Rudolph Stratz
Der mysteriöse Cavalier und andere Novellen
Rudolph Stratz

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Henkerskind

Aus einer alten Chronik

. . . und so beginnt die wahrhaftige Geschichte von Meister Magirus, dem Goldmacher, und der schwarzen Hille, des Henkers Tochter, wie sie von mir, Josua Siebengang, Geheim-Secretario Seiner Fürstlichen Gnaden, selber erlebt und hier zu Nutz und Frommen aller Christenheit getreulich aufgeschrieben.

That damals Reu' und Buße unserm Lande Roth. »Sie treiben der Waisen Esel weg«, heißt es, zum vierundzwanzigsten im Buche Hiob, »und nehmen der Wittwen Ochsen zu Pfande, und den Hungerigen nehmen sie die Garben. Sie machen die Leute in der Stadt seufzend, und Gott stürzt sie nicht!«

Ließ sich aber unser Hofprediger, der hochwürdige Barnabas Bätzle, ein freudiger Gottesmann, Sonntags also von der Kanzel vernehmen, so lachte Serenissimus nach dem Amen: »Lieber! Gelehrter! Ihr seid ein grober Klotz!« und ging mit hochdero Herzensfreundin, der Gräfin Bibiane, in der Orangerie lustwandeln, ließ zwei Stunden lang bei der Wachtparade das Kalbsfell schlagen, ergötzte sich des Nachmittags beim Mummenschanz, Schäferspiel und Galanterie, oder hetzte gar am Sabbath des Herrn den Hirsch, lauschte mit glänzender Suite des Abends den wälschen Sängern und Tirillierern in der Opera und ließ dann, während der Cour der Cavaliere und Damen bei der Redoute, ein monströses Feuerwerk zum solennen Abschluß solchen Tages abbrennen.

Inzwischen aber waren die Kassen bei solcher Wirtschaft leer. Bald kein Deut, kein Stüber, kein rother Pfennig mehr in Schloß und Hütte zu finden. In einem Land aber, in dem das Geld fehlt, sind flugs Baal und Beelzebub Meister.

Die Bauern, die Schelme, murrten. Mochten unter dem Hornickel, einem viereckigen Gesellen, die Mauthäuser angezündet haben und keck die fürstlichen Hirsche von ihren Saaten vertreiben. In der Stadt stachelte der Tückmantel, der lose Bader, den gemeinen Pöbel auf, daß selbiger die Bäckerläden stürmte. Ein ehrsames Handwerk hatte keinen goldenen Boden mehr. Denn wo war noch, selbst bei den Zünften und Geschlechtern oder gar auf den Rathsstuben, noch Gold zu sehen? Danach hätte man Hirsch Assur, den fürstlichen Münzjuden, fragen sollen und die schöne Mirel, sein Weib, und seine Genossen, den Chaim Katzeneljon und Reb Naphtali und alle die Kipper und Wipper, Jud und Christ . . .

Aber auch selbige Schalksknechte, denen Gott genade, wußten sich jetzt keines Raths mehr. Der letzte Dukaten war über die Grenze gerollt, ehe ihn die Straßenräuber erwischten. Die thaten sich schon auf Weg und Steg in hellen Haufen auf. Es sangen schon die Bänkelsänger vom Höllenhahn und der Fuchsin und spielten die Buben die Historien vom Dukatenteufel und vom Drachenstüber, und wer noch so wohl bewaffnet reiste, durfte sich vorsehen, daß ihm nicht der Perle Einohr den Mantelsack hinten vom Wagen schnitt oder das Pfeiferlein die Pferde in der Herberge stahl. Die fürstliche Soldateska aber, statt das Gesindlein zu verfolgen, rottete sich just im Park vor der Nymphengrotte, wo sich Fürst Philander erlustierte, zu Haufen, und ihr Sprecher, der Korporal Peter Siebenschuh, riß sein ungewaschenes Maul auf und forderte den rückständigen Lohn.

Und stand es schon so besorgt um den armen, äußeren Adam – wie viel mehr noch um unsere unsterblichen Seelen! Wohl ragten draußen vor der Stadt die Brandpfähle, an denen man seit Jahren fleißig die Hexen und Hexenmeister verbrannt, dicht wie ein schwarzes Lustwäldchen; aber der Unholde wurden täglich mehr. Zauberer und Widergänger zeigten sich ungescheut am hellen Tag schon überall im Land. Kaum durfte ein Christ es wagen, noch mit Satans Ritterschaft anzubinden. Wie oft habe ich Nächtens, gerade über die Gasse, bei Mondschein Mutter Säuberlich, die Hexe, aus dem Schornstein fahren sehen. War bei Tag eine fromme Beguine und wollte nichts von Besen und Bilsenkraut wissen. Lief doch sogar die gemeine Rede, daß unser gestrenger Bürgermeister, Herr Rupert, und der Stadtschreiber Nicholt und der dicke Ratsherr Gerspach bei Nacht als Wehrwölf' umgingen. Man that besser, nicht erst lang hinzuschauen, wenn man unverhofft solchem Spuk begegnete! Mit großen Herren ist nicht gut Kirschen essen . . .

In Summa: Es waren bedrohliche Läufte, und ich habe dies betrübte Bild nicht mit Meister Pechs Theerpinsel gemalt, sondern Gott hatte in Wahrheit seine Zuchtruthe aufgesteckt. Umsonst stand seit Wochen nicht der feurige Komet am Himmel . . .

So ging ich mit besorgtem Gemüth gegen Abend zu meinem Dienst als Geheim-Secretarius ins Schloß. Markt und Gassen strömten von Pflastertretern, Musketieren, Lehrbengeln, Handwerksgesellen, Zinsbauern aus den Dörfern. Fahrende Fräulein stolzierten umher, als gehörte ihnen schon die Welt – die Düveke – die güldene Else – Schleppsäcke, die, Gott sei's geklagt, jedes Kind in der Stadt kannte – Würfelbrüder thaten sich groß – Renommister – Langfinger. Aber auch viel ehrliche Bürger und redliches, vermeintes Weibsvolk war dazwischen, und alles schrie nach gutem Geld.

Alles schrie nach Geld . . .

Im Jupitersaal saß Serenissimus Fürst Philander gravitätisch in Spitzenjabot und Degen, hochdero Lieblings-Windspiele um sich, auf dem goldenen Thron, unter dem Purpurbaldachin, und schnupfte aus seiner Brillanten-Tabatière und gähnte weitoffenen erlauchten Mundes zu dem, was seine Getreuen und Diener sagten. »Jederzeit sind wir für Euer Gnaden unser Blut zu verspritzen bereit und willig«, ließ sich der Generalkapitän der Leibgarden, der Colonel Roland, vernehmen. »Allein auch der Heidengott Mavors hat einen Magen und bedarf der Menage!« – »Die Beamten, Ihre unterthänigsten Subjekte,« sprach der fürstliche Cabinetspräsident Freiherr Waldherr von Wackersburg, »werden vom Federkiel-Kauen nimmer satt!« – »Schützt einen ehrbaren Kaufherrn vor den Mondscheinbrüdern und Seckelschneidern auf der Landstraße!« bat Herr Rupert, der Bürgermeister. »Schafft Gold und Brot! Sonst kann ich mein Volk nicht mehr meistern!« Der Finanzdirektor trat vor: »Euer Gnaden! Ich bin der Ritter von der leeren Taschen. Alle hacken sie wie die Raben auf mich unseligen Mann und bin doch nicht schuld! Herr – lernt sparen!« Und der Hofprediger, Herr Barnabas Bätzle, ließ seinen Baß erschallen gleich der Trompete von Jericho: »Gnädiger Herr! Es ist nicht alleweil Lustbarkeit und Fastnacht! Aschermittwoch ist nah! Streut Euch Asche auf Eure Perücke! Thut Reu' und Leid!«

Fürst Philander aber hätschelte seine Hündlein und lächelte: »Ihr Herren! . . . Ich treib es à la mode . . . nach wälscher Art . . . Nur der Franzos versteht zu leben! . . . Es geht mir schon hart an, mit Euch deutsch zu sprechen! . . . Drum ennuyieret mich nicht ohne Noth!« . . .

Dabei klappte Seine Altesse resolut hochdero Tabakdose zu, nahm meine Wenigkeit ins Auge und frug neugierig:

»Wie ist's: hat unser Alchymist Magirus endlich Gold gemacht?«

»Fürstliche Gnaden!« erkühnte ich mich frei von der Leber weg. »Der üble Mann hat bis gestern abend kein Gold vorgewiesen, und er wird auch nie welches schaffen. Ihr habt sothanen fahrenden Magister, von dem Gott allein bekannt, woher er kommen, hiesigen Orts in Ehren aufgenommen wie einen großen Herrn, ihm sechs Ellen flandrisch Tuch zu einem neuen Gewand und eine ächte Brabantenkrause geschenkt, ihm eine silberne Kette umgehangen und ihn zu Eurer Rechten sitzen lassen. Aber Gold habt Ihr von dem losen Gesellen nicht gesehen. Ihr habt den Nekromanten dann in das leere Cavalierhaus verwiesen, daß er dort in Ruh' und Einsamkeit seinen Stein der Weisen fördere. Ihr habt, gemäß der Euch beiwohnenden hohen Geduld, Woche um Woche gnädiglich zugewartet. Aber es ward nicht der große Stein und nicht der kleine Stein, sondern es ward – sit venia verbo – ein Katzendreck. Ihr habt dann vor einer Woche in gerechtem Zorn selben Aventürier, der Eurer spottet, fest im Diebsthurm verstrickt und scharf bewachen lassen und ihm ernstlich befohlen, nun auf der Stelle Gold zu machen, deß das Land so dringend Nothdurft hat. Doch der Magirus mag sein rothes Pulver in die Retorten rühren und sein weißes Pulver in die Tiegel – giebt Hitze und Stank, Rauch und Ruß, doch kein Gold!«

Serenissimus hatte, wider seine Art und Brauch, meinen langen Sermon wohlaffektioniert bis zum Ende angehört. Seine landesväterlichen Mienen erhellten sich hoffenderweise: »Mir träumte heute, dies sei eine große Nacht!« ließ er sich vernehmen. »Und unserer Gräfin Bibiane träumte – par hasard oder nach Gottes Wille – just dasselbe! Vielleicht ist es denn endlich mit der Schwarzen Kunst geglückt! Spute Er sich, Siebengang, und bringe Er mir quam citissime Rapport, ob der Doktor Magirus heute etwa Gold gemacht hat!«

Der Diebsthurm, in dem der Alchymist Magirus verwahrt saß, war ein alt, fest Gemäuer vor der Stadt, einsam auf einem geringen Eiland in Mitten des Metzgerteichs, recht für solche Vögel geschaffen. Es stank da übel im Sommer und Winter von Kutteln und Geschlinge, die die Schlächter in das Schilf am Ufer zu karren pflegten. Der Wind trug mir schon von fern eine Nase voll entgegen. Er pfiff und heulte unsanft über unserer hochfürstlichen Residenz. Alle Kirchthurmhähne drehten sich aufgeregt mit gespreizten Flügeln vor dem abendgrauen Himmel, an dem das Sturmgewölk in mannigfachen Fetzen und Gestalten gleich dem heidnischen wüthenden Heer über unsern Mauern und Zinnen dahin flog, als wolle es allerhand Oracula und Omina verkünden. Zu anderen Zeiten hätte ich wohl darauf geachtet. Hatte erst unlängst, mit andern guten Christen, drei blutige Monde am Himmel geschaut und mich bekreuzigt. Aber nun trieb der Eifer, meinem gnädigsten Herrn submissest zu dienen, meine unterthänigen Beine. Ich wickelte mich wider den Sturm in meinen Fuchspelz und hielt die Nase gerade aus und sah jetzt vor mir in der Ferne, in dem weiten flachen Land, wie ein dünnes Spinnweb in der Dämmerung den Galgen auf dem Armesünderhügel.

