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III

Welch' unsagbares Glück, verheiratet zu sein! Vor den Augen der törichten Welt verborgen, im innigsten, ungestörten Zusammenleben mit der Heißgeliebten. Ich habe das elterliche Heim wiedergefunden, die Sicherheit, die Ruhe nach den Stürmen, das Nest, welches die junge Brut erwartet.

Ich bin von allen Gegenständen, die ihr gehören, von Trümmern ihres Elternhauses umgeben, und ich fühle, daß ich auf ihren Stamm aufgepfropft bin; die Ölgemälde ihrer Vorfahren machen mir den Eindruck, als ob ich von ihrer Familie adoptiert wäre, weil ja ihre Ahnen bald die Ahnen meiner Kinder sein werden. Ich erhalte alles von ihrer Hand; sie schmückt mich mit Gegenständen, die ihrem Vater gehörten, das Essen wird auf dem Porzellan ihrer Mutter aufgetragen, sie schenkt mir Kleinigkeiten und Nippsachen, an welchen Erinnerungen vergangener Zeiten haften, sie erinnern manchmal an berühmte Kriegshelden, die von den großen Dichtern des Vaterlandes besungen wurden, was dem Geist des Bürgerlichen gewaltig imponiert. Sie ist die Wohlthäterin, die Spenderin all der hochherzigen Gaben, und ich bin von allem so geblendet, daß ich schließlich vergesse, daß ich sie wieder zu Ehren gebracht, sie aus dem Schmutz gezogen habe, daß ich sie zur Frau eines Mannes von Zukunft machte, sie, die durchgefallene Schauspielerin, die verurteilte Gattin, die ich wahrscheinlich vor dem niedrigsten Sinken bewahrt habe.

Und welch angenehmer Haushalt! Alle Träume von einer freien Ehe sind verwirklicht. Kein Ehebett, kein gemeinsames Zimmer, keine gemeinsame Toilette, so daß die Unsauberkeiten der heiligen, legitimen Verbindung ferngehalten werden. Eine schöne Einrichtung diese Ehe, wie wir sie ins Werk gesetzt und verbessert haben. Durch das getrennte Schlafen behält man die schöne Gelegenheit, so oft und so lange man will, einander gute Nacht zu wünschen, und die immer erneute Freude, einander guten Tag zu sagen, indem man sich nach dem Schlaf und dem Wohlbefinden erkundigt. Und die verstohlenen und zärtlichen Besuche in den Schlafzimmern, denen immer galantes Spiel vorangeht, an Stelle jener Gewaltsamkeiten, die das Ehebett mit sich bringt.

Und wie eifrig arbeitet man zu Hause! Die Frau sitzt neben dem Schreibtisch und arbeitet an den Windeln für das erwartete Kind, während wir früher in unserm Müßiggang soviel Zeit auf die Rendez-vous vergeudeten.

Nach einem Monat innigsten Zusammenlebens findet die Entbindung vorzeitig statt, ein Mädchen kommt zur Welt, schwach, kaum fähig zu atmen. Sie wird sofort bei der als anständig bekannten Hebeamme untergebracht, die in der Nachbarschaft wohnt; aber nach zwei Tagen ging die Kleine dahin, wie sie gekommen, ohne Schmerzen, aus Mangel an Lebenskraft, nachdem sie von der Hebeamme die Nottaufe erhalten hatte.

Die Mutter empfängt die Nachricht mit Gewissensbissen, in die sich offenbar auch Befriedigung mischt, da sie nun von unübersehbaren Sorgen befreit war, zumal die Vorurteile der Welt sie verhinderten, ein Kind bei sich zu behalten, das zu früh gekommen war.

Doch jetzt wird mit beiderseitigem Einverständnisse die Parole ausgegeben: Keine Kinder mehr! Ein Leben zu Zweien, als Kameraden, als Mann und Frau, ohne Entbehrungen in der Liebe, Jeder für sich, um sich den Weg zu seinem besonderen Ziel zu bahnen. Da sie mir in Bezug auf meine Ungefährlichkeit nicht mehr traut, wenden wir die einfachsten und zugleich unschädlichsten Mittel an.

Nachdem diese Angelegenheit in Ordnung gebracht und die drohende Gefahr beseitigt war, begannen wir aufzuatmen und nachzudenken. Da meine Familie sich von mir abgewendet hat, so habe ich keine lästigen Verwandten mit in die Ehe gebracht; und meine Frau, die in der Stadt nur eine Tante hat, genirt mich nicht durch Familienbeziehungen, welche für Neuvermählte so störend sind.

Aber nach einiger Zeit, ungefähr sechs Wochen, entdecke ich, daß sich unter den Kleidern meiner Frau zwei Eindringlinge versteckt hatten.

Zuerst ein Pudel, King Charles-Rasse, ein ekliges Tier mit triefenden Augen, das mich mit schrecklichem Gebell empfängt, wenn ich heimkomme, als wenn ich nicht zum Hause gehörte. Ich kann die Hunde nicht leiden, diese Beschützer der Feiglinge, welche nicht den Mut haben, selbst zu beißen; und dieser Hund ist mir antipathisch als Erbstück aus der früheren Ehe, als fortwährende Erinnerung an den abgeschafften Gatten. Als ich ihn zum ersten Male zur Ruhe verwies, machte mir meine Frau leise Vorwürfe; sie entschuldigte sich damit, daß das scheußliche Tier für sie die letzte Erinnerung an ihre verstorbene Tochter sei, daß sie mich niemals für so grausam gehalten hätte, und so weiter.

Eines Tages bemerke ich, daß das Scheusal den großen Teppich im Salon beschmutzt hat. Ich züchtige den Hund, das zieht mir aber den Vorwurf zu, daß ich ein Schinder wäre, der unvernünftige Tiere schlüge.

– Aber was willst Du dazu thun, mein Kind; die dummen Tiere verstehen doch die menschliche Sprache nicht.

Sie weint und erklärt, daß sie vor einem Manne Furcht habe, der so bösartig sei, wie ich.

Das Scheusal fährt fort, auf dem kostbaren Teppich seine Bequemlichkeit zu suchen.

Darauf will ich seine Erziehung übernehmen und suche meiner Frau einzureden, daß Hunde sehr gelehrig seien, mit ein wenig Ausdauer könne man Wunder erzielen.

Sie wird wütend, und zum ersten Male macht sie mir bemerklich, daß der Teppich ihr gehöre.

– So nimm ihn doch weg. Ich habe mich nicht verpflichtet, in einem Kloset zu leben.

Der Teppich bleibt, das Tier wird besser überwacht als früher und nimmt sich auch nach meiner strengen Strafe mehr zusammen.

Da kamen neue Unfälle!

Um Ausgaben zu vermeiden, namentlich aber, um die Unbequemlichkeit zu sparen, in der Küche Feuer zu machen, habe ich mich dazu entschlossen, Abends kalt zu essen. Da komme ich eines Abends in die Küche und treffe das Mädchen dabei, wie sie Kalbscoteletten in der Pfanne bratet.

–»Für wen sind die Coteletten?«

–»Für den Hund!«

Meine Frau kommt.

–»Liebes Kind ...«

–»Ich bezahle die Fütterung allein!«

–»Ganz gut; aber ich esse kalt, und Du fütterst mich schlechter als Deinen Hund, der auf meine Kosten lebt.«

Die gute Kameradin! Sie bezahlt allein!

Allmählich wird der Pudel als Abgott, als Märtyrer verehrt, und sie schließt sich mit einer Freundin, einer ganz frischen Freundin ein, um das Scheusal anzubeten, das mit einem blauen Bande um den Hals aufgeputzt ist. Und die lieben Frauen weinen über die menschliche Bosheit, die in meiner Person verkörpert ist.

Da steigt in mir ein tötlicher Haß auf gegen diesen Friedensstörer, der sich überall umherdrückt. Meine Frau hat ihm eine Lagerstelle aus einem Federkissen mit einer Menge Tücher bereitet, welches den Weg versperrt, wenn ich ihr am Morgen guten Tag sagen, wenn ich sie Abends besuchen will. Und am Sonnabend Abend, am Ende einer arbeitsreichen Woche, wo ich darauf rechne, mit meiner Frau allein zu sein, vor dem Kamin sitzend ein Glas Wein zu trinken und über die Vergangenheit und die Zukunft zu plaudern, bringt die Gesellschaft drei Stunden in der Küche zu, es wird Feuer gemacht, das Haus wird umgedreht, um das Scheusal zu waschen.

– Ist sie boshaft, frage ich mich, da ich mich so behandelt sehe.

– Sie, boshaft, mit ihrem teilnahmsvollen Herzen, die sogar das eheliche Glück für ein armes, verlassenes Tier opfert, sagt die Freundin.

Diese Gemeinheit übersteigt doch alle Grenzen!

Zu einer Zeit schien mir das aus dem Restaurant gebrachte Essen außerordentlich schlecht zu sein; aber das liebe Kind mit ihrer unwiderstehlichen Gutmütigkeit, redet mir wirklich ein, daß ich wählerischer geworden sei. Und ich glaube ihr, weil ihre Seele offen und aufrichtig ist, was sie unaufhörlich beteuert.

Endlich ist das fatale Mittagessen aufgetragen. Auf den Tellern liegen aber nur Knochen und Sehnen.

– Was hast Du uns denn da gebracht, mein Kind, frage ich das Dienstmädchen.

– Heute war es nicht so schlecht, aber Madame hat mir befohlen, die großen Stücke für den Hund bei Seite zu legen ...

Eine auf frischer That ertappte Frau ist eine gefährliche Sache, weil alle Schuld vierfach auf dein Haupt zurückfallen wird.

Sie ist niedergedonnert, als Lügnerin entlarvt, ja noch mehr, als Gaunerin, denn sie hatte behauptet, daß sie das Tier für ihre Rechnung füttere.

Stumm, fahl, flößte sie mir nur Mitleid ein; ich schämte mich für sie. Da ich sie nicht erniedrigt sehen wollte, zeigte ich mich als edelmütigen Sieger; ich tröstete sie wegen des Mißgeschicks, klopfte ihr auf die Wange und bat sie, sich wegen dieser Kleinigkeit nicht zu ärgern.

Großmut war nicht ihre Sache, und so brach sie los. Ich wäre ein Bauer, ohne Erziehung, wenn ich es fertig brächte, sie vor einem Dienstmädchen bloszustellen, ich wäre ein schlecht dressiertes Tier. Das sollte ich Alles sein! Darauf bekam sie einen heftigen Weinkrampf, stand vom Tisch auf, warf sich auf das Sopha, schrie wie eine Wahnsinnige, schluchzte und rief, daß es ihr Tod sei.

Ich glaubte nicht daran und sagte in eisigem Tone:

– Und diese ganze Scene um einen Hund!

Sie schluchzt schrecklich, überdies schüttelt ein schrecklicher Husten ihren von der Entbindung noch schwachen Körper; ich lasse mich wiederum täuschen und schicke zum Arzt.

Er kommt, untersucht die Brust, fühlt den Puls und geht ärgerlich fort. An der Thür halte ich ihn einen Augenblick auf und frage ihn:

– Was ist es denn?

– Nichts, sagt er und zieht den Paletot an.

– Nichts?

– Gar nichts! Sie wissen ja, die Frauen ... Adieu!

Wenn ich damals gewußt hätte, was ich heute weiß, wo ich das Mittel entdeckt habe, die großen und die kleinen hysterischen Anfälle zu heilen! Aber damals wußte ich noch nichts; ich küsse ihr die Augen und bitte sie um Verzeihung. Warum? Sie drückt mich an ihre Brust, nennt mich ihr artiges Kind; ich müßte sie doch schonen, sie sei ja so schwach, so gebrechlich, daß sie eines schönen Tages sterben würde, wenn das liebe Kind die schreckliche Scene, die es angestiftet, wiederholen würde.

