August Strindberg
Die Gespenstersonate
August Strindberg

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Ein Zimmer in etwas bizarrem Stil, orientalischen Motiven. Überall Hyazinthen in allen Farben. Auf dem Ofen sitzt ein großes Buddhabild mit einer Blumenzwiebel zwischen den Knien, aus der der Stengel einer Askalonzwiebel emporgeschossen ist, den kugelförmigen Blütenstand mit den weißen Sternblumen tragend.

Im Hintergrunde rechts eine Tür nach dem runden Salon: dort sieht man den Obersten und die Mumie beschäftigungslos und stumm sitzen, nur ein Stück des Totenschirms ist sichtbar; links eine Tür nach der Anrichte und der Küche.

Der Student und Fräulein (Adele) am Tisch; sie vor der Harfe, er stehend.

Das Fräulein. Singen Sie jetzt meinen Blumen etwa vor!

Der Student. Sind dies die Blumen Ihrer Seele?

Das Fräulein. Es ist mein einziges! Lieben Sie Hyazinthen?

Der Student. Ich liebe sie über alle andern Blumen, ihre jungfräuliche Gestalt, die sich schlank und gerade aus der Zwiebel erhebt; die wiederum ruht auf dem Wasser und senkt ihre weißen, reinen Wurzeln in die farblose Flüssigkeit; ich liebe ihre Farben, die schneeweiße unschuldige, reine, die honiggelbe liebliche, die rosa junge, die rote reife, vor allem aber die blaue, die tagblaue, die tiefäugige, die treue... ich liebe sie alle, mehr als Gold und Perlen, habe sie geliebt, als ich noch ein Kind war, habe sie bewundert, weil sie alle die schönen Eigenschaften besitzen, die mir fehlen... doch! ...

Das Fräulein. Was?

Der Student. Meine Liebe ist unerwidert, denn die schönen Blumen hassen mich.

Das Fräulein. Wieso?

Der Student. Ihr Duft, stark und rein von den ersten Winden des Frühlings, der über geschmolzenen Schnee dahingezogen ist, verwirrt meine Sinne, betäubt mich, blendet mich, drängt mich aus dem Zimmer hinaus, beschießt mich mit giftigen Pfeilen, die mir das Herz weh und den Kopf heiß machen! Kennen Sie nicht das Märchen von den Blumen?

Das Fräulein. Erzählen Sie es!

Der Student. Erst aber seine Deutung. Die Zwiebel, die auf dem Wasser ruht oder in dem Humus, ist die Erde. Jetzt schießt der Stengel empor, gerade wie die Erdachse, an seinem oberen Ende sitzen die sechsstrahligen Sternblüten.

Das Fräulein. Über der Erde die Sterne! Ach, das ist groß, woher haben Sie das, wo sahen Sie das?

Der Student. Lassen Sie mich nachdenken! – In Ihren Augen! – Es ist also ein Bild des Kosmos ... Deswegen sitzt Buddha mit der Zwiebel Erde da, mit grübelnden Blicken, weil er sie sehen will, wie sie heraus- und emporwächst und sich zu einem Himmel umformt. – Die arme Erde soll zum Himmel werden! Darauf wartet Buddha!

Das Fräulein. Aber – sind nicht die Schneeblüten auch sechsstrahlig, so wie die Lilien – Hyazinthen?

Der Student. Ganz recht! – da sind die Schneeblumen fallende Sterne ...

Das Fräulein. Und das Schneeglöckchen ist ein Schneestern ... aus dem Schnee gewachsen.

Der Student. Aber der Sirius, der größte und schönste von den Sternen des Firmaments in Gelb und Rot, das ist die Narzisse mit ihrem gelben und roten Kelch und den sechs weißen Strahlen ...

Das Fräulein. Haben Sie die Askalonzwiebel blühen sehen?

Der Student. Freilich sah ich sie blühen! – Sie trägt ihre Blüten in einem Ball, in einer Kugel, die der Himmelskugel gleicht, mit weißen Sternen übersäet...

Das Fräulein. Ja, Gott, wie groß! Wessen Gedanke war das?

Der Student. Der deine!

Das Fräulein. Der deine!