Manch freie Reichsstadt konnte sich nicht solch eines hochgezimmerten, zweistöckigen, ansehnlichen Galgens mit solch herrlichem Rundblick übers Land rühmen wie wir. Auf unsern Galgen waren wir stolz. Denn er war das sichtbarliche Zeichen unserer Freiheit – nämlich der fürstlichen hochnothpeinlichen Blutgerechtigkeit – und lehrte Heid' und Christ, daß Serenissimus Philander, unser erlauchter Landesvater, zwar Gott und Seiner Römischen Majestät, aber sonst keiner Macht auf Erden unterthan sei.

Sorgten darum auch fleißig, daß es dem Galgen an Gästen nicht fehle! Schaukelten da immer ein paar Schacher im Wind. Der Geselle, der jetzt da drüben am Seil im Bogen auf und nieder flog, das war der Heidepeter, ein starker Räuber, den wir zu Pfingsten aufgeknüpft, und das Bündlein, das neben ihm in der Luft tanzte, war der Zigeuner, den wir mit ihm gefangen und auch flugs gehangen. Die Lumpen der beiden Galgenbrüder flatterten im Sturm. Darunter flatterte, am Fuß des Rabensteins, etwas Rothes – ein Kopftuch – und wehte ein Rock. Stand ein Mädel und lugte, die Hand vor den Augen, nach rechts und links, als erwartete sie bei fallender Nacht verdächtiges Gelichter.

Und ich wußte, ohne daß ich ihr schönes Gesicht sehen konnte: das war die schwarze Hille, des Meister Uz, des Henkers Tochter. Sein Haus lag da gleich, nur einen Steinwurf weit, neben dem Hochgericht, fern von aller Christenheit, und wem es im Lande nach Hehlerei und Stehlerei, Roßtäuscherei und Brandbriefen, Kugelsegen und Glückswürfeln, Liebestränken und Zauberspiegeln und Hagelmacherei und allen bösen Künsten gelüstete, der mochte dort dreist in die hohe Schule gehen. Durfte sicher sein, daß er in das verrufenste Haus weit und breit trat.

Die schwarze Hille sah aus der Ferne klein aus wie ein Dockenpüppchen. Sie schlenderte unter dem Dreibein voll Todten hin und her, wie ein ander Mädel in der Putzstube, bückte sich, las Etwas vom Boden – mochte was Rares sein – ein herabgefallener Diebsdaumen – oder eine bei Sonnenaufgang erstorbene Alraunwurzel. Dann guckte sie in die Höhe und stand, den Kopf mit dem rothen Tuch im Nacken, als hielte sie mit dem Heidepeter und dem Zigeuner da oben Zwiesprache und klatschte in die Hände. Da war gleich ein Gewimmel von schwarzen Raben, die vom Galgen aufflogen, um sie her. Nicht anders, als wenn am Sonntag, nach dem Lob des Herrn, auf dem Platz vor dem Dom unsere Fräulein vom Stande und aus den schönen Rathsgeschlechtern die Tauben füttern und, unschuldig wie jene, sich von den frommen Sinnvögeln Gottes schnäbeln und liebkosen lassen – also, gleich einem Widerspiel des Bösen – umflatterte dort fern das schwarze Gezücht höllischer Tauben die schwarze Hille. Aber viel später erst ward mir offenbar, daß aus selbem Bild der Finger Gottes selber warnte: Hütet Euch vor der Henkersdirne, der Geringsten im Lande, ehe denn sie Gewalt über Euch bekommt! – Damals begriff ich es nicht, sondern ging fürbaß. Merk's, günstiger Leser, und fleuch bei Zeiten vor dem Bösen . . .

Am Diebsthurm empfing mich Hans Schlöffel, der Fronvogt, und geleitete mich, an der Wache vorbei, die Wendeltreppe hinauf und durch ein kahles Vorgemach. »Hat der Schalk denn jetzt Gold gemacht?« frug ich, während der Fronmann die Zelle des Magirus aufschloß. Meister Schlöffel schüttelte das Haupt und sprach: »Hört selber, Herr Secretarius, was er treibt!«

Innen sang eine starke, jugendliche Männerstimme zur Laute ein loses Lied:

»Die Brünnlein, die da fließen,
die soll man trinken.
Und wer ein steten Bulen hat,
der soll ihm winken.«

Wir traten ein. Da saß der Nekromant Magirus auf dem breiten Sims des Kerkerfensters, das hinter ihm, in dem bleichen Abendzwielicht draußen, sein eisernes Gitterkreuz spannte, hatte ein Bein über das andere geschlagen, griff in die Saiten und sang mit lauter, wohltönender Kehle. Er war ein großer, stattlicher Mann. Aber bei Leibe nicht so jung, wie männiglich nach seiner Stimme hätte muthmaßen sollen. Hatte tausend feine Runzeln im Gesicht, und sein langer, dunkler, dem Magier bis auf die Brust reichender Bart war von des Alters Asche bestäubt und seitlings angegraut. Aber seine Augen wieder waren jung und hell, glänzend braun, leuchteten heiß, daß sich wohl ein Frauenzimmer darein noch vergucken konnte. Und wenn der Magirus, der abgefeimte Mann, sich des öfteren rühmte, er sei schier mehr denn tausend Jahre alt und habe wohl schon mit Kaiser Carolo Magno zu Nacht gespeist und sich dennoch geziemend jung erhalten, so gab es Narren genug, die ihm Solches glaubten.

»Habt Ihr Gold gemacht, Herr Magister?« frug ich kurz. Denn das war mein Auftrag.

Er antwortete nicht. Er sang noch lauter:

»Ja winken mit den Augen
und treten auf ein Fuß . . .«

Ich blickte nach dem Schmelzofen in der Ecke. Der Heerd war kalt. Die Phiolen und Glaskolben und Kupferschalen waren unordentlich auf einen Haufen geschoben und verstaubt. Da war nichts geschehen, was gemeiner Noth frommen konnte. Da mochte ebenso wohl mein Roß Dukaten prägen, wenn es Äpfel fallen ließ. Aber ich forschte deß ungeachtet noch einmal und erkundigte mich fleißig:

»Hand aufs Herz: Habt Ihr Gold gemacht?«

Der Alchymist Magirus schüttelte nur seinen abenteuerlichen Kopf, auf dem das Haupthaar noch ganz dicht und kraus und dunkel war, und klimperte gleich einem fahrenden Spielmann.

»Es ist ein harter Orden,
der sein Bulen meiden muß!«

Ich ließ den verspielten Mann plärren und kehrte eilends in das Schloß zurück. Der durchlauchtige Fürst Philander saß mit dero hoher Freundin, der Gräfin Bibiane, in einem geblümten, seidenen Schlafrock am Kamin, trank ein Schälchen Chokolate, und lehrte, vor der lachenden Frau Gräfin, seine Windspiele aufrecht miteinander tanzen, dieweil ihm der Perrüquier mit seinem Gesellen die Locken für die Festivität am Abend kräuselte und puderte. Ich trat vor, räusperte und verbeugte mich: »Gnädiger Herr! Verzeiht Eurem im Staube ersterbenden Subjekt die Kühnheit: aber es giebt nur eine Zeit, zu der der Magirus uns Gold schaffen wird: heißt der Nimmermehrstag. Eher nicht.«

»Was treibt der böse Bube denn im Thurm?«

»Singt von Lieb' und Mai und spottet Euer Gnaden!«

»Ich lasse meiner nicht spotten!« schrie Seine Hochfürstliche Durchlaucht und sprang so zornmüthig auf die Beine, daß die tanzenden Windspiele umfielen und die Coiffeurs und Lakaien sich eilig retirierten. Die Frau Gräfin Bibiane wollte ihm das Meißener Täßchen aus der Hand nehmen. Aber es zerbrach schon zuvor, so heftig stellten es Seine Altesse auf den Lapis Lazuli des Spieltischchens, und die Chokolate träufelte ihm auf den Wahlspruch »Vive l'amour!« auf hochdero silbernen Schuhschnallen.

»Der Nimmermehrstag, von dem Er sprach, Josua, ist gekommen!« befahl er in zürnender Majestät. »Gehe Er zum andern Mal in den Thurm und melde Er dem Magirus von mir, als letzte Resolution, daß er mir bis morgen zum Frühmesseläuten unweigerlich ein Pfund feines und lauteres Gold zu liefern habe! Sonst . . .«

»Sonst, Euer Gnaden . . .?«

»Sonst soll selber Magirus morgen zu guter Zeit, mit einer Krone aus Goldpapier auf dem Haupt und in einem Rock aus Goldflitter in einem Karren vor die Stadt zum Galgen geführt und dort, zum abscheulichen Exempel für alle Quacksalber und Gaukler, vom Meister Uz so lange am Halse aufgehangen werden, bis er todt ist! Er aber, Siebengang, bleibe die Nacht durch im Vorgemach des Kerkers im Diebsthurm und wache über den Magirus und sorge, daß er uns nicht mit seinen Höllenkünsten äfft!«

Oh wehe – als ich wieder in des Magisters Zelle eingetreten, mochte bald der Großtürke selbst oder eine übel gefederte Wildsau in seinen Gläsern, Kolben und Phiolen gehaust haben – also lag alles kurz und klein geschlagen in Scherben in der Asche. Eine Ampel hing vom Gewölbe und beleuchtete das Verließ. Inmitten, unter ihrem Schein, stand der Alchymist und zerschlug just sein letztes Werkzeug – ein feinkupfernes Gebläse – als wollte er den Ratt' und Mäusen im Thurm und mir, dem Secretario, und aller menschlichen Creatur draußen zum Letzten verkünden, daß es bei ihm mit aller Goldmacherei für immer ab und zu Ende sei . . .