Um das Glück vollzumachen, nehme ich das Scheusal auf, streichele ihm den Rücken, was mir während der nächsten halben Stunde himmlische Blicke einträgt.

Von nun an legt der Hund seinen Mist unverfroren überall hin, er thut dies in einer Art von Rachegefühl! Ich halte meine Wut zurück und warte auf eine günstige Gelegenheit, um mich aus dem Kot zu befreien, in dem ich leben muß.

Der günstige Augenblick kommt. Als ich eines Tages zum Essen nach Hause komme, finde ich meine Frau in Thränen und in tiefer Trauer, der Tisch ist nicht gedeckt, denn das Dienstmädchen ist fortgegangen, um den fortgelaufenen Hund zu suchen.

Ich verberge meine innere Freude, obgleich mir meine trostlose Frau leid thut; aber sie kann die einfache Thatsache nicht verstehen, daß ich an ihrem Schmerz Anteil nehme, wenngleich ich eine Genugthuung darüber empfinde, daß ein Feind von der Bildfläche verschwunden ist.

Sie errät, was in mir vorgeht, und bricht los:

– Das freut Dich, nicht wahr? Du weidest Dich an dem Unglück Deines Nächsten; Du bist ein Bösewicht. Und Du liebst mich nicht mehr!

– Ich liebe Dich, mein Herz, aber ich hasse Deinen Hund!

– Wenn Du mich liebst, mußt Du auch meinen Hund lieben.

– Ich liebe Dich, sonst hätte ich Dich geschlagen!

Die Wirkung dieses Wortes war schrecklich. Eine Frau schlagen, ist es möglich, schlagen! Sie wird heftig und will mir einreden, daß ich den Hund losgelassen oder vergiftet hätte.

Nachdem ich zum Polizei-Kommissar, sogar zum Schinder gefahren war, wird der Friedensstörer endlich gefunden, dieses Ereignis wird durch ein großes Fest im Hause gefeiert, an welchem die Freundin teilnimmt, und diese sieht mich in Zukunft als einen Giftmischer an, wenigstens als einen Menschen, dem man so etwas wohl zutrauen könnte.

Von jetzt an wird das Thier im Zimmer meiner Frau eingeschlossen, und das Liebesnest, das ich künstlerisch ausgeschmückt hatte, verwandelt sich in eine Hundehütte. Die ohnehin schon enge Wohnung wird dadurch noch kleiner, und unser Zusammenleben ist gestört. Auf meinen Widerspruch antwortet sie, daß es ihr Zimmer sei.

Nunmehr bereite ich mich zu einem schrecklichen Kreuzzug vor. Ich lasse Madame schmachten, bis ihr heißes Blut aufwallt und sie mich schließlich einladet.

– Du sagst mir ja gar nicht mehr guten Morgen, sagt sie.

– So lange die Thür geschlossen bleibt, komme ich nicht.

Sie schmollt; ich schmolle und koste die Bitterkeit des Cölibats vierzehn Tage lang; ich zwinge sie, in mein Zimmer zu kommen, mich um die Gunst zu bitten, die sie wünscht. Das zieht mir ihren Haß zu, bis sie wieder anderer Meinung sein wird.

Schließlich giebt sie nach und entschließt sich, den Hund töten zu lassen. Aber anstatt es sofort zu thun, läßt sie ihre Freundin kommen, arrangiert eine Abschiedsscene »die letzten Augenblicke eines Verurteilten,« und im entscheidenden Augenblick bittet sie mich auf den Knieen, den Ekel zum Zeichen der Versöhnung zu küssen, weil auch die Pudel eine Seele hätten, und man nicht wissen könne, ob man ihnen nicht in einer andern Welt begegnen würde.

Das Ende vom Liede ist, daß ich dem Verurteilten das Leben schenke; dafür erhalte ich närrische Beweise ihrer Dankbarkeit.

Manchmal glaube ich in ein Irrenhaus eingeschlossen zu sein; aber man nimmt es nicht so genau, wenn man liebt, schlimm genug!

Sollte man nun glauben, daß diese Scene mit den letzten Augenblicken eines zum Tode verurteilten Pudels sich zwei mal im Jahre wiederholt, und daß diese Marter sechs Jahre dauert?

Junger Freund, der Du dieses wahrheitstreue Bekenntniß liest, du hast Schmerz empfunden, indem du in zwei Minuten diese Geschichte von einem Pudel durchgelesen hast; du wirst mir dein tiefstes Mitleid nicht versagen, wenn du sechs mal dreihundertfünfundsechzig rechnest und dies noch mit vierundzwanzig Stunden multiplizierst; dann wirst du dich wundern, daß ich noch am Leben bin. Und wenn ich wirklich verrückt bin, wie meine Frau behauptet, so frage ich dich, wer ist anders daran Schuld als ich, der ich es unterlassen habe, den Pudel zu vergiften!

*

Kehren wir zu der Freundin zurück. Sie war eine alte Jungfer, über die fünfzig hinaus, geheimnißvoll, arm, voller Ideale, die längst hinter mir lagen.

Sie ist die Trösterin meiner Frau, an ihrem Busen weint sie sich aus, wenn ich keinen Pudel leiden mag, sie hört alle Schmähungen meiner Frau gegen die Ehe, die Sklaverei und die Unterjochung der Frauen mit an.

Sie ist ziemlich diskret und mischt sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Haushalts ein, so viel ich wenigstens weiß, was allerdings nicht viel ist bei der ungeheuren Arbeit, die mich ganz in Anspruch nimmt und mich blind macht. Doch glaube ich zu wissen, daß sie meiner Frau Geld abborgt, wogegen ich nichts einzuwenden habe; aber eines schönen Morgens sah ich, wie die Freundin ein ganzes Paket Gold- und Silbersachen zum Pfandleiher trug, um es zu ihrem Nutzen zu versetzen.

Darauf wage ich es, meiner Frau gegenüber die respektvolle Bemerkung zu machen, daß dies, abgesehen von dem bei uns eingeführten Ausschluß der Gütergemeinschaft, eine übel angebrachte Kameradschaft sei. Ich, ihr Gatte, ihr Anteilhaber wäre durch Schulden sehr gedrückt, und ich wäre der Nächste dazu, ihre Freundschaftsbeweise zu empfangen. Und da es jedermann freistände, eine solche Frage zu stellen, so bäte ich sie, mir ihre Wertpapiere zu leihen, um sie zu versetzen.

Sie entgegnete, daß dieselben jetzt zur Zeit der Baisse nichts wert und unverkäuflich seien, außerdem liebe sie es nicht, mit ihrem Mann Handelsgeschäfte zu machen.

– Aber ohne Kaution mit einer Fremden, die von einer Pension von fünfundsiebzig Francs jährlich lebt! Das ist doch sonderbar! Dem Manne aber, mit dem Deine Interessen verknüpft sind, verweigerst Du einen Zuschuß für die Zukunft, der Dich sicherstellen soll, für eine Zeit, wo Du hilflos sein wirst.

Endlich giebt sie nach und leiht mir die zweifelhaften Aktien im Betrage von dreitausend fünfhundert Francs.

Seitdem bildet sie sich ein, meine Wohlthäterin zu sein, und späterhin giebt sie dem ganzen Freundeskreise bekannt, daß sie meine Karriere begründete, indem sie ihre Mitgift opferte. Als ob ich nicht Proben meines Talents gegeben hätte, bevor ich sie kennen lernte, sei es als Dramatiker, sei es als Novellist. Aber es macht mir Vergnügen, unter ihr zu stehen, ihr alles zu verdanken, mein Leben, mein Glück und meine Zukunft.

Ich hatte im Ehevertrag den Ausschluß der Gütergemeinschaft verlangt, hauptsächlich deshalb, weil ihre Vermögensangelegenheiten mit denen des Barons verwickelt waren; dieser war ihr Schuldner. Aber anstatt bares Geld zu geben, hatte er für ein Anlehen Bürgschaft geleistet. Ich aber wurde am Tage nach der Hochzeit, trotz meiner Vorsichtsmaßregeln auf die Nationalbank beschieden, um für die Summe gutzusagen. Vergeben erhob ich Widerspruch; die Bank beanstandete die Zahlungsfähigkeit meiner Frau, da sie durch ihre Wiederverheiratung minorenn geworden sei, und trotz meiner größten Entrüstung wurde ich gezwungen, das Dokument zu unterzeichnen und meinen Namen neben den des Barons zu setzen. Wenn ich damals gewußt hätte, was ich damit that! Aber ich war ein Gläubiger, ein Thor; ich hielt alles für richtig, was die vornehmen Kreise für passend erachteten.

*

Der Baron machte den Neuvermählten seine Aufwartung an einem Abend, wo ich einen Freund in meinem Zimmer empfing. Der Besuch meines Vorgängers schien mir unpassend, doch da er sich vor seinem Nachfolger nicht scheute, nahm ich es ruhig hin. Als ich jedoch meinen Freund ins Vorzimmer begleitete, hielt ich es nicht für nötig, ihn dem Baron vorzustellen. Das trug mir einen Tadel von meiner Frau ein, die mich der Grobheit beschuldigte. Ich antwortete, indem ich ihr und dem Baron Mangel an jeglichem Taktgefühl vorwarf.

Es entstand ein heftiger Streit, in welchem ich überzeugt werden sollte, daß mir jegliche Erziehung fehle. Wir kamen von einem aufs andere, und da die Gelegenheit günstig war, befragte ich sie wegen einiger Bilder, die aus dem Hause des Barons stammten und die jetzt die Wände meines Zimmers schmücken.

»Man kann Geschenke nicht zurückgeben, ohne einen Freund zu verletzen,« antwortet sie mir; »übrigens behielt er ja auch die Geschenke, die Du ihm gemacht hast, als Zeichen der Freundschaft und des Vertrauens.«

Das hübsche Wort Vertrauen beruhigt mich. Aber ein anderer Gegenstand sticht mir in die Augen und erweckt unangenehme Erinnerungen.

»Wo hast Du den Schreibtisch da her?«

»Von meiner Mutter!«

Das war die Wahrheit, aber sie verschwieg, daß das Möbel dann in die Wohnung ihres früheren Gatten übergegangen war!

Welcher Mangel an Zartgefühl, welcher Abgrund von Unfeinheit, welche Kurzsichtigkeit in Bezug auf mein Ehrgefühl! War das absichtlich so ins Werk gesetzt, um mich vor der Welt zu erniedrigen? War ich in die Schlingen einer Megäre gefallen?

Ohne mich gegen ihre verteufelte Logik zu wehren, ergab ich mich ihr auf Gnade und Ungnade, denn ich war überzeugt, daß ihre feine Erziehung mir in allen zweifelhaften Fällen maßgebend sein mußte, wo meine Kenntnisse nicht ausreichten. Und sie hatte einen Kasten voll Antworten auf alles. Der Baron hätte niemals einen Gegenstand für den Haushalt gekauft, es gehörte alles ihr. Und wenn der Baron damit einverstanden wäre, die Einrichtung meiner Frau zu benutzen, so könnte ich auch ganz ruhig die Gegenstände behalten, die meiner eigenen Frau gehörten.

Der letzte Satz, daß der Baron die Gegenstände meiner Frau benutze, verursachte mir eine lebhafte Befriedigung. Und da die Gemälde in meinem Salon gleichsam Beweise hohen Vertrauens waren und den idealen Charakter unserer Beziehungen darthaten, blieben sie dort, und ich war überdies so naiv, daß ich es für meine Pflicht hielt, den Neugierigen den Namen des Geschenkgebers zu nennen.

