Rudolf von Tavel
Der Frondeur
Rudolf von Tavel

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

 

Aber mir stärbe nid, wenn’s üs dunkt, es sygi gnue. Es het no einisch anders müesse cho. Kei Ängel isch dem Läbesmüede cho d’Ouge zuedrücke. D’Sunne het wyter uf d’Bleidecher zündtet. Di Herre vo der Signoria sy am chuele Schatte gsässen und hei weder uf d’Uhr, no i Kaländer gluegt.

Rät und Burger hingäge z’Bärn hei der Chopf ufgha. Me het neue kuriosi Sache vernoh us der Herrschaft Turnälle, und der Venner vo Metzgere het Befähl übercho, es Oug uf e junge Herbort z’ha. — Wo blybt dä Oberst? het’s gheiße. Und bsunders di ehmaligen Offizier vom Regimänt Wärdtmüller hei welle wüsse, was us ihm worde syg und öb er geng no nüt usgrichtet heigi. Me het mit dem venezianische Gsandte z’Bode gredt, und so isch es du derzue cho, daß in ere totstille Nacht d’Staatsraison d’Riglen a der Chefi vom Colonello svizzero zrückgschobe het. Dä het nüt anders dänkt, als es gangi mit ihm wieder über d’Süüfzerbrügg i Grichtssaal übere. Es isch ihm o ganz glych gsi, dä Ougeblick. Was het er no gha z’erwarte? — Aber da isch nütmeh gsi vo Ouge verbinde. Ganz höflech sy si mit ihm umgange. Ds Latärneliecht isch vor ihm här i Gäng umenanderegschosse, wo-n-er no nie het gseh gha; er het überhoupt nid gwüßt, wo-n-er isch. Ds einzige, wo-n-er jitz dütlech gspürt, isch, daß 361 er wieder Luft het, daß er cha schnuufe. Yschchalt chunt ihm alles vor, und no gäb a menen Ort d’Tagheiteri dürema, chratzet’s ne-n-i der Gurgle, und er hueschtet, wie me’s sünsch numen änet de Bärge cha. Es geit über Gäng und Stägen ab, und no weiß er nid, was mit ihm gscheht, so steit er i mene Saal, wo ds Cherzeliecht viel Guld us der Fyschteri vürelöökt und d’Wänd i mene matte Glanz gramsle vo gmalete Schiff und Götter und Möntsche. A mene Tisch sitze Herre. E Proveditore sitzt da i syr fyrleche Tracht, wie-n-e Sphinx. D’Perruque, chönnti me meine, wäri us grauem Marmor ghoue, so still het er sech. Näbe sech und hinder sech gspürt der Oberst Lüt mit wichtige Gsichter. Hie und da schimmeret e Dägegriff.

Jitz steit der Proveditore uf und list e Verfüegung vom oberschte Rat, der Tatbestand vo der Bestächung sygi zwar nid widerleit, aber der Prozäß wärdi ygstellt, di höcheren Interesse vo der Republik heige den Esecutori dei dieci Grund gä, ds Verfahren abz’brächen und der Oberst Herbort uf freie Fueß z’setze. E Gleitsbrief dür ds venezianische Gebiet isch parat glägen und Awysunge für alli Guethabe, und z’gueterletscht het men ihm no syni Waffen umegä.

Under fyrleche Komplimänt tuet me dem Oberst d’Türen uf, zum Zeiche, daß er frei sygi; aber vor der Türe, i der ussere Stube, warte Bedienti uf ihn. Me füehrt ne d’Stägen ab, i ne Wachtsaal, wo-n-e Barbier uf ihn wartet. 362 Me wott ne nid usem Palascht la i däm Zuestand. Mueß er nid sälber, währed er dem Perruquier darhet, a dä Tag dänke, wo si bi der Brächhütten usse der Swatopluk gschore hei? Wie meh der Oberscht wieder zue sech chunt, descht wilder fahren ihm d’Gedanken im Chopf umenand. Er isch scho wieder daheim und gseht sech Ornig schaffe. Aber de zuckt’s ihm wie-n-e Blitz derdür: Und myni Töufer? Was isch us dene worde? — Sött’ i nid probiere, no öppis für se z’tue? — Es wird nüt z’mache sy. Vor allem jitz hei!

Me bringt ihm no z’ässen und z’trinke. Und du — es faht grad bösdings afah tage, wo-n-er i Hof use chunt — wird er hindenusen a ne Kanal gfüehrt, wo-n-e Gondle für ihn parat lyt. I sym Quartier isch no niemer uf, wo-n-er a d’Hustüre chlopfet.

I der Stube merkt me, daß alles erläse worden isch. D’Sach lyt umenand, wie wenn jungi Geiße derhinder gsi wäre.

Ne Momänt steit er da, fahrt sech mit der Hand dür d’Haar und düre Bart, ganz verwunderet, daß är dä da söll sy. Er lat sech uf sys Bett falle, unbekümmeret um d’Stoubwulke, wo drus uffahrt und ne macht z’hueschte. Und du schlaft er y, und wenn der Hueschte ne weckt, so isch er es paar Atezüg nachhär wieder im tiefschte, schwärschte Schlaf. Er cha doch wieder schnuufe, und das isch jitz meh als d’Freiheit und ds Gäld und alles andere zsämegrächnet.

363 Wo di warmi Mittagssunnen uf d’Unornig i syr Stube schynt, erwachet er. Er weiß z’erscht no nid rächt, wo-n-er isch. I syne schwäre Tröume het er geng no d’Chefiwänd um sech ume gha und derdür düre doch de der Blick i d’Wyti, i d’Ämmetalerbärge, und di ganzi Qual vom möge flieh und doch nid chönne, geng und geng wieder düregmacht. Und jitz — es isch nid z’fasse: frei! Undereinisch frei!

Wie isch jitz das müglech gsi? — Nes Ougeblickli isch ihm öppis düre Chopf gschosse: Öb ächt am Änd d’Nobildonna Michaila...? O nei, er lachet sich sälber us. Es wär schön und interessant, so öppis dörfe z’dänke. Aber der Oberscht Herbort weiß es nume z’guet, wär da derhinder isch. Ds Regimänt natürlech und hinderem Regimänt oder für ds Regimänt mit ihrem ganze Gwicht, wo zu sälber Zyt wyt über d’Landesgränzen use gulte het, — Rät und Burger. — Rät und Burger vo Bärn.

Das sprängt ne-n-uf. Mueß ga luege. Mueß hei, hütt no. Aber er het es Gwicht uf der Bruscht, daß er fascht mueß ersticke. Er steit uf und lat sech wieder zrückfalle. Und der Hueschte verryßt ne fascht. — Herr — Gott! Jitz das o no.

Es geit ihm alles z’ringsetum im Chopf. Aber i mueß, i mueß. — Und cha nid. Er het eifach kei Gwalt über sich sälber. Und so lyt er und hocket er da, bis d’Abedsyte vo de Hüser grediüberen ihm ds Sunneliecht afaht umegä. — Scho bald e Tag verlore. 364 Ändlech man er sowyt uf, daß er d’Huslüt cha alarmiere. Me chunt und luegt und macht großi Ouge, verwirft d’Händ und macht Wort, Wort, Wort, di ganzi Stube voll, und alli Heilige wärde z’Hülf grüeft, bis er us syr Not use grob wird und befiehlt, si sölle mache, daß si furt chömen und dä Zedel da, wo-n-er währed däm Lamento gschribe het, dene Herre von Orelli bringe, aber subito. Öpper isch du i d’Sätz, und underdesse het men afah doktere, wie me’s öppe verstande het. Es isch emel heiß gsi, was si-n-ihm hei gä z’trinke. D’Chuscht... ja, bhüet’ is, er het nid gfragt, was drin sygi. Und es het ihm emel sowyt ghulfe, daß er dem Herr von Orelli, wo no im Vernachte cho isch, afange het chönne säge, was gange sygi und was jitz ga sötti. Dä het ne du ds morndrisch zue sech gnoh. Es het e neui Geduldsprob gä, aber doch eini, wo öppis derby usecho isch. Es isch zum Oberscht gluegt worde. Me het ihm syni Anwysungen yglöst und alles i d’Ornig bracht bis a ei Wunsch, wo nümmen isch gsi z’erfülle: Vo dene Töufer isch nütmeh gsi z’vernäh. D’Galeere sygi furt, het’s gheiße. Und ds einzige Gwüsse, wo me het chönnen in Erfahrung bringe, isch gsi, daß di vier Mannen usem Fondaco dei Tedeschi sygen usegreicht worde, wohi wüssi niemer.

Der Oberscht, wo jitz het müesse still lige, het sech gmarteret mit Nachestudiere, was z’mache wäri, für denen unglückleche Möntsche wieder uf 365 d’Spur z’cho; aber er het wohl gseh, daß är da nüt chönni usrichte, daß es numen ei Wäg gäbi: hei und — hinder Rät und Burger sech z’tue. — Und de dä Eyer-Fridel! Was ma da gange sy? — Dä het öppis Bsunders hinder sym verbissene Gsicht gha. Das het o no müessen a ds Liecht bracht sy. Also hei, nume hei, es git nüt anders.

So het du der Herr Heros, sobald er umen imstand isch gsi, ne Büchseschutz wyt z’loufe, ohni am Bruschtchrampf z’ersticke, syne Hälfer und Wohltäter dankheiget gseit und isch uf mene Märitschiff Padua zue gfahre. Es isch zum Verzwyfle langsam gange, bsunders dür d’Brenta uf, und hundertmal für einisch sy syni Gedanke vorusgfloge, über d’Bärge. Si hei warmi, italiänischi Sunne mit sech gnoh, aber geng isch es ihm gsi, si verlüüre sech dertäne, imene chalte, graue, undürsichtige Näbel.

Einisch, nümme gar wyt vo Stra, fallt ihm es Roß uf, wo im italiänische Chomet mit tused möschige Sattlernegel, dräckigrote Zottlen am Zoum und anderem gschmüseletem Firlifanz i de grobe Lande vo mene höchrederige Laschtwage stampfet, zwee mageri Gspane vor sech. Der Fuehrme pflaartschet hinden ufem Fueder und luegt uf ds Schiff.

Isch das nid mys Roß? fragt sech der Oberst. No e wytere verratene Kamerad? Wenn’s z’mache wär, er würdi ds Schiff la halten und ga luege. 366 Aber bis me de wieder im Gang wär! Und es cha ja nümme wyt sy bis Stra. E neui Geduldsprob. — Hoffetlech di letschti.

Ändlech isch o das erläbt. Mit länge Schritte geit der Herr Heros vo der Ländti uf d’Villa Candiani zue, stracks zu de Ställ.

«Mys Roß wott i. — Wo isch der Stallmeischter?» Es isch numen e halbwüchsige Bürschtel da, wo seit, der Herr Stallmeischter sygi ga Venedig yne, zur Herrschaft. D’Sunne glahret i lääre Hof, i wyte, stille Park, wo i der herrlechschte Bluemepracht troumet. Wälm vo Rhododendron, Camelieböum so voll vo roten und wyße Blueme, wie daheim albe d’Roßcheschtene. — So? Der Stallmeischter söll z’Venedig sy, bi der Herrschaft? — D’Herrschaft syg ja da, seit der Oberst i ds Blauen use, und wo-n-er merkt, wie-n-er mit däm das Lugichnächtli vore Chopf troffe het, fahrt er grad furt, wenn er ihm nid innert zwo Minute der Stallmeischter da heig, so well er ihm de zeige, wie-n-e Schwyzer-Oberscht mit Lugipeteren umgang. Da isch das Bürschtli gsprunge. Der Stallmeischter isch zwar nid zum Vorschyn cho, aber doch du emel e rächte Stallchnächt, wo Bscheid gwüßt het.

Er well sys Roß, seit der Oberst.

«Aha, das Roß. — Ja, äbe das Roß... Wartet grad en Ougeblick, Herr Oberst.»

So ungfähr het dä Bscheid tönt. Und du het me der Chnächt vo hinde gseh.

367 Der Oberst steit breit da, d’Hand närvös ufem Dägechnopf, und chlopfet sech mit dem Stulphändsche der Stoub vo de Chuttefäcke. Und wo’s nid wott rücken und d’Sunne heiß brönnt, geit er i Garten ynen und louft uf und ab. I will ech scho, dänkt er. Er cha ja errate, was gangen isch. Wenn eine so lang i der Chefi sitzt und men i ganz Venedig weiß, wie sälten eso eine läbig wieder usechunt... Sys Roß isch meh stark als schön gsi, und drum wird me gfunde ha, wenn’s e Fuehrmen oder Handelsma begähri, so gäb men ihm’s bas, statt’s am Fuetter z’bhalte.

Es geit lang, lang, bis dä Kärli umechunt. Ändlech chunt er wieder, dasmal mit dem Stallmeischter. Der Oberst lachet und seit, so gschwind heig er no niemer gseh, vo Venedig ga Stra use fahre.

Der Stallmeischter macht Wort, so viel wie Bsetzisteinen um ds Hus ume sy. Er lat es Roß usefüehre, es schöns, füürigs.

«Das isch aber nid mys. — Mys Roß wott i, mys.»

«Ja, äbe... das sygi äbe nid da...»

Und jitz seit der Oberst dem Stallmeischter, wie und was, so daß dä nütmeh anders weiß als dumm dryluege. Aber dem Herr Heros pressiert’s für hei. Söll er warte, bis dä Handel hindertsi greiset isch? Es ergeret ne zum sech Verdrähje, wenn er a sys Roß dänkt, wo jitz im Chomet vo mene Fuehrme mueß sys Läbe fertig mache. 368 Es geit zum Räschte, seit er sech. Und na churzem Bsinne befiehlt er, das andere Roß z’sattle. Er isch no verwunderet, daß men ihm so nes schöns git. Item, i Sattel jitz! Er zahlt no ds Choschtgäld, wo-n-er schuldig isch, und du lat er sys Fällysen ufschnalle, sitzt uf und rytet ab. No vor Padua weiß er, warum men ihm das Roß a Tuusch gä het. Es schlat und byßt. Aber heig es mira alli Laschter, wo-n-es Roß cha ha, jitz git es keis Bsinne meh.

Jedesmal aber, wenn er underwägs so nes Tier im italiänische Fuehrchomet gseht mit rote Zottlen am Chopf, mueß er a sy treue Normänner dänke, wo dertunden i de Lande di stoubigi Straß us stampfet und nid begryft, warum sy Meischter ne-n-im Stich gla het, mueß er a di vier Manne dänke, wo, uf nere Galeere mit frömde Hallungge zsämegchettelet, villicht nümme begryfe, warum der lieb Gott se vergässe heigi.



 << zurück weiter >>