»Das habt Ihr nicht wohl gethan, Magire!« sprach ich mit Bedacht. »Denn nun ist es an dem, daß Ihr Tods verfahren müßt!«

Und ich offenbarte ihm Serenissimi gnädigen Willen, ihn flugs am nächsten Morgen aufzuhängen. Habe schon manchen armen Sünder sein letztes Sprüchlein vernehmen und zähneklappern und erbleichen sehen. Aber wie's der Magirus aufnahm – darob mochte sich nicht bloß die große Fledermaus entsetzen, die unverhofft um die Lampe kreiste – besorge heute noch, es sei der Böse selber gewesen – sondern auch mir und dem Fronvogt standen die Haare zu Berge bei dem Lachen des Magirus.

Denn der unholde Mann lachte aus vollem Hals, als hätte ich ihm eher einen Schwank vom Eulenspiegel denn sein Todesurtheil verkündet. Er stand fest und stattlich da, in seinem langen violetten Talar. Es hatten freilich die Motten im Pelzbesatz gehaust und die Maus Löcher in den Sammet gebissen. Floß ihm doch wie ein Zaubermantel um die Glieder und der lange Bart wallte ihm auf die Brust, und sein Antlitz darüber schien im Glast der Ampel jung, ohne Fehl' und Falten, mit weißen Wolfszähnen und feurigen braunen Augen.

»Vermeldet Serenissimo, er könne mich . . .«, sprach er und ich, Josua Siebengang, darf es nicht wagen, meinem Gänsekiel anzuvertrauen, was der Schalksknecht Seiner Fürstlichen Gnaden ungescheut bestellen ließ und also fortfuhr: »Euer Galgen schiert mich keinen Pfifferling! Führt mich nur hinaus, daß ich mit Jungfer Hänfling tanz' . . .«

Mir gedachte die schwarze Hille, wie sie vorhin fern unter dem Galgen gestanden. Das war wahrlich die Jungfer Hänfling selber gewesen. Mir grauste. Ich frug:

»Bangt Ihr Euch denn nicht vor dem Tod?«

»Sterben ist keine Kunst!« sprach der Magirus und zupfte sich dabei einen Floh aus dem Pelz. »Ich bin schon oft gestorben und war über Nacht wieder da. Nur ungeschickte Leut' sind todt. Mich mögt Ihr noch öfter von Angesicht schauen, als Euch lieb ist! . . . Frisch, Fronmann – bringt mir Wein! Laßt sieden und braten, was Eure Küche vermag – zur Henkersmahlzeit! Ich will die Nacht durch zechen und lustig sein! Selb ist mein Recht als armer Sünder!«

Und als der Schlöffel dienstwillig den Wein ins Verließ gebracht, kam der Magirus nach kurzer Weil' mit zwei Bechern zu uns heraus und nöthigte uns, ihm Bescheid zu thun, und trank selbst redlich und seine Reden wurden immer loser.

»Habt Ihr schon 'mal zwischen Euren Beinen durchgeschaut, Herr Secretarius«, sprach er, und, ehe ich ihm denn die ungebührliche Frage verweisen konnte, weiter: »Alles stehet dann auf dem Kopf und verkehrt. So schau' ich die Welt! Und so ist's eben recht!«

»Denkt lieber an Euer Seelenheil!« mahnte ich. Doch kaum war der Fronmann zum Gemach hinaus, um nach dem Nachtmahl für den Malefikanten zu schauen, da griff der in seine Zupfgeigen und sang laut und unbesorgt:

»Die Weiber mit den Flöhen –
die haben ein stäten Krieg.
Sie gäben uns groß Lehen,
wenn man sie all erschlüg . . .«

»Und des Satanas Schwefelpfuhl und Flammen?« drängte ich christlich und entwand dem Nekromanten sein unziemlich Klimperholz und that es fein bei Seiten. »Ihr habt mehr auf dem Kerbholz, Magire, und seid bei Beelzebub tiefer in der Kreide, als dem Herrn Petrus am Himmelsthor lieb sein mag! Drum lasset jetzt die Weltlichkeit!«

»Ich kann die Welt nicht lassen!« sprach da der Magirus. »Denn die Welt ist überall vorhanden. Ist kein Diesseits und kein Jenseits, und kein Oben und Unten, und kein Himmel und Hölle, – und Ihr und ich – und Baum und Wolke und Thier und Mensch – alles ist einander gleich und eins, und ist alles nur da, weil ich bin. Drum bin ich das All!«

Mich verdrossen solche wirre Reden. »Also treibt's, wie Ihr mögt!« versetzte ich kurz, ließ den Magister in seine Zelle zurückkehren, und setzte mich im Vorgemach in den Lehnstuhl. Wäre lieber die lange kommende Nacht in den Federn und in meinem warmen Bett gewesen, als hier zu wachen, daß Satans Braten nicht vorzeitig anbrenne! Aber wer sich Fürstendienst erwählt, der darf nicht murren, und vom Grillenfangen ward noch Keiner fett. Also saß ich in guter Ruh, gähnte Etzliches und hatte die Türe zu dem Verwahrsam nebenan weit offen und den Magirus in guter Hut. Der aber sorgte sich um mich nicht weiter als um die Laus im Bart, holte wieder seine Laute vor, trank und sang. Oder der Gottseibeiuns sang aus ihm. Plärrte süß, wie das dem Gerechten zu allen Zeiten kund und eine Warnung ist. Wälsche Lieder, aus dem Land Italia. Ich lehnte behaglich in meinem Gestühl. Mußte über den dummen Teufel lachen, der mich in Versuchung führte, und ich verstand doch, durch Gottes Gnade, Nichts von den sündhaften, fremden Worten. Apage, Satanas! . . .

Ich mochte ein wenig eingenickt sein und schrak auf und rieb mir die Augen ob des Lärms, der sich ungebührlich im Gemach breit machte. Der Fronvogt war die Stiegen heraufgekommen. Mit ihm die Muhme Britte, seine Schwester, die ihm den Haushalt im Diebsthurm führte. Die hatte, was recht und billig war, für den armen Sünder aufgekocht und trug es auf einer großen zinnernen Platten: Eine Gesundheitssuppen, gewürztes Fleisch, gebraten Flügelwerk, mit Näglein bespickt, gestopfte Äpfel und Gallerte und sonst manch Schleckeres.

Konnte Keiner darob Bauchgrimmen kriegen! Der Magister aber schaute nicht das Gekochte an, sondern die Köchin, und zur Stund' wurde seine Miene sauer. Denn, der Wahrheit allezeit die Ehre: So, wie die Maler die heidnische Göttin Venus abschildern – solcher Gestalt war die Muhme Britte freilich nicht, sondern schon recht bei Jahren, hutzelig und grau, hatte Triefaugen und eine lange, spitze, frostrothe Nase.

Deß war unser Magirus wenig zufrieden. »Speis ohne muntere Red' gedeiht nicht zum Schmeer, und Wein ohne einen guten Gesellen schlägt ins Geblüt!« sprach er zu dem Schlöffel. »Flugs, Lieber: Schafft mir Gesellschaft, daß ich fröhlich bin!«

»Ich halt' mit!« sagte der Fronmann, dem das Maul schon wässerte. Aber der höllische Magister ward böse, daß man sich vor dem Feuer in seinen Augen entsetzen konnte, und wehrte ab und lachte wild und heiß:

»Seid Ihr ein Weib? Mit Nichten! . . . Schafft mir ein schönes, junges Weib zur Henkersmahlzeit! Einmal will ich noch schmausen und zechen und küssen und selig sein, ehe ich abscheide!«

»Ei – Ihr könnt ja hexen, Meister«, sprach der Fronvogt höhnisch dagegen. Denn ihn verdroß, daß ihm die Hühner und Krebsen und Pastetlein davongeschwonmmen. »Zaubert Euch doch selber die schöne Helena herbei!«

»Wenn ich's vermöchte, sollt' es an mir nicht fehlen!« sagte da der Magirus. »So aber steht mir, nach altem Fug und Recht, meine letzte Bitte frei, bevor der Meister Hämmerlein mich holt, und die lautet: Lasset ein schönes, junges Weib zu meiner Rechten sitzen und mir den Wein eingießen und den Braten schneiden und mir alles Liebe anthun, dafür, daß Ihr mir Böses anthut!«

Zuckte der Fronvogt die Schultern: »Eines armen Sünders letzte Bitt' in Ehren, wenn eine hochweise Obrigkeit sie zu erfüllen vermag! Doch urtheilt selber: Welch ehrbare Frau oder Jungfrau, hoch oder niedrig, in Stadt oder Land, wird sich herbeilassen und bequemen, mit Euch Schelm in der Nacht vor dem Hochgericht im Diebsthurm zu tafeln? Eher hält ein Lamm den Schwanz still oder fleucht der Uhu am lichten Tag, als daß das geschieht!«

Da lachte der Magirus, und es war eine Stille im Gemach, und dann ließ er sich guten Muths vernehmen:

»Sei's drum, wie Ihr sagt! Doch wenn es keine ehrbare Frau sein kann, so mag es ein unehrlich Kind sein! Hängt mich morgen Meister Uz, der Henker, – ist's nur recht und billig, daß des Henkers Tochter mir vorher mein letztes Stündlein verkürzt! Die schwarze Hille soll mir Speis und Trank kredenzen. Holt sie herbei! Das ist meine letzte Bitte!«

Der Fronvogt schüttelte seinen Borstenkopf, und ich kraute mich hinterm Ohr. Die Sache lag kitzlig. War das nun eine gerechte Armesünderbitte oder nicht? Die Doktorfrage dünkte mich zu kraus für meinen geringen Unterthanenverstand.

»Verzieht Euch ins Schloß hinüber, Schlöffel,« resolvierte ich mich, »und schaut, daß Ihr Euch devotest an Einen von den seidenen Herren und Großen heranmacht und von ihm Rath schöpft. Werdet schon einen christlichen Cavalier finden, der uns ein Licht aufsteckt!«

Also that sich der Fronmann flugs auf den Weg, und siehe: die Fortuna ward ihm hold: Just ging das solenne Feuerwerk im Park zum Schluß. Am Himmel stand eine kreisende Sonne aus Schwarmlichtern, die miteinander die artig verschlungenen Anfangsbuchstaben unseres allergnädigsten Fürsten Philander anzeigten, und der Mond war bleich wie ein Rundkäs und die Sterne blinzelig wie Nachtdochte von den vielen bunten Raketen. In der Orangerie unten aber, zwischen den dichten Taxushecken und im Schatten der Muschelgrotten und Freundschaftstempel, war es sein dunkel, und man hörte nur leises Degenklirren und Rauschen von Reifröcken und französisch Flüstern, und Cupido, der Lose, hätte wohl hundert Händchen vor die Augen halten müssen, um all die Pärchen nicht zu sehen, die da nach dem Menuett Kühlung suchten und sich dabei immer heißer entzündeten.