Wenn ich damals gewußt hätte, daß ich, der Bürgerliche, den angeborenen Takt und des Zartgefühl besaß, das man sogar in den niederen Klassen findet, und das die vornehmen Kreise gar oft entbehren, trotz des Firnisses, mit dem sie ihr bäurisches Wesen übertünchen!

Wenn ich gewußt hätte, von welcher Art die Frau war, der ich mein Geschick anvertraut hatte! Aber ich wußte es nicht.

*

Nachdem Maria sich von der Entbindung ganz erholt hatte, fühlte sie das Bedürfnis, nach der Zurückgezogenheit wieder hinauszukommen. Sie läuft in die Theater, um Studien zu machen, sie besucht öffentliche Feste, während ich zu Hause bleibe und arbeite. Durch den Titel einer verheirateten Frau geschützt, wird sie jetzt auch in die Kreise aufgenommen, die der Geschiedenen verschlossen waren. Sie dringt aber darauf, mich überall hin mitzuschleppen, denn es macht einen schlechten Eindruck, daß man niemals den Gatten sieht. Doch das geniert mich wenig; ich verweise auf die persönliche Freiheit, die wir mündlich ausgemacht hatten. Ich lasse ihr vollständige Freiheit zu gehen, wohin es ihr gefällt.

»Man sieht niemals den Mann,« sagt man.

»Gut,« sage ich, »man wird es verstehen!«

Schließlich wird der »Mann« ein Gegenstand des Gespöttes, und die Frau gewöhnt sich daran, mich von oben herab zu behandeln.

Während der einsamen Stunden im Hause schreibe ich an meiner ethnographischen Abhandlung, die meine Beförderung in der Bibliothek herbeiführen soll. Ich stehe in schriftlichem Verkehr mit den Gelehrten in Paris, Berlin, St. Petersburg, Peking, Irkutsk, und auf meinem Arbeitstisch laufen die Fäden eines Netzes zusammen, das die ganze alte Welt umspannt. Maria versteht das nicht und ist böse, daß ich keine Stücke für die Bühne schreibe. Ich rate ihr zu warten und meine Arbeiten nicht als Zeitverlust zu betrachten. Aber sie will von diesen wissenschaftlichen Chinesereien, die nichts einbringen, nichts wissen, und meiner sokratischen Geduld gegenüber beginnt sie, mich wie Xantippe zu quälen, indem sie mir vorwirft, daß ich die Mitgift (immer wieder die Mitgift!) für den Plunder vergeude!

Während dieses Lebens voll Bitterkeit und Wonne, lastet auf mir ein Gefühl der Unruhe über Marias Zukunft auf dem Theater. Schon im Monat März gingen Gerüchte von einer Verringerung der königlichen Truppe um. Ende Mai sollten die Kontrakte erneuert werden. Drei Monate Extra-Thränen, außer den gewöhnlichen, dazu das Haus angefüllt von lauter abgedankten Schauspielern. Mein Geist, der durch die Entfaltung meines Wissens und Talents aristokratisch geworden war, empört sich gegen die verworfene Gesellschaft der Unfähigen, die ohne Bildung und aufgeblasen, mit der Miene der größten Weisheit beleidigende Banalitäten zum Besten geben, welche dem Kauderwelsch der Komödianten entlehnt sind.

Nachdem ich alle Torturen solcher Versammlungen von Idioten durchgemacht, erkläre ich meiner Frau, daß ich nicht mehr in der Lage wäre, daran teil zu nehmen; ich gab ihr den Rat, sich von den Aussätzigen und Kleinen fern zu halten, die uns erniedrigen und uns den Mut benehmen.

Darauf giebt sie mir ihre Meinung zu erkennen, indem sie über die Aristokraten spöttelt.

»Ich bin einer,« antworte ich ihr, »in dem Sinne, daß ich nach den Höhen des Talentes, natürlich nur dieses, strebe, und nicht nach den Hügeln der vermeintlichen, verbrieften Aristokratie; das hindert aber nicht, daß ich die Leiden des »Enterbten« nicht auch fühle.«

Wenn ich mich jetzt frage, wie es möglich war, daß ich mich Jahre lang mit meiner Frau schleppte, die mich plagte, mir die Haare auszog, mich in Gemeinschaft einer Freundin und eines Hundes bestahl, so glaube ich, daß ich dies meiner Genügsamkeit und meiner asketischen Philosophie zuschreiben muß, welche mich lehrte, mit den Menschen nicht allzu scharf ins Gericht zu gehen; der stärkste Grund aber ist meine Liebe. Ich liebe sie so, daß ich ihr sogar lästig falle, und manchmal giebt sie mir zu erkennen, daß meine Anhänglichkeit sie stört. Aber in den Momenten, wo sie mich hätschelt, wo ich meinen heißen Kopf auf ihre Knie legen kann, unter den Liebkosungen ihrer Hände, die mit meiner Löwenmähne spielen – da ist alles vergessen, alles verziehen, und ich bin glücklich und bekenne es unvorsichtiger Weise, daß mein Leben an einem Faden hängt, dessen Knäuel in ihrer Hand ist. Und sie gewöhnt sich an den Glauben, daß sie die Höhere sei, und durch den falschen Schein, den ich durch meine freiwillige Erniedrigung vor ihr erwecke, befestigt sich allmählich die Rolle des unmündigen Kindes, die ich im Hause spiele, so daß sie mich schließlich immer streichelt, wenn sie mich anredet.

Seitdem bin ich ihr auf Gnade und Ungnade übergeben, bis sie ihre Stellung schließlich mißbraucht, und zwar nach kurzer Zeit.

Der Sommer kommt und Maria zieht mit dem Mädchen aufs Land. Damit sie nicht allein zu bleiben braucht, während mich mein Dienst sechs Tage in der Woche in der Stadt zurückhielt, wird die Freundin in Pension genommen, trotz meiner Befürchtung, daß sie nicht imstande sein würde zu zahlen, und trotz meines Hinweises auf unsere beschränkten Mittel. Aber Maria behandelt mich wie einen geizigen Filz, der von aller Welt Unheil befürchtet, und nur um das Schlimmste, das erzwungene Cölibat, zu vermeiden, gebe ich, wie immer, nach.

Allein und Strohwitwer während der Woche, begrüße ich den Sonntag wie einen Sabbath, und freudigen Herzens steige ich in den Zug, marschiere dann eine halbe Meile in glühender Sonnenhitze zu Fuß und trage Flaschen und Vorräte für Sonntag. Auf dem Wege freue ich mich in Gedanken auf das Wiedersehen mit Maria, wie sie mir mit offenen Armen, aufgelösten Haaren, mit roten Backen entgegeneilt, und ich koste im Geist schon das zur festgesetzten Stunde bereitete Mahl, da ich seit dem Morgenkaffee noch nichts genossen habe. Endlich erscheint das blanke Häuschen unter den Tannen am Rande des Sees. In diesem Augenblick aber eilen die Gestalten Marias und der Freundin in ihren hellen Kleidern dem Badehäuschen zu. Ich schreie aus vollem Halse, und ich schwöre darauf, daß sie mich hören mußten, aber sie beschleunigen ihre Schritte, als ob sie fliehen, kehren mir den Rücken und verschwinden in der Kabine. Was bedeutet das?

Bei meinem Eintritt ins Haus erscheint das Mädchen, sie macht ein bestürztes Gesicht und erwartet sicherlich ein peinliches Verhör.

»Wo sind die Damen?«

»Baden gegangen.«

»Und das Essen?«

»Wird erst um 4 Uhr fertig sein, denn die Damen sind spät aufgestanden, und das Fräulein nimmt mir die ganze Zeit mit ihrer Toilette fort.«

»Hast Du mich rufen hören?«

»Sehr gut!«

Sie sind also geflohen, vom bösen Gewissen gejagt; und ich muß zwei Stunden warten, hungrig, todmüde.

Welcher Empfang nach einer Woche voll Arbeit und Sehnsucht; mit dem stechenden Gedanken, daß sie geflohen ist wie ein Schüler, der einen dummen Streich gemacht!

Endlich kommt sie. Sie findet mich auf dem Sopha eingeschlafen, in schlechter Laune. Als ob nichts vorgefallen wäre, küßt sie mich, um den Sturm zu besänftigen. Aber die Nerven lassen sich nicht kommandieren, ein leerer Magen wird von Worten nicht satt, und ein bedrücktes Herz läßt sich durch heuchlerische Küsse nicht erleichtern.

»Du bist ärgerlich.«

»Meine Nerven sind ärgerlich, schone sie etwas!«

»Ich bin nicht deine Köchin!«

»Es sei fern von mir, das zu verlangen! Aber hindere die Köchin nicht, ihre Pflicht zu thun!«

»Aber bedenke doch, mein Lieber, daß Fräulein Amalie als Pensionärin berechtigt ist, die Dienste des Mädchens in Anspruch zu nehmen.«

»Hast Du mein Rufen gehört?«

»Nein!«

Sie lügt! – Wie das schmerzt!

Und das Essen, mein Sabbathmahl, eine Pein! Nachmittag weint Maria und flucht der Ehe, der heiligen, glücklichen Ehe, dem einzigen Glück, sie weint sich am Busen der Freundin aus und verschwendet ihre Küsse an den scheußlichen Pudel.

Grausam, treulos, verlogen – das empfindsame Herz!

Und das geht mit unendlichen Variationen den ganzen Sommer so fort, und ich verbringe meine Sonntage in Gesellschaft zweier Thoren und eines Pudels, überzeugt, daß alles Unheil von meinen zerstörten Nerven herrührt; und Maria und Fräulein Amalie raten mir, zum Arzt zu gehen.

Und an dem Sonntag Morgen, wo ich mir vorgenommen hatte, eine Kahnfahrt auf dem See zu machen, erscheint meine Liebste infolge ihrer Toilette nicht vor dem Essen, ich gehe bis zur Mittagsstunde allein spazieren, und nachher ist es zu spät.

Und das empfindsame Herz, das mich mit Nadelstichen durchbohrt, weint einen Vormittag lang, weil der Gärtner ein Kaninchen für das Mittagessen tötet, und sie gesteht später im Bett, daß sie zu Gott gebetet hätte, daß das Kaninchen unter dem Beil nicht allzusehr leiden möge.

Ein Irrenarzt bezeichnete vor Kurzem als Symptom für logischen Wahnsinn eine übertriebene Liebe für die Tiere, verbunden mit Hartherzigkeit gegen die Nebenmenschen. Und diese Frau betet für ein Kaninchen und bringt dabei einen Menschen um! Und immer ein Lächeln auf den Lippen!

An dem letzten Sonntag, der auf dem Lande verbracht wurde, nimmt mich Maria bei Seite, schmeichelt meinem Edelmut, appeliert an mein Mitleid und bittet mich, Fräulein Amalie den Preis der Pension zu erlassen, da ihre Mittel sehr beschränkte wären.

Ich bin ohne Diskussion einverstanden, ohne meiner Genugthuung darüber Ausdruck zu geben, daß ich Recht behalten hatte, ohne den Verdacht zu äußern, daß das Ganze eine abgekartete Sache gewesen. Sie ist stets bis an die Zähne mit Entgegnungen auf ausbleibende Antworten bewaffnet und setzt als Schluß hinzu: – Übrigens hätte ich für sie zahlen können!

Ganz recht, aber die Unbequemlichkeit und der Ärger, den sie mir verursacht hatte, und der nicht bezahlt wird? Aber man muß es mit Frauen nicht so genau nehmen!

*

Im neuen Jahre erschüttert ein allgemeiner Krach das alte Land, die Bank, deren Aktien Maria mir geliehen hatte, falliert, und das Anlehen wird gekündigt. Ich soll die Summe, für die ich gut gesagt, zahlen, und das Unglück ist da! Zum Glück wird nach unendlichen Schwierigkeiten ein Zwangsvergleich angenommen, und ich erhalte einen Aufschub von einem Jahre.

