht unerhört, daß man in einem nützlichen Bestreben von den nächst beteiligten Personen gehindert werden soll? Aber ich sagte schon, daß es sich auf meiner Seite um eine Pflicht handelt, um eine Tätigkeit sohin...

Frau Giselius: Stinche, drei Wort! Weil unser Lottche heut zwanzig Jahr alt is, will er ihr... nu ja, du hascht's ja gehört. Er glaubt felsefest, daß... Lispelt ihrer Schwägerin in die Ohren.

Cölestine: Ach, du lieber Gott! Beide lachen ausgelassen.

Frau Giselius: Er laßt sich's net nehme.

Cölestine lacht wieder: Otto!

Professor Giselius: Ich soll wieder was hören von Ahnungen? Aber ich erkläre hiemit ausdrücklich...

Frau Giselius: Tu, was du net lasse kannscht! 'S Lottche wird dich hoffentlich brav auslache, aber das sag' ich dir, heut darfst du mir das Privatissimum net lese.

Professor Giselius: Ich sehe den Grund nicht ein. Gerade heute...

Frau Giselius: Nei, und heut is emol Feschttag...

Professor Giselius: Aber...

Frau Giselius: Un morge heirat sie noch net... Sich plötzlich an etwas erinnernd, lustig. ... Übrigens, was hat mir denn Stinche erzählt? Denk dir nur, du kannscht dir wahrscheinlich die Arbeit spare...

Professor Giselius verständnislos: Hm?

Frau Giselius: Mir hawwe Aussicht, daß mir en Zoologe als Schwiegersohn kriege.

Professor Giselius: Wieso?

Frau Giselius: Gelt, Stinche?

Cölestine: Wann mich net alles täuscht...

Frau Giselius: Und wann unser Lottche will...

Cölestine: Un du auch e bißche gescheit bischt...

Professor Giselius: Ich verstehe nicht. Ist denn der Kollege Siebenkäs Witwer geworden?

Cölestine: Wer redt denn von dem alte Scheps?

Frau Giselius: Nei, e junger, netter Mensch, der sich grad erscht habilitiert hat...

Cölestine: Und bis über die Ohre in dei Tochter verliebt is...

Professor Giselius nachdenklich: Ein Zoologe?

Frau Giselius: Freilich, un sehr tüchtig; was m'r hört. Dem Mann brauchst du doch net vorzugreife!

Cölestine zu Frau Giselius: ich versteh als net...

Frau Giselius: Ich erzähl dir's dann.

Professor Giselius nachdenklich: Hm-ja... in gewisser Beziehung wären hier Kautelen gegeben, wenngleich die Frage offen bleibt...

Frau Giselius: Denk doch an dein Lehrmeister, Busäus!

Cölestine neugierig: Was isch denn?

Frau Giselius winkt ihr lustig ab.

Professor Giselius: Wenngleich die Frage offen bleibt, ob man generaliter annehmen darf... Zu seiner Frau. Wann soll die Vermählung stattfinden?

Frau Giselius: Wart doch e bißche...

Cölestine: Ob's 'm Lottche recht is...

Frau Giselius: Und bis er sich unser Einwilligung geholt hat.

Professor Giselius zerstreut: N-ja. Und vor der Erteilung des väterlichen Konsenses könnte immerhin noch Klarheit über diese Dinge verlangt werden.

Frau Giselius begütigend: Freilich kannscht du das...

Professor Giselius: In der Form, daß das rechtsgültige Verlöbnis unter einer Suspensiv-Bedingung abzuschließen wäre...

Frau Giselius gemütlich: No freilich, so machscht du's.

Professor Giselius setzt sich in den Lehnstuhl. Frau Giselius zwinkert ihrer Schwägerin lustig zu, die zu ihr herantritt und halblaut spricht.

Cölestine drängend: Jetzt sag' mir nur um Gotteswille, was Ihr mit der Zoologie habt? Ich brenn scho darauf.

Frau Giselius: Hascht du den alte Busäus gekennt?

Cölestine: Wo wer ich net?

Frau Giselius: Dem Mann verdank ich mei Lebensglück, Stinche.

Cölestine sieht sie fragend an; Frau Giselius flüstert ihr hinter der vorgehaltenen Hand in die Ohren, wobei sie einige Male nach ihrem Mann hinsieht, der wieder in die Lektüre der Zeitung vertieft ist. Kleine Pause. Beide Frauen brechen in herzhaftes Lachen aus.

Cölestine: Dem verdankscht du freilich viel.

Frau Giselius: Stell dir bloß vor...

Cölestine: Wann der Mann net gewese wäre! Beide lachen wieder.

Babette tritt ein durch die Mitteltür.

 
Fünfte Szene

Babette: Es isch wer do. Hält eine Visitenkarte hin.

Frau Giselius: Ei, so gib her! Nimmt die Visitenkarte und liest. Doktor Traugott Appel?

Cölestine: Du, das isch er!

Frau Giselius Sieht sie fragend an.

Cölestine: Die Zoologie!

Frau Giselius richtet an ihrem Häubchen: So führ'n doch gleich rei, Babettche!

Babette: Was will er dann bloß? Er hat des größt Bukett in d'r Hand...

Frau Giselius hastig zu Babette: Geh doch rasch! Babette geht zur Mitteltür. Is denn 's Lottche noch net da?

Babette an der Tür: Ich haww nix von ihr g'sehe.

Frau Giselius: Schau beim Fenschter naus und wink ihr, wann sie kommt.

Babette verstehend: Guck emol do!

Frau Giselius: Sie soll sich tummle.

Babette langsam ab.

 
Sechste Szene

Frau Giselius: Otto! Rappel dich in die Höh! Mir hawwe Besuch.

Professor Giselius zerstreut aufschauend: Wozu?

Frau Giselius ungeduldig: So mach doch! Un gelt, sei e bißche nett zu ihm!

Cölestine: Es isch doch der Privatdozent, von dem mir erzählt hawwe.

Frau Giselius: Wegen Lottche!

Professor Giselius: Jetzt schon?

Frau Giselius mütterlich: Un mach kein Unsinn!

Sie richtet an seinem Hemdkragen.

Professor Giselius: Ich bin aber nicht so vorbereitet...

Frau Giselius immer noch mit ihm beschäftigt: Dei Krawatt sitzt auch schepp... so... un munter den junge Mensche auf.

Cölestine: Pscht!

 
Siebente Szene

Unter der Mitteltür erscheint Dr. Traugott Appel; Gelehrtentypus, blondes, ungescheiteltes Haar, das in der Höhe des Kragens glatt abgeschnitten ist; kurzer Vollbart, dicke Brille, die starke Kurzsichtigkeit vermuten läßt. Gehrock. In der rechten Hand hält er ein großes Bukett, in der linken seinen Zylinder.

Dr. Appel verlegen: Habe ich die Ehre, Herrn Geheimrat Dr. Giselius...?

Professor Giselius ernst: Allerdings.

Cölestine rasch einfallend: Das isch die Frau Geheimrat, und ich hab ja schon 's Vergnüche...

Dr. Appel sich nach allen dreien verbeugend: Gewiß ja... ist meinerseits...

Frau Giselius: Wolle Sie net ablege, Herr Doktor?

Dr. Appel nimmt das Bukett in die linke, den Zylinder in die rechte Hand: Wenn Sie erlauben...

Cölestine nimmt ihm den Zylinder ab und stellt ihn auf den Flügel: Gewwe Sie her!

Frau Giselius auf einen Stuhl deutend: Nehme Sie Platz un mache Sie sich's gemütlich!

Dr. Appel setzt sich auf den Rand des Stuhles. Das Bukett hält er krampfhaft fest: Ich bin so frei...

Frau Giselius: Sie sin erscht kurz in unserm Städtche?

Dr. Appel: Ja, es werden ungefähr zwanzig Tage...

Frau Giselius: Un Sie hawwe sich habilitiert?

Dr. Appel: Gewiß.

Professor Giselius feierlich: Als Zoologe? Nicht wahr?

Dr. Appel mit einer Verbeugung: Ja.

Professor Giselius: Man hat mir davon bereits gesagt...

Frau Giselius einfallend: Mein Mann hat nämlich ein Faible für Ihre Wisseschaft.

Dr. Appel mit schüchterner Verbeugung: Es ehrt mich, daß Herr Geheimrat davon Notiz genommen haben.

Professor Giselius: Ja, das habe ich, und ich halte es für einen glücklichen Umstand.

Dr. Appel: Ich hoffe, daß es mir vergönnt sein möge, mich dieser Beachtung würdig zu erweisen.

Professor Giselius: M-ja.

Frau Giselius: Und wie gefällt's Ihne dann hier, Herr Doktor?

Dr. Appel begeistert: Es ist wundervoll; man kommt mir von allen Seiten so liebenswürdig entgegen, und dann auch das erhebende Gefühl der Tätigkeit...

Frau Giselius: Hawwe Sie schon angefange mit'm Vorlese?

Dr. Appel: Ja, über die Käferfamilie der Bostrichiden Zentraleuropas mit besonderer Berücksichtigung der für den Waldbau in Betracht kommenden, der Splintkäfer, Bastkäfer...

Professor Giselius zerstreut und nachdenklich: M-hm, ja – ja.

Dr. Appel: Den großen und kleinen Kiefernmarkkäfer, von dem man gerade hier ganz herrliche Brutkammern findet.

Professor Giselius sieht ihn geistesabwesend an: Es ist mir bisher nicht aufgefallen.

Dr. Appel: Wenn sich Herr Geheimrat so sehr dafür interessieren, ich kann Ihnen auch den Bostrichus typographus in schönen Exemplaren vorweisen.

Frau Giselius: Ich wünsch' Ihne bloß, Herr Doktor, daß sich recht viel Studente bei Ihne melde. Sie sin ja so eifrig in Ihrem Fach!

Dr. Appel: Bis jetzt haben sich vier eingeschrieben.

Frau Giselius: Da is d'r Anfang schon gemacht...

Dr. Appel: Allerdings kommt immer nur einer ins Kolleg, aber der Pedell sagte mir, daß die Bowlenzeit im Frühjahr die ungünstigste sei.

Frau Giselius fröhlich: Ach, die junge Leut!

Dr. Appel: Ich bedaure das sehr, weil gerade im Mai zum Beispiel die Beobachtung des Rüstersplintkäfers am dankbarsten ist, aber ich hoffe, daß es mir gelingen wird, meine Hörer gerade für diese Käferfamilie zu begeistern.

Frau Giselius mütterlich: Gewiß wird Ihne das gelinge.

Dr. Appel: Ich habe auch die Zuversicht, und wenn ich sehe, daß ein soviel beschäftigter Mann wie Herr Geheimrat sich für unsere Wissenschaft interessiert, so werde ich erst recht darin bestärkt.

Professor Giselius sehr zerstreut: Hm... hm... ja, gewiß.

Cölestine: Was hawwe Sie denn für e schön Bukett, Herr Doktor?

Dr. Appel verlegen: Ich dachte... ich hörte... daß Sie ein Familienfest feiern, und da wollte ich mir die Freiheit nehmen...

Frau Giselius: Das is aber wirklich aufmerksam von Ihne!

Dr. Appel: Ich hatte die Ehre, Ihrem Fräulein Tochter vorgestellt zu werden, und da man mir sagte, daß Ihr Fräulein Tochter heute Geburtstag hat...

Cölestine: Ich glaub, ich hab so e flüchtige Bemerkung gemacht.

Dr. Appel: Wenn ich mich recht erinnere, allerdings...

Cölestine: Das is nett, daß Sie das noch wisse...

Frau Giselius: Wo Sie sich schon mitte in Ihr Tätigkeit gestürzt hawwe!

Dr. Appel verlegen lächelnd: Ich habe es mir gemerkt.

Frau Giselius zum Professor: Denk dir, Otto, der Herr Privatdozent is so liebenswürdig, unserem Lottche eigens zu gratuliere...

Professor Giselius nachdenklich: Mm – ja.

Frau Giselius lebhaft: Und g'rad jetzt muß Lottche net da sei!

Dr. Appel bestürzt: Ist Ihr Fräulein Tochter verreist?

Frau Giselius: Nei, sie is nur in die Stadt.

Cölestine: Un muß jede Augeblick zurückkomme.

Frau Giselius: Könne Sie noch e bißche warte, Herr Doktor?

Dr. Appel: Ich möchte aber nicht stören, wenn Sie doch in engem Kreise...

Frau Giselius: Sie störe ganz und gar net; ich will nur emol nachschaue, wo sie bleibt. Ab nach links.

 
Achte Szene

Cölestine: Gewwe Sie mir Ihr Bukett, Herr Doktor!

Dr. Appel: Ich kann es leicht halten.

Professor Giselius ist aufgestanden: Cölestine, möchtest du nicht so gut sein, den Herrn Privatdozenten und mich einige Zeit allein zu lassen?

Cölestine erstaunt: Warum?

Professor Giselius: Geh nur! Bitte!

Cölestine an ihn herantretend: Menschenkind, was machscht du dann wieder?

Professor Giselius eigensinnig: Es ist notwendig; und sage draußen, daß man uns nicht stört!

Cölestine geht achselzuckend und sich öfter umwendend links ab. Giselius schreitet nun auf und ab, indes Dr. Appel sitzen bleibt und noch immer das Blumenbukett vor sich hält. – Kleine Pause.


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