Unter solch hochgeborenen Adams und Evas wallte auch, Arm in Arm, der Hofjunker Percival von Yselteich mit seiner vielgeliebten Braut Delphine, der Tochter des fürstlichen Cabinetspräsidenten. Wahrlich: eine bessere Wahl hätte das gute gnädige Fräulein nicht treffen können! Ach – möchten doch Mehre vom Adel so tugendreich und unsträflich sein, wie der gemeldete, tapfere und galante Cavalier von Yselteich – zu Krieg und Frieden gleichermaßen geschickt – ein Ritter der Damen – ein Vater seiner Geringsten – jung und schön und eines wohlgebildeten und starken Leibes.

Ihn trat der Fronvogt an und eröffnete ihm seine Noth. Der Yselteich erwiderte: »Liebster! Fürchtet Euch nicht! Sagt dem Fürsten selber Euer Sprüchlein! Er mag nach seiner Weisheit entscheiden!«

So führte er den Schlöffel frischweg vor den Thronhimmel. Unter dem saßen Seine Gnaden mit der tugendsamen Gräfin Bibiane, den Kammerzwerg zur Linken, den Leibtürken zur Rechten, und vor ihm tanzte ein Ballett von Mohren und Schäferinnen, und er war gemächlicher Laune und schaute erst auf seine Schuhschnalle und dann auf die Frau Gräfin und lachte und sprach: »Ei: Vive l'amour! Jedwede Creatur sucht ihre fehlende Rippe! Potz – seid Ihr ein langsam Volk, daß Ihr dem Magirus die seine vorenthaltet! Will's nachholen! . . . Yselteich – Ihr seid der Cavalier vom Dienst! Hebt Euch auf das nächste Roß und sprengt hinaus zum Galgenberg und bringt selber die Henkersdirne in den Diebsthurm!«

War nicht eben ein Auftrag, an dem ein Edelmann sich viel Ehren holen und an eines Malefikanten Liebsten zum Ritter werden konnte. Doch unser trefflicher Herr Percival war Soldat und gehorchte ohne einige Widerrede – wenn auch, als er im Schloßhof stand, mit einer Stirne voll Gewittern. Ließ sich da das erste beste Roß vorführen und galoppierte, im gestickten Hofkleid und seidenen Kniehosen, ohne Knecht und Knappen, spornstreichs in die Nacht hinaus.

Was er nun in dieser Nacht an Blendungen Satans erlebt, das hat der Herr von Yselteich nachher genugsam berichtet, und solch einem wahrhaften und unerschrockenen Kriegsmann darf ein Jeder seine greulichen Gesichte glauben. Er hatte das Stadtthor aufschließen heißen, war schon weit draußen auf freiem Feld. Der Wind weinte wie ein kleines Kind. Der Mann im Vollmond machte ein garstig warnend Gesicht. Die Hufschläge polterten, als fielen Schollen auf einen Sarg. Sonst war kein Laut und kein Mensch. Denn jeder gute Christ mied Nachts solche verrufene Gelegenheit als wie den Galgenhügel. Es war da nicht geheuer von dieser und jener Welt, und schwer zu ermessen, was mehr zu besorgen: die Räuber oder die Gespenster. Nach des Fürsten Willen hätte der Junker von Yselteich auch sicherlich eine Leib-Guardia mit sich nehmen sollen.

So aber ritt der gute Herr allein, im Schritt, den steilen Henkersberg hinan, und es wollt' ihm gar nicht gefallen, daß der Galgen oben leer war! Solche Lässigkeit und säumige Wirthschaft kam in unserer guten Residenz nicht vor. Da sorgte ein hoher Rath, daß selbiger Baum jahraus, jahrein seine Früchte trug. Der Heidepeter, der Zigeuner und noch so mancher verlebte Gauch mußten da baumeln. Aber unserem Herrn Percival dünkte es, als seien die gerichteten Leut' guten Muths vom Galgen herabgeklettert und ständen da in flatternden Lümplein wie die Vogelscheuchen in einem Klümpchen auf fester Erden, und ungescheut vor den üblen Brüdern, lachend, mit verschränkten Armen ein junges Mädel in rothem Kopftuch.

Auch die großen schwarzen Wehrwölfe thaten unsern Ritter verdrießen, die mit feurigen Augen, heulend, um den Galgen schlichen. Die frische Dirne oben bückte sich, schleuderte einen Menschenknochen nach dem Vordersten, traf ihn so gut am Hinterbein, daß er winselnd floh.

Sei, nur des kuriösen Zufalls halber, hier beiläufig angemerkt, daß unser dicker Rathsherr Gerspach vom nächsten Morgen ab acht Tage hinkte. Hatte über Nacht das Zipperlein im linken Fuß bekommen. Woraus leichtlich zu ermessen, daß er in dieser Nacht sein Haus nicht verlassen. Glaub's, günstiger Leser, und zweifele nicht!

Inmitten solcher widerwärtigen Aspekte war der Cavalier Percival schon auf halbem Hügel. Achtete nicht auf Weg und Pferd. Da machte das Roß erschrocken einen Satz und schleuderte ihn ab und zugleich warfen sich, aus einem Gestrüpp und Hinterhalt, Räuber über ihn her. Er konnte eben noch auf die Beine gerathen, den Degen zücken und einen starken Baum als Deckung gewinnen. Von da focht er mit furchtbarer Klinge und erwehrte sich des Widerparts. Aber es waren ihrer drei grimme Kerle und hinter ihnen noch eine rothhaarige Kebse, die alleweil schrie: »Gebt ihm drei Zoll Eisen zu schlucken, ihr guten Gesellen! Macht ihn kalt!«

Da kriegte selbe Fuchsin unversehens von hinten einen Patsch in die Fratze, daß sie verstummte, und ihr flugs die rothe Brühe aus Mund und Nasen lief, und es sprang ein schönes braunes Mädel mit schwarzem Haar und schwarzen Augen flink wie eine Eichkatz zwischen Herrn Percival und die Landstörzer und schrie: »Laß ab, Höllenhahn! . . . Fort, Dukatenteufel! Ich will's! . . . Fort, Drachenstüber!«

Das bös Volk verharrte finster mit erhobenen Klingen, und der Höllenhahn, der Größte und Grimmigste von ihnen, rollte das blutunterlaufene Weiße in den Augen. »Was schiert's dich, Hille, was wir armen Brüder treiben!«

»Ist mein Reich und Land hier, soweit der Galgen Schatten wirft!« sprach die Hille. Und in der That: Im grellen Vollmond hub sich der Schatten des Rabensteins als ein riesenlanges Dreieck den Berg hinab, so daß der Cavalier gerade noch innerhalb der Spitze, wie von einem Drudenfuß oder Pentagramme umfangen, stand.

»Laß' deine Finger aus unsern Händeln!« tobte der Drachenstüber. »Bist doch sonst nicht so brav! Weshalb brauchst du den Fremden da retten?«

»Ei – guckt ihn doch an, wie schön er ist!« sagte die Hille andächtig, mit glänzenden Augen und gefalteten Händen. »Ich habe mein Lebenlang keinen so holdseligen Mann geschaut. Es wäre Sünd' und Jammer um solchen Herrn!«

»Ei was!« brüllte der Dukatenteufel und drang wieder mit den Andern auf den Ritter ein. »Hol der Teufel meine Seel'! Macht ein End'!«

Gleich langte die Hille in den Sack. Holte ein winzig Würzelchen hervor. Hielt es den drei bösen Buben vors Gesicht. War das fürchterliche Alraunmännchen, das sie unter dem Galgen ausgegraben, mit Wachs in den Ohren, um seinen Schrei nicht zu hören, von dem zur Stund' ein Jeder wahnsinnig wird. Wirkte merklich – die Teufelsfrucht: Der Höllenhahn, der Drachenstüber, der Dukatenteufel blieben erstarrt und regungslos, wie sie gerade standen, mit erhobenen Armen und verbogenen Leibs, wie die Weiden am Weg, und die Hille faßte den Herrn Percival an der Hand und führte ihn zwischen den festgebannten Schnapphähnen hindurch säuberlich auf freien Rain. Da merkte er, daß die Jungfer mehr konnte als Brot essen, und ihm grauste und er frug:

»Wer bist du?«

»Die Henkerstochter, gnädiger Herr!«

»Dich eben suche ich! Nach Seiner Durchlaucht hochfürstlichem Geheiß!« sprach er düster. »Willst du mit mir kommen?«

Lachte sie und nickte. »Ich bin alleweg bereit!«

Da fiel ihm ein: das fremde Roß war ihm entlaufen. Es graste draußen im Mondschein auf dem Felde. Wie es einfangen? Schau: die Hille klatschte nur ganz leise in die Hände. Schon kam es angetrabt. Der von Yselteich schwang sich finster in den Sattel. »Setze dich hinten auf!« gebot er. Gleich saß sie rittlings hinter ihm und schlang die dünnen Arme um seine Brust und trieb statt seiner mit einem Zungenschlag das Roß zum Lauf und löste, sich rückwärts wendend, im Davonsprengen mit umgekehrter Wurzel den Bann der drei Schelme, daß sie sich geduckt wie die geprellten Füchse ins Dickicht verzogen.