Ein schreckliches Jahr! Das schrecklichste von allen!

Nachdem wieder etwas Ruhe eingetreten war, raffe ich mich so schnell als möglich auf. Neben meinem Bibliotheksdienst beginne ich einen großen modernen Sittenroman, schreibe für alle möglichen Zeitungen und Zeitschriften, trotzdem vollende ich meine Abhandlung. Maria, deren Stellung am Theater in den letzten Zügen liegt, erhielt noch ein Jahr aus Gnade bewilligt, mit einem verringertem Gehalt von vierzehnhundert Francs. Jetzt bin ich ihr überlegen, da sie durch den Krach ruiniert ist.

Sie ist in schrecklicher Laune und läßt allen Groll an mir aus. Um die Gleichheit herzustellen, erinnert sie sich ihrer persönlichen Freiheit; sie versucht Geld auszuborgen, findet aber nur beschämende Ablehnungen, die, wie es natürlich ist, auf mich zurückfallen.

Ohne Verständnis, von einem an sich wohlwollenden Impuls geleitet, schadet sie mir, indem sie sich zu retten und mir die Last zu erleichtern glaubt! Und wie sehr ich auch ihren guten Willen anerkennen muß, kann ich doch nicht umhin, sie zurechtzuweisen.

Sie ist jetzt ewig unzufrieden, und ihr Charakter hat einen hinterhaltigen Zug angenommen. Einige Vorfälle zeigen mir auch bald Seiten ihres Geisteszustandes, die in der That beunruhigend sind.

Bei Gelegenheit eines Maskenfestes auf dem Theater hatte ich ihr das feste Versprechen abgenommen, keine Männerkleidung anzulegen. Sie schwört es mir, weil ich darauf dringe aus Gründen, die ich mir selbst nicht klar machen konnte. Am folgenden Tage erfahre ich, daß sie im schwarzen Rock erschienen sei und von Herren zum Souper eingeladen worden wäre. Die Lüge ärgerte mich, aber das Souper schlug mir gewaltig auf die Nerven.

– Bin ich nicht frei? antwortete sie mir.

– Nein, sage ich, Du bist verheiratet. Zwischen uns herrscht Solidarität, da Du meinen Namen trägst; wenn Dein Ruf beschmutzt ist, leidet der meinige noch mehr.

– Ich bin also nicht frei!

– Nein, es ist niemand in einer Gemeinschaft frei, in der ein jeder das Schicksal seines Nächsten, das an das Seinige geknüpft ist, mitträgt. Bedenke doch, was hättest Du gesagt, wenn Du mich hättest mit Damen soupieren sehen!

Sie erklärt, daß sie in ihrem Thun und Lassen doch frei wäre; es stände ihr frei, nach Gutdünken meinen Ruf zu vernichten, überhaupt, zu thun, was es auch immer sei.

Dieses wilde Weib! Unter Freiheit versteht sie die Souveränität des Despoten, der Ehre und Glück von Jedermann mit Füßen tritt!

Nach dieser Angelegenheit, die mit Streit, Thränen und hysterischen Anfällen endete, taucht eine zweite auf, die mich umsomehr beunruhigte, als ich in die Geheimnisse des Geschlechtslebens nicht genügend eingeweiht war, dessen Anomalien mich erschreckten, wie alles, was man nicht sogleich begreifen kann.

Eines Abends also, als das Mädchen Marias Bett machte, das jetzt in dem Zimmer neben dem meinigen stand, höre ich halblautes Aufschreien und verstohlenes Kichern, wie wenn jemand gekitzelt würde. Das gefällt mir nicht, und mit einer unerklärlichen Unruhe, die in Wut übergeht, öffne ich plötzlich die angelehnte Thür und überrasche Maria, wie sie den Busen des Dienstmädchens drückt und zu küssen versucht.

– Was macht ihr da, ihr Dummköpfe, donnere ich.

– Ich spiele mit dem Mädchen, antwortete mir Maria frech. Geht Dich das etwas an?

– Jawohl, sehr viel. Geh hinaus!

Unter vier Augen halte ich ihr das Unschickliche ihres Betragens vor.

Sie wirft mir, wie früher, meine »unsaubere Phantasie« vor und beschuldigt mich, verdorben zu sein, da ich überall Unsauberkeiten sähe.

Es ist gefährlich, ein Weib auf einem Vergehen zu ertappen; und das meinige gießt ganze Schmutzeimer voll Schmähungen über mich aus.

Da die Diskussion einmal im Gange war, erinnere ich sie daran, daß sie früher ihre unsinnige Liebe für die schöne Mathilde, die Kousine, zugegeben habe; darauf erwiderte sie freimütig, in vollkommen harmlosem Tone, daß sie selbst darüber erstaunt gewesen sei, wie ein Weib in ein anderes so furchtbar verliebt sein könne.

Durch dieses naive Geständnis beruhigt, erinnere ich mich, daß Maria ganz offen in einer Gesellschaft bei meinem Schwager, ohne zu erröten, ohne das Bewußtsein des Unpassenden zu haben, von ihrer Liebe zu der Kousine gesprochen hat.

Ich bin aber mißtrauisch, und mit sanften Worten rate ich ihr, solche Späße zu unterlassen, die im Anfang vielleicht unschuldig sind, schließlich aber zu unberechenbaren Folgen führen können.

Sie aber faselt dies und jenes, behandelt mich als unvernünftigen Menschen – sie behandelt mich immer als den schlimmsten Ignoranten – schließlich erklärt sie, daß meine Behauptungen unwahr seien.

Was nützt es, ihr zu erklären, daß das Strafgesetzbuch derartige Verbrechen mit Zwangsarbeit bestraft! Was hilft es, sie zu bitten, sie möchte doch glauben, daß, wenn man die Brustwarzen einer Frau berührt, diese dadurch sinnlich erregt wird! Es wird dies in den medizinischen Büchern als Laster bezeichnet. Alle Vorstellungen sind ihr gegenüber vergeblich!

Ich bin der Wüstling, der in allen Lastern erfahren ist, und sie ist darauf erpicht, ihr unschuldiges Spiel fortzusetzen!

Sie ist so eine unschuldige Verbrecherin, die man eher in ein Haus einschließen und von den geeigneten Frauen erziehen lassen sollte, als sie ins Gefängnis zu werfen.

*

Gegen Ende des Frühlings wird eine neue Freundin ins Haus eingeführt, eine gezierte Schauspielerin, gegen dreißig Jahre alt, ebenfalls von der Entlassung bedroht, eine Schicksalsgefährtin von Maria und darum ihres Mitleids würdig. Es thut mir weh, diese einst gefeierte Schönheit zu sehen, die aus unbekannten Gründen vor die Thür gesetzt wird, vielleicht weil eine Tochter der ersten Tragödin zur Bühne kommen soll, und ein Triumph erfordert Hekatomben von Opfern.

Nichtsdestoweniger war sie mir antipathisch, sie sah aus wie eine Wissende, die nach Beute ausschaut; es schien mir, daß sie mir schmeicheln, mich betören wollte, um mein durchdringendes Auge zu täuschen.

Von Zeit zu Zeit fanden Eifersuchtsscenen zwischen der alten und der neuen Freundin statt, die Eine schimpfte herzhaft auf die Andere, ohne daß ich dem Gehör gab.

Gegen das Ende des Sommers zeigte es sich, daß Maria wieder schwanger war, die Entbindung war im nächsten Februar zu erwarten. Das war ein Donnerschlag; nun kam es darauf an, mit vollen Segeln den Hafen zu erreichen, bevor der verhängnißvolle Termin herankam.

Im November kommt mein Roman heraus, er hat einen lärmenden Erfolg und bringt mir Geld ein – wir sind gerettet!

Ich bin am Ziel, durchgedrungen, als Meister anerkannt, nach jahrelanger Not atme ich auf, und wir sehen der Ankunft des Kindes mit außerordentlicher Freude entgegen. Wir tauften es schon im Voraus, und zu Weihnachten kauften wir Geschenke; wir stellten sie aus, und alle Freunde haben sich schon angewöhnt zu fragen, wie es dem »Puttchen« gehe, als ob es schon existierte.

Nachdem nunmehr mein Ruhm feststand, mache ich mich daran, Maria zu rehabilitieren, um ihr ihre Karriere wieder zu erobern. Zu diesem Zwecke schreibe ich ein Stück in vier Akten für das königliche Theater, ich schaffe eine sympathische Frauenrolle, um Maria die Gunst des Publikums wieder zu gewinnen. Und gerade an dem Tage, als meine Tochter geboren wurde, erhielt ich die Mitteilung, daß mein Drama angenommen und die Rolle für Maria bestimmt sei.

Alles ist jetzt in der besten dieser Welten aufs Schönste bestellt, und das Band zwischen den Eltern ist nach der Geburt des Kindes wieder geknüpft.

Die gute Zeit, der Höhepunkt meines Lebens ist gekommen; es ist Brot im Hause und auch etwas Wein. Und die Mutter, geehrt, geliebt, im Begriff, wieder aufzuleben, entfaltet ihre frühere Schönheit von neuem, und alles Unrecht gegen das erste verstorbene Kind verwandelt sich in verdoppelte Sorge für das neugeborene.

Der Sommer kommt, und ich bin in der Lage, um einen Urlaub für einige Monate einkommen zu können; ich möchte mit meiner Familie auf einer einsamen grünen Insel im Bereich des Stockholmer Sunds leben.

Gleichzeitig fallen mir die Erträgnisse meiner wissenschaftlichen Arbeiten in reichem Maße in den Schoß. Meiner Abhandlung widerfährt die besondere Ehre, im Institut de France vor der Akademie der Inschriften und Wissenschaften vorgelesen zu werden; ich werde zum Mitglied der gelehrten Gesellschaften des Auslandes ernannt, und die kaiserliche geographische Gesellschaft in Rußland verleiht mir eine Medaille.

Mit dreißig Jahren habe ich mir eine geachtete Stellung in der Litteratur und in der Wissenschaft errungen, ich habe eine glänzende Zukunft vor mir, und ich bin glücklich, diese Trophäen meiner Maria zu Füßen legen zu können, die mir grollt, weil ich das Gleichgewicht gestört habe. Und so erniedrige ich mich noch mehr, um ihr die Demütigung zu ersparen, einem überlegenen Manne anzugehören. Wie der Riese lasse ich sie mit meinem Barte spielen, und sie mißbraucht dies sehr bald, sie setzt mich vor Dienstboten, in Gegenwart der Freunde des Hauses und besonders in den Augen ihrer Freundinnen herunter. Von mir emporgehoben, bläht sie sich auf; je mehr ich mich erniedrige, desto mehr tritt sie mich. Ich lasse sie in dem Glauben, meinen Ruhm geschaffen zu haben, den sie aber ignorirt und zu verachten scheint, und es macht mir Vergnügen, unter ihr zu stehen, der vernachlässigte Gatte einer reizenden Frau zu sein, so daß sie sich schließlich für das Genie hält. Dasselbe zeigt sich auch in den unbedeutenden Vorkommnissen des täglichen Lebens. Da ich ein sehr guter Schwimmer bin, lehre ich Maria schwimmen, und um sie zu ermutigen, stelle ich mich furchtsam, und es macht ihr Freude, zu prahlen und mich lächerlich zu machen, was mir ein unendliches Vergnügen bereitet.

Und während ich so die Mutter im Weibe anbete, vergesse ich, daß ich mit einer dreißigjährigen Frau verbunden bin. Der gefährliche Zeitpunkt ist da, und beunruhigende Zeichen werden sichtbar, die vielleicht ohne Bedeutung waren, aber den Keim großer Zwistigkeiten in sich trugen.