Der Student. Der unsere! – Wir haben etwas Gemeinsames erzeugt, wir sind getraut...

Das Fräulein. Noch nicht!

Der Student. Was fehlt denn noch?

Das Fräulein. Warte: die Prüfungen, Geduld!

Der Student. Wohlan! Prüfen Sie mich! Pause. Sagen Sie doch, warum sitzen die Eltern da drinnen so stumm, ohne nur ein einziges Wort zu sagen?

Das Fräulein. Weil sie einander nichts zu sagen haben, weil der eine nicht glaubt, was der andere sagt. Mein Vater hat das so ausgedrückt: Was für einen Zweck hat es, zu reden, wir können einander ja doch nicht täuschen!

Der Student. Das ist schrecklich zu hören ...

Das Fräulein. Da kommt die Köchin ... Sehen Sie sich die an, wie groß und fett sie ist...

Der Student. Was will sie?

Das Fräulein. Sie will mich nach dem Mittagessen fragen, ich führe nämlich den Haushalt während der Krankheit meiner Mutter...

Der Student. Sollen wir uns um die Küche bekümmern?

Das Fräulein. Wir müssen ja etwas zu essen haben ... Sehen Sie sich die Köchin an, ich kann sie nicht sehen ...

Der Student. Wer ist dies Riesenweib?

Das Fräulein. Sie gehört zu der Vampirfamilie Hummel; sie frißt uns auf...

Der Student. Warum wird sie denn nicht verabschiedet?

Das Fräulein. Sie geht nicht. Wir haben keine Macht über sie, wir haben sie um unserer Sünden willen bekommen... Sehen Sie nicht, daß wir hinschwinden, verzehrt werden ...

Der Student. Bekommen Sie denn nichts zu essen?

Das Fräulein. Freilich, wir bekommen viele Gerichte, aber alle Kraft ist weg... Sie kocht das Fleisch aus, gibt uns die Fasern und das Wasser, während sie selbst die Kraftbrühe trinkt; und wenn es Braten gibt, so kocht sie erst die Kraft heraus, ißt die Sauce, trinkt die Brühe; alles, was sie anrührt, verliert seinen Saft, es ist, als söge sie sie mit den Augen aus; wir bekommen den Bodensatz, wenn sie den Kaffee getrunken hat, sie trinkt aus den Weinflaschen und füllt sie mit Wasser...

Der Student. Jagen Sie sie weg!

Das Fräulein. Das können wir nicht!

Der Student. Warum nicht?

Das Fräulein. Wir wissen es nicht! Sie geht nicht! Niemand vermag etwas über sie – sie hat uns ja die Kraft ausgesogen!

Der Student. Soll ich sie wegjagen?

Das Fräulein. Nein! Es soll wohl so sein, wie es ist! – Jetzt ist sie hier! Dann fragt sie, was es zu Mittag geben soll, ich antworte das und das; sie erhebt Einwand, und dann wird es so, wie sie will.

Der Student. Dann lassen Sie sie doch selbst bestimmen!

Das Fräulein. Das will sie nicht.

Der Student. Das ist doch ein sonderbares Haus. Es ist verhext!

Das Fräulein. Freilich! Aber jetzt kehrt sie um, weil sie Sie gesehen hat!

Die Köchin in der Tür. Nein, nicht deswegen! Grinst so, daß die Zähne zu sehen sind.

Der Student. Raus, Weib!

Die Köchin. Wenn es mir beliebt! Pause. Jetzt beliebt es mir! Verschwindet.

Das Fräulein. Ereifern Sie sich nicht! – Üben Sie sich in Geduld; sie gehört zu den Prüfungen, die wir hier im Hause durchmachen! Aber wir haben auch ein Hausmädchen, hinter der wir aufräumen müssen!

Der Student. Jetzt versinke ich! Cor in aethere! Gesang!

Das Fräulein. Warten Sie!

Der Student. Gesang!

Das Fräulein. Geduld! – Dies Zimmer wird das Prüfungszimmer genannt – es ist schön zu sehen, besteht aber aus eitel Gebrechlichkeiten ...

Der Student. Unglaublich; aber das muß man übersehen! Schön ist es, aber ein wenig kalt. Warum heizen Sie nicht?

Das Fräulein. Weil der Ofen raucht.

Der Student. Kann man den Schornstein nicht kehren?

Das Fräulein. Das hilft nicht!... Sehen Sie den Schreibtisch dort?

Der Student. Außerordentlich schön!

Das Fräulein. Aber er hinkt; ich lege jeden Tag eine Korkscheibe unter den Fuß, aber das Hausmädchen nimmt sie wieder weg, wenn sie kehrt, und ich muß eine neue schneiden. Der Federhalter ist jeden Morgen voller Tinte und das Schreibzeug ebenfalls; das muß ich jeden Tag, den Gott werden läßt, hinter ihr abwaschen. Pause. Was ist das Schlimmste, das Sie kennen?

Der Student. Wäsche nachzählen! Hu!

Das Fräulein. Das ist mein Amt! Hu!

Der Student. Und was sonst?

Das Fräulein. In seinem nächtlichen Schlaf gestört werden, wenn man aufstehen und das Fenster festhaken muß ... weil das Hausmädchen es vergessen hat.

Der Student. Und was sonst noch?

Das Fräulein. Auf eine Leiter steigen und die Ofenklappenschnur befestigen, weil das Hausmädchen sie abgerissen hat.

Der Student. Und was sonst noch?

Das Fräulein. Hinter ihr her kehren, hinter ihr her abstauben, und hinter ihr her den Ofen anheizen, denn sie legt nur das Holz hinein! Acht auf die Ofenklappe geben, die Gläser trocknen, den Tisch umdecken, die Weinflaschen aufziehen, die Fenster öffnen und lüften, mein Bett noch einmal machen, die Wasserflasche spülen, wenn sie von Algen grün wird, Streichhölzer und Seife kaufen, was beides nie da ist, die Lampengläser putzen und die Dochte beschneiden, damit die Lampen nicht flammen; und damit die Lampen nicht ausgehen, wenn Besuch da ist, muß ich sie selbst füllen ...

Der Student. Gesang!

Das Fräulein. Warten Sie! – Erst die Beschwerden, die Beschwerden, sich das Unreine im Leben fernzuhalten.

Der Student. Aber Sie sind doch vermögend, Sie haben zwei Dienstboten!

Das Fräulein. Das hilft nicht! Und wenn man dreie hätte! Es ist beschwerlich zu leben, und ich bin oft müde ... Denken Sie sich dann noch ein Kinderzimmer dahinzu!

Der Student. Die größte aller Freuden ...

Das Fräulein. Die kostbarste ... Ist das Leben so viel Mühe wert?

Der Student. Das hängt wohl von dem Lohn ab, den man von der Mühe erwartet ... ich würde nichts scheuen wenn ich Ihre Hand gewinnen könnte!

Das Fräulein. Reden Sie nicht so! – Sie können mich nie bekommen!

Der Student. Warum nicht?

Das Fräulein. Danach dürfen Sie nicht fragen.

Pause.

Der Student. Sie ließen das Armband aus dem Fenster fallen ...

Das Fräulein. Weil meine Hand so schmal geworden ist...

Pause.

Die Köchin erscheint mit einer japanischen Flasche in der Hand.

Das Fräulein. Da ist die, die mich auffrißt und uns alle.

Der Student. Was hat sie in der Hand?

Das Fräulein. Die Coleurflasche mit den Skorpionbuchstaben! Es ist die Soja, die das Wasser in Kraftbrühe verwandelt, die Sauce ersetzt, von der man Kohl kocht, aus der man Schildkrötensuppe macht.

Der Student. Raus!

Die Köchin. Sie saugen uns die Kraft aus, und wir Ihnen; wir nehmen das Blut, und Sie bekommen das Wasser dafür wieder – mit Coleur! Dies ist Coleur! Jetzt gehe ich, aber ich bleibe doch so lange, wie ich will! Ab.

Der Student. Warum hat Bengtsson eine Medaille?

Das Fräulein. Um seiner großen Verdienste willen.

Der Student. Hat er keine Fehler?

Das Fräulein. Ja, sehr große, aber für die bekommt man keine Medaille. Sie lachen.

Der Student. Sie haben so viele Geheimnisse hier im Hause ...

Das Fräulein. So wie alle andern ... lassen Sie uns die unsern behalten!

Pause.

Der Student. Lieben Sie Aufrichtigkeit?

Das Fräulein. Ja, mit Maßen!

Der Student. Mich überkommt zuweilen ein rasendes Verlangen, alles zu sagen, was ich denke; aber ich weiß, daß die Welt zusammenstürzen würde, wenn man wirklich aufrichtig wäre. Pause. Ich war auf einer Beerdigung in diesen Tagen ... in der Kirche – das war sehr feierlich und schön!

Das Fräulein. Auf Direktor Hummels Beerdigung?

Der Student. Meines falschen Wohltäters, ja! – Zu Häupten des Sarges stand ein älterer Freund des Verstorbenen, und er führte den Leichenzug an; der Geistliche imponierte mir besonders durch sein würdiges Auftreten und seine rührenden Worte. – Ich weinte, wir weinten alle. – Hinterher gingen wir in ein Wirtshaus ... Dort erfuhr ich, daß der Leichenzugführer den Sohn des Verstorbenen geliebt hatte ...

Das Fräulein sieht ihn scharf an, um den Sinn seiner Worte zu ergründen.

Der Student. Und daß der Verstorbene Geld von dem Bewunderer seines Sohnes geliehen hatte ... Pause. Am Tage darauf wurde der Geistliche verhaftet, weil er die Kirchenkasse bestohlen hatte! – Das ist doch hübsch!

Das Fräulein. Hu!

Pause.

Der Student. Wissen Sie, was ich jetzt von Ihnen denke?

Das Fräulein. Sagen Sie das nicht, denn dann sterbe ich!

Der Student. Ich muß, denn sonst sterbe ich! ...

Das Fräulein. Im Krankenhaus sagt man alles, was man denkt ...

Der Student. Ja, alles! – Mein Vater endete in einem Irrenhaus.

Das Fräulein. War er krank?

Der Student. Nein, er war gesund, aber er war verrückt! Nun ja, es brach einmal unter folgenden Umständen aus ... Er war so, wie wir alle, von einem Umgangskreis umgeben, er nannte die Leute der Kürze halber Freunde; es war ein Haufe von Schurken, wissen Sie, sowie die Menschen meistens sind. Aber er mußte Verkehr haben, da er nicht allein sitzen konnte. Nun ja, man sagt den Menschen im täglichen Leben nicht, was man von ihnen denkt, und das tat er auch nicht. Er wußte sehr wohl, wie falsch sie waren, er kannte ihre Treulosigkeit bis auf den Grund ... aber er war ein weiser Mann und wohlerzogen, deswegen war er immer höflich. Aber eines Tages gab er eine große Gesellschaft – es war eine Abendgesellschaft; er war müde von der Arbeit des Tages und von der Anstrengung, teils schweigen, teils Blech mit den Gästen reden zu müssen ...

Das Fräulein schaudert.

Der Student. Ja, und dann bei Tische bricht er das Schweigen, ergreift sein Glas und hält eine Rede ... Da ließen die Sperrhaken nach, und in einer längeren Auseinandersetzung entkleidete er die ganze Gesellschaft, einen nach dem andern, hielt ihnen alle ihre Falschheit vor. Und müde setzte er sich mitten auf den Tisch und bat sie, sich zur Hölle zu scheren!

Das Fräulein. Hu!

Der Student. Ich war mit dabei, und ich vergesse nie, was dann geschah! ... Vater und Mutter schlugen sich, die Gäste stürzten zur Tür hinaus ... und Vater wurde in das Irrenhaus gebracht, wo er starb! Pause. Durch zu langes Schweigen bildet sich stillstehendes Wasser, das fault, und so ist es hier im Hause ebenfalls. Hier ist etwas faul! Und ich glaubte, es sei das Paradies, als ich Sie hier zum erstenmal hineingehen sah ... Da stand ich am Sonntagmorgen und sah hier hinein; ich sah einen Obersten, der kein Oberst war, ich hatte einen edlen Wohltäter, der ein Bandit war und sich erhängen mußte, ich sah eine Mumie, die keine war, und eine Jungfrau, apropos, wo findet man Virginität? Wo findet man Schönheit? In der Natur und in meinem Gemüt, wenn es sein Sonntagsgewand trägt! Wo findet man Treu und Glauben? In den Märchen und in den Kindervorstellungen! Wo findet man das, was hält, was es anspricht? In meiner Phantasie! – Nun haben Ihre Blumen mich vergiftet, und ich habe Ihnen das Gift zurückgegeben – ich bat, Sie zur Gattin in einem Heim machen zu dürfen; wir dichteten, sangen und spielten, und da trat die Köchin ein ... Sursum corda! Versuchen Sie noch einmal, Feuer und Purpur aus der goldenen Harfe zu schlagen ... versuchen Sie es, ich bitte, ich befehle auf meinen Knien ... Gut, dann tue ich es selbst. Nimmt die Harfe, aber die Saiten gehorchen nicht. Sie ist stumm und taub! Denken Sie nur, die schönsten Blumen sind so giftig, sind die giftigsten, der Fluch ruht ja auf der ganzen Schöpfung und dem Leben ... Warum wollten Sie meine Braut nicht sein? Weil Sie krank sind an dem Quell des Lebens ... jetzt fühle ich, wie der Vampir in der Küche anfängt mich auszusaugen, ich glaube, es ist eine Lamia, die Kinder säugt –in der Küche werden den Kindern der Familie immer die Herzblätter abgeknipst, falls es nicht in der Schlafstube geschieht... es gibt Gifte, die das Gesicht wegnehmen, und Gifte, die die Augen öffnen – ich bin gewiß mit dem letzteren geboren, denn ich kann das Häßliche nicht schön sehen oder das Schlechte gut nennen, ich kann es nicht! Jesus Christus stieg in die Hölle hinab, das war seine Wanderung auf Erden, nach dem Tollhaus, dem Zuchthaus, dem Leichenhaus Erde hinab; und die Toren töteten ihn, als er sie befreien wollte, aber der Bandit wurde freigegeben, der Räuber hatte aller Sympathien! – Wehe! wehe über uns alle! Heiland der Welt, erlöse uns, wir vergehen!

Das Fräulein ist zusammengesunken, scheint sterbend, klingelt.

Bengtsson erscheint.

Das Fräulein. Bringen Sie den Schirm! – Schnell – ich sterbe!

Bengtsson zurück mit dem Schirm, den er auseinanderschlägt und vor das Fräulein stellt.

Der Student. Der Befreier kommt! Willkommen, du Bleicher, Milder! – Schlafe, du Schöne, Unglückliche, Unschuldige, ohne Schuld an deinen Leiden, schlafe ohne Träume, und wenn du wieder erwachst ... mögest du begrüßt werden von einer Sonne, die nicht brennt, in einem Heim ohne Staub, von Freuden ohne Schande, von einer Liebe ohne Makel ... Du weiser, milder Buddha, der du da sitzest und wartest, daß ein Himmel aus der Erde emporwachsen soll, verleihe uns Geduld in den Prüfungen, Reinheit im Wollen, daß die Hoffnung nicht zu Schanden werde! Es säuselt in den Saiten der Harfe, ein weißes Licht füllt das Zimmer.

Sah die Sonne, und es war mir,
Als erschaut' ich den Verborgnen;
Seine Werke Menschen freuen,
Glücklich, wer da Gutes übet.
Für die Zornestat, die du vollbrachtest,
Büße nicht mit Bosheit;
Tröste, den du einst betrübet,
Gütig; und du hast gesühnet.
Niemand fürchtet, der nicht Böses wollte;
Schadlos sei, und du bist gut.

Man hört ein Stöhnen hinter dem Schirm.

Du armes kleines Kind, Kind dieser Welt der Irrungen, der Schuld, des Leidens und des Todes, dieser Welt des ewigen Wechsels, der Enttäuschungen und Schmerzen! Der Herr des Himmels sei dir gnädig auf der Fahrt ...

Das Zimmer verschwindet; Boecklins Toteninsel wird zum Hintergrund; schwache Musik, still, angenehm trauernd, tönt von der Insel herüber.


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