Der Gaul, der dem Herrn Percival auf dem Schloßhof zugefallen, war ein großer, knochiger, schwarzer Wallach, alt und faul, so daß es ohne Sporenstich und Blut im Flankenhaar auf dem Hinweg nicht abgegangen. Aber als jetzt das schwarze Roß von hinten der schwarzen Hille hellen, wilden Schrei vernahm – halb, dünkte es dem Junker, wie Worte in landfremder Sprache nach Böheimer und Zigeuner Art, halb wie der Raubvogelruf in der Luft – hei – wie spitzte der Rappe die Ohren! Wie griff er aus! Wie brauste er dahin, daß der Wind um die Ohren pfiff und der von Yselteich sich unwirsch umwandte. Da war der Armesünderhügel schon in weiter Ferne und baumelten die Schächer wieder fein in Reih' und Richtung am Galgen und warfen der schwarzen Hille Kußhände nach und die rief weiter zu der Mähre ihr Abcadabra, und der Hofjunker gebot streng: »Lasse mich den Klepper meistern und hetze ihn mir nicht zu Schanden! Der Weg ist noch weit!«

Aber das Fräulein vom Galgenholz lacht nur und schreit unbeirrt ihr Kauderwelsch dem Wallach zu. Der läßt sich das nicht zweimal sagen! Rennt immer schneller! Die Felder und Wiesen tanzen vorbei! Die Büsche huschen wie Schatten! Die Eichen am Weg werden zu Riesen! Die Weiden winken! Hopp! Hopp! Der Junker Percival bekreuzigt sich: das geht nicht mehr mit rechten Dingen zu. Da stieben Funken – aber nicht vom Huf am Stein – nein, er sieht es deutlich: Aus den Nüstern des Rappen schlägt das helle Feuer. Er will sich umkehren, der Dirne hinter ihm ihren Spuk verwehren. Aber zwei federleichte Arme drücken ihm die Brust, schwer wie Blei, daß ihm Muth und Athem fast vergeht und er, obschon ein unverzagter, wider Türk' und Franzos wohl bestandener Kriegsmann, zu unserm Herrgott im Himmel aufsieht.

Am Himmel fliegen die Sterne in der wilden Jagd. Der Mann im Mond lacht von einem Ohr zum andern. Der Komet wedelt mit dem feurigen Schweif. So schaut unser Ritter in seiner Noth wieder auf Erden. Fliegt just ein Kirchhof vorbei. Viele Gerippe in weißen Laken sitzen im Mondschein auf den Grabsteinen und winken mit Knochenhänden der Hille gute Reis'. Der wackere Herr von Yselteich, der bis dato das Gruseln nicht kannte, bekreuzigt sich und sieht vor sich nieder. Wie wird ihm da? Er hört keine Hufschläge mehr. Nur das helle Sausen der Luft. Er blickt um sich. Der Angstschweiß bricht ihm aus der Stirn: der feurige Rappe hebt sich von der Erde. Schwingt sich empor. Die Satansliebste hinter ihm lacht wie toll. Sie reiten durch die leere Luft. Sind schon schier nah' den Sternen. Ganz tief da unten liegen im Dämmern, im Mondschein, die Mauern und Thürme, die Giebel und Zinnen des Städtchens, inmitten Serenissimi festlich helles Schloß, der Park mit weißen Wegen und schwarzen Teichen, die Kirchthürme gerad' unter dem Steigbügel – dem Ritter schwindelt's . . . Er macht die Augen zu. Hurrr! Es geht abwärts. Auf einmal Stille. Keine Windsbraut mehr um die Ohren . . . Wie Herr Percival sich ermannt und zu sich kommt, steht der Gaul ruhig vor dem Diebsthurm und frißt Gras, und das unehrlich Kind hinter dem Junker ist schon aus dem Sattel und hält ihm sittig, mit niedergeschlagenen Augen, beim Absteigen den Bügel, und ihn überkommt hinterher eine Gänsehaut, und er spricht kurz zu dem Fronvogt, der mit einer Laterne in Händen vortritt: »Da bring' ich Euch des Henkers Tochter! Wachet und betet! Mehr sag' ich nicht!«

Unter solchen Worten ging er zu Fuß von dannen nach dem Schloß, um Serenissimo Rapport zu erstatten, und zog das Roß am Zügel hinter sich her durch die Gassen. Wollte sich nicht mehr getrauen, das alte, lahme Thier zu besteigen. Und die mehrste Verwunderung war, als er es abgeliefert, im Marstall bei den Ecuyers und Reitknechten und Striegelbuben, daß an dem Rappen, nach solchem unerhört schnellen und scharfen Ritt, auch nicht ein feuchtes Härlein zu finden . . .

Ich – der Geheimsecretarius Josua Siebengang, dessen Gänsekiel dies greuliche Abenteuer zu Pergament bringt, ich nahm den Nachtvogel, die Hille, von dem Fronmann in Empfang. Ich kannte sie vom Sehen wohl. Es ward wohl Keiner in der Stadt erfunden, der das Henkerskind nicht kannte. Hieß männiglich die schwarze Hille, war jung und schlank und schmiegsam, mit krausem, schwarzem Haar und Augen wie schwarzen Rädern in dem schmalen, braunen Gesicht. War schon ein schönes Stück Creatur von Mutter Evas Geschlecht. Woher sie den fremden und absonderlichen Liebreiz hatte, als stammte sie aus fernen Landen? Sie soll sich zuweilen gerühmt haben, nicht der Meister Uz, der Scharfrichter, sondern ein viel größerer und vornehmer Herr sei ihr Vater gewesen. Selber Cavalier habe gehinkt und eine rothe Stoßfeder am Hut getragen und so sei sie des Teufels Tochter. Solche und ähnliche Reden gingen der gottlosen Dirne leicht vom Mund.

Kein Wunder, daß sich der Magirus nach solch einem Kamerädlein sehnte. Ich brachte sie zu ihm hinauf. Der Nekromant hatte sich festlich zum Willkomm seiner feinen Liebsten gerüstet. Hatte dicke Wachskerzen angezündet, daß die Zelle taghell war, den Tisch mit weißem Linnen und guten Speisen bestellt und purpurnen Wein in die Becher gefüllt und sich selber einen Kranz aus weißen Rosen auf den bleichen Kopf gesetzt. Sah älter aus als sonst und doch wieder geisterhaft jung, zwischen Menschen und Zeiten, wie ein Märchenkönig.

Er nahm die Henkerstochter an den Händen und küßte sie auf den rothen Mund und sprach: »Gegrüßet, Jungfrau! Hab Dank, daß du gekommen bist, ehe ich zu den Todten fahr'!«

Versetzte die Hille ernsthaft: »Meister! Ich komme von den Todten!« Er aber nahm den Becher und bot ihr des Weins und fuhr fort: »Du sollst mich trösten, bevor ich mit der Jungfer Hänfling tanz'!«

Die Hille that ihm Bescheid und sah ihn zum andern Mal aus ihren großen, schwarzen Augen an und sprach: »Jungfer Hänfling – das bin ich!« Da ließ er sich auf dem Sessel nieder und hieß sie, sich auf seine Knie setzen, und schlang den Arm um sie. »Ja« Er schauderte zurück. »Du bist der Tod, der mich holt!« – »Nein« Er küßte sie heiß. »Du bist das Leben, das mir annoch leuchte!« Er schwang den Becher und lachte: »Heut' ist die Welt noch mein! Denn ich lebe! Und morgen ist die Welt nicht mehr vorhanden! Denn ich bin todt!«

Und in letzter Lebensseligkeit, den Kranz auf dem braunen Haar, mit grauem Bart und hundert Krähenfüßen um die heißen, jungen Augen, die Magd auf dem Schoß, trank der alte Magier dem Leben Valet! Rief: »Das letzte Glas der Welt – der schönen Welt! Dem Schönsten in der Welt! Gegrüßet, Ihr Frauen! Bedankt, Ihr Frauen! Dank dir, du letzte von Tausend! Gieb mir den Abschiedskuß von Frauenmund!«

Mich entsetzte das unchristliche und unbußfertige Wesen. Ich ging ins Vorgemach. Es flüsterte, wie ich mich davon hub, zu dem Magirus von den heißen, rothen Lippen des Henkerskindes: »Meister – wie macht man Gold?« Und als er ihr den Mund mit einem Kuß verschloß, bat und bettelte sie doch außer Athem: »Meister, lehrt mich die schwarze Kunst!«

Ich zog die Thüre zum Kerker zu, daß ich die beiden schlimmen Leut' nicht mehr zu sehen brauchte, so lieblich auch die schwarze Hille von Angesicht und Gestalt war. Vernahm aber doch, wie der Goldmacher drinnen wild auflachte – die Henkerstochter wohl noch auf den Knieen, den Becher in der Hand: »Die schwarze Kunst? Mich hat die schwarze Kunst genarrt! Die schwarze Kunst – das ist die Kunst zu leben! Leben heißt jung sein! Ich werd' alt!«

Und wieder sprach das schwarze Mädchen auf seinem Schoß, mit buhlerischer Stimme, leis' und verführerisch: »Lieber Meister – lehrt mich die schwarze Kunst! Bin ein arm Kind! Möcht' sie gern wissen! Geb' Euch auch alles, was ich hab' und bin!« Und wieder lachte der Nekromant: »Die schwarze Kunst – das ist die Kunst, zu sterben! Die Zeit ist gekommen, daß ich sie üben muß! Die Kunst sollst du mich weisen – nicht ich dich! Komm', Jungfer Tod – tanz' du mit mir!«

Ich trat, betrübt ob solcher sträflichen Reden nebenan, ans Fenster. Drüben sah ich in der Ferne das helle Schloß. Im großen Saal drehten sich die Cavaliere und Damen mit zierlich erhobenen Fingerspitzen, abgemessen, als seien es Marionetten im Puppenspiel, im Reigen, knixten wider einander, versanken in ihren Reifröcken und neigten artig die weißgepuderten Perücken. Die Geigen jubilierten herüber, und im Diebsthurm hier tanzte, als ich behutsam einen Thürspalt zum Kerker öffnete, die Henkersdirne toll lachend mit dem Alchimisten in wildem Wirbel, daß sein Bart flatterte und ihre Röcke flogen und girrte dabei immer: »Lehrt mich die schwarze Kunst!« Der Teufelskram, mit dem das Verließ des Goldmachers gefüllt war, wie eines Trödlers Keller, die Fratzen an den Mauern, das Krokodil an der Decke, tanzten mit. Das Skelett in der Ecke schlug den Takt. Die schweren Stühl' und Tische hüpften. In Summa: Es war kein Anblick für einen Christen, der um seine Seligkeit besorgt war, und ich schloß lieber die Thür, ehe ich gar blind wurde oder sonst Leibesschaden nahm, und setzte mich wieder und sprach ein kerniges Gebet.

Eben meldete draußen mit zwölf Hornstößen der Wächter die Geisterstunde. Ein schwarzer Kater mit Lichtern im Kopf, grün wie Feuer, miaute vom Dach darein. Wer es war, weiß Gott allein. Es war eine wenig geheuere Nacht, in der manch guter Mann üble Vorzeichen dessen, was nach Gottes Rathschluß kommen sollte, merkte und erlebte. Der Wetterhahn auf dem Thurmknopf von Unser lieben Frauen – das sah ich selber von meinem Fenster aus – schlug deutlich mit den Flügeln, als wollte er böse Geister scheuchen. Auf dem Schloßteich huschten die Irrwische, von denen jedes Kind weiß, daß es nicht mehr und nicht weniger denn abgeschiedene Seelen aus dem Fegfeuer sind. Den Ehrbaren und Gestrengen, die nach gutem Umtrunk Nächtens aus dem Rathskeller klommen, hat der steinerne Roland auf dem Marktplatz dräuend mit dem Finger gewunken, daß sie um einander taumelten und sich entsetzten. Im Schloß gar ist, als schon die Lichter gelöscht und alles in guter Ruh, die Weiße Frau wimmernd durch die Gänge gewandelt, daß die Wachen und der Leibtürke vor den hochfürstlichen Appartements das Hasenpanier ergriffen, und innen Seine Durchlaucht sich in den Kamin retirierten und unsere Gräfin Bibiane unter dero Bette kroch.