Nach der Entbindung gesellt sich zu der Unvereinbarkeit der Geister die der Körper, und die Umarmungen der Lust fangen an lästig zu werden. Wenn sie sinnlich erregt wird, zeigt sie sich als schamlose Kokette, und um mich eifersüchtig zu machen, oder auch von zügellosen wilden Begierden beherrscht, läßt sie sich auf beunruhigender Wollust ertappen.

Eines schönen Morgens waren wir, von einem jungen Fischer begleitet, mit einem Segelbot weit in die See hinausgefahren. Ich hatte das Steuer und das große Segel, der junge Mensch das Focksegel. Er sitzt meiner Frau gegenüber. Der Wind legt sich, und im Boot wird es still. Alsbald bemerke ich, daß der Fischer verstohlen nach den Füßen meiner Frau blickt, ich kann aber nicht beurteilen, ob sie auch das Bein zeigt. Zugleich bemerke ich, daß Marias Augen mit Interesse auf den Körper des Fischers gerichtet sind. Ich stelle mich, als wäre ich in Gedanken versunken, und mache eine Bewegung, um sie an meine Gegenwart zu erinnern. Und Maria senkt mit großer Selbstbeherrschung die Augen auf die großen Stiefel des jungen Menschen und verbirgt sich sehr ungeschickt unter einem thörichten Einfall.

– Sage doch, was kostet denn ein Paar solcher Stiefel!

Ich frage mich, wie ich eine so dumme Frage beurteilen soll. Und um den Faden ihrer schlüpfrigen Gedanken abzuschneiden, schlage ich vor, aus irgend einem Grunde die Plätze zu wechseln. Ich bemühe mich, die mich aufregende und peinliche Scene zu vergessen, ich rede mir ein, daß ich nicht gut gesehen habe, obgleich mir eine ähnliche Scene einfällt, als sie mich mit ihren verwirrenden Blicken ansah und die Linien meines Körpers unter meiner Kleidung beobachtete.

Acht Tage später jedoch erwachte mein Mißtrauen von neuem durch einen Vorfall, welcher fast alle meine Hoffnungen, in diesem verdorbenen Weibe die Mutter aufgeweckt zu haben, zu nichte machte.

Ein Freund war bei einem Besuche sehr liebenswürdig gegen Maria gewesen, die ihm dies durch eine unschöne Koketterie vergalt. Als es spät geworden war, sagte man guten Abend, und Maria ging scheinbar schlafen.

Eine halbe Stunde später höre ich Stimmen auf dem Balkon, ich gehe schnell hinaus und finde den Freund und Maria am Tische vor einer Flasche Cognac sitzen. Ich nehme eine harmlose Miene an, am folgenden Tage aber überhäufe ich sie mit Vorwürfen über die Frechheit, mich zum Gespött der Welt zu machen.

Sie lachte und erklärte mir, ich sei voller Mißtrauen, hätte eine unsaubere Phantasie, und spielte ihr übriges gewähltes Repertoire herunter.

Ich werde wütend, und sie bekommt den kleinen hysterischen Anfall, sodaß ich sie für mein Unrecht um Verzeihung bitte. Mein Unrecht besteht darin, ein tadelnswertes Benehmen unpassend zu finden.

Was mir immer den Rest giebt, ist ihr Schlagwort:

– Denkst Du, mein Lieber, daß ich das Elend einer Scheidung noch einmal durchmachen will?

Bei dem Gedanken an die Opfer der letzten Zeit schlafe ich ruhig den Schlaf der hintergangenen Ehemänner.

Was ist eine Kokette? Eine Frau, die herausfordert! Und die Koketterie ist eine Herausforderung. Nichts weiter!

Und die Eifersucht? Die Furcht, das Kostbarste zu verlieren! Und der Eifersüchtige? Ein Mann, der sich lächerlich macht, aus dem lächerlichen Grunde, daß es ihm nicht gefällt, das Kostbarste zu verlieren!

*

Ich eile von Erfolg zu Erfolg; die Schulden sind bezahlt, es regnet förmlich Geld; und obwohl ich davon recht viel für den Haushalt abgebe, ist derselbe niemals in Ordnung, denn Maria führt das Hauhaltungsbuch und die Kasse, und sie verlangt immer mehr. Dadurch kommt es wieder zu heftigem Streit.

Zu gleicher Zeit hat auch ihre Theaterlaufbahn ein Ende, und ich muß alle Folgen tragen. Es ist natürlich meine Schuld, da sie mich geheiratet hat. Die Rolle, die ich für sie geschrieben habe, ist vergessen; sie hatte die Rolle verdorben, ohne jede Charakteristik gespielt.

Um diese Zeit erhob sich allmählich jener große Schwindel, genannt »die Frauenfrage«, infolge eines Theaterstückes des berühmten männlichen Blaustrumpfs in Norwegen; und der Wahnsinn der unterjochten Weiber ergriff alle verweichlichten Geister. Ich aber lasse mich davon nicht betören und werde daher als Weiberfeind verschrieen.

Als ich mir bei Gelegenheit eines Streites, erlaubte, Maria tüchtig die Wahrheit zu sagen, bediente sie sich des großen hysterischen Anfalls. Damals erblickte die größte Entdeckung des neunzehnten Jahrhunderts auf dem Gebiete der Nervenheilkunde das Licht der Welt. Und sie ist höchst einfach wie alle bedeutenden Dinge.

Während des Heulens der Kranken ergreife ich die Wasserflasche und spreche mit donnernder Stimme die magische Formel:

– Steh' auf, oder ich begieße Dich!

Im Augenblick hört das Geheul auf, und ein Blick größter Bewunderung, herzlicher Dankbarkeit und tötlichen Hasses blitzt aus den Augen des angebeteten Weibes auf.

Erst hatte ich Angst; aber mein Mannesgefühl ist geweckt, und ich lasse nicht los; noch einmal bewege ich die Wasserflasche und spreche:

– Laß Deine Faxen, oder ich ertränke Dich!

Sie steht auf, aber nur, um mich einen Schurken, einen Spitzbuben, einen Elenden zu nennen – ein Beweis, daß die Kur angeschlagen hat!

Ihr Ehemänner, mögt ihr hintergangen sein oder nicht, glaubt mir, daß ich euer aufrichtiger und ergebener Freund bin: denn ich vermache euch das kostbare Mittel, die große Heuchelei zu heilen, und seid überzeugt, daß es probat ist!

Seitdem ist mein Untergang bei dieser Frau eine beschlossene Sache, und das angebetete Weib beginnt, mich zu hassen! Da ich ein gefährlicher Zeuge ihrer weiblichen Kunstgriffe bin, so ist mein materieller und moralischer Untergang von dem ganzen Geschlecht beschlossen, und die Rächerin übernimmt die schwierige und undankbare Aufgabe, mich zu Tode zu quälen.

Darauf wird nach schrecklichen Kämpfen die neue Freundin als Mieterin in einem möblierten Zimmer aufgenommen, das von unserer Wohnung abgetrennt wird. Maria wollte sie auch in Pension nehmen. Dagegen wehrte ich mich mit größter Heftigkeit. Trotz der größten Vorsicht stieß ich überall in meiner Wohnung auf die schöne Freundin und ihre Röcke, sodaß ich mir schließlich einbilden konnte, ich wäre eine Doppelehe eingegangen. Und wenn ich den Abend mit meiner Frau zu verbringen hoffte, verschwand sie im Zimmer der Freundin, wo man sich auf meine Kosten gütlich that, meine Zigarren rauchte und meinen Punsch trank. Ich fange an, die Freundin zu hassen, ich kann kaum noch an mich halten. Und jedesmal überschüttet mich Maria mit Vorwürfen, wenn ich es an Höflichkeit gegen »das arme Kind« fehlen lasse. Nachdem ich meine Frau mir, ihrem Gatten, und ihrem eigenen Kinde zurückerobert hatte, – das letztere hatte sie einer gemeinen Megäre von fünfundvierzig Jahren übergeben – verbündet sich die schöne Freundin mit der Köchin, und die beiden Freundinnen betrinken sich an meinem Biere, so daß das Mädchen am Herde einschläft und das Essen verdirbt, abgerechnet den unglaublichen Verbrauch von Bier, der sich auf ein halbes Tausend Flaschen im Monat beläuft. Schließlich glaube ich auch in der schönen Freundin eine Männerfreundin gefunden zu haben, die mich zur Beute ausersehen hat. Eines Tages zeigt mir Maria einen Mantel, den ich ihr kaufen soll; der Schnitt und die Farbe gefällt mir nicht, und ich schlage vor, einen anderen auszusuchen. Darauf behält ihn die Freundin für sich, und die Sache ist abgethan. Nach vierzehn Tagen übersendet mir das Geschäft die Rechnung über einen Mantel auf den Namen meiner Frau. Nachdem ich die Sache untersucht hatte, finde ich, Maria hat sich verleiten lassen, ihren Mann durch einen in der Schauspieler-Halbwelt bekannten Kniff hinters Licht zu führen.

Wie gewöhnlich muß ich den Zorn der Schuldigen ausbaden, und ich gebe Maria den Rat, die gefährliche Verbindung mit einer Abenteurerin zu brechen.

Es kam noch schlimmer! Ein anderes Mal spielt Maria die Barmherzige, die unterwürfige Gattin, und bittet mich demütig um die sonderbare Erlaubnis, das arme Kind als Anstandsdame zu einem alten Freunde ihres verstorbenen Vaters begleiten zu dürfen, den sie um ein Darlehen bitten wolle. Diese Bitte erschien mir sehr merkwürdig, ich witterte eine verderbliche Falle, bei dem schlechten Ruf der Freundin, der man nachsagt, daß sie Beziehungen zu alten Männern gehabt habe, und von Schreck ergriffen, beschwöre ich Maria im Namen ihres unschuldigen Kindes, aus ihrem Schlaf zu erwachen, der sie in den Abgrund stürzen würde. Als Antwort wirft sie mir die alte Phrase von meiner unsauberen Phantasie an den Kopf. Vom Regen in die Traufe!

Bei Gelegenheit eines Frühstücks, das die Schöne gab, um einem berühmten Schauspieler das Heiratsversprechen abzulocken, rüttelt mich eine neue Überraschung aus meiner Lethargie.

Man hat schon einigen Flaschen Champagner den Hals gebrochen, und die Damen sind – wie gewöhnlich – betrunken. Maria sitzt in einem Sessel und auf ihren Knieen liegt die schöne Freundin, die sie umarmt und herzhaft küßt. Durch das sonderbare Schauspiel, das die Bestätigung einer Anklage zu sein scheint, angelockt, ruft ein berühmter Schauspieler einen Kollegen heran, zeigt mit dem Finger auf die beiden Frauen und ruft:

– Sieh Dir doch einmal das an!

Ohne Zweifel war das eine Anspielung auf die umlaufenden Gerüchte, und unter dem scherzenden Hindeuten verbarg sich ein nur allzu gutes Verständnis für die Bedeutung der Scene.

Was war zu thun?

Als wir nach Hause gekommen waren, flehte ich Maria an, von ihrer Selbsttäuschung abzulassen und um der Ehre ihres Kindes willen dieses ihren Ruf untergrabende Benehmen aufzugeben. Sie bekennt offen, daß es ihr Vergnügen mache, schöne Mädchen zu sehen, daß sie ihnen den Busen küsse, und daß die Freundin nicht die einzige sei, daß sie es mit den andern Kolleginnen ebenso mache, daß sie das nicht aufgeben wolle, weil es ein unschuldiges Spiel sei, das nur in einer unsauberen Phantasie einen schlüpfrigen Charakter annehmen könne.

Es giebt kein Mittel, ihr den Irrtum zu benehmen! Es bleibt mir nur übrig, eine neue Schwangerschaft hervorzurufen, um das Muttergefühl in ihr zu erwecken. Sie ist furchtbar wütend, aber ihr Zustand fesselt sie für einige Monate wieder an den häuslichen Herd.

Nach der Entbindung zeigt sie wieder eine neue Seite. Sei es, daß die Furcht vor den Folgen ihrer verderbten Neigungen sie veranlaßt, die Kokette zu spielen, sei es daß der Instinkt des Weibes wieder erwacht ist, seit dieser Zeit ist sie eifrig bemüht, den Männern den Hof zu machen, es geschieht dies zu deutlich, als daß ich dadurch ernstlich eifersüchtig werden könnte.

Jetzt, wo sie ohne Engagement, ohne Beschäftigung ist, hat sie erst recht ein launisches, despotisches, abscheuliches Wesen angenommen und führt den Krieg auf Tod und Leben.

Eines Tages will sie mir beweisen, daß es billiger ist, drei Dienstboten zu haben als zwei, und da es keinen Zweck hat, einer Verrückten zu widersprechen, nehme ich sie am Arm und setze sie vor die Thür. Sie schwört mir Rache und engagiert ein drittes Dienstmädchen mit dem Erfolg, daß nunmehr gar nichts im Haushalt gethan wird, daß alles den Krebsgang geht, und daß die drei Dienstboten sich täglich in ihrer Trunkenheit balgen und ihren Liebhabern täglich ein Hochzeitsmahl vorsetzen. Um mein eheliches Glück voll zu machen, wird ein Kind krank, was uns fünf Dienstboten (die zwei Ärzte nicht eingerechnet) und ein Defizit von fünfhundert Francs in einem Monat zuführt. Ich verdoppele meine Kräfte, um das wieder einzubringen, aber meine Nerven fangen an, den Dienst zu versagen.

Zudem macht sie mir ewig Vorwürfe über die Verschleuderung ihrer zweifelhaften Mitgift, zwingt mich, neue Pensionsgelder an eine Tante in Kopenhagen zu zahlen, die mich beschuldigt, ihr Vermögen vergeudet zu haben, und die behauptet, Mathildens Mutter hätte ausdrücklich angeordnet, daß Maria sich verpflichten sollte, mit der Tante zu teilen. Das ist eine ganz neue Geschichte, daß ich als Erbstück eine Tante annehmen soll, die Nichts thut, zu Nichts gut ist, aber einen sehr begehrlichen Charakter hat; besonders da das Vermögen nur eine Luftspiegelung ist. Doch ich bin einverstanden, ich lasse mich auch verleiten, für eine alte Freundin, die geheimnisvolle Abenteurerin Nummer 1, Bürgschaft zu leisten. Ich verpflichte mich zu allem, denn die Angebetete ist darauf verfallen, mir ihre Gunstbezeugungen zu verkaufen, und um den Preis einer Umarmung erkläre ich, daß ich an allem schuld sei, daß ich ihr Vermögen und das der Tante vergeudet habe, daß ich ihre Karriere vernichtete, indem ich sie heiratete, daß ich ihre Gesundheit untergraben habe. Von diesem Augenblicke an ist die legale Prostitution in die Ehe eingeführt.

Infolge meiner Nachgiebigkeit arbeitet sie jenes Märchen von meinen Frevelthaten aus, das später in die Skandalpresse übergeht und durch die von mir hinausgeworfenen Freundinnen weiter verbreitet wird.

Sie ist von einer tollen Wut ergriffen, mich zu ruinieren. In diesem Jahre habe ich ihr im ganzen zwölftausend Francs für den Haushalt gegeben, und doch bin ich genötigt, mir von den Verlegern Vorschuß geben zu lassen. Wenn ich mich über das ungeheure Budget beklage, dann antwortet sie:

– Warum setzest Du Kinder in die Welt und machst die Frau elend? Und da habe ich ein gutes Leben für einen Taugenichts hingegeben.

Darauf antwortete ich:

– Mein Kind, als Du Baronin warst, hat Dir Dein Mann nur dreitausend Francs und Schulden zur Verfügung gestellt, und jetzt bekommst Du das Dreifache!

Sie antwortet nicht, läßt mich aber schmachten; und wenn die Nacht kommt, gebe ich zu, daß dreitausend dreimal so viel ist als zwölftausend, ich gebe zu, daß ich ein Lump bin, ein Geizhals, ein eitler Geck, emporgekommen auf Kosten eines angebeteten Weibes, angebetet namentlich im Nachtgewande!

Um ihre Galle zu entleeren, schreibt sie das erste Kapitel eines Romans, er handelt von der unterjochten Frau, die von einem verbrecherischen Manne ausgebeutet wird, während zu gleicher Zeit ihr Bild als das einer blonden, sanften, mütterlich zärtlichen Madonna durch alle meine Schriften zieht; ich verkünde ihr Lob und schaffe eine unsterbliche Legende über dieses Wunder von Weib, das durch Gottes Gnade in das schmerzensreiche Leben eines Dichters eingetreten ist. Ihre verabscheute Person, von unverdientem Glorienschein umgeben, macht die Runde durch alle Kritiken, welche nicht müde werden, das Genie des pessimistischen Romanschriftstellers zu preisen.

Und je mehr ich von dem zügellosen Treiben der Mänade zu leiden habe, desto mehr bemühe ich mich, den Hintergrund ihres Maria-Kopfes zu vergolden; je mehr die Wirklichkeit mich niederdrückt, desto höheren Schwung nehmen meine Phantasien über die Angebetete. Ach, die Liebe!

Manchmal glaube ich, daß dieses Weib mich haßt, und daß sie sich gern meiner entledigen möchte, um mit einem Dritten anzufangen. Manchmal vermute ich sogar einen Liebhaber, weil ich unbekannte Reflexe in dem Ausdruck ihrer Züge finde, und mein Verdacht wird durch ihre Kälte in Liebesmomenten bestärkt.

Plötzlich bricht die wirkliche Eifersucht in die Ehe ein, und nun öffnen sich weit die Thore der Hölle.

Sie erklärt plötzlich, daß sie krank sei, sie wisse aber nicht, was es sei, es sitze irgendwo im Rücken, in der Wirbelsäule oder im Kreuz. Der Kinderarzt, ein früherer Studiengenosse von der Universität, wird gerufen. Er konstatiert rheumatische Knoten an den Rückenmuskeln und ordnet Massage an. Ich habe dagegen nichts einzuwenden, da der Fall ja klar ist, und Maria beginnt ihre täglichen Besuche beim Arzt. Da ich die eigentümliche Art dieser Behandlung nicht kenne, so achte ich, in Arbeiten vergraben, nicht weiter darauf. Das Leiden scheint indessen nicht schwer zu sein, da sie stets auf dem Posten ist, Theater besucht und an Gesellschaften teilnimmt, wo sie immer am längsten aushält.

Als wir eines Abends in Gesellschaft waren, bedauerte eine Dame den Mangel an weiblichen Ärzten, wegen der peinlichen Untersuchungen und Kuren, die eine Dame nötigen, sich vor einem Manne zu entkleiden. Und sich an Maria wendend, fragt sie:

– Nicht wahr, das ist unangenehm?

– Ach, vor einem Arzt!

Da wurde mir erst das Wesen der Massage klar, und zwar aus den wollüstigen Mienen Marias, die mir von früher her bekannt wären, und ein schrecklicher Verdacht schnürte mir das Herz zusammen.

Sie entkleidet sich vor einem Junggesellen, der als Wüstling bekannt war, und ohne mir davon zu sagen. Unter vier Augen frage ich sie aus. Sie erklärt mir in harmloser Weise, wie die Sache vor sich geht. Sie behält die Röcke an, aber das Hemd ist zurückgeschlagen, sodaß der Rücken nackt ist!

– Und Du schämst Dich nicht?

– Warum?

– Du schämst Dich ja vor mir!

Zwei Tage später kommt der Arzt, um nach einem Kinde zu sehen. Von meinem Zimmer aus höre ich eine mehr als sonderbare Unterhaltung zwischen meiner Frau und dem Arzt, dazu Lachen und geflüsterte Worte. Darauf wird die Thür geöffnet, und die Beiden treten hohnlächelnd ein.

Von finsteren Gedanken beherrscht, beginne ich die Unterhaltung sehr ungeschickt, wir sprechen von kranken Frauen.

– Du verstehst Dich ja darauf, alter Freund, sagt der Arzt, auf Frauenkrankheiten ... nicht wahr?

Darauf wirft mir Maria einen so wütenden und haßerfüllten Blick zu, daß mir ein Schauer über den Rücken läuft.

Nachdem der Arzt weggegangen, fällt sie über mich her.

Da schleudere ich ihr das Wort »Dirne« ins Gesicht.

Das Wort war mir wider Willen, als der Ausdruck einer plötzlichen Eingebung, entwischt. Aber nun schneidet mir die Schmähung ins Herz; und als ich der Kinder ansichtig werde, bitte ich sie fußfällig unter Thränen um Verzeihung.

Sie spielt die Stolze, und zwei Stunden genügen kaum, um sie zu beruhigen. Um mein scheußliches Unrecht wieder gut zu machen, fasse ich unter dem Einfluß ihres wachsenden Hasses den Entschluß, sie eine Vergnügungs- und Erholungsreise nach Finnland machen zu lassen; sie sollte dort einige Wochen lang als Schauspielerin auftreten.

Zu diesem Zweck unterhandele ich mit dem Theaterdirektor, und nachdem ich die Erlaubnis erwirkt hatte, suche ich das nötige Geld aufzutreiben.

Sie reist ab, sie erringt patriotische Siege und Familienkränze.

Während ihrer Abwesenheit lebte ich mit den Kindern auf dem Lande; ich erkranke plötzlich, und da ich glaubte, es ginge mit mir zu Ende, rief ich sie durch eine Depesche zurück, was sie in keiner Weise hemmte, da ihr Gastspiel schon zu Ende war.

Da sie bei ihrer Rückkehr mich wiederhergestellt findet, beschuldigt sie mich, daß ich sie durch eine lügenhafte Depesche ihrem unschuldigen Vergnügen bei ihren Verwandten entrissen hätte.

Nach ihrer Rückkehr zum häuslichen Herde entdecke ich eine neue Seite ihres Charakters, der mir einen neuen Schrecken einjagt.

Gegen alle Gewohnheit giebt sie sich beim ersten Zusammensein den Freuden der Liebe ganz und voll hin...

Woher diese plötzliche Freigebigkeit und der gänzliche Mangel an Furcht vor der Schwangerschaft, frage ich mich, habe aber keine Lust, dem nachzuforschen. In den nächsten Tagen spricht sie fortwährend von ihren Vergnügungen in Finnland, und in einem Augenblick der Trunkenheit erzählt sie mir, daß sie auf dem Dampfer die Bekanntschaft eines Ingenieurs gemacht hätte. Es wäre ein gebildeter, moderner Mensch gewesen, der ihr die Überzeugung beigebracht hätte, daß es keine Sünde in der Welt gäbe, es hänge alles von dem Umständen, vom Schicksal ab.

– Ganz recht, mein Kind; aber alle Handlungen ziehen schließlich Folgen nach sich. Und angenommen, es gäbe keine Sünde, weil es keinen persönlichen Gott giebt, so bleibt man doch immer denjenigen verantwortlich, denen man Unrecht gethan hat; und kann man auch nicht von Sünde sprechen, so bleibt doch das Verbrechen bestehen, so lange das Gesetz herrscht; und beseitigen wir auch den theologischen Begriff der Sünde, so wird doch die Vergeltung oder, wenn Du willst, die Rache an demjenigen fortbestehen, der uns geschädigt hat.

Sie wird ernst, stellt sich aber so, als ob sie das nicht begriffen hätte. Endlich antwortet sie:

– Nur boshafte Menschen rächen sich!

– Zugegeben, aber es giebt soviel boshafte Menschen in der Welt; und man ist niemals sicher, daß man nicht auch einmal auf einen Starken trifft, der sich nicht ungestraft verwunden läßt!

– Das Geschick regiert doch alle unsere Handlungen!

– Gewiß, das Geschick lenkt auch den Dolch in der Hand des Rächers.

Am Ende des Monats hat sie eine Fehlgeburt zu überstehen.

Der Ehebruch scheint mir bewiesen! Von jetzt ab wird mein Argwohn stärker, da ihre Angriffe einen beängstigenden Umfang annehmen.

Damals auch begann sie mir einzureden, daß ich verrückt wäre, und daß mein Argwohn aus einem überreizten Gehirn herrühre.

Noch einmal erhalte ich ihre Verzeihung, und zum Zeichen der Versöhnung schreibe ich ein Frauendrama mit einer großen Rolle, die gar nicht verdorben werden konnte. Am siebzehnten August überreiche ich ihr den Schenkungsakt über das Drama, worin ihr freigestellt wird, das Drama aufführen zu lassen, wo sie wolle, vorausgesetzt, daß man ihr die Wahl der Rolle überlasse. Ich hatte zwei Monate an diesem Geschenk gearbeitet, daß sie ohne ein Wort des Dankes annahm, als ein Opfer, das ihrer Majestät der abgedankten Komödiantin gebühre.

Während dessen geht die Wirtschaft ihrem unausbleiblichen Ruin entgegen, ich kann dazu nichts thun, denn jede Meinungsäußerung, jedes Dazwischentreten wird als eine Beleidigung angesehen und zurückgewiesen. Und ich muß den Räubereien der Dienstboten, der Vergeudung der Vorräte, der nachlässigen Bewachung der Kinder unthätig zusehen.

Zu dem Elend im Hause kommt noch der ewige Streit.

Bei der Rückkehr von der Reise nach Finnland, die sie auf meine Kosten gemacht hatte, brachte sie zweihundert Francs mit, welche die Vorstellungen eingebracht hatten. Da sie die Kasse hat, behalte ich die zum Haushalt nötige Summe im Kopf. Noch vor dem Ende eines Termins verlangt sie Geld. Von dieser unerwarteten Forderung überrascht, wage ich die höfliche Anfrage, was sie denn mit ihrem Gelde gemacht hätte. Sie hat es ihrer Freundin geliehen. Sie beruft sich auf das Gesetz und behauptet, daß sie das Recht habe, über das zu verfügen, was sie durch ihre Arbeit verdiene.

– Und ich? frage ich sie. Dem Haushalt etwas entziehen, heißt nicht verfügen.

– Bei einer Frau ist das etwas anderes!

– Bei der unterjochten Frau? Bei der Sklavin, die einen Mann für ihren Unterhalt arbeiten läßt! Das sind die Folgen des Frauenemanzipations-Schwindels.

Alles, was Emil Augier in den Fourchambaults über den Ausschluß der Gütergemeinschaft in der Ehe gesagt hat, ist eingetroffen; der Mann ist zum Sklaven geworden. Und es giebt wirklich Männer, die sich haben täuschen lassen, die sich selbst ihr Grab gruben!

Während das Elend meiner Ehe sich immer weiter ausbreitete, benutzte ich meinen litterarischen Ruhm, um die veralteten Vorurteile und den eingewurzelten Aberglauben auszurotten, der auf der abgelebten Gesellschaft lastet. Ich stelle einen Band Satiren zusammen und werfe eine Hand voll Kieselsteine auf die bekanntesten Charlatane der Hauptstadt, die geschlechtslosen Frauen mit einbegriffen. Ich werde als Pamphletist verschrieen, und Maria weiß daraus Vorteil zu ziehen. Sie verbindet sich mit dem anständigen Feinde, sie spielt Tag und Nacht die anständige Frau und beklagt sich über ihr Unglück, daß sie an einen Skandalmacher gefesselt sei; jetzt vergißt sie, daß ein bedeutender Romancier und Dramatiker neben dem Satiriker existiert. Sie ist die heilige Märtyrerin und hält es für passend, die unglückliche Zukunft ihrer Kinder zu bejammern, welche die Folgen der unehrenhaften Thaten eines verderbten Vaters tragen müssen, der ihre Mitgift vergeudet, ihre Künstlerlaufbahn zerstört hat und sie mißhandelt. Gleichzeitig bringt eine käufliche Zeitung die Notiz, daß ich verrückt geworden sei! Und eine gegen Bezahlung verfaßte Broschüre verbreitet das ganze von Maria und ihren Freundinnen ersonnene Märchen mit all den fabelhaften Unsauberkeiten, die in diesem schmutzigen Weiberkopf hausen.

Sie hat das Spiel gewonnen, und jetzt, wo sie sieht, daß ich unterlegen bin, erhebt sie sich und spielt die hehre Mutter eines verlorenen Kindes, und durch ihr liebenswürdiges Wesen gegen Jedermann, ausgenommen ihren Gatten, gewinnt sie alle meine Freunde, die falschen wie die wahren. Isoliert, einem Vampyr auf Gnade und Ungnade preisgegeben, verzichte ich auf jede Verteidigung. Sollte ich gegen die Mutter meiner Engel, gegen das Weib selbst, das ich auch jetzt noch anbete, die Hand erheben? Niemals!

Ich ergebe mich. Jetzt behandelt sie mich außerhalb des Hauses mit einer Zärtlichkeit, die am häuslichen Heerde beleidigender Verachtung Platz macht.

Das Übermaß von Arbeit und Rohheit erdrückt mich endlich, und ich werde krank; ich leide an Kopfschmerzen, nervöser Reizbarkeit und an Magenbeschwerden. Sonderbare Folgen der geistigen Überanstrengung! Merkwürdigerweise trat dieses Leiden aber erst auf, als ich meine Absicht, nach dem Auslande zu reisen, bekannt gab; es war dies das einzige Mittel, mich dem Netze der unzähligen Freunde zu entziehen, die meine Frau umringten und ihr beständig ihr Beileid ausdrückten.

Gelähmt, zu Boden geschlagen, liege ich auf dem Sopha, sehe dem Spiel der Kinder zu, lasse im Geiste die schönen Tage von früher vorüberziehen und bereite mich auf den Tod vor; ich wollte nichts Schriftliches über die Ursachen meines Todes, über meinen schimpflichen Argwohn hinterlassen!

Ich will verschwinden, getötet von einer Frau, der ich verzeihe!

Die Citrone ist ausgepreßt, und Maria sieht mich mit einem Blick an, der zu fragen scheint, ob ich nicht bald in eine andere Welt übergehen würde, damit sie in Frieden die Einkünfte aus den gesammelten Werken eines berühmten Dichters genießen, vielleicht auch eine Staatspension für die Kinder ergattern könnte.

Aufgeblasen von ihrem Bühnenerfolg, den ich ihr durch mein Stück verschafft hatte, – ein solider Erfolg, der ihr den Titel einer großen Tragödin eintrug – erhielt sie noch eine Rolle, die sie wünschte. Sie fiel gänzlich durch; und da sie nun erkennt, daß ich sie geschaffen und rehabilitiert habe, so wird der Haß der Schuldnerin täglich größer. Sie wendet sich an alle Theater, um ein Engagement zu finden, doch vergebens. Schließlich zwingt sie mich, nach Finnland zu schreiben; ich soll Heimat, Freunde und Verleger verlassen und mich unter ihren Freunden, die meine Feinde sind, ansässig machen. Doch die Finnländer mögen sie nicht, und ihre Karriere ist zu Ende.

In dieser Zeit, während sie als emanzipierte, aller Pflichten gegen den Gatten und die Kinder ledige Frau auftritt und ich durch meinen Gesundheitszustand verhindert bin, an den Zusammenkünften der Künstler theilzunehmen, geht sie ganz allein. Manchmal kommt sie erst am Morgen betrunken nach Hause, und dann macht sie einen Lärm, der das ganze Haus aufweckt, und ich höre mit Ekel, wie sie sich in dem Zimmer der Kinder, wo sie schläft, übergiebt.

Was soll ich in solchem Falle thun? Meine Frau anzeigen? Nein! Scheiden? Nein! Ist doch die Familie für mich ein Organismus geworden, von dem ich ein wesentlicher Bestandteil bin. Allein könnte ich nicht leben, allein mit den Kindern ohne die Mutter ebenso wenig; die Transfusion meines Blutes setzt sich in großen Arterien fort, die von meinem Herzen ausgehen, sich im Uterus der Mutter verzweigen und in dem kleinen Körper der Kinder münden. Es ist ein System von Blutgefäßen, die mit einander verstrickt sind, und wenn man eins davon abschneidet, verliere ich das Leben und das Blut, das in den Sand fließt. Darum ist der Ehebruch von Seiten der Gattin ein um so schändlicheres Verbrechen, und ich wäre geneigt, dem Ruf des bekannten Schriftstellers »töte sie« zuzustimmen; auch ich bin zu Tode getroffen durch den Zweifel an meiner Nachkommenschaft, Zweifel, die mir eine gewissenlose Mutter erregt hat.

Maria jedoch, die in Bezug auf die Frauenrechte äußerst liberal geworden ist, verkündigt die neue Wahrheit, daß die Frau nicht strafbar sei, wenn sie den Mann hintergehe, denn sie sei nicht sein Eigentum.

Ich kann mich nicht zur Spionage erniedrigen, und ich will keine Beweise, denn das wäre der Tod. Es gefällt mir, mich fortwährend zu täuschen, da ich in einer imaginären Welt lebe, die ich nach meinem Gutdünken poetisch verkläre.

Dennoch liebe ich die Kinder, sie gehören zu meinem Sein, wie das zukünftige Leben, und jetzt, wo die Hoffnung, nach dem Tode fortzuleben, mir geraubt ist, schwebe ich in der Luft wie ein Gespenst und sauge mit zufällig gewachsenen Wurzeln die Luft ein.

Maria scheint über das Ausbleiben meines Hintritts ungeduldig zu werden, und während sie mich in Gegenwart von Zeugen wie eine zärtliche Mutter hätschelt, kneipt sie mich heimlich wie der Vater den kleinen Jongleur hinter den Kulissen. Um meinen Tod zu beschleunigen, mißhandelt sie mich. Jetzt hat sie eine neue Tortur erfunden. Wegen meiner Schwächeanfälle behandelt sie mich wie einen Hinfälligen, und im höchsten Stadium des Größenwahns droht sie mir mit Schlägen, indem sie erklärt, daß sie stärker sei als ich. Und sie geht auf mich los, um mich zu schlagen. Da aber erhebe ich mich, fasse ihre beiden Hände und werfe sie aufs Sopha.

– Gestehe nur, daß ich trotz meiner Schwäche stärker bin, rufe ich ihr zu.

Sie macht kein Zugeständnis, und mit einer Jammermiene, wütend darüber, daß sie Unrecht hat, verläßt sie mich unter Drohungen.

Im Kampf benutzt sie alle Vorteile, die sie als Weib und als Schauspielerin hat. Man bedenke doch, daß ich, mit Arbeiten überhäuft, machtlos bin einer beschäftigungslosen Frau gegenüber, die den ganzen Tag frei hat, um Intrigen zu spinnen, so daß der Mann nach einiger Zeit in das Netz verwickelt ist, das ihn auf allen Seiten umspannt.

Während sie mich nun vor der Welt als einen Schwächling anklagt, um Verzeihung für ihr Verbrechen zu erwirken, gebieten mir Schamgefühl, Ehre und Mitleid, ihr körperliches Gebrechen zu verschweigen, das bei der ersten Entbindung entstanden und durch die folgenden schlimmer geworden ist. Wird wohl ein Mann, der die Geheimnisse der Ehe niemals irgend einem andern anvertraut, es sich einfallen lassen, die Fehler seiner Gattin weiter zu verbreiten?

Und immer wieder bitte ich, der ich von ihr mit unablässiger Wut verfolgt werde, um ihre Gunst, und um sie zu erlangen, greife ich zu Mitteln, die mir widerstreben, die aber geeignet sind, ihr die gewünschte Genugthuung zu verschaffen. Sie hatte also keinen Grund, sich zu beklagen; aber sie hatte die Natur einer Hündin, sie wollte alles genießen, sollte es auch ihr und der Kinder Glück kosten. »In der Liebe siegt man nur, wenn man flieht,« predigte Napoleon, der große Frauenkenner. Aber die Flucht ist einem Gefangenen nicht möglich, und noch weniger einem zum Tode Verurteilten.

Da ich mich ausruhte, erholte sich mein Kopf; und da ich von der Arbeit befreit war, bereitete ich einen Ausfall aus der Festung vor, die von der Megäre und den von ihr übertölpelten Freunden bewacht wird. Ich gebrauche eine Kriegslist und übergebe dem Arzt einen Brief, worin ich meine Befürchtung, daß mir in Zukunft Irrsinn drohe, ausspreche und als Heilmittel eine Reise ins Ausland vorschlage. Der Arzt stimmt bei, und ich beeile mich, Maria meinen unabänderlichen Entschluß mitzuteilen.

– Der Arzt hat es angeordnet.

Das war immer ihr Ausdruck, wenn sie dem Arzt vorschrieb, was ihr gefiel.

Bei meiner Mitteilung erbleichte sie.

– Ich will meine Heimat nicht verlassen!

– Deine Heimat! Das ist Finnland, und ich verstehe nicht recht, was Du in Schweden vermissest, wo Du keinen Verwandten, keinen Freund und kein Theater hast.

– Ich will nicht!

– Und warum?

Sie stockt etwas, dann sagte sie:

– Weil Du mir Furcht machst. Ich will nicht mit Dir allein bleiben.

– Ein Lamm, das Du am Bande führst, macht Dir Furcht, ist das Wahrheit?

– Du bist ein Elender, und ich will nicht ohne Schutz an Deiner Seite bleiben!

Sie muß einen Geliebten haben, oder sie fürchtet wirklich, daß ich den Tag erleben würde, an dem das Verbrechen entdeckt wird.

Ich soll ihr Furcht einflößen, der ich mich wie ein Hund ducke, der ich im Schlamm herumpatsche, um ihren weißen Strumpf anzubeten; ich habe mir die Löwenmähne abschneiden lassen und das Stirnhaar des Pferdes angenommen; ich habe mir den Schnurrbart in die Höhe gestrichen und trage den Kragen offen, um gegen die gefährlichen Concurrenten zu bestehen.

Ihre Furcht macht mir noch mehr Furcht und erweckt meinen Argwohn.

Dieses Weib hat einen Liebhaber, den sie nicht verlassen will, oder sie fürchtet den Tag des Gerichts, sage ich mir; vor ihr aber lasse ich nichts merken.

Nach endlosem Zanken nimmt sie mir das Versprechen ab, innerhalb eines Jahres zurückzukehren.

Und ich verspreche es!

Der Wille zum Leben kehrt zurück; ich mache mich daran, für den Winter einen Band Gedichte zu vollenden, der nach meiner Abreise erscheinen soll. Und den Sommer im Herzen, singe ich mit frischer Kraft, ich besinge die angebetete Frau, deren wallender, blauer Schleier auf dem Strohhut seit dem ersten Zusammentreffen die Fahne geworden ist, welche ich am Mast aufhißte, wenn ich ins stürmische Meer hinausfuhr.

Eines Abends las ich jene Verse im Familienkreise einem Freunde vor. Maria hörte andächtig zu. Als ich geendet hatte, brach sie in Thränen aus, stand auf und küßte mich auf die Stirn.

Eine vollendete Schauspielerin! Sie versucht es, meinen Freund auf eine falsche Fährte zu leiten, und dieser hält mich in der That von jetzt an für einen eifersüchtigen Narren, dem der Himmel ein so liebendes Weib bescheert.

– Sie liebt Dich, alter Freund, versichert mir der junge Mann, und vier Jahre später führt er diese Scene als einen schlagenden Beweis für die Treue meiner Frau an.

– In jenem Augenblick war sie aufrichtig, darauf schwöre ich, behauptet er.

– Aufrichtig in ihrer Reue, ja! Einem liebenden Manne gegenüber, welcher die Dirne als eine Madonna besingt! Nicht wahr, mein Junge?

*

Indessen ist das Haus endlich von den Freundinnen gereinigt worden. Die letzte, die Schöne, ist mit meinem besten Freunde verschwunden, einem bedeutenden Gelehrten. Die Schöne, welche auf dem Pflaster lag und unentgeltlich bei mir gewohnt hatte, hängt sich an den armen Burschen, der seit einem Jahre in einem unfreiwilligen Cölibat lebte. Sie hat ihn in einem Wagen verführt, den sie in einer dunklen Nacht bestellt hatte, um sie irgend wohin zu bringen, und sie zwang ihn zur Heirat, indem sie in einer Familie, wo sie eingeladen waren, einen Skandal in Scene setzte. Da sie nun im sicheren Hafen war, ließ die Schöne die Maske fallen, und in einer Gesellschaft vergaß sie sich in der Trunkenheit soweit, daß sie Maria für unsittlich erklärte. Einer meiner Freunde, der an der Gesellschaft teilgenommen hatte, glaubt sich verpflichtet, mir diese Beschuldigung mitzuteilen.

Maria erklärt im Handumdrehen die Sache für unmöglich, und ich weise der Freundin die Thür, verliere aber gleichzeitig einen Freund für immer.

Ich habe keine Lust, die Sache näher zu untersuchen, aber das rauhe Wort »unsittlich,« von jener Seite ausgesprochen, läßt einen schmerzenden Stachel in meinem Fleisch zurück. Und kurze Bemerkungen, die aus derselben Quelle herrühren, die in unbestimmter Weise auf Marias schlechtes Betragen während ihres Aufenthaltes in Finnland anspielen, geben meinem alten Argwohn neue Nahrung; ich denke wieder an die Frühgeburt, an die Philosophie vom unabwendbaren Schicksal, an das unerwartete Erwachen der Liebeslust, die lange nachgelassen hatte, und alles das bestärkt mich in meinem Entschluß zu fliehen.

Maria ist zu der Erkenntniß gekommen, daß es sich bei einem kranken Poeten gut leben lasse, und sie spielt sich als barmherzige Schwester, als Krankenpflegerin und nötigenfalls als Irrenwärterin auf. Sie windet sich eine Heiligenkrone, sie handelt hinter meinem Rücken eigenmächtig und geht, wie ich erst später entdeckte, so weit, daß sie auf meinen Namen von meinen Freunden Geld leiht. Gleichzeitig verschwinden wertvolle Möbel aus der Wohnung, welche der abenteuerlichen Freundin No. 1 zum Verkauf übergeben werden.

Das erregt meine Aufmerksamkeit, und ich lege mir zum ersten Male die beängstigende Frage vor: Sollte Maria etwa geheime Ausgaben machen?

Was bedeuten sonst die geheimnißvollen Schritte, und woher rühren die ungeheuren Unkosten meines Haushaltes? Und wozu dienen sie?

Ich habe jetzt das Gehalt eines Staatsministers, mehr als ein kommandierender General, und dabei führe ich ein elendes Leben, als ob ich eine Bleikugel an den Füßen hätte. Außerdem leben wir so einfach wie möglich. Unsere Kost ist die eines einfachen Bürgers, schlecht zubereitet, oft verdorben, wir trinken wie Arbeiter Bier und Branntwein, schlechten Cognac, der selbst bei unseren Freunden berüchtigt ist; ich rauche nur die Pfeife, gönne mir nie ein Vergnügen, ausgenommen die wenigen Abende, wo ich ausgehe, um mich zu zerstreuen und zu amüsieren.

Nur ein einziges Mal, als ich ganz außer mir war, begehe ich das Verbrechen, eine auf diesem Gebiet erfahrene Dame zu fragen, ob sie die Kosten meines Haushalts nicht zu hoch fände. Sie lachte mir ins Gesicht, als sie den ungeheuren Betrag hörte, und versicherte mir, daß das geradezu wahnsinnig wäre.

Ich hatte also Ursache, an geheime, außerordentliche Ausgaben zu glauben. Aber wofür? Für Eltern, Tanten, Freundinnen, Liebhaber, deren Rendez-vous sie bezahlte? Wer sollte dies einem Gatten sagen, da ein jeder aus irgend welchen, ich weiß nicht, was für welchen Gründen, sich zum Mitschuldigen des Ehebruchs machte.

Nach endlosen Vorbereitungen wird schließlich der Tag der Abreise festgesetzt. Da entsteht eine neue Schwierigkeit, die ich schon geahnt hatte, und die eine Reihe von Jammerscenen im Gefolge hatte. Der Pudel lebt noch, er hat mir ungemessenen Ärger verursacht, besonders weil meine Frau in ihrer Sorge für den Hund den Kindern das Beste wegnahm. Indessen war der Augenblick gekommen, wo Marias Abgott, mein böser Genius, zu meiner unaussprechlichen Freude seinen Lebenslauf beenden sollte; war er doch schon alt, mit Geschwüren bedeckt, schmutzig und stinkend. Ich möchte vermuten, daß Maria den Tod des Tieres wünschte; aber da sie das unschuldige Vergnügen ahnt, das sie mir damit bereitete, und da sie sich schon bei dem Gedanken ärgert, daß sie mir eine Freude machen könnte, zieht sie die Pudelfrage in die Länge und erfindet ausgesuchte Qualen, um mich die erhoffte Seligkeit teuer bezahlen zu lasten.

Sie veranstaltet einen Abschiedsschmaus, es wird ein Huhn geschlachtet, von welchem ich mit Rücksicht auf meine schwache Konstitution nur die Knochen vorgesetzt bekomme; dann spielt sie eine herzzerreißende Scene und fährt endlich mit dem Scheusal nach der Stadt. Nach zwei Tagen meldet sie mir ihre Rückkehr mit kühlen Worten, als ob sie an einen Mörder schriebe. Von meinem Glück berauscht, nach sechs bitteren Jahren frei zu sein, gehe ich ihr entgegen, indem ich voraussetze, daß ich sie allein treffen würde. Sie empfängt mich wie einen Giftmischer und stößt mich mit Thränen in den Augen zurück, da ich sie küssen will. Sie nimmt ein großes, sonderbar aussehendes Packet in die Hand und tritt den Trauermarsch nach der Wohnung an. Es war der tote Hund! Das Begraben war mir vorbehalten. Ein Mann beschäftigt sich mit dem Sarg, zwei andere mit der Grube, ich halte mich abseits und sehe der Bestattung des ermordeten Lieblings zu. Es war erbaulich! Maria betet zu Gott für das Opfer und für den Mörder, die Umstehenden lachen, und das Kreuz des Erlösers wird aufgepflanzt, der mich endlich von einem Scheusal erlöst hat, welches an sich unschuldig war, aber alle Bosheiten eines Weibes verkörperte, das zu feige war, um offen den Mann zu quälen.

Nach einigen Tagen tiefer Trauer ohne Küsse – sie wollte keinen Mörder küssen – reisten wir nach Paris ab.


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