Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der gefährliche Nachmittagsritt

Es war im schönen Städtchen Akureyri auf Island am Vorabend des ersten Sommertages.

Mein Bruder Manni und ich hatten uns vorgenommen, einen längeren Nachmittagsausflug in die von Tausenden von wilden Bergblumen duftende, frühlingsfrische Natur hinaus zu machen.

In Island werden die Kinder im allgemeinen weniger eingeschränkt als anderswo. Und was uns anging, so ließen uns unsere Eltern für solche Vergnügungen volle Freiheit.

Früh am Nachmittag verließen wir das Haus und begaben uns auf die grünen Halden und Höhen westlich von Akureyri hinauf.

Wir wanderten munter bergan und tranken in tiefen Zügen die reine, hier so merkwürdig warme und sonnige Bergluft in unsere gesunden Lungen hinein.

Bereits hatten wir die ersten Höhenzüge erklommen und befanden uns schon hoch oben über allen Häusern der Stadt.

Da fingen wir aber auch bald an, müde zu werden, denn der Weg war sehr steil.

»Ist aber das eine Luft, Nonni!« rief Manni entzückt aus, indem er plötzlich stehen blieb und die köstlich aromatische Frühlingsluft einatmete.

»Du hast recht, Manni!« erwiderte ich ihm. »Das ist ganz was anderes als drunten in der Stadt.«

»Ja, wahrhaftig. Das kommt aber sicher daher, daß hier oben viel mehr wilde Blumen sind als unten am Strand. Und sie duften ja heute so herrlich. Meinst du nicht auch, Nonni?«

»Gewiß, ich glaube es auch. Aber dann kommt noch die frische, salzige Meeresluft hinzu. Wenn die Seeluft sich mit der Bergluft mischt, dann hat man die gesundeste Luft, die man sich denken kann. So hat nämlich die Mutter gesagt.«

Manni wandte sich um und warf einen Blick hinunter auf den großen azurblauen Golf Eyafjördur, der heute prachtvoll aussah.

»Wie schön ist doch das Meer heute!« sagte er. »Es ist fast noch blauer als der blaue Himmel selbst.«

»Ja, Manni. Und dabei ist die Meeresoberfläche so glatt wie ein Spiegel.«

»Und wie nett nehmen sich die Schiffe aus, die drunten auf der Reede liegen! Siehst du, wie die englische Lustjacht dort glänzt? Sie ist ja sogar auch von außen mit Gold angestrichen.«

»Ja, das ist ein prachtvolles Schiff. Aber mir scheint, daß die dänischen Schiffe auch ganz hübsch aussehen, besonders die ›Rachel‹ und die ›Hertha‹.«

»Es ist wahr, Nonni; von den dänischen Schiffen gefallen mir gerade die ›Rachel‹ und die ›Hertha‹ am besten.«

»Und was sagst du, Manni, von dem französischen Kriegsschiff dort nach rechts? Ist es nicht prachtvoll?«

»Ja, Nonni. Und dabei ist es viel größer als alle die andern. Und wie merkwürdig sehen die vielen Kanonen aus, die auf dem Verdeck an den beiden Schiffsseiten in Reih und Glied aufgestapelt sind! Sieh doch, wie drohend die Rohre aus den Schießscharten herausgucken!«

Manni schlug die Hände zusammen und fügte dann hinzu: »Denke dir einmal, Nonni: Wenn die Franzosen sie alle auf einmal abfeuern würden! Würde das aber ein Gepolter werden!«

So plauderten wir noch eine Weile zusammen und freuten uns an dem prachtvollen Anblick, den wir von hier aus auf die Stadt und die große Reede hatten.

Schließlich sagte Manni: »Eigentlich hätten wir heute eine Rudertour zu den Schiffen auf der Reede machen sollen, statt in die Berge hinaufzugehen.«

»Das können wir später tun, Manni. Das Wetter wird sich schon halten. Jetzt aber, da wir nun einmal hier oben sind, wollen wir sehen, daß wir etwas höher hinaufkommen.«

»Ja, tun wir das, Nonni«, erwiderte der Kleine, worauf wir unsern Weg bergan fortsetzten.

Aber als wir wieder anfingen, ein wenig kurzatmig zu werden, blieb Manni stehen und sagte:

»Ich glaube, wir sollten uns ein Reitpferd aussuchen. Auf der Wiese dort nach links stehen ja mehrere schöne Pferde.«

Ich ging gleich auf seinen Vorschlag ein, und so begaben wir uns nach der blühenden Wiese zu unserer linken Hand, um uns dort ein Reitpferd zu verschaffen.

Es standen etwa ein Dutzend junge, kräftige Pferde dort. Auch ein paar Goldfüchse und Stahlgraue darunter.

Die Stahlgrauen wurden damals auf Nord-Island als die besten Pferde angesehen, die Goldfüchse aber als die feurigsten und schönsten.

Wir schauten uns die prächtigen Tiere einige Augenblicke an und erkannten sie bald.

»Das sind ja die Pferde des Herrn Amtmann Hafstein, Manni.«

»Ja, richtig. Das ist aber ein Glück für uns, Nonni, denn der Amtmann hat uns erlaubt, auf seinen Pferden zu reiten, soviel wir wollen.

»Ja, das hat er. Jetzt wollen wir also von seiner Erlaubnis Gebrauch machen.«

»Sollen wir nicht dieses da nehmen?« rief Manni bald aus, indem er nach dem kleinsten der prächtigen Goldfüchse mit der Hand zeigte. »Er steht so flink und so nett aus.«

»Du hast recht, Manni. Ich glaube, es ist wirklich das feinste von allen, die hier sind.«

»Es scheint auch sehr kräftig zu sein«, sagte Manni.

Das bezeichnete Pferd stand etwas abseits von den andern und graste dort in aller Ruhe für sich allein. Manni hatte recht: es war ungewöhnlich klein und niedlich, sah aber doch sehr stark aus.

»Jetzt aber vorsichtig, Manni, sonst läuft es uns davon.«

Bedächtig und langsam bewegten wir uns in einem Bogen um die Pferde herum und gelangten bald nach der Seite hin, wo der schöne Goldfuchs graste.

»Jetzt bleib hier«, flüsterte ich dem Kleinen zu, »während ich nach der andern Seite des Goldfuchses gehe. Dann fangen wir beide zu pfeifen an und bewegen uns gleichzeitig zu ihm hin.«

Manni, der diese Kunst, die isländischen Pferde einzufangen, genau kannte, nickte verständnisinnig zu.

Dann ging ich in einem weiten Bogen um das Pferd herum, bis ich Manni gegenüber an der entgegengesetzten Seite stand.

Jetzt breiteten wir die Arme aus und näherten uns langsam unserer nichts ahnenden Beute.

Gleichzeitig fingen wir zu pfeifen an, anfangs ganz leise, dann stärker und immerfort in demselben Ton.

Bald wurde das Tier auf uns aufmerksam, hörte plötzlich mit dem Grasen auf, hob den Kopf, blickte bald nach Manni, bald nach mir hin und wurde unruhig. Es schien fortlaufen zu wollen und machte sogar ein paar Schritte vorwärts.

Sofort pfiffen Manni und ich noch kräftiger als vorher. Das wirkte.

Der Goldfuchs blieb auf einmal stehen, spitzte die Ohren, schaute nach vorn und nahm eine ganz unbewegliche Haltung ein. Sein Körper schien plötzlich starr und steif zu werden. Er war wie verzaubert.

Wir verloren ihn nicht einen Augenblick aus den Augen und fuhren fort, immer auf dieselbe Weise zu pfeifen, indem wir uns ihm mit der größten Vorsicht näherten.

Als wir ihn endlich erreichten, legte ich ihm sanft die Hand auf die Mähne.

Jetzt war er gefangen. – Und mit einem Mal war auch der Zauber gebrochen, und wir konnten nun mit dem Pfeifen aufhören.

Ich zog eine kleine, drei bis vier Fuß lange Schnur aus der Tasche, und während ich beruhigende Worte zu dem Tiere sprach, schob ich ihm dieselbe zwischen die großen weißen Zähne tief ins Maul hinein.

Es ließ mich ruhig gewähren, hielt geduldig das Maul offen, und so konnte ich ihm ohne Schwierigkeit das Ende meiner Schnur um den Unterkiefer festbinden. Ich nahm mich dabei sehr in acht, ihm nicht weh zu tun.

Damit war unser »Zaum« und »Reitzügel« in Ordnung. So pflegten wir es immer auf unsern kleinen Gelegenheitsritten zu tun. Die isländischen Pferde sind daran gewöhnt und lassen sich leicht auf diese einfache Weise lenken.

»Welch ein schönes Reitpferd!« rief Manni aus, »und wie es laufen wird.«

»Ja, ja, da haben wir Glück gehabt«, erwiderte ich. »Es wird rennen schnell wie der Wind.«

»Es sieht ganz danach aus, Nonni. Aber jetzt setze dich zuerst hinauf«, bat der Kleine. »Dann reitest du zu der Erhöhung dort, und ich klettere von da aus zu dir hinauf.«

»Gut, Manni, so wollen wir es tun.«

Ich schwang mich auf unsern feurigen Goldfuchs hinauf, der sofort ohne weiteres zu rennen begann. – Doch sobald ich die »Zügel« ein wenig stramm zog, blieb er augenblicklich stehen.

Nun lenkte ich ihn, wie Manni es gewünscht hatte, zu einem zwei bis drei Fuß hohen Stein, der in kurzem Abstand von uns aus dem Heidekraut hervorragte.

In einigen raschen Sätzen war auch schon Manni da.

»Du mußt hinter mir sitzen«, rief ich ihm zu.

»Das will ich auch tun, Nonni«, rief er zurück.

Er sprang auf den Stein hinauf, und als ich den Goldfuchs daneben gestellt hatte, war der Kleine in einem Nu vom Stein auf das Pferd gesprungen.

Er schlang beide Arme um mich, um fest im »Sattel« zu sitzen. Und dann konnte der Ritt beginnen.

»Wohin sollen wir reiten?« fragte mich Manni.

»Ich schlage vor, daß wir südwärts ins Eyjafjardartal hineinreiten. Dort sind wir bis jetzt noch nicht weit vorgedrungen. Man sagt, es sei dort soviel Schönes zu sehen.«

»O ja, tun wir das, Nonni. Aber was sind das für schöne Dinge, die dort zu sehen sind?«

»Es sollen dort so viele Höhlen sein und hohe Felswände und tiefe Schluchten und Abgründe. Und wunderschöne Hänge und Halden und blühende Wiesen. Auch sollen Bergbäche von der Höhe herunterstürzen. Es sollen auch dort ganz nah heiße Quellen sein und Seen, wo viele Schwäne und Wildenten und andere wilde Vögel herumschwimmen. Der große Fluß Eyjafjardará, der bei Akureyri in den Golf Eyjafjördur fließt, kommt auch von dort her, und auch er soll in seinem Lauf so viele schöne Inseln und kleine Seen bilden, wo viele wilde Vögel leben.«

»O Nonni, dort müssen wir hin«, rief Manni begeistert aus. »Heute haben wir ja auch so schönes Wetter. Der ganze Himmel ist blau. Nirgendwo ist eine Wolke zu sehen. Und die Luft ist so warm. Und nicht die Spur von Wind. Eine bessere Gelegenheit bekommen wir nicht mehr. Reiten wir nur rasch voran. Der Goldfuchs hat sicher schnelle Beine.«

»Gut, Manni! Also halte dich fest.«

Der Kleine packte mich noch fester mit beiden Armen. Dann wendete ich das Pferd nach Süden und gab ihm die notwendigen Zeichen, daß es nun zeigen dürfe, wozu seine Beine taugten.

Das brauchte ich dem prächtigen Goldfuchs nicht zweimal anzudeuten. Sofort legte er los, daß uns beiden anfangs Hören und Sehen beinahe vergingen.

Er stürmte wie der Wind über Stock und Stein und rannte und hüpfte so gewaltig, daß wir vor Erstaunen sprachlos dasaßen.

Manni hielt sich an mich fest, und aus Vorsicht faßte ich mit der einen Hand die dichte Mähne des feurigen Renners. So waren wir beide in Sicherheit auf seinem starken Rücken.

Als wir uns nach kurzer Zeit von unserem Erstaunen erholt hatten, sagte ich zu Manni:

»So etwas ist mir noch nie in meinem Leben passiert.«

»Mir auch nicht«, versetzte Manni. »Wenn er nur nicht in einen Abgrund hinunterspringt …«

»Nein, das wird er sicher nicht tun. Dazu ist er zu klug.«

»Wie lange wird er aber ein solches Rennen aushalten?«

»Wenn es nicht bergan geht, wird er wohl eine Stunde so rasen können. Er hat ja nicht viel zu tragen. Wir sind ja beide nicht schwer.«

So ging es noch eine gute Weile vorwärts, und während des stürmischen Vorwärtseilens schien die schöne Landschaft zu beiden Seiten in raschem Fluge an uns vorbeizugleiten: Wiesen und Seen, Hänge und Halden, Felsen und Abgründe, Hügel und Höhen, und zu unserer linken Hand der vielarmige Fluß Eyjafjardará.

Oftmals flogen aufgeschreckte Vögel aus dem Heidekraut oder dem hohen Gras empor und umflatterten uns eine Zeit lang, schreiend und kreischend, um sich bald wieder durch eine rasche Flucht über die nächsten Hügel hinweg vor den Ruhestörern in Sicherheit zu bringen.

Auch Schafe und Lämmer sprangen zuweilen in stürmischer Eile einige Schritte vor uns auf und flüchteten erschreckt nach allen Seiten auseinander.

Einmal sogar machte der Goldfuchs ganz unerwartet einen Sprung in die Höhe, doch ohne sich in seinem Vorwärtsrennen auch nur einen Augenblick aufhalten zu lassen.

Fast wären wir dabei heruntergeworfen worden. Mit genauer Not gelang es uns, uns festzuhalten. Dann aber drehten wir beide unwillkürlich den Kopf.

»Schau, Nonni«, rief Manni lachend, »ein großer Schafbock! Sieh doch, wie er läuft!«

Es war in der Tat ein großer, mit mächtigen Hörnern versehener Widder, der schlafend auf unserem Wege gelegen hatte und erst aus dem süßen Schlummer geweckt wurde, als unser Goldfuchs in einem kühnen Sprung über ihn hinwegsetzte. Jetzt aber war er aufgesprungen und lief nun im wildesten Schrecken davon, was er laufen konnte.

Auch ritten wir öfters an Kühen vorbei. Selbst die liefen uns eiligst aus dem Wege, blieben aber bald stehen und schauten uns neugierig und aufmerksam nach. Dann machten sie große Augen und schienen gar nicht begreifen zu können, warum wir solche Eile hatten.

Auf einmal sahen wir einige hundert Schritte vor uns ein breites, rinnendes Wasser. Der enge Pfad, auf welchem wir voraneilten, führte direkt dorthin. Es war einer der Arme des Flusses Eyjafjardará, und hier war einer der Flußübergänge.

Unser Goldfuchs lief mit unverminderter Eile dem tiefen Strom zu.

»Aber Nonni!« rief mein kleiner Bruder erschrocken. »Siehst du nicht den Fluß? Jetzt stürzt sich ja der Goldfuchs mitten ins Wasser hinein.«

»Nur nicht bange, Manni. Er weiß noch viel besser als wir, was zu tun ist. Halte dich nur gut fest!«

Manni klammerte sich noch fester an mich als zuvor.

»Aber, Nonni!« fuhr er nach einem Augenblick fort, »kannst du ihn nicht zum Stehen bringen?«

»Gewiß kann ich das. Aber es ist nicht notwendig, Manni. Er wird schon bald von selber langsamer laufen. Warte nur ein bißchen!«

Ich merkte aber, daß Manni ein wenig zitterte, und jetzt erinnerte ich mich, daß er mitunter wasserscheu werden konnte.

»Mein lieber Manni!« beruhigte ich ihn deshalb, »sei doch um Gottes willen nicht bange. Es wird alles gut gehen.«

»Ja, wenn es nur gut geht«, flüsterte er ganz leise. »Das Wasser scheint mir aber so tief zu sein.«

Ich hatte nicht mehr Zeit, ihm eine Antwort zu geben; denn jetzt erreichten wir das Ufer des breiten Stromes, und fast plötzlich verlangsamte der Goldfuchs sein rasches Rennen und verwandelte es in ruhiges Gehen.

So unerwartet kam der Übergang, daß, wenn ich mich nicht mit der Hand an seiner Mähne festgehalten hätte, ich sicher bei dem schnellen Wechsel mit Manni vornübergestürzt wäre. Doch ich war an solches gewohnt und hatte mich im letzten Augenblick in acht genommen.

Unterdessen schritt unser Pferd ruhig und bestimmt zum Wasser hin. Einen Augenblick später trat es festen Schrittes in den Fluß hinein.

Doch da schrie mein kleiner Bruder laut auf:

»Halt, Nonni, halt! Es wird mir schwindlig.«

Augenblicklich brachte ich das Pferd zum Stehen und lenkte es dann rechts um. Es gehorchte sofort, wandte sich um, trat aus dem Wasser hinaus und erklomm wieder das grüne Flußufer.

»Steigen wir ab«, bat der Kleine.

»Gut, Manni, das wollen wir gleich tun.«

Ich packte seine rechte Hand und half ihm langsam hinuntergleiten. Dann sprang auch ich ab, und ohne das Pferd aus der Hand zu lassen, wandte ich mich zum Kleinen, um ihn zu beruhigen:

»Du bist sicher etwas müde geworden, Manni. Nicht wahr?«

»Das gerade nicht, Nonni. Aber es wurde mir plötzlich so angst, als wir in den Fluß hineinritten.«

»Das kommt nur daher, weil du hie und da etwas wasserscheu wirst. Es ist aber gar keine Gefahr dabei. Du kannst es mir glauben.«

Statt zu antworten, warf Manni einen forschenden und, wie mir schien, etwas angstvollen Blick nach dem tiefen, breiten Fluß, der seine dunkelgrünen Fluten nach dem Norden dahinwälzte. Gleichzeitig zupfte er sich mit der linken Hand an seinem Ohrläppchen, was er zu tun pflegte, wenn er in Verlegenheit war.

»Wenn ich ihn doch beruhigen könnte!« dachte ich bei mir selbst, während ich dem Pferde wegen der dünnen Schnur, die ihm um seinen Unterkiefer gebunden war, und die es leicht verwunden konnte, das Maul untersuchte.

Ich überlegte einen Augenblick. Dann wandte ich mich an Manni, legte meine Hand auf seine Schulter und sagte:

»Du bist ja immer ein so tüchtiger und mutiger Junge gewesen. Du wirst doch sicher nicht bange sein vor dem bißchen Wasser dort. Es ist ja hier der gewöhnliche Flußübergang. Jedes Pferd watet oder schwimmt mit Leichtigkeit hinüber. Und wie leicht wird es der Goldfuchs erst tun! Der ist ja das beste Pferd, das wir uns denken können.«

»Du hast recht, Nonni«, erwiderte der Kleine. Und indem er sich kräftig aufraffte, schaute er mir mit seinen großen klaren Augen voll ins Gesicht und fügte hinzu:

»Ich bin auch eigentlich gar nicht bange. Ich bekam nur etwas Schwindel, als wir ins Wasser hineinritten. Jetzt ist es aber schon vorbei.«

Ich ergriff seine Hand, schaute ihm in seine großen Kinderaugen hinein und sagte:

»Ich wußte, daß du ein tapferer kleiner Junge bist. – Jetzt steigen wir wieder zu Pferd, aber diesmal wirst du vor mir sitzen, damit ich dich festhalten kann. Solltest du noch einmal schwindelig werden, so schließe nur gleich die Augen. Der Schwindel kommt nur, wenn man das fließende Wasser um sich herum anschaut.«

»Gut, Nonni, wir wollen wieder zu Pferd steigen«, sagte Manni fest und entschlossen. Dabei schaute er mich an wie einer, der eine schwere Selbstüberwindung fertiggebracht hat.

Ich drückte ihm die Hand und fühlte mich ganz stolz auf meinen tapferen kleinen Bruder.

Es entstand eine kleine Pause.

Manni, der seinen Blick von dem tiefen, reißenden Strom nicht abwenden konnte, brach aber bald das Schweigen:

»Wie breit ist doch der Fluß, Nonni!« sagte er leise.

»Es gibt noch viel breitere Flüsse als dieser«, antwortete ich ihm.

»Aber wie reißend ist die Strömung!« fuhr er nach einer kleinen Weile fort. »Glaubst du, daß der Goldfuchs ihr widerstehen kann?«

»O ja, Manni. Die Pferde verstehen das immer, sie sind stärker und viel gescheiter, als sie aussehen.«

»Aber wie tief mag es wohl in der Mitte sein?«

»Das ist schwer zu sagen, Manni. Ich glaube nun doch, daß das Pferd auch in der Mitte wird waten können.«

»Wenn es aber so tief wird, Nonni, daß es nicht waten kann, was dann?«

»Dann wird es mit Leichtigkeit bis zum andern Ufer schwimmen.«

»Meinst du, Nonni?«

»Aber sicher.«

»Auch mit uns beiden auf dem Rücken?«

»Gewiß, Manni.«

»Aber dann werden wir ja ganz naß werden.«

»Nicht ganz naß, Manni. Wir bekommen nur nasse Füße. Das wird uns aber gar nichts schaden. Und wenn wir nach Hause zurückkommen, werden wir bald wechseln können.«

Ich merkte, daß Manni ein wahres Grausen vor dem Flusse hatte. Ich mußte unbedingt versuchen, seinen Gedanken eine neue Richtung zu geben und seine Aufmerksamkeit von dem Wasser abzulenken.

»Aber, Manni«, sagte ich ihm daher in fröhlichem Tone, »schauen wir uns doch etwas um. Wir sind ja noch nie in dieser Gegend gewesen, und wie mir scheint, ist hier allerlei Neues zu sehen. Schau mal z. B. dort nach Südwesten; da raucht es ja und dampft oben auf den Hügeln. Weißt du auch, was das ist?«

Manni schaute hin und betrachtete eine Zeit lang die Dämpfe, die der Erde entströmten. Dann rief er aus:

»Du hast ganz recht, Nonni. Da sind ja eine Menge Dampfwolken. Es muß sicher eine heiße Quelle dort oben sein, die aus dem Boden heraussprudelt.«

»Ja, so ist es auch, Manni. Ich habe gehört, daß sogar der Boden dort oben immer lauwarm ist, so daß im Winter weder Eis noch Schnee darauf bleiben kann.«

»Dann ist ja Erdfeuer dort unter dem Boden.«

»Gewiß. Aber wir brauchen nicht zu fürchten. Hier ist noch nie ein Ausbruch gewesen.«

So standen wir da und sahen uns noch weiter um.

Wir befanden uns tief unten im Tal der Eyjafjardará. Im Ost und West standen mächtige Berge.

Im Osten dehnte sich von Süd nach Nord, soweit das Auge reichen konnte, die Bergkette Vadlaheidi. Ihr oberster Rand war noch mit blendend weißem Schnee bedeckt. Weiter unten aber waren die Hänge und Halden ganz grün geworden, und noch tiefer prangten die blühenden Wiesen in den prachtvollsten Farben des Frühlings.

Rote, blaue und goldige Blumen leuchteten uns vom zartgrünen Hintergrund entgegen wie schimmernde Perlen und rotfunkelnde Rubinen, und die Luft war gesättigt von den Wohlgerüchen, welche sie nach allen Seiten hin entsandten.

Überall auf den weitausgedehnten Bergweiden ringsum war reges Leben. Eine Menge Pferde und unzählige schneeweiße Merinoschafe grasten ruhig auf den blühenden Wiesen oder liefen und sprangen übermütig umher. Und da und dort mitten im sammetweichen Grün der wohlgepflegten Rasenplätze, welche die Isländer »Tún« nennen, standen große und kleine idyllisch gelegene Bauernhöfe.

Einen von ihnen kannte ich gut. Es war der Hof Vargjá. Ich war einmal über das Eis des Eyjafjördur auf Schlittschuhen von Akureyri her dorthin gewandert und von den Vargjáleuten sehr freundlich aufgenommen worden.

Gegen Westen war die Aussicht ähnlich. Nur war das Gebirge dort höher und die Bergwände zerrissener und mehr zerklüftet als die der Vadlaheidi.

Gegen Nord und Süd dehnte sich der Gesichtskreis viel weiter aus als gegen Ost und West; denn von Süden her streckte sich ja das Tal der Eyjafjardará bis zum riesig großen sechzig Kilometer langen Golf Eyjafjördur, der nördlich von uns lag.

Unser Heimatstädtchen Akureyri konnten wir von hier aus nicht sehen. Es lagen so viele Hügel und Vorgebirge dazwischen.

»Jetzt aber müssen wir uns auch die nächste Umgebung ansehen«, sagte ich zu Manni, »sie ist nämlich für uns am interessantesten.«

»Ja, das glaube ich auch«, sagte Manni. »Es sind hier so viele Tiere rund um uns herum.«

Wir wandten unsere Blicke von den Bergen weg und schauten uns nun die schöne Ebene an, auf welcher wir uns befanden.

Wir standen hier, wie schon gesagt, mitten auf dem flachen, wunderschön blühenden Talgrund, umgeben auf allen Seilen von einem wimmelnden Leben.

Gerade vor uns floß der Hauptstrom der Eyjafjardará. Mitten im Strom lagen die fruchtbaren Flußinseln. Dort sahen wir Vögel aller Art, große und kleine. Einige liefen im hohen Gras hin und her, andere schwammen auf dem Flusse oder auf den zahlreichen kleinen Seen der Inseln herum. Am zahlreichsten waren die Wildenten vertreten. Aber auch schneeweiße Wildgänse und stolze, schimmernde Schwäne waren da zu schauen. Wetterfeste Möwen und Seepapageien flogen kreischend durch die Lüfte über unsern Köpfen.

»Manni«, rief ich. »Wie herrlich muß es doch auf der andern Seite des Flusses sein! Wer weiß, vielleicht wird es uns gelingen, eine Wildgans oder einen Schwan dort zu fangen?«

»Glaubst du wirklich, Nonni?«

»Wir können es wenigstens versuchen.«

»O ja«, rief Manni begeistert aus, »denk einmal, wie die Mutter sich freuen würde, wenn wir ihr eine Wildgans nach Hause brächten!«

»Dann wollen wir aber nicht länger warten, Manni, sondern jetzt gleich zu Pferd steigen und über den Fluß setzen.«

»Ja, tun wir das, Nonni«, erwiderte jetzt fest entschlossen und ohne Furcht der kleine Manni.

Wir sahen uns nach einem Steinblock um oder nach einer sonstigen Erhöhung, von welcher aus wir leichter auf unser Reitpferd hinaufkommen könnten.

Doch hier war alles flach. Wir mußten uns also auf andere Weise helfen.

»Hör! Manni«, schlug ich vor, »zuerst helfe ich dir hinauf. Dann werde ich selber versuchen, zu dir hinaufzuklettern.«

»Gut, aber gib acht«, warnte Manni, »daß, wenn ich oben bin, das Pferd sich nicht von dir losreißt und mit mir allein davonläuft, wie letztes Jahr in den Bergen bei Mödruvellir.«

»Meinst du damals, als wir in der Höhle des Haldór Helgason von Borg übernachteten?«

»Ja.«

»Sei nur nicht bang, Manni. Es ist aber ganz gut, daß du mich daran erinnerst. Ich werde mich in acht nehmen.«

Ich untersuchte, ob die Schnur, die uns als Zügel diente, in Ordnung war und band das eine Ende noch etwas fester um den Unterkiefer des Pferdes.

Dann wickelte ich das andere Ende sorgfältig um meine linke Hand, damit der immer eifrige Läufer mir nicht plötzlich durchschlüpfe.

Darauf stellte ich mich neben dem jetzt ganz ruhig wartenden Pferd auf, ließ Manni auf mein Knie, das ich ein wenig vorschob, steigen und half ihm dann, hinaufzusitzen.

Kaum saß er oben, da meinte der Goldfuchs, jetzt solle die Reise wieder losgehen. Er wurde ungeduldig, stampfte mit den Hufen auf den Boden und wollte fort.

»Verliere die Schnur nicht, Nonni!« rief Manni zu mir herunter.

»Sei nur ganz ruhig, Manni, ich werde sie nicht loslassen.«

Das Pferd stampfte immerfort und drehte sich mehrere Male ungeduldig um sich herum.

»Halte dich fest an der Mähne«, rief ich zu Manni hinauf. »Jetzt will ich versuchen, zu dir hinaufzukommen.«

»Ob das dir auch gelingt, Nonni?«

»Gewiß gelingt es. Du wirst schon sehen.«

Immer die Zügel stramm in der linken Hand haltend, versuchte ich jetzt auf das sehr unruhige und zappelige Pferd hinaufzuspringen.

Doch kaum war ich halbwegs oben, da fing schon das tolle Rennen nach dem Flusse hin wieder an.

Ich mußte schnellstens herunterspringen, sonst wäre ich einige Augenblicke später unfehlbar ins Wasser gefallen.

Ich führte das Pferd noch weiter vom Flusse weg und versuchte noch einmal auf seinen Rücken hinaufzukommen.

Doch während meine beiden Beine noch nach der einen Seite herunterhingen, sprang der Goldfuchs wieder in vollem Galopp dem Flusse zu.

Noch einmal führte ich ihn vom Ufer weg. Dann sagte ich zu Manni:

»Ich will dir die Zügel geben, Manni. Glaubst du nicht, daß du ihn zurückhalten kannst?«

»Ich will es versuchen, Nonni.«

»Aber du mußt um Gottes willen die Schnur fest anziehen, sonst läuft er mit dir allein davon. Es gilt hier das Leben. – Meinst du wirklich, daß du es kannst?«

»Gewiß. Ich glaube es. Bis jetzt habe ich jedes Pferd zügeln können.«

»Gut, dann wollen wir versuchen.«

Vorsichtig übergab ich die Schnur in die Hand meines kleinen Bruders und bat ihn noch einmal, dieselbe ruhig und fest anzuziehen, um das Pferd zurückzuhalten.

»Stramm anziehen, Manni!« mahnte ich immer wieder.

»Verlasse dich auf mich, Nonni«, sagte der Kleine selbstbewußt.

Vorsichtshalber blieb ich noch eine kleine Welle vor dem Pferde stehen und streichelte es am Kopfe und Halse, um es zu beruhigen.

Als ich sah, daß es ganz still und ruhig dastand, ging ich an seiner linken Seite etwas zurück, um nun wieder das Aufsitzen hinter Manni zu versuchen.

»Hältst du fest, Manni?«

»Ja.«

Ich legte die Arme auf den Rücken des Pferdes und hüpfte mit einem kräftigen Ruck in die Höhe.

Mit der Brust lag ich schon droben, gerade hinter meinem Bruder. Meine beiden Beine hingen noch herunter.

Nun galt es, so schnell wie möglich mich ganz hinaufzuarbeiten. Ich strengte mich aus Leibeskräften an. Da aber auf einmal, noch bevor ich mich in sitzende Stellung bringen konnte, macht das äußerst lebhafte Tier einen gewaltigen Sprung vorwärts …!

»Halt ihn zurück, lieber Manni!« schrie ich in meiner Not so laut ich konnte. »Um Gottes willen, halt ihn doch zurück, sonst wirft er mich unfehlbar ab …!«

Manni tat, was er konnte, lehnte sich zurück und zog mit allen Kräften an der Schnur. Doch umsonst.

Das junge, kräftige Tier ließ sich nicht mehr bändigen, sondern sprang in raschen Sätzen auf den Fluß zu.

Bei jedem Sprung glitt ich tiefer hinunter und sah den Augenblick kommen, wo ich ganz den Halt verlieren würde.

»Nonni, er läuft ins Wasser hinein …!« schrie Manni entsetzt. »Er läuft ins Wasser, Nonni!« wiederholte er verzweifelt, »ich kann ihn nicht zurückhalten …!«

Schnell wie der Blitz kam mir der Gedanke, nach Manni mit der linken Hand zu packen, um ihn von dem wilden Pferde herunterzureißen.

Doch als ich soeben diesen Entschluß ausführen wollte, sprang das Tier vom Ufer hinunter in den Fluß, wobei ich den Halt verlor und selber in das tiefe Wasser hineinstürzte.

Ich sank unter die Oberfläche bis auf den Grund hinab, und die kalten Fluten schlugen über meinem Kopfe zusammen.

Die Sorge um meinen lieben kleinen Bruder beherrschte aber auch jetzt noch alle meine Gedanken und Gefühle.

»Wenn ihm nur nichts Böses zustößt!« Das war der einzige Gedanke, der mich beschäftigte.

So rasch wie möglich raffte ich mich unken im Wasser auf und schoß im nächsten Augenblick in die Höhe.

Als mein Kopf aus der Wasserfläche emportauchte, blickte ich nach allen Seiten, um Manni und das Pferd zu entdecken.

Nach einigen Sekunden sah ich sie draußen im Flusse.

Der Goldfuchs watete ganz langsam nach dem entgegengesetzten Ufer hin. Das Wasser ging ihm schon hoch an den Seiten hinauf. Manni saß noch in derselben Stellung wie vorher vornübergebeugt und hielt sich krampfhaft an der Mähne fest. Das Wasser ging ihm fast bis an die Knies.

Meine einzige Furcht war, daß er ins Wasser fallen würde. Dann aber war er verloren, denn er hatte nicht wie ich schwimmen gelernt.

»Manni!« schrie ich ihm nach, »halte dich fest und mache die Augen zu! Dann geht noch alles gut …«

Dann schwieg ich und starrte ihm nach.

»Augen schließen! Augen schließen, Manni! Nur nicht auf das Wasser schauen!« wiederholte ich mehrere Male.

Manni gab keine Antwort. Oder vielleicht antwortete er, aber ich konnte ihn nicht hören.

Alles das hatte nur einige Augenblicke gedauert.

Ich hatte auf dem Felsgrund eine etwas erhöhte Stelle gefunden, dort festen Fuß gefaßt und stemmte mich, so gut ich konnte, gegen den Strom. Das Wasser aber ging mir bis an die Schulter.

Jetzt erst versuchte ich, das nahe Ufer zu erreichen. Da aber trat ich unten am Boden in eine Vertiefung, verlor das Gleichgewicht und wurde von dem Strom gefaßt.

Die fließenden Wassermassen trugen mich langsam stromabwärts vom Ufer weg, weiter in den Fluß hinaus.

Hätte ich nicht schwimmen können, wäre ich unrettbar verloren gewesen. Jetzt aber kam mir meine Fertigkeit in dieser Kunst zustatten.

Rasch entschlossen fing ich zu schwimmen an und erreichte bald wieder das Ufer.

Ich stieg aus dem Wasser heraus und schaute nach Manni hin.

Der Goldfuchs war schon bis in die Mitte des Flusses gelangt. Nur noch Kopf, Mähne und Rücken schienen aus dem Wasser herauszuragen.

Manni saß noch immer fest und unbeweglich da. Das Wasser ging ihm aber jetzt bis über die Kniee hinauf.

»Wenn er sich nur festhält und nicht schwindelig wird, geht es noch gut. Sonst aber kann nur Gott allein helfen«, dachte ich bei mir selbst.

An meinen eigenen Zustand konnte ich jetzt gar nicht denken, so sehr war ich um meinen Bruder besorgt.

»Schließe die Augen!« rief ich ihm noch ein paar Mal zu; dann blieb ich stehen und schaute ihm aufmerksam nach.

Der starke Strom trieb das Pferd den Fluß hinunter. Um dem Drucke der Fluten besser widerstehen zu können, drehte sich der Goldfuchs plötzlich gegen die Strömung, so daß das Wasser durch seine Brust gespalten wurde. Auf diese Weise näherte er sich langsam seitwärts gehend dem andern Ufer.

So ging es eine Weile, und meine Hoffnung auf eine völlige Errettung meines Bruders wurde immer größer, da auf einmal entfuhr mir ein Schrei des Entsetzens …: der Goldfuchs hatte sich plötzlich mitten im Wasser auf die eine Seite gelegt. Dabei wurde Manni abgeworfen und verschwand sofort in den Fluten.

Diese äußerst gefährliche Gewohnheit der isländischen Pferde kannte ich nur zu gut. Sie versuchen auf diese Weise den Reiter abzuwerfen, wenn er ihnen im Wasser ihren Willen nicht läßt. Hier wollen sie in ihren Bewegungen frei sein.

Wahrscheinlich hatte Manni zu stark an der Schnur gezogen, und da kam das Unglück.

In meinem ersten Schrecken fiel ich auf die Kniee und rang verzweifelt die Hände.

»Allmächtiger, guter Gott! Hilf meinem Bruder! Laß ihn nicht ertrinken …!« schrie ich in meiner Herzensangst.

Dabei sah ich, daß das Pferd schon von der starken Strömung gefaßt worden war und rasch mit den Wassermassen flußabwärts trieb.

So verstrichen einige Augenblicke der peinlichsten Spannung.

Plötzlich aber sprang ich auf, indem ich in äußerster Erregung ausrief:

»Heiliger Gott, was sehe ich dort?«

Ich sah etwas im Wasser, was sich neben dem Pferde bewegte.

Ich stand wie gelähmt vor Erwartung und starrte unentwegt nach der Unglücksstelle hin.

Das Pferd hatte sich wieder auf die Beine gestellt und watete nun dem Ufer zu.

Wie unbeschreiblich groß war aber meine Freude, als ich neben ihm, ein wenig aus dem Wasser herausragend, den Kopf meines kleinen Bruders entdeckte.

Manni war zwar von seinem Sitz oben auf dem Rücken des Goldfuchses herabgeschüttelt worden, er hatte sich aber krampfhaft an der Mähne festgehalten, und die ließ er nicht mehr los.

Schon ragten jetzt ganz deutlich sein Kopf und seine Schultern aus dem Wasser heraus.

»Gott sei Lob und Dank!« rief ich außer mir vor Freude und verlor nun meinen kleinen Bruder nicht mehr aus den Augen.

Mit der ganzen Kraft meiner Lungen schrie ich dann zu ihm hinüber:

»Bravo, Manni! Halte nur fest! Es geht alles gut! Du bist tapfer gewesen.«

Ob er mein Rufen hören konnte, wußte ich nicht. Der Goldfuchs aber kam dem andern Ufer immer näher, und Manni hielt sich immer tapfer an seiner Mähne fest.

Endlich hatten sie das Ufer erreicht.

»Manni, rief ich jetzt, so stark ich konnte, »verliere nicht die Schnur! Halte die Schnur fest in der Hand.«

Ich fürchtete, daß er in seiner Verwirrung die Schnur vielleicht aus der Hand verlieren könne. Dann aber würde das Pferd gleich von ihm fortlaufen.

Als gleich darauf der Goldfuchs mit Manni an seinem Halse hängend aus dem Flusse heraustrat, sah ich, daß der Kleine plötzlich auf den jetzt trockenen Boden hinuntersprang und die aus dem Maule des Pferdes niederhängende Schnur mit einem raschen Griff faßte.

Dann blieb er neben dem tropfnassen Tiere stehen, drehte sich nach mir um und machte einige Zeichen mit der Hand.

Zu meiner Beruhigung sah ich, daß er sich vollständig beherrschte und daß er auch das Pferd ganz in seiner Gewalt hatte.

»Bravo! Manni«, rief ich ihm über den Fluß hinüber, »du hast es ausgezeichnet gemacht.«

Jetzt hob Manni seine beiden Arme in die Höhe, bildete mit den Händen ein Sprachrohr vor seinem Munde, und während das Pferd ruhig neben ihm stand, rief er mit seiner Hellen, klaren, glockenreinen Stimme:

»Nonni! Kannst du mich hören?«

»Ja, Manni, ich verstehe jedes Wort.«

»Ich bin ganz naß geworden, Nonni.«

»Ja, ich habe es gemerkt. So ist es mir aber auch ergangen, Manni. Ich bin auch ganz naß.«

»So, bist du auch ins Wasser gefallen?«

»Ja, ich fiel ganz tief hinein.«

»Dann sind wir ja beide naß. Was wird die Mutter sagen, wenn wir nach Hause kommen?«

Ich freute mich, daß der Kleine keine größeren Sorgen hatte als das. Ich halte gefürchtet, daß er vor Schrecken halb gelähmt sei. Jetzt aber sah ich, daß er noch viel mutiger war, als ich es vermutet hatte.

»Manni!« schrie ich zurück, »sei ganz ruhig. Die Mutter wird vielleicht nicht einmal merken, daß wir naß geworden sind.«

»Glaubst du?«

»Gewiß, Manni. Wenn wir nach Hause kommen, dann wechseln wir gleich die Kleider und ziehen trockene an, ohne daß jemand etwas merkt.«

»Meinst du, daß es uns gelingt?«

»Ich hoffe es, Manni. – Jetzt aber müssen wir sehen, wie wir wieder zueinander kommen.«

»Ja, Nonni. Das müssen wir schnell tun. Es ist mir so kalt in den nassen Kleidern.«

»Das will ich gern glauben, armer Manni.«

»Aber wie können wir zueinander kommen, Nonni?«

»Ich weiß es noch nicht. Ich muß zuerst etwas nachdenken. – Geh aber unterdessen ein wenig auf und ab mit dem Pferde, um warm zu werden, und paß gut auf, daß es nicht von dir fortläuft.«

Manni fing sofort an, am Ufer auf und ab zu gehen. Das Pferd folgte ihm dabei willig nach. Auch ich versuchte mir etwas Bewegung zu verschaffen, denn auch ich litt unter der Kälte.

Der eine von uns mußte unbedingt über den Fluß setzen, damit wir wieder zusammenkämen. Aber wer von uns beiden sollte den gefährlichen Übergang wagen? Sollte der kleine Manni wieder auf dem Pferde zu mir herüberreiten? Oder sollte ich versuchen, durch den breiten, reißenden Fluß zu ihm hinüberzuschwimmen? Eines von beiden – so schien es mir – mußte geschehen. Aber welches von beiden? Das war die große Frage.

Schwimmen konnte ich, wie schon gesagt, ganz gut. Aber der Fluß war nicht nur breit, sondern auch sehr kalt, und es war auch eine starke Strömung da. Außerdem fing ich schon an, in meinen nassen Kleidern matt und starr vor Kälte zu werden.

Was sollte ich tun?

Meinem kleinen Bruder konnte ich unmöglich noch einmal eine so gefährliche Überfahrt zumuten. Nein, Manni durfte nicht ein zweites Mal sein Leben aufs Spiel setzen. Das stand fest. Also mußte ich zu ihm hinüber. Oder gab es noch einen andern Ausweg? Ich fand keinen.

Das waren die Gedanken, die sich in meinem Kopfe hin und her bewegten.

Zuletzt rief ich in meiner Not:

»O Gott, hilf mir doch, über den Fluß zu schwimmen, und laß es mir nicht zu kalt werden.«

Jetzt sollte ich mich entscheiden. Aber ich zauderte noch ein wenig, denn das Schwimmen über den breiten, kalten Fluß kam mir doch schrecklich vor … Sollte ich es wagen oder nicht? Ich besann mich noch einen Augenblick, dann bäumte sich aber mein Knabenstolz auf gegen meine Furcht, und ich sagte entschieden zu mir selbst: »Ich muß es wagen, sonst bin ich ein Feigling.«

Also frisch voran …! Rasch zog ich meine nasse Jacke aus und warf sie ins Gras. Dann wandte ich mich zu Manni hin und rief:

»Manni, jetzt schwimme ich über den Fluß.«

Manni blieb erstaunt stehen, schaute mich einige Augenblicke schweigend an und rief zu mir herüber:

»Du willst über den Fluß schwimmen?«

»Ja, Manni … Wie könnten wir sonst zueinander kommen?«

»Du darfst nicht über den Fluß schwimmen, Nonni … Nein, das darfst du nicht.«

»Warum nicht, Manni?«

»Es ist zu kalt, und du könntest ertrinken.«

»Ich kann aber sehr gut schwimmen.«

»Du darfst nicht, Nonni. Du darfst es nicht. Ziehe schnell deine Jacke wieder an.«

»Aber sei doch vernünftig, Manni.«

»Nonni, du kannst nicht. Der Strom ist viel zu stark.«

»Doch, Manni. Es geht ganz gut. Du weißt gar nicht, wie gut ich schwimmen kann.«

Jetzt aber schrie Manni mit Tränen in der Stimme und mit einer Leidenschaft, die ich kaum bei ihm vermutet hätte.

»Ich bitte dich, Nonni, zieh deine Jacke wieder an. Ich bitte, geh nicht in den Fluß hinein.«

Es war nichts zu machen. Meinen lieben kleinen Manni wollte ich nicht betrüben. Ich holte mir rasch wieder meine naßkalte Jacke vom Rasen her und zog sie an. Dann rief ich:

»Aber, Manni, was sollen wir denn jetzt machen?«

»Ich weiß es nicht, Nonni.«

Es entstand eine längere Pause. – Dann aber rief der Kleine:

»Nonni, ich will versuchen, zu Pferd zu steigen. Dann reite ich wieder über den Fluß.«

»Nein, Manni, das darfst du nicht. Es ist viel zu gefährlich für dich.«

»O nein. Ich bin ja schon einmal hinübergekommen.«

»Ja, aber dabei bist du ins Wasser gefallen und beinahe ertrunken.«

»Daran war der Goldfuchs schuld. Er hat sich plötzlich auf die Seite gelegt.«

»Gewiß, aber das kann er wieder tun, Manni.«

»Dann halte ich mich wieder fest an der Mähne.«

»Es ist nicht sicher, daß es dir wieder gelingt.«

»Doch, Nonni. Jetzt wird es mir viel leichter werden als vorher.

»Das meinst du. Aber ich will nicht, daß du noch einmal über den Fluß reitest, mein lieber Manni. Ich bin zu bange um dich.«

»Du brauchst gar nicht bange zu sein.«

Jetzt rief ich aber, so laut ich konnte, zurück:

»Nein, nein, Manni! Du darfst es nicht tun. Was würde die Mutter sagen, wenn ich ohne dich nach Hause käme?«

Auf diese mit fester Stimme gesprochenen Worte wußte Manni nicht, was er antworten sollte, und so standen wir wieder eine Weile schweigend da, zitternd vor Kälte, und wußten keinen Rat mehr.

Endlich brach Manni das Schweigen und rief in einem lebhaften Tone:

»Nonni, setzt weiß ich, was wir tun sollen.«

»Und was ist das, Manni?«

»Ich will versuchen, das Pferd in den Fluß zu treiben, dann kommt es ganz allein zu dir hinüber. Dann nimmst du es und kannst über den Fluß reiten und zu mir kommen.«

Ich überlegte einen Augenblick. Der Plan Mannis schien mir nicht schlecht zu sein. Ich überlegte weiter, und je länger ich darüber nachdachte, desto vernünftiger kam er mir vor.

»Dein Vorschlag ist gar nicht schlecht, Manni«, rief ich endlich zurück. »Aber ob der Goldfuchs dir gehorchen wird und sich von dir in den Fluß treiben läßt?«

»Ich glaube doch, Nonni, daß es gehen wird. Er ist jetzt nicht mehr so wild.«

»Das kalte Bad hat ihn etwas beruhigt.«

»Ja, und er friert ebensosehr wie wir.«

»Das wird er wohl, und dann sehnt er sich sicher auch nach Hause und wird deshalb gern über den Fluß waten.«

»Ja, das glaube ich auch.«

»Gut, Manni, dann kannst du es ja versuchen. Aber sei vorsichtig und laß ihn noch nicht aus der Hand, sonst würde er von uns fortlaufen, und wir wären ganz verloren.«

»Ich will vorsichtig sein, Nonni. Aber wie soll ich das anfangen?«

»Das will ich dir sagen: gehe erst etwas am Ufer herum und suche dir kleine Steine aus. Die mußt du in die Tasche stecken. Das Pferd mußt du aber dabei immer mit dir führen. Wickle die Schnur gut um deine Hand, damit sie dir nicht entschlüpft.«

»Das will ich gleich tun, Nonni.«

Aus seinen Reiseerfahrungen wußte Manni ebensogut wie ich, wozu die Steine ihm dienen sollten.

Es ist nämlich bei den Flußübergängen auf Island Sitte, daß man die losen Pferde, die ja nicht immer gern durch das tiefe Wasser waten und schwimmen wollen, sondern, wenn sie schon draußen im Flusse sind, zu ihrem Ausgangspunkt umzukehren versuchen, mit kleinen Steinen bewirft, um sie so weiter in das Wasser hineinzutreiben.

So sollte es auch Manni mit dem Goldfuchs machen im Falle, daß er sich weigern würde, über den Fluß zu waten.

Eine Zeit lang ging Manni am Ufer auf und ab, führte dabei das Pferd an der Schnur hinter sich, und füllte seine Tasche mit einer Menge Steinchen.

Als er damit fertig war, rief er mir zu:

»Jetzt habe ich Steine genug, Nonni. Soll ich nicht gleich anfangen?«

»Warte noch ein wenig«, rief ich zurück, »wir müssen zuerst sehen, wie du es anstellen sollst, das Pferd in den Fluß hineinzutreiben. Es wäre schrecklich für uns, wenn es uns entschlüpfte und von uns weglaufen sollte.«

»Gut, Nonni. Sag mir nur, wie ich es machen soll.«

Im Grunde war der Plan Mannis immerhin eine sehr gewagte Sache. Es war nämlich nur zu sehr zu befürchten, daß das feurige Pferd uns entlaufen würde. Wenn das aber geschehen sollte, dann war unsere Lage verzweifelt.

Wir waren ja voneinander durch den breiten Strom getrennt. Manni befand sich überdies auf einer langgestreckten Insel mitten im Flußbett, von allen Seiten vom strömenden Wasser umgeben, denn der Strom, der uns trennte, war ja der erste Arm des großen Flusses Eyjafjardará. Wir waren beide in tropfnassen Kleidern und froren jämmerlich.

Was würde aus uns werden ohne das rettende Pferd?

Es galt also unser Leben, den Goldfuchs bei uns zu behalten.

Deshalb zitterte ich bei dem bloßen Gedanken, daß der sonst gute Plan meines Bruders vielleicht doch mißlingen könnte.

Würde er aber gelingen, dann waren wir gerettet.

Während ich mir die Sache noch immer durch den Kopf gehen ließ, fing Manni auf dem andern Ufer an, wegen der Kälte etwas ungeduldig zu werden.

Plötzlich rief er:

»Sollen wir nicht bald anfangen, Nonni?«

»Doch, Manni, jetzt fangen wir an.«

»Wie soll ich es machen?«

»Ist das Wasser tief am Ufer drüben?«

»Nein, nahe am Ufer ist es hier gar nicht tief.«

»Dann rate ich dir, Manni, selbst ein kleines Stück in den Fluß hineinzuwaten, und das Pferd am Zaume hinter dir hineinzuführen. Sonst könnte es sich vielleicht weigern, in den kalten Fluß zu gehen, und versuchen, anderswohin zu laufen.«

»Soll ich wirklich selber wieder ins Wasser hinein?«

»Ja, Manni. Aber nur eine ganz kleine Strecke, dann läßt du das Pferd im Wasser stehen und springst wieder schnell auf das Land zurück.«

»Und was soll ich weiter tun?«

»Dann mußt du es vom Lande aus verhindern, wieder zum Ufer zurückzukehren.«

»Gut, Nonni. Das will ich versuchen.«

Trotz der Kälte ging Manni mutig ins Wasser hinein und zog den etwas zögernden Goldfuchs an der Schnur hinter sich her.

Als er unser Reittier eine kleine Strecke ins Wasser hinausgeführt hatte, kehrte mein kleiner Bruder um und bestieg rasch wieder das Ufer. Das Pferd blieb unterdessen still im Wasser stehen.

Nach einer kleinen Weile schaute es sich nach Manni um und fing an, umzukehren, um wieder zum kleinen Jungen auf das Ufer hinaufzusteigen.

Da aber kam ihm der Kleine drohend entgegen und jagte es wieder in den Fluß hinein.

Das Tier blieb noch einmal stehen und schien zuerst nicht recht zu wissen, wohin es sich wenden sollte.

Nun holte Manni seine Steine aus der Tasche und bewarf es damit aus allen Kräften. Der Goldfuchs versuchte bald links, bald rechts vom kleinen Jungen auf das Ufer zu springen. Doch Manni drohte ihm so energisch, daß er endlich den Kampf aufgab.

Er wandte sich nun endgültig vom Ufer weg und watete langsam ins tiefere Wasser hinaus.

Manni ermunterte ihn durch lautes Zurufen und lebhafte Gebärden, und wenn er von neuem stehen blieb, bewarf er ihn wieder mit seinen Steinchen.

So ergab sich schließlich der Goldfuchs in sein Schicksal und schritt nun ohne weiteres Zaudern in den tiefen Strom hinaus, um sich nach dem Ufer zu begeben, wo ich stand und auf ihn wartete.

Jetzt war die Sache gut im Gange. Nur kam für mich alles darauf an, daß ich das äußerst lebhafte Tier bei seiner Ankunft an meinem Ufer einfing und festhielt.

Wenn es mir entschlüpfen sollte, dann würde es sofort Reißaus nehmen und den Rückweg nach seinen wohlbekannten Weideplätzen bei Akureyri ganz allein und ohne uns antreten.

Mit pochendem Herzen stand ich deshalb da und wartete mit höchster Spannung auf das für uns jetzt unentbehrliche Reittier.

Der feurige kleine Renner kam immer näher und näher, und meine Furcht, ihn schließlich doch zu verlieren, wurde immer größer.

Jetzt hatte er schon die Mitte des Flusses erreicht. Hier drehte er sich wieder direkt gegen den Strom und bot der starken Strömung die Brust statt der Flanke.

Er wurde trotzdem von den reißenden Fluten stromabwärts getrieben und watete wie vorher nicht vorwärts, sondern seitwärts dem Ufer zu.

Auch ich ging am Ufer stromabwärts, um ihm immer gegenüber zu sein, damit ich ihn, wenn er ankäme, sofort festnehmen könne.

Je näher er mir kam, desto leichter wurde ihm das Waten, denn in der Nähe des Ufers war das Wasser weniger tief.

Schließlich ging es ihm nur bis an die Kniee, so daß er nun ganz schnell vorwärts schreiten konnte.

Auf einmal blieb er stehen und schaute mich mit unruhigen Blicken an. Darauf änderte er seine Richtung und watete stromabwärts, um mir aus dem Wege zu gehen.

»Guter Gott!« dachte ich, »er will sich nicht fangen lassen!«

Dabei lief aber auch ich den Fluß hinunter, um immer in seiner Nähe zu bleiben.

Jetzt merkte er, daß ich es auf ihn abgesehen hatte, und blieb wiederum stehen.

Er wollte offenbar um jeden Preis an mir vorbei, um die Heimreise ohne uns zu machen.

Wie schrecklich für uns, wenn ihm das gelingen sollte!

Ich rief ihm allerlei Freundlichkeiten zu, um ihn zu gewinnen. Doch mein freundliches Zureden half nichts. Er wollte augenscheinlich nichts mehr mit uns zu tun haben.

In meiner großen Not fiel mir plötzlich ein: »Aber warum pfeifst du denn nicht? Nur durch das Pfeifen kannst du ihn ja zum Stehen bringen, und dann kannst du zu ihm in den Fluß hineinwaten und ihn draußen im Wasser fangen.«

Gedacht, getan. Ich begann sofort mein Zaubermittel anzuwenden: ich pfiff, setzte ein freundliches Gesicht auf und breitete die Arme aus.

Auf der Stelle blieb auch schon der Goldfuchs im Flusse stehen. Er spitzte die Ohren und sah gerade vor sich hin.

Zu meiner Freude merkte ich, daß ich ihn bald in meine Gewalt bringen würde.

Doch er stand noch im Wasser, und dort mußte auch ich hin, wenn ich ihn fangen wollte.

Das Wasser war aber, wie gesagt, ganz seicht an dieser Stelle. Es konnte mir nur bis etwas über die Kniee gehen.

Ich stieg also, immer pfeifend, in den Fluß hinein und näherte mich langsam und bedächtig dem Pferde.

Bald hatte ich es erreicht und konnte nach der Schnur, welche noch immer um seinen Unterkiefer gebunden war, greifen.

Welch ein Glück! »Gott sei Lob und Dank!« rief ich in meiner überströmenden Freude.

Von nun an war nichts mehr zu fürchten. Der Goldfuchs war und blieb gefangen.

Ich führte ihn am Zaume aus dem Fluß bis auf das nahe Ufer hinauf.

Vom andern Ufer her drangen jetzt Laute zu mir herüber.

Ich schaute hin: Es war Manni, der in die Hände klatschte und mir zu meinem Erfolg Glück wünschte.

»Bravo, Nonni!« schrie munter der Kleine das eine Mal nach dem andern.

Jetzt aber war keine Zeit zu verlieren: ich mußte in aller Eile zu ihm hinüber, um ihn wieder über den Fluß zurückzubringen. Und dann mußten wir beide ebenso schnell, wie wir gekommen waren, nach Hause reiten.

Da hier am Ufer keine Erhöhung zu finden war, von welcher ich hätte zu Pferde steigen können, kam mir der glückliche Gedanke, den Goldfuchs wieder in den Fluß hinauszuführen. Draußen im Wasser ragte nämlich ein großer Stein ein wenig aus den Fluten empor.

Ich watete mit meinem Tier dorthin, stellte es daneben, stieg auf den Steinblock und konnte von da aus mit Leichtigkeit auf seinen Rücken hinaufkommen.

Jetzt lenkte ich es wieder in den tiefen Strom hinein und gelangte nach einigen Minuten zu meinem kleinen Bruder hinüber.

»Gott sei Dank, daß es so gut gelang!« rief der Kleine wiederholt.

Sobald der Goldfuchs aus dem Wasser trat, sprang ich von seinem Rücken zu Manni hinunter.

War das aber eine Freude für uns beide!

Wir drückten uns gegenseitig die Hände und vergaßen fast unsere nassen Kleider und unsere Kälte.

Aber unsere klappernden Zähne erinnerten uns bald daran, daß wir uns hier nicht lange aufhalten durften.

Wir mußten in aller Eile wieder über den Fluß und dann ohne Verzug nach Hause reiten.

Doch konnten wir uns nicht versagen, eine kleine Weile unsern guten vierbeinigen Freund durch einige freundschaftliche Klapse mit der flachen Hand zu liebkosen.

Er war ja der Retter unseres Lebens. Was hätten wir wohl ohne ihn hier anfangen können?

»Du guter, kleiner Goldfuchs«, sagte Manni zu ihm, »jetzt darfst du uns aber nicht mehr ins Wasser werfen.«

Das kräftige Pferd schaute den kleinen Knaben mit seinen großen klaren Augen gutmütig an und schien seinen vorhergehenden Streich zu bereuen.

»Er wirft uns nicht mehr ab«, sagte Manni. »Er hat es auch damals sicher nicht so schlimm gemeint.«

»Ich glaube es auch nicht«, antwortete ich. »Aber ich denke doch, daß du dich auf alle Fälle so fest wie nur möglich an seiner Mähne halten mußt.«

»Das will ich tun«, versprach der Kleine, »und das wird er auch nicht übelnehmen. – Aber wie sollen wir nun auf seinen Rücken wieder hinaufkommen?« fragte er mit besorgter Stimme.

Ich schaute umher. Aber wie am andern Ufer, so war auch hier alles flach rund herum.

Ich warf einen Blick auf den Fluß. Dort ragten zum Glück viele Steinblöcke aus dem Wasser empor.

Freudig rief ich dem Kleinen zu: »Jetzt weiß ich Rat, Manni. Zuerst will ich dir gleich hier hinaufhelfen, dann werde ich mit dem Pferd ein wenig in den Fluß hinauswaten, um dort selber von einem der Steinblöcke auf seinen Rücken hinaufzuklettern.«

»Das ist ein guter Gedanke, Nonni. Aber dann bekommst du ja ganz nasse Füße.«

»Ach, sie sind schon so naß, Manni, daß sie nicht nässer werden können.«

»Das ist wahr. Ich hatte es vergessen«, lachte der Kleine zurück.

Ich half ihm nun auf das Pferd hinauf. Dann ging es in den Fluß hinein.

Ich zog das Reittier mit dem kleinen Reiter darauf an der dünnen Schnur nach einem Steinblock im Wasser draußen.

Es stellte sich daneben und verhielt sich ganz ruhig, während ich von da aus auf seinen Rücken hinter Manni hinaufstieg.

Sobald ich droben war, schlug ich den linken Arm um meinen Bruder: den rechten Arm und die rechte Hand mußte ich freihalten, um das Pferd zu lenken.

Der Goldfuchs machte keine Schwierigkeit, sondern watete wieder mutig in den tiefen Strom hinaus.

War das eine eigentümliche Bewegung, ein Fließen und Strömen rund um uns herum!

»Nonni!« rief auf einmal Manni lebhaft aus, »jetzt werde ich wieder schwindelig.«

»Das kann ich gut begreifen«, erwiderte ich ihm, indem ich meinen Arm fester um ihn schlang. »Das kommt von dem vielen fließenden Wasser her, das uns von allen Seiten umgibt. Du mußt wieder die Augen zumachen, Manni. Dann hört der Schwindel auf.«

Der Kleine schloß die Augen und wurde ruhiger. Aber jetzt hatte auch ich Mühe, mich vom Schwindel freizuhalten mitten in dem reißenden Strom.

Dieses Fließen und Strömen, dieses Sausen und Brausen um einen herum übt auf die Nerven und auf die Sinne eine geheimnisvolle Wirkung aus.

Ich wurde verwirrt und wie betäubt. Es kam mir plötzlich vor, als ob das Wasser stillstünde und wir mit reißender Schnelligkeit stromaufwärts eilten.

Dann änderte sich wieder die Lage, und jetzt schienen mir die beiden Flußufer in starker Vorwärtsbewegung zu sein, während wir selbst ganz still mitten im Fluß standen.

Diese optischen Täuschungen wirkten in dem Grade verwirrend auf mich ein, daß ich schließlich eine eigenartige Neigung empfand, mich vom Pferde ins Wasser hinuntergleiten zu lassen.

Doch da ich schon an solche Flußübergänge gewohnt war, konnte ich der gefährlichen Neigung widerstehen.

Sobald wir in das tiefere Wasser hineinkamen, hütete ich mich sorgfältig, auch nur im geringsten an der Schnur zu ziehen.

Ich ließ dem Goldfuchs vollständig seinen eigenen Willen und hinderte ihn in keiner seiner Bewegungen.

Er seinerseits wandte sich bald gerade gegen den Strom, bahnte sich seitwärts gehend ruhig und fest seinen Weg durch die mächtige Strömung und brachte uns in kurzer Zeit wohlbehalten an das andere Ufer hinauf.

Als er auf den trockenen Boden gestiegen war, blieb er einen Augenblick stehen und schüttelte dann durch heftige, überaus rasche Bewegungen des Körpers das Wasser von sich ab.

Beinahe wären wir auch dabei abgeschüttelt worden. Nur mit genauer Not konnten wir uns festhalten.

Als er mit dem gewaltigen Schütteln fertig war, wandte er sich heimwärts, ohne auf irgend eine Weisung von unserer Seite zu warten, und fing nun ein, wenn möglich, noch wilderes Rennen als das vorige an.

In stürmischer Eile flogen wir nur so über saftig grüne Wiesen und graugelbe Lavawüsten, über harte Felsgründe und loses Steingeröll dahin.

Der Lauf unseres feurigen Rosses war so schnell und die Bewegungen seines starken, geschmeidigen Körpers so heftig, daß wir kaum ein Wort miteinander wechseln konnten. Wir hatten genug zu tun mit dem Bemühen, uns im »Sattel« festzuhalten.

Als wir den Weideplatz, auf dem wir den kleinen, prächtigen Goldfuchs gefunden hatten, erreichten, blieb er auf einmal von selbst stehen: ein Wink an uns, daß er jetzt seine Schuldigkeit getan und daß wir nun absteigen möchten.

Wir verstanden diese stumme Sprache und sprangen hinunter. Dann machte ich die Schnur los.

Zum Schlusse tätschelten und liebkosten wir nach Knabenart das niedliche Tier und dankten ihm für seine guten Dienste.

Er nahm unsere Dankesbezeigungen – wie Pferde es zu tun pflegen – sehr ruhig und gelassen entgegen.

Dann wandte er sich rasch um, warf uns ein paar hastige Blicke zu und setzte sein abgebrochenes Grasen wieder fort.

Wir konnten deutlich merken, daß das frische, rasche Rennen in hohem Maße dazu beigetragen hatte, seinen Hunger zu steigern.

Wir winkten ihm noch mit der Hand zum letzten Abschied und traten darauf im Laufschritt den Heimweg an.

Ich nahm Manni bei der Hand, und nun ging es die Höhen hinunter, so rasch uns unsere Beine tragen konnten.

Je schneller wir liefen, desto mehr verschwand das Kältegefühl in unsern Gliedern.

»Ich fange an, ganz warm zu werden«, sagte Manni.

»Auch ich fühle mich gar nicht mehr so kalt«, gab ich zur Antwort.

»Aber was wird die Mutter sagen, wenn sie uns in den nassen Kleidern sieht?« fing wieder der Kleine an.

»Ich habe dir schon gesagt, Manni, daß sie uns wahrscheinlich gar nicht in den nassen Kleidern sehen wird. Das ist auch besser so. Sonst wird sie ja nur traurig.«

»Wenn sie nur nicht traurig wird!« sagte Manni ganz leise.

Er liebte die Mutter so sehr und konnte den Gedanken, sie zu betrüben, nicht ertragen.

»Du brauchst gar nicht bange zu sein, Manni«, sagte ich. »Sie wird nicht traurig werden.«

Zu seiner weiteren Beruhigung fügte ich noch hinzu:

»Erst wenn wir trockene Kleider angezogen haben, gehen wir zu ihr und erzählen ihr alles. Dann wird sie sich nicht betrüben, sondern sich freuen, daß alles so gut abgelaufen ist.«

»Ja, Nonni, das wollen wir tun«, rief der Kleine freudig aus.

So liefen wir und plauderten zusammen, bis wir den letzten Bergabhang erreichten, der sich unmittelbar hinter unserem Hause hoch in die Luft erhob.

Einige Augenblicke blieben wir am obersten Rande des kleinen Hanges stehen und schauten auf unser elterliches Haus hinunter.

Eine bläuliche Rauchsäule entstieg dem Kamin oben auf dem Dache.

»Manni«, sagte ich, »das Dienstmädchen ist sicher jetzt in der Küche und kocht das Abendessen. Dann wird wohl die Mutter mit unserer Schwester Bogga in der Wohnstube sitzen. Meinst du nicht auch?«

»Ja, ich glaube es auch, Nonni.«

»Gut, dann laufen wir jetzt schnell hinunter und gehen durch die hintere Tür ins Haus hinein. Wir springen rasch durch die Küche und sorgen dafür, daß das Küchenmädchen nichts merkt. Dann gehen wir die Treppe hinauf, nehmen unsere Kleider aus dem großen Kleiderschrank und schlüpfen in unsere Schlafzimmer hinein. Dort ziehen wir uns ganz um. Dann werden wir nichts mehr zu fürchten haben.«

»Das ist gut, Nonni. Wir wollen es so machen.«

Sofort fingen wir an, unsern Plan auszuführen; wir sprangen den Bergabhang hinunter, erreichten bald darauf das Haus, gingen rasch durch die Küchentür, durchsausten die Küche wie ein Sturmwind, indem wir im Vorbeilaufen der Magd lustig zuriefen:

»Guten Tag, Gunna!«

»Guten Tag!« antwortete Gunna munter, indem sie sich vom Feuer umdrehte und uns einen raschen Blick zuwarf.

»Aber, mein Gott, was ist denn das, Kinder!« rief sie darauf aus. »Ihr seid ja patschnaß! Seid ihr denn ins Wasser gefallen?«

Während Gunna sprach, versuchten wir die Türe zur Treppe, welche nach dem ersten Stock hinaufführte, aufzumachen, konnten es aber nicht gleich fertigbringen, weil der Schlüssel falsch im Schlüsselloch steckte.

»Wie schade«, flüsterte mir Manni zu, »nun mußte doch die Gunna alles entdecken!«

Ich sprang zu ihr hin und sagte:

»Wir sind beide etwas naß geworden, Gunna. Aber, bitte bitte, sage der Mutter nichts davon. Wir wollen ihr nachher alles selbst erzählen.«

»Sei nur ganz ruhig, Nonni. Ich werde niemanden etwas sagen. Aber was ist euch denn eigentlich passiert? Ihr seht ja schrecklich aus. Ihr seid wohl draußen auf dem Meere gewesen?«

»Nein, Gunna, wir sind über den Fluß geritten und fielen einen Augenblick ins Wasser. Das ist das Ganze.«

»Aber warum seid ihr denn über den Fluß geritten?«

Bevor ich antworten konnte, rief Manni: »Jetzt können wir hinaufgehen, Nonni.«

Es war ihm endlich gelungen, die Türe aufzumachen.

Rasch sprang ich zu ihm hin. Da aber geht plötzlich eine der Türen, die aus dem Innern des Hauses in die Küche führten, auf, und meine Schwester Bogga springt in die Küche hinein.

»So …! Seid ihr wieder da!« rief sie aus, als sie uns erblickte. »Die Mutter hat gerade nach euch gefragt, weil ihr so lange draußen gewesen seid.«

»Ist das aber ärgerlich, daß wir nun auch Bogga begegnen müssen!« flüsterte mir Manni ins Ohr.

»Ich will mit ihr sprechen, Manni«, antwortete ich, indem ich auf Bogga zuging.

Sofort wurde sie aber auf meine nassen Kleider aufmerksam und sagte:

»Aber, Nonni, du bist ja ganz naß vom Kopf bis zu den Füßen! Wie kommt denn das?«

»Ich werde es dir gleich sagen, Bogga. Aber zuerst müssen wir uns beide umziehen.«

»Wie! Ist denn Manni auch naß geworden?« rief sie erstaunt aus, indem sie zu Manni nach der Treppe lief.

»Aber richtig, du bist auch ganz naß, Manni! Was habt ihr denn wieder angestellt?«

»Ach, Bogga, sei doch ruhig! Wir haben nur bei unserem Nachmittagsritt ein kleines Abenteuer gehabt und müssen jetzt die Kleider wechseln.«

»Ihr armen Jungen! Wie blaß ihr aber auch ausseht! Ihr müßt ja schrecklich frieren«, sagte Bogga teilnahmsvoll.

»Ja, Bogga, das tun wir auch. Aber deshalb müssen wir auch gleich wechseln.«

»Gewiß müßt ihr das. Ich will schnell die Mutter rufen, damit sie euch hilft.«

Mit diesen Worten wandte Bogga sich um und sprang schon zur Türe, durch welche sie gekommen war, um zur Mutter zu laufen.

Ich sprang ihr aber schnell nach, packte sie am Arm und sagte:

»Um Gottes willen, Bogga, wir können ja allein fertig werden. Bitte, liebe Bogga, sage doch der Mutter nichts, bis wir wieder herunterkommen. Dann wollen wir ihr selber alles erzählen.«

Bogga blieb stehen und sagte: »Aber ihr braucht doch vor der Mutter nicht bange zu sein.«

»Das sind wir auch nicht, Bogga«, fiel jetzt Manni ein, »wir wollen nur nicht, daß die Mutter traurig wird.«

»Das wird sie doch nicht«, lachte Bogga. »Sie ist an eure Abenteuer so gewöhnt.«

»Warte doch lieber, Bogga, bis wir die Kleider gewechselt haben«, bat ich. »Dann wollen wir zu ihr gehen und alles erzählen.«

»Gut«, sagte Bogga. »Dann gehe ich mit euch hinauf, um euch zu helfen. Ihr könnt ja eure Kleider nicht allein finden.«

Es freute mich, daß Bogga mit uns gehen wollte; denn dann konnten wir sicher sein, daß sie der Mutter nichts sagen würde. Deshalb nahm ich ihr Angebot sogleich an und sagte:

»Komm nur mit, Bogga. Es ist schön von dir, daß du uns helfen willst.«

Wir liefen alle drei die Treppe hinauf. Im großen Kleiderschrank fand bald ein jeder von uns einen trockenen Anzug. Aus meiner Kommode holte Bogga die nötigen Unterkleider hervor und ein paar Handtücher, um uns abzutrocknen.

Als jeder das Seine hatte, sagte ich zu Bogga:

»Jetzt gehe ich ganz allein in mein Schlafzimmer und helfe mir selbst. Geh du indessen mit Manni in die Kammer daneben und hilf ihm. Er ist ja doch zu klein, um allein fertig werden zu können.«

Mit diesen Worten ging ich in mein Schlafzimmer und schloß die Türe von innen ab. Bogga und Manni gingen in das Zimmerchen nebenan.

Nach kaum zehn Minuten waren wir beide fertig und fanden uns wieder mit Bogga zusammen auf dem Gange.

Jetzt froren wir nicht mehr, sondern fühlten uns überaus wohl in unsern trockenen Kleidern.

»Ist das aber ein Unterschied!« sagte Manni. »Jetzt fühle ich mich so warm und so wohl, daß ich gar nichts mehr von der Kälte merke.«

»So ist es auch mit mir, Manni!« erwiderte ich ihm.

»Jetzt aber gehen wir zur Mutter hinunter«, mahnte Bogga.

»Ja, das tun wir«, sagte Manni. »Wir müssen ihr ja erzählen, welch einen schönen Ritt wir gemacht haben.«

Bogga schaute lachend den Kleinen an und sagte: »Ihr seid beide bei eurem Ausflug ins Wasser gefallen, und das nennst du einen schönen Ritt!«

»Das war gerade der Spaß dabei, Bogga, daß wir ins Wasser gefallen sind, ohne zu ertrinken.«

»Ein schöner Spaß, Manni! Mir kommt er doch etwas zu gefährlich vor, und ich glaube, daß ihr ein andermal vorsichtiger sein müßt.«

»Ja, Bogga hat recht«, bemerkte ich. »Ein andermal wollen wir uns ein ruhigeres Pferd aussuchen.«

Jetzt gingen wir rasch alle drei die Treppe hinunter. Die vierzehnjährige Bogga schritt vor uns her, um uns zur Mutter zu führen. Wir unterwarfen uns ihr gern, denn sie war immer die Vernünftigste von uns dreien.

Als wir durch die Küche gingen, schaute uns Gunna schelmisch lächelnd an.

Ein paar Augenblicke später standen wir vor der Türe der Wohnstube, in welcher die Mutter saß.

Bogga klopfte.

»Herein!« rief die Mutter, und wir traten ins Zimmer hinein.

Die Mutter saß am Fenster und strickte.

»Mutter, Nonni und Manni haben einen ›schönen‹ Ritt gemacht in das Eyjafjardartal hinein«, sagte Bogga in schelmischem Ton. Dann nahm sie ihr Strickzeug und setzte sich.

Bei diesen Worten fing Manni schon an, an seinem Ohrläppchen zu zupfen. Dann aber bedachte er sich, lief eiligst zur Mutter hin und schlug beide Arme jubelnd um ihren Hals.

Die Mutter drückte schweigend einen Kuß auf seine Wange.

Dann setzte sich Manni neben sie und wollte anfangen zu erzählen.

Die Mutter kam ihm aber zuvor und fragte, indem sie uns beiden einen liebevollen mütterlichen Blick zuwarf:

»Wo seid ihr denn beide so lange gewesen, Kinder? Wir haben euch den ganzen Nachmittag nicht gesehen.«

»O Mutter!« erwiderte fröhlich der kleine Manni, »wir haben einen wunderschönen Ritt gemacht.«

»So! Und wo seid ihr denn hingeritten?«

»Weit, weit gegen Süden, Mutter. Wir sind noch nie so weit gewesen.«

»So, so! Dann müßt ihr aber ein gutes Pferd gehabt haben.«

»Ja, gewiß, Mutter, einen ganz kleinen Goldfuchs. Und er konnte laufen, so schnell wie der Wind. Und er wurde nie müde. Wir saßen zu zweit darauf, Nonni vorn und ich hinten.«

»Und was habt ihr da alles gesehen auf der Reise?«

»O, so vieles und schönes, Mutter!«

»Was zum Beispiel, Kind?«

»Wir sahen hohe Felsen und grüne Wiesen und Halden und schöne Blumen und Vögel und viele Kühe und Schafe.«

»Das war sicher schön, liebes Kind. Und wie ging es dann weiter?«

»Dann kamen wir zum Fluß Eyjafjardará, und der Goldfuchs lief hinein, und dann fielen wir beide ins Wasser.«

»Ins Wasser!«

»Ja, Mutter«, lachte der Kleine, »in den großen Fluß hinein. Und das war sehr spaßig, Mutter.«

Die Mutter schaute nicht auf, sondern fragte anscheinend ruhig weiter:

»In die Eyjafjardará?«

»Ja, Mutter, in den Strom hinein, ganz tief ins Wasser hinunter.«

»In den tiefen Strom seid ihr gefallen?« fragte die Mutter langsam, indem sie jetzt das Strickzeug auf den Schoß legte. »Und wie seid ihr wieder herausgekommen?«

»Ich hielt mich fest an dem Goldfuchs, und Nonni schwamm ans Ufer.«

»Aber, du guter Gott!« sagte die Mutter, indem sie mir mit aller Ruhe einen fragenden Blick zuwarf, »ist das auch wahr, Nonni?«

»Ja, Mutter. Wir sind beide ins Wasser gefallen, aber haben uns auch ganz leicht wieder herausgerettet.«

Die Mutter warf einen prüfenden Blick nach uns beiden. Dann wandte sie sich an Bogga und fragte:

»Haben die Jungen auch alles gewechselt, Bogga?«

»Ja, Mutter, wenigstens Manni. Ich habe ihm dabei geholfen.«

»Und du, Nonni?«

»Ich habe auch alles gewechselt, Mutter.«

»Auch das Fußzeug?«

»Ja, Mutter, Strümpfe und Schuhe und alles andere.«

»Und seid ihr jetzt wieder warm geworden?«

»Ja, Mutter, ganz warm«, versicherten wir beide.

»Gut. – Aber, Nonni, warum seid ihr über den Fluß geritten?«

»Es war der gerade Weg, Mutter, und der gewöhnliche Flußübergang. Und da wollten wir uns etwas umsehen auf den großen grünen Inseln mitten im Flußbett. Es sind so viele Vögel darauf, Schwäne, Wildgänse, Wildenten und andere, und wir waren noch nie dagewesen.«

»Es ist gewiß schön dort, und ich gönne es euch, daß ihr euch draußen umseht. Aber bei den Flußübergängen muß man vorsichtig sein.«

»Ich war vorsichtig, Mutter, und habe alles getan, wie man es gewöhnlich tut. Aber der Goldfuchs war so schrecklich wild. Er war schuld an dem Unglück.«

»Aber du wußtest ja, daß der Goldfuchs ein feuriges Pferd war. Gerade so etwas muß man in Betracht ziehen, Nonni. Man muß sein Pferd kennen und es richtig zu behandeln wissen. – Wie bist du denn hineingefallen?«

»Nonni konnte nicht schnell genug aufsitzen, Mutter«, fuhr lebhaft der kleine Manni dazwischen, »und als der Goldfuchs zu laufen begann, fiel er herunter.«

»Ja, Mutter«, ergänzte ich, »der Goldfuchs ließ mir nicht Zeit genug, um aufzusitzen, und so glitt ich herunter, als er gerade mit Manni auf dem Rücken in den Fluß sprang.«

»Das hättest du aber voraussehen können, Nonni, bei einem so feurigen Pferde. Du hast sicher viel zu nah am Ufer aufsitzen wollen.«

»Ja, Mutter, das habe ich mir auch nachher gesagt.«

»Und wie ist denn Manni ins Wasser gefallen?« fragte jetzt die Mutter.

»Als der Goldfuchs mitten im Flusse war«, erwiderte Manni, »legte er sich plötzlich auf die Seite, und so fiel ich herunter.«

»Aber warum legte sich denn das Pferd auf die Seite?«

»Ich weiß es nicht«, sagte Manni.

»Hast du draußen im Fluß am Zaum gezogen?«

»Ja, Mutter«, erwiderte Manni. »Der Goldfuchs drehte sich plötzlich gegen den Strom, wie wenn er flußaufwärts waten wollte, statt nach dem Ufer zu gehen. Da zog ich an der Schnur, um ihn ans Ufer zu leiten. Da legte er sich plötzlich auf die Seite.«

»Das hättest du nicht tun sollen, Manni«, antwortete die Mutter. »Der Goldfuchs hat sich gegen den Strom gewendet, um besser gegen den Druck des Wassers kämpfen zu können. Das darf man nicht hindern. Bei den Flußübergängen muß man den Pferden ihre Freiheit lassen.«

»Hätte ich nur daran gedacht, Mutter!« sagte Manni kleinlaut und zupfte dabei an seinem Ohrläppchen.

»Ein anderes Mal müßt ihr also vorsichtiger sein, Kinder, und aus euern Fehlern lernen.«

»Das wollen wir tun, Mutter«, versprachen wir beide.

»Ich weiß, daß ihr das tun werdet«, erwiderte sie, und dann fügte sie noch hinzu: »Gott hat wie immer, so auch jetzt in dieser Gefahr seine Hand über euch gehalten. Ihr dürft nicht vergessen, ihm dafür zu danken.«

»Das wollen wir heute abend beim Abendgebet tun«, sagte Manni.

»Habt ihr auch in der Gefahr Gott um Hilfe gebeten?«

»Ja, Mutter«, antwortete ich. »Als ich Manni ins Wasser fallen sah, habe ich gleich zu Gott um Hilfe gebetet. Und nachher, als wir gerettet waren, haben wir beide Gott gedankt.«

»Und als ich ins Wasser fiel, Mutter«, fügte Manni munter hinzu, »da habe ich gerufen: Lieber Gott, hilf mir! Aber mehr konnte ich nicht sagen, denn das Wasser ging mir gleich über den Kopf. – Dann aber habe ich mich fest an die Mähne des Pferdes gehalten, und dann kam ich mit dem Kopf aus dem Wasser heraus.«

Ohne ein Wort zu sagen, drückte die Mutter ihren Liebling an ihr Herz.

Jetzt setzte ich mich neben sie und sagte:

»Mutter, wie du vorhin sagtest, ist es uns bis jetzt immer gut gegangen, wenn wir in Gefahr gewesen sind.«

»Ja, Mutter, so ging es damals auf dem Meere, als die Franzosen uns retteten, und auf den Bergen, als Haldór Helgason von Borg uns in seine Höhle aufnahm«, bemerkte lebhaft der kleine Manni.

»Ihr habt recht, Kinder«, bestätigte die Mutter. »Es ist euch immer bis jetzt gut gegangen. Aber eines sollt ihr doch nicht vergessen: Man darf Gott nicht versuchen. Er will, daß wir von unserer Seite auch vorsichtig und vernünftig sind. – Nur wenn wir das sind, können wir immer auf seine Hilfe rechnen.«

»Wir wollen auch immer vernünftig sein, Mutter. Aber dann darfst du auch nicht bange sein, wenn wir draußen sind«, sagte Manni.

Die Mutter lächelte und strich dem Kleinen liebevoll mit der Hand über die Haare. Dann sagte sie:

»Du hast recht, Manni. Ich glaube, daß Gott alle meine Kinder glücklich machen wird.«

»Ja, das wird er sicher, Mutter«, rief jubelnd der Kleine aus. »Dann mußt du aber auch niemals um uns bange sein.«

»Das bin ich auch nicht, mein liebes Kind«, sagte die Mutter, indem sie aufstand. »Solange ihr nur brav und fromm seid, werde ich nie bange um euch sein und euch auch eure Ausflüge nicht verbieten.«

Es wurde an der Türe geklopft.

Bogga sprang auf, lief nach der Türe und öffnete.

Es war Gunna, die meldete, daß das Abendessen fertig sei.

»Gut, Gunna«, sagte die Mutter, »wir kommen gleich. Aber, bitte, bringe zwei Tassen warme Milch für die beiden Jungen.«

Gunna verschwand wieder in der Küche, und wir begaben uns in ein kleines Zimmer nebenan, wo das Abendessen auf dem Tische stand.

Während der Mahlzeit hatten Manni und ich einen so ungewöhnlich gesunden Appetit, daß Bogga bald darauf aufmerksam wurde.

»Was ihr aber heute abend für einen Hunger habt!« bemerkte sie freundlich lächelnd.

»Das kommt von unserem Ritt, Bogga«, erklärte Manni.

»Und von dem kalten Bad«, fügte ich hinzu.

»Nun, dann hat das kalte Wasser euch wenigstens nicht geschadet«, erwiderte Bogga lachend.

Nach dem Abendessen fühlten wir uns beide vollkommen kräftig und gesund.

Manni lief bald nach dem Fenster und schaute hinaus.

»Das Wetter ist noch immer wunderschön«, rief er mir zu.

»Und wie sieht das Meer aus?« fragte ich.

»Es schlagen glatte, ruhige Grundwellen an den Strand«, antwortete er.

»Dann müssen wir hinunter, Manni.«

»Ja, das müssen wir«, versetzte er. »Es ist alles voll von spielenden Jungen drunten am Ufer.«

Es war unsere Gewohnheit, jeden Abend nach dem Abendessen drunten am herrlichen Meeresstrand mit unsern vielen Kameraden des Städtchens zu spielen.

Das Meer lag nur einige wenige Meter von unserem Hause entfernt.

So liefen wir denn beide wie gewöhnlich, trotz unseres ermüdenden Rittes und des kalten Bades, zu den fröhlichen Knaben hinunter.

Kaum hatten wir den sandigen Strand erreicht, da lief schon ein geweckter kleiner Junge, unser Freund Elis, uns entgegen und rief:

»Aber, Nonni und Manni, wo seid ihr denn den ganzen Nachmittag gewesen? Ich habe sooft nach euch geschaut. Ihr wart aber nirgends zu finden.«

»Das ist eine ganze Geschichte, Elis«, antwortete ich. »Ich werde sie dir gleich erzählen. Aber sage mir zuerst, warum hast du nach uns gesucht?«

»Weil ich heute nachmittag während der Ebbezeit mit einer Schlinge auf der Möwenjagd gewesen bin, und da hätte ich euch gerne mitgehabt.«

»Hast du etwas gefangen?«

»Ja, Nonni, fünf Möven, zwei Seepapageien und einen Raben.«

»Da hast du aber Glück gehabt, Elis.«

»Gewiß. Aber jetzt müßt ihr mir erzählen, was ihr heute nachmittag getrieben habt.«

»Das wollen wir auch gerne tun.«

Wir nahmen Elis in die Mitte, und zogen uns ein wenig von den spielenden Knaben zurück.

Während wir alle drei Arm in Arm der Wasserlinie entlang in der feierlichen Abenddämmerung auf dem Meeresstrande wanderten, erzählten wir Elis, wie es uns auf unserem Nachmittagsritt gegangen war, und wie wir uns aus dem Wasser gerettet hatten.

»Das habt ihr gut gemacht«, sagte Elis. »Ich wollte, ich wäre dabei gewesen.«

»Wir könnten ja an einem der nächsten Tage, wenn das Wetter gut ist, alle drei in das Eyjafjardartal wieder hineinreiten«, schlug ich vor.

»Das ist ein guter Gedanke, Nonni«, rief Elis freudestrahlend aus. »Und jetzt fällt mir soeben etwas ein: Weißt du, was ich heute draußen in der Stadt beim Kaufmann Johnsen gehört habe?«

»Nein, Elis.«

»Es wurde erzählt, dein Vater habe dort im Geschäft ein kleines Jagdgewehr gekauft.«

»Ein kleines Jagdgewehr!« rief ich voll Freude aus. »Dann weiß ich, für wen er es gekauft hat.«

»Ich glaube, ich weiß es auch«, versetzte Elis, indem er mir freundlich lachend ins Gesicht schaute.

»Das ist nicht schwer zu erraten«, bemerkte Manni. »Das kleine Jagdgewehr kann nur für Nonni sein.«

»Gewiß«, sagte Elis. »Nonni wird es morgen als Sommergabe Auf Island werden am ersten Sommertag aus Freude über die Rückkehr des Sommers Geschenke gemacht, die Sommergaben genannt werden. von seinem Vater bekommen.«

»Ja, das glaube ich auch«, erwiderte ich. »Mein Vater weiß nämlich, daß ich mir schon lange ein Jagdgewehr wünsche.«

»Dann ist natürlich kein Zweifel mehr möglich«, sagte Elis.

»Aber jetzt«, fuhr er fort, »hör mal den neuen Einfall, von dem ich vorher sprach: wenn du das Jagdgewehr bekommen hast, dann können wir all drei denselben Ritt machen, den ihr heute gemacht habt, und dort auf den großen Flußinseln auf die Wildenten- und Wildgänsejagd gehen.«

»Was du aber für herrliche Einfälle hast, Elis!« sagte ich, indem ich vor freudiger Erregung meinem kleinen Freund auf die Schulter klopfte. »Ja, das müssen wir unbedingt tun, und sobald wie nur möglich. Die Inseln und Seen dort wimmeln ja von allen möglichen Vögeln.«

Jetzt wurde auch Manni begeistert und stimmte entzückt bei: »Ja, das müssen wir tun, sobald Nonni das Jagdgewehr bekommen hat.«

»Also abgemacht«, sagte Elis. »Am ersten schönen, warmen Tag reiten wir alle drei dorthin und gehen auf die Wildentenjagd.«

»Abgemacht!« riefen Manni und ich gleichzeitig.

»Und diesmal darf keiner von uns ins Wasser fallen«, fügte Elis schelmisch lachend hinzu.

Auch wir lachten und gingen dann alle drei zu unsern Kameraden zurück, um noch eine Weile in der frischen, würzigen Meeresluft beim sanften, geheimnisvollen Rauschen der unaufhörlich sich gegen den Strand wälzenden Abendwellen zu spielen.

Als es dunkel geworden war, hörte das Spielen auf. Wir wünschten einander gute Nacht, und die jugendlichfröhliche Gesellschaft ging auseinander.

Als wir Elis die Hand gedrückt hatten, liefen auch Manni und ich nach Hause, gaben der Mutter und Bogga den Abendgruß und sprangen die Treppe zum ersten Stock hinauf.

»Glaubst du wirklich, Nonni, daß der Vater dir das kleine Jagdgewehr morgen als Sommergabe schenken wird?« flüsterte mir mein kleiner Bruder ins Ohr, während wir durch den obern Gang nach unsern Schlafzimmern gingen.

»Ja, Manni, das glaube ich ganz sicher. Ich habe ihn ja öfters um eine Vogelflinte gebeten, und er weiß, daß ich ganz gut schießen kann. Für wen sollte sonst das kleine Jagdgewehr sein?«

»Du hast recht, Nonni. Wie freue ich mich aber auf die Wildentenjagd!«

»Ja, die wird herrlich sein, Manni. Wir werden aber sicher nicht nur Wildenten, sondern auch andere Vögel schießen. Vielleicht Schneehühner und Wildgänse, oder auch sogar Falken und Adler. Ja, wer weiß, vielleicht werden wir auch Füchse treffen. Den Schwänen tun wir aber nichts. Sie sind so schön.«

Ich trat jetzt in mein Schlafzimmer hinein. Manni ging mit.

Wir setzten uns beide, er auf einen Stuhl, ich auf die Bettkante.

»Ich fürchte aber sehr«, fuhr er fort, »daß du nicht leicht einen Adler treffen wirst. Sie fliegen immer hoch.«

»Ja, die Adler fliegen hoch. Aber wenn die Flinte gut ist, dann reicht sie doch vielleicht soweit. – Und wenn wir auch keinen Adler bekommen, dann bekommen wir vielleicht statt dessen Füchse.«

»Meinst du, Nonni?«

»Ja, Manni; wenn man einmal auf der Jagd ist und ein gutes Gewehr hat, dann kann man ja so viele verschiedene Vögel und sonstige Tiere schießen.«

»O, wie freue ich mich doch darauf!« wiederholte Manni nun schon zum dritten oder vierten Male.

»Ich auch. Und ich bin sicher, jetzt denkt auch Elis an die Jagd und freut sich darauf wie wir.«

»Ja, das wird er sicher tun. Er schien ganz begeistert zu sein.«

»Das ist er auch. Und er hat auch zuerst angefangen, davon zu sprechen.«

»Es ist gut, Nonni, daß Elis mitkommt. Er ist ein tüchtiger Junge.«

»Aber, Nonni, diesmal reiten wir nicht auf dem Goldfuchs. Er ist zu feurig.«

»Nein, davor werden wir uns hüten, Manni. Wir werden diesmal auf unsern eigenen Pferden reiten, dem Grani und dem Blesi.«

»Ja, das ist das beste. Wir beide reiten auf dem Grani und Elis auf dem Blesi.«

»Ja. Und dann ziehen wir so früh wie nur möglich am Morgen aus, damit wir den ganzen Tag vor uns haben.«

So saßen wir da im Dunkel und plauderten noch eine Weile zusammen, machten Pläne und bauten Luftschlösser.

Endlich fing aber Manni an, schläfrig und müde zu werden.

Wir standen deshalb auf und beteten ein kurzes Abendgebet.

Dann wünschten wir uns gute Nacht. Manni hüpfte munter aus dem Zimmer hinaus, und wir gingen beide zu Bett.

Ein paar Minuten später lagen wir im tiefen Schlaf und träumten von dem Goldfuchs und der herrlichen Wildentenjagd auf den saftigen grünen Inseln im Bette des Flusses Eyjafjardará.


 << zurück weiter >>