Doch schließlich nahm aller böse Zauber ein Ende. Der letzte Wehrwolf trabte eilends heim. Als es schon fast heller Tag war, sah Herr Wirich, der Schöppenrichter, noch die Mutter Säuberlich auf einem Besen durch die Luft nach dem Beguinenhaus reiten und allda in den Schornstein fahren. So ward die Welt bei Morgengrauen still. Dreimal krähte, allen Spuk verscheuchend, der Hahn . . .

Zu dieser guten Stunde, als noch Christ und Heide schlief, hatte Hirsch Assur, der fürstliche Münzjud, einen grausamen Traum und schnaufte und schwitzte vor Todesängsten in dem Pfühl. Der Alb kniete ihm auf der Brust und mochte ihn bald erdrücken. Denn der Unhold wuchtete so schwer wie all das eitel Gold, das die Kipper und Wipper böslich beschnitten und an sich gerafft und heimlich außer Landes gebracht und in verborgene Orte verräumet hatten, und das Volk fluchen und jammern ließen, weil alle Truhen und Säckel leer waren.

Schreit neben dem Hirsch Assur die schöne Mirel, sein Weib: »Schai Adonai! Es pocht ans Haus! Wach' auf, du Parch! Du Mamser! Sie kommen!« und birgt sich zitternd unter die Decke. Und ehe noch der Münzjud sich den Schlaf aus den Augen gerieben, tritt der Colonel Roland mit Gewaffneten vor ihn und lacht aus vollem Hals und spricht: »Verzagt nicht, sondern steht auf und verfüget Euch ohne einiges Säumen in den Diebsthurm und prüfet dort redlich und meldet Seiner Altesse, ob etwa der Alchymist in letzter Noth, weil ihm der Hals kitzelte, in heutiger Nacht Gold gemacht hat!«

Der Assur nahm zu mehrer Sicherheit noch ein paar ebenso durchtrieben Leut', als den Chaim Katzeneljon und den Reb Naphtali mit, und als sie sich kaum im Thurm umgeschaut, lachten sie hinterlistig und schadenfroh: »Vom Goldmachen hat sich der Magister gänzlich ferngehalten! Was er sonsten diese Nacht getrieben, das ist uns unbekannt!«

Der Magirus aber sitzt in einem Sessel daneben. Der alte Till Eulenspiegel sah jetzt uralt aus wie Methusalem, war aber guten Muthes, hatte die Jungfer Hille auf dem Schoß und schäkerte und scharmuzierte mit ihr und die Henkersbuhle schlang die Arme um ihn und blies ihm wie eine Natter ihr stätes Sprüchlein ins Ohr: »Meister! Lehrt mich die schwarze Kunst!«

Und da er sich immer noch taub anstellte, hockte sie sich auf den Estrich nieder und flennte vor Zorn und Unmuth wie ein kleines Kind. Zugleich aber hub, im Frühroth, das Armesünderglöcklein an, zu bimmeln und alle Kirchenglocken unserer guten Stadt fielen ein, und auf den Gassen war ein Gesumme und Gewimmel, als wenn im Mai die Immen schwärmen, so schwarz und dick von Christenheit war alles – die vom Adel hoch zu Roß – Karrossen voll mit einem neugierigen Frauenzimmer – der gemeine Mann mit Kind und Kegel zu Fuß – so ging es durch alle Thore – und selbstsammt hinaus zum Galgenberg, um es ja nicht zu versäumen, wie man den Magirus richtete.

Zu dem aber trat der Pater Daniel Eremita, ein rauher, zottiger Waldbruder, der in seiner Klause ob der Stadt eher die Mäus und Vögel mahnte und meisterte, als die Menschen. Denn seine Rede war nicht lieblich und sein Maul war grob. Der gottselige Mann hatte es über sich genommen, den Magirus mit frommem Zuspruch bis unter des Meister Uz Schlinge zu geleiten, dieweil sonst die Herren in den Kirchen und Klöstern sich vor dem Teufelsknecht entsetzten.

Hat es ihm selber Doktor aller sieben bösen Künste gedankt? Mit nichten! Er stand unheimlich da, in langem, grauem Bart, angethan mit dem gleißenden Gewand aus Flittergold, die hohe, spitze Zaubermütze aus Goldpapier auf dem Haupt, und ließ ein höhnisches Lachen vernehmen und versetzte: »Hab' Euch nicht des Wegs gebeten, mir zuzusetzen! Waschet Euch lieber! Thut Noth! Das Plätzlein auf dem Armesünderkarren neben mir ist schon besetzt und vergeben! Da wird das Fräulein hier sitzen und mir unterwegs Trost und Ansprache gönnen – wann sie sich's vor dem Volk getraut!«

Fährt die schwarze Hille vom Boden auf wie eine Schlange, die man getreten, und schreit: »Meister! Ich bring' Euch treulich bis zu meinem Vater und sorg' mich so viel des Volks, als wäre es eine Faust voll Flöh'! Aber lehrt mich zum Lohn und Abschied, wie man Gold macht!«

Sprach der Magnus: »Ja denn! Ich will's tun!«

»Gelobt es, Meister!«

Konnte solch höllischer Adept schwören? Nein. Aber er strich sich, zum Zeichen seines Versprechens, den Bart: »Unter dem Galgen will ich dir das große Geheimniß kund thun und offenbaren! Dir kann die Kunst noch frommen. Denn du bist jung!«

So fuhr der Magister Magirus den Weg, den schon manch loser Mann gefahren, – hinaus, da wo Heulen und Zähneklappern ist, und rings am Weg stand schwarz das Volk und murmelte und dräute und wies zornmüthig mit Fingern auf den güldenen, alten Gaudieb, der so lange Serenissimi Langmuth betrogen, und auf das junge Kind an seiner Seite, und schrie: »Schämst dich nicht, Henkersdirn'? Steig' ab und zeuch' davon! Bist unehrlich genug! Brauchst dir nicht noch mehr Schimpf und Schande bei dem Hexenmeister zu holen!«

Die schwarze Hille aber wies denen, die so eiferten und zeterten, die rothe Zunge aus dem Mund und stemmte keck die Arme in die Seite und schaute den Menschen dreist ins Gesicht und rief mit heller Stimme wider die erhobenen Fäuste und zürnenden Mienen um sie: »Habet nur Geduld, Ihr guten Leute und gestrengen Herren! Bald bin ich klüger als ihr alle!« und hinter ihr hob sich ein Gelächter ob der Vermessenheit solch einer thörichten und unwissenden Magd.

Um den Rabenhügel war von Volks ein dichter, schwarzer Kranz wie von Fliegen um die Breischüssel. Unter dem Dreibein harrte der Meister Uz und half mit seinen Gesellen dem Magirus die Leiter hinauf und standen oben wunderlich die Beiden – der Eine von Kopf zu Füßen blutroth, der Andere gülden – vor dem blauen Himmel. Der Magister aber that, als sei nichts Besonderes und er habe nur bei dem prächtigen Wetter eine Spazierfahrt unternommen, um die weite Rundsicht vom Galgen zu genießen.

Mit ihm war die Hille vom Karren geklettert. Ich, Josua Siebengang, stand mit den Raths- und Amtspersonen hart daneben, und bemerkte wohl, wie sie ihrem Vater hastig Etwas zuraunte. Stracks ließ unser Meister Hämmerlein, wider jede Ordnung, die schwarze Dirne die Galgensprossen emporhuschen wie eine Katze. War im Nu oben. Ringsum erhob sich, bei solcher Willkür und Ungebühr, ein Brausen, wie wenn ein starker Wind geht, und ward doch gleich wieder athemlos still . . .

Denn der Magirus legt, vor allem Volk, der schwarzen Hille die Hand aufs Haupt. Er nähert seinen grauen Bart ihrem Ohr. Er spricht zu ihr, was kein Mensch weit und breit vernehmen und verstehen kann, sondern nur die Raben, die ob den Beiden auf dem Querbalken hocken und die Schnäbel wetzen. Er redet lange und fleißig zu der Dirne und sie nickt immer eifriger, wie er sie lehrt, und ihre Augen glänzen, und sie nickt wieder und wieder, und über ihr braunes Gesicht unter dem rothen Kopftuch geht ein Leuchten und sie jauchzet auf, als er geendet, umschlinget dankbar und freudig den Malefikanten und giebt ihm unterm Seil, in freier Luft, hoch oben vor aller Augen, einen heißen Kuß.

War den Zuschauern doch zu grobe Speis. Es entstand ein Tumult und Lärmen: »Helfet! Rettet! Er weist dem Henkerskind seine Zauberkünste! Braucht sich der Teufel nicht das Maul zu wischen, wenn der Magirus abfährt! Der hat seine erschrecklichen Geheimnisse wohl vererbt und an die rechte Hexe weitergegeben!«

Ich, Josua Siebengang, mahnte vergeblich: »Der Magirus hat ja selber kein Gold nicht machen können! Wie soll er es dem unverständigen Mädel lehren?« Aber oben lachte die Hille: »Er ist alt und ich bin jung! Wer jung ist, der kann Gold machen! Mir ist das Geheimniß offenbar!«

Da war das Ärgerniß zu groß, so daß Etliche an den Galgen drangen und schrieen: »Meister Uz! Knüpfe er seine Tochter nur gleich daneben, damit die Zauberei hier zu Landen abgeht!« Andere wollten die Hille gleich von der Leiter herabgeholt und ins Spinnhaus gesteckt haben, weil sie das Volk muthwillig foppte. Die Dritten schrieen: »Wo bleibet denn die Obrigkeit? Stadtknecht und Profoß? Ist hier Kirmeß oder wird ein armer Sünder gehenkt?« Durch all die Haufen aber und weiter nach hinten zu denen, die zu weit abseits gestanden und nicht recht begriffen, was geschehen, lief die Red' von Mund zu Mund: »Der Magirus hat die Henkerstochter Gold machen gelehrt!« – und es rannten gleich viele in die Stadt zurück, und sprengten manche gar zu Roß, um es nur gleich in allen Gassen und Herbergen wie ein Lauffeuer zu vermelden: »Die schwarze Kunst ist noch vorhanden! Stirbt mit dem Magirus nicht ab! Er hat sie der Hille Uz vertraut und mitgegeben!«

Selbes Henkerskind aber hatte, in dem Zetern und Mordio um sie her, ihres Vortheils wahrgenommen, war die Galgenleiter hinabgeglitten, hatte sich unter die Wachen geduckt, und war jach verschwunden. Es achtete, in diesem winzigen Körnlein Zeit, kein Mensch auf sie. Denn just richtete da oben der Meister Uz den armen Sünder und hängte den Magier Magirus fein säuberlich nach allen Regeln seiner Kunst, so daß der nur ein weniges zappelte und dann still und gülden am Galgen hing. Es hub sich noch einmal ein starkes Rauschen in der Menge. Und nickte mancher gute Mann freudig zum Himmel, und faltete manche fromme Frau die Hände, zum Dank, daß wir von dem Übel erlöst! Dann strömte und lief und ritt und karrte alles eilends auseinander. Denn es war schon am Mittagsläuten und alle Küchenessen rauchten und ist es mir und anderen immer so ergangen, daß ich von der frischen Luft und dem Anblick solcher peinlichen Exekution einen besonderen Appetit verspürt.

Eine merkliche Rauchwolke stieg auch, indeß wir heimgingen, vom Galgenhügel und war des Meister Uz Werk. Der hatte Herrn Wirich, dem Schöppenmeister, der das hochnothpeinliche Gericht hegte, vorgestellt, daß der Magirus sich eines tausendjährigen Lebens rühme und allezeit wiederzukehren sich vermessen. Da sei es denn gerathen und das Beste, den durchtriebenen Gesellen, ehe er vom Galgen herab neue Zauberpossen übe, ohne Zeitversäumnis in einem großen Feuer zu Zunder und Asche zu verbrennen, wodurch wohl dem Magistro jede Gelegenheit, wiederum Körper und Leben für seine verlorene Seel' zu gewinnen, gänzlich vereitelt. Das hatte der Schöppenmeister gelobt und war also geschehen. Der Scheiterhaufen brannte nieder und es war Nichts mehr von dem schädlichen Mann vorhanden und wir waren seiner ledig.

Freilich ist's wahr: Man gewinnt nicht dadurch Gold, daß man den Goldmacher abthut. Der Magirus war dem Vulcano geopfert und in Flammen verfahren. Aber die alte Noth im Lande blieb. Es konnte keiner das Geringste kaufen und verkaufen. Denn es war nicht mehr Geld vorhanden als in eines Bettelmanns Taschen. Die Bauern getrauten sich auf keine Weis mit ihren Schinken und Rüben zur Stadt. Was ihnen unterwegs nicht der Höllenhahn mit seinen Gesellen raubte, das nahm sich drinnen der gemeine Mann auf dem Markt mit Gewalt ohne Geld und Dank. Blieben die Landleut' also auf den Dörfern, rotteten sich um den Hornickel zusammen, stürmten einem hohen Adel die Häuser und verjagten die Amtmänner und Zöllner. Wo ein Bäck in der Stadt noch vom Müller ein weniges Mehl gewann, ohne daß noch vor dem Thor das Pfeiferlein und der Einohr den Sack vom Esel geschnitten, da wurde er deß nicht froh. Es sah sein Laden bald aus wie ein Wirthshaus nach der Kirchweih: Thür und Fenster und Schragen in Stücken und, was darinnen gewesen, weggetragen und auf der Gasse zerstreuet. Ob des immer enger gegürteten Schmachtriemens wurde auch eine hochfürstliche Beamtenschaft unfroh und unlustig zu Dienst und Pflicht. Saß zwar noch in Mengen auf den Schreibstuben, aber that nichts Gedeihliches, sondern schnitt sich Federn, rauchte Tabak, schwatzte und ließ die Bürger und Handwerksleut' draußen die Zeit lang werden.

Sonderlich schlimm aber stand es mit der Soldateska, die ihren Namen vom Sold trägt, und doch keinen zu Gesicht bekam. Das gab heftigen Unmuth in den Wachtstuben und den Bürgerquartieren. Und wenn der Tückmantel, der Bartscheerer und Leichenwäscher, lärmend und pfeifend des Abends mit seinen Haufen niederen Pöbels durch die Gassen zog, die Jüdenschaft hetzte und einem ehrbaren Rath die Scheiben einschmiß, so ließen sich unter den Schreihälsen und Aufrührern immer mehr hochfürstliche Kerls in voller Armatur und Wehr und Waffen sehen und waren bald die Ungezogensten in der Rotte Korah.

Als die Woche zu Ende ging, in deren Beginn man den Magirus gehenkt, da summte die Residenz Serenissimi wie ein Hornissenkorb. Kopf an Kopf stand der gemeine Mann um dero Schloß und stellte ein stürmisch Begehren nach gutem Geld und Brot und Ruh. Hatte sonst nichts wider Seine Durchlaucht, welcher an sich selbst ein leutseliger Herr und freundlichen Gemüths war. Aber er trieb seine Kurzweil wie zuvor, dachte nur auf sein Pläsier und achtete des Gemurmels draußen nicht mehr, als wenn im Schloßteich die Frösche quakten.

Unser trefflicher Herr Barnabas Bätzle nahm sein Herz in beide Fäust'. Ein Hofprediger darf sich was erlauben. Es war unter der Woche und nicht Kirchenzeit, aber er stellte sich am hellen Mittag, in großer Assemblée, ungescheut vor Seine Gnaden und begann, in Groll und mit Donnerbaß, eine Predigt und Gleichniß: Ein Fürst soll sein wie ein Kirchthurm und mit seiner Spitz' und Krone den Himmel suchen! Und wie des Thurmes Schatten über die Gassen fällt, so soll des Fürsten Gnade sich über das arme Volk ergießen! Wer mühsam und beladen, den nimmt die heilige Halle der Kirche auf. So soll auch ein Fürst die Arme ausbreiten und sein Volk an seine Brust ziehen. Und wie der Kirchenglocke eherne Zunge das Lob des Ewigen läutet, so soll des Fürsten Zunge der Klöppel Gottes sein, und Ihn preisen für und für, und des Fürsten Wandel vor den Menschen soll lauter und lieblich sein und ein Wohlgefallen wie sein Wort. Wahrlich: was im Buch der Bücher steht: »Er predigte gewaltig und nicht wie die Schriftgelehrten!« – das galt in dieser Stund auch von unserm Barnabas Bätzle, dem theuren Gottesmann . . .

Fliegt die Thüre auf, und es stürmt unverhofft der Hofjägermeister Graf Frey von Arnau, in Stiefeln und Wamms, herein, stößt die Wachen zur Seite, bläst, in die geistliche Mahnung hinein, frohlockend auf seinem Jagdhorn den Hirschruf: »Waidmannsheil, gnädiger Herr! Der weiße Siebzehnender ist wieder vorhanden! Wir haben ihn am Eckartsberg geschaut! Diesmal soll er uns nicht entrinnen! Hab' schon die Dorfglocken läuten heißen und alle Bauern in der Runde vom Feld weg zum Treiben aufgeboten!«

Und draußen bellte schon die Meute und zogen die Haiducken die Rosse aus den Ställen und sprangen die Hegemeister und Waldläufer und Pikeniere. Denn den weißen Hirsch zu erlangen, der seit Jahren zwischen vieler Herren Länder auf und nieder wechselte, war Serenissimi inständige Passion und Sehnsucht. Er ließ Herrn Barnabas einen guten Mann sein und offenen Mundes da stehn, wo er stund, und that sich zu Pferd und ritt mit glänzender Suite unter Hörnerschall durch die Stadt hinaus auf die Jagd.

Dermaßen blieb am nächsten Morgen, dem heiligen Sonntag, als eine betrübte Christenheit sich zu Gottes Ehr' im Dom versammelte, des Fürsten Philander geschnitzte und purpurn ausgeschlagene Hofloge kahl und leer. Und ebenso, zu Anfang, ihr Widerpart unten im Schiff: die Stühle seitlings am Kirchengang, drei Schritt geschieden von den ehrlichen Leuten, die ein- für allemal für den Scharfrichter und sein Haus bestimmt waren.

Erst als schon die Orgel brauste und Herr Barnabas auf die Kanzel stieg, trat der Meister Uz mit Frau Bebe, seinem Weib, herein, schritt so hart an mir vorüber, daß ich hastig das Bein an mich ziehen mußte, damit sein blutrother Mantel nicht mein Knie berührte, und ließ sich auf seinem verfehmten Plätzlein nieder. Hinter dem Henkerspaar aber ging die schwarze Hille, ihr Töchterlein, sittig gescheitelt, in weißer Halskrause und schwarzer Schaube und gepufften Sammetärmeln wie ein Fräulein, das Gebetbuch in Händen, mit zu Boden geschlagenen Augen, und nahm andächtig im Gestühl neben den Eltern Platz, und verharrte so während des ganzen Gottesdienstes eifrig in Gesang und Gebet. Schien ein gut, fromm Kind ohne Arg und Fehle und reinen Herzens. Es hätte Manchen dauern können, daß solch schöne, junge Magd durch des Vaters grausam Handwerk von allen Gespielinnen und harmlosen Freuden ihrer Jahre abgetrennt sein mußte.

Amen. Die Kirch' war aus. Die Hille ging vor ihren Eltern durch das Gedränge zur Thür. Brauchte nicht zu besorgen, daß sie den Weg versperrt fand. Es wich alles scheu vor der schwarzen Jungfer und ihrer Henkerssippe zur Seite. Erst draußen, am Thor, die Bettler – die sorgten nicht, ob Gerechte oder Ungerechte kamen – griffen vom Boden her auch nach der Hille und die krumm' Bürkin, ein triefäugiges altes Weiblein, hielt sie wimmernd am Rocksaum fest.

Und siehe da: das Henkerskind faßt in sein Kamisol und wirft der Vettel ein glänzendes Goldstück hin! Klingt vollwichtig auf dem Pflaster und funkelt in der Sonne. Dem siechen Kunz, der seine Krücken hebt, reicht sie ein zweites, der blinden Afra ein Goldstück, die gar nicht weiß, welchen Schatz sie in Händen hält! Dem blöden Lutz, der nur lallen und grinsen kann! Dem zittrigen alten Vater Pfiffel! Allen Nothdürftigen und Bresthaften ringsum! Jedem, der die Hand ausstreckt, füllt sie die Hand mit Gold . . .

Durch die Menge geht ein Geschrei: »Da seht! Da seht! . . . Gottes Wunder! Nein: Teufels Wunder! Das Henkerskind hat Gold! Hat Gold, so viel es mag! Gucket, Herr Nachbar! Sie greift wieder in die Tasche! Holt Hände voll heraus! Die Tasche ist Goldes voll bis oben hin . . .«

Und immer wirrer, immer wilder die erschrockenen, die frohlockenden Rufe: »Die Hille streut das Gold mit vollen Händen um sich! Giebt's den Buben, die um sie betteln! Den Mousquetieren! Reicht's Jedermann am Weg . . . Alle guten Geister . . . Jetzt schleudert sie gar schon das Gold achtlos in die Gosse! Wirft die lieben güldenen Vöglein spielend in die Luft! Läßt die güldenen kleinen Räder lustig über das Pflaster springen! Bückt Euch! Haschet! Greift! Ich war zuerst da, Herr Nachbar! Nein – ich! Gemach! Gemach! Ist genug da für alle! Schaut doch: die Hille verschwendet das gute Gold! Geht wie in einem goldenen Regen! Frisch – dem gnädigen Fräulein nach! . . . Mir! . . . Gestrenge Jungfer – mir! Nein – mir – Liebe – Ehrbare! Mir! Mir! . . .«

Vom Thurm dröhnten Gottes Glocken. Aber lauter schrieen die Stimmen der Menschen durch alle Gassen: »Die schwarze Hille kann Gold machen . . . Gold . . . Gold! . . . Sie hat's vom Magirus gelernt . . .«

Und also ward von dieser Stund ab die Henkersdirn im Lande groß und gewaltig und schier Herrin über Land und Leute . . .

Sie lief jetzt hurtig davon. Sonst hätten Männer, Weiber und Kinder sie todtgedrückt. Sie wandte sich im Springen um und warf Groß und Klein und Alt und Jung und Hoch und Niedrig hinter ihr Hände voll Goldstücke hin, nicht anders als wie man den Hühnern Futter streut, und während die Menschen sich darum balgten und zausten und hinfielen, gewann die schwarze Hille ihren Vorsprung und rannte lachend durch das Stadtthor auf die Brücke.

Über die kam gerade eine ansehnliche Cavalcade – nämlich des Fürsten Philander Jagdzug. Seine Gnaden hatten zu währender Kirchenzeit in St. Huberti Horn gestoßen, und ist kein Wunder, daß Gott unsern Fürsten dafür gestraft und der weiße Hirsch ihm entloffen. War Seine Durchlaucht darum üblen Humors. Ließ, als er des lärmenden Wesens in seiner Residenz inne ward, die Jungfer greifen und vor sich führen. Frug streng vom Roß herab: »Woher hast du das Gold?«

Antwortet die schwarze Hille und spricht: »Fürstliche Gnaden: Es heckt mir im Haus!«

»Soviel du magst?«

»Soviel ich mag!«

»Wer aber hat es dich gelehrt?«

»Das hat Herr Jedermann gesehen, durchlauchtiger Herr, daß mir der Magirus unterm Galgen sein Geheimniß offenbart hat!«

»Nenn' mir das Geheimniß flugs und auf der Stelle!«

Lacht die Hille und knixt: »Halten zu Gnaden! Das kann ich nie und nimmer mehr!«

»Warum nicht, du kecke Dirn'?«

»Ich darf das Geheimniß keinem Menschen verrathen – nach dem Geheiß des Magirus – sonst ist der Zauber flugs dahin!«

Serenissimus war ohnedies schon ungnädig gestimmt. Die Widerred' verdroß ihn. Der Cabinetspräsident Baron Waldherr neben ihm lächelte geringschätzig: »Die alte Ausflucht unehrlicher Leute! Gott weiß, wo die diebische Elster das Gold gestohlen!« Der hochgeborene Graf Frey von Arnau trat Seiner Exzellenz bei: »Das Stücklein Galgenholz da prahlt mit unrecht Gut und äfft uns! Beweisen läßt sich dem Gesindlein da draußen am Henkersberg ja nichts!«

Solcher Meinung ward nun mählich auch Fürst Philander und merklich ungehalten. »Haben wir deswegen den Magirus ausrotten und beseitigen lassen,« sprach er, »damit uns statt seiner künftig gar des Henkers Tochter narrt? Räum' es frei ein, du schwarze Katz': hast vielleicht ein vergraben Gold im Acker gefunden?«

»Wahrlich nein, durchlauchtige Gnaden! Hab' es nicht nöthig! Kann es mir selber machen!«

Da hob Serenissimus hitzköpfig im Sattel den Reitstock: »Fort! Lauf, Henkersdirne, daß du nicht an deinen Lügen erstickst! Und laß dich bei meinem Zorn nicht wieder in der Stadt blicken!«

Die Hille hörte sich das nicht zweimal an, sondern war froh, so wohlfeilen Kaufs davon zu gerathen – that der Fürst auch nur so absonderlich gnädig, weil er ihren Vater als einen geschickten Freimann allewege brauchte und nicht leicht einen Besseren dafür fand – und sie schürzte sich die Röcke und rannte wie der Wind über die Brücken und war, hui – in den wüsten Weiden drüben und dickem Röhricht geschwunden.

Unser erlauchter Herr Philander zog durch die Stadt heim. Die Hörner bliesen lustig. Aber heftiger schrieen die Menschen. Die Hunde bellten aus vollem Hals. Aber der Leute Lärmen war geller. Drängten sich zu viel Hunderten und Tausenden um Seine Gnaden, wollten sein Pferd nicht mehr durchlassen, faßten unehrerbietig an Steigbügel und Schweif, wenn sie sich auch noch nicht erdreisteten, Serenissimum selber freventlich anzurühren. Aber sie dräueten hart, hoben die Fäuste, vermaßen sich, sie wollten sich aus Eigenem ihr Recht schöpfen, ohne den Fürsten oder gar wider ihn, wenn nicht bald Geld ins Land käme. Und als Serenissimus zürnend die Augen rollte und Silentium imponierte, war um ihn ein Gerassel und Geprassel von Stimmen, als wenn man im Sieb die Erbsen schüttelt: warum er, der Fürst, das wunderthätige Galgenkind habe unsanft des Orts verwiesen, als welche doch recht eigentlich zu gemeinem Nutz und Frommen mitten ins Weichbild, ja sogar in hochdero Schloß selber, gehöre – füglicher als die Gräfin Bibiane, die Nichts als eine sündige Eva und Buhlerin sei und dem Lande nur Kosten auferlege? Die Henkerstochter aber bringe das Gold in Scheffeln ins Land, könne es schaffen und meistern, wie Jeder offenen Mauls und andächtig itzt erlebt – die solle man thun in ein seidenes Gemach, mit Wein und Kuchen und einem Korallenkettlein um den Hals und Kammerfrauen und Läufern, und es solle gleich ein expresser Bote abgesandt werden, sie zu holen.

Seine Altesse wollte derlei nicht recht hören! Bahnte sich mit krauser Miene, sammt allen bei sich habenden Cavalieren, Pagen, Waidknechten, Rossen und Braken, durch das Gassengeschrei und die billige Marktweisheit eines unwissenden Unterthanen seinen Weg ins Schloß. Hinter ihm aber blieb unsere gute Stadt in großer Unruh, summten die Plätz' und Staden, saßen Rathskeller, Zunftstuben und Gildehäuser bis zur späten Nacht gesteckt voll von hitzigen Leut', und alle hatten rothe Köpf' und heiße Backen und redeten von dem Wunder mit der Henkerdirn' . . .

Der Herr Fürst Philander saßen an diesem Abend unlustig in sich gekehret und zerstreuet an der Hoftafel. Wollte es nicht achten, daß ihn die Gräfin Bibiane holdselig zur Linken anlächelte, mit einem ganz neuen Schönheitspflästerchen auf der linken Wange, und ihm schelmisch mit ihren spitzen weißen Zähnen eine Knackmandel zum »J'y pense!« abbiß. Der Herr Hofmarschall hatten es sich Gehirnschmalz genug und der Oberküchenmeister redlich Schweiß kosten lassen, um für ganz neue Divertissements zu sorgen. Aus einer großen Pastete, die die Jägerei unter Hörnerschall aufgetragen, stieg Serenissimi Leibzwerg, possierlich als St. Hubertus verkleidet, schwang sein grün Hütlein und tröstete in artig gesetzter Rede unsern durchlauchtigen Nimrod, er habe den weißen Hirsch wohl meisterlich aufs Blatt getroffen, doch jene Creatur sei kugelfest und gefeit und Niemand anders als der böse Feind selber, und also nur habe er sich höllischer Weis vor einem gerechten Waidmann salviert! Weiter: der vergüldete Pfau mit großem Federrad, der auf der Tafel erschien, trug im Schnabel eine schalkhafte Epistel von Frau Venus selber an unseren Landesvater, sie wolle an ihm gutmachen, was die spröde Diana heute versäumet, und seinem zärtlichen Herzen und Gemüth künftig desto süßere Nahrung geben.

Gähnte Seine Durchlaucht. In der wälschen Opera war die neue und prächtige Komödie: »Der allezeit auf Erden grausam verfolgte, jetzt aber dennoch sieghafte und unüberwindliche Cupido«. Serenissimus mochte die Cantilenen nicht hören und die Pirouetten nicht sehen. Er gab mir, der ich im Hintergrund harrte, einen Wink mit der Augenbraue, ihm zu folgen, und schritt in sein türkisches Cabinett, das wie eines Janitscharen-Pascha's Zelt mit Yataganen und Roßschweifen, Halbmonden, Schabracken und Arquebusen geschmückt und ausgestattet war. Da war ich, der Geheimsecretarius, mit dem Herrn allein.

»Höre Er, Josua!« sprach er nach einer Weile, in der er unruhig auf und nieder gewandelt. »Uns schwant, daß Wir eine Sottise begangen!«

Da deprecierte ich eilig. Ein submisses Subjekt wie ich, könne irren, Seine Durchlaucht nie und nimmer. Das hörte er wohlgefällig, fuhr aber doch fort:

»Wir hatten den Vogel in der Hand und haben ihn fliegen lassen! Die Henkersdirne und ihr Gold wollen Uns nicht aus dem Sinn!«

»Mir auch nicht, gnädiger Herr!«

»Ist das also auch Seine Meinung, Lieber?«

»Wäre vielleicht die letzte Rettung gewesen, Euer fürstliche Gnaden! Sonst, besorg' ich ernstlich, geht es uns allen an Kopf und Kragen! Das Volk läßt sich nimmer lang besänftigen . . .!«

»Also stehen wir da wie die Lohgerber – und kommt die Reu' zu spät!«

»Ei – wie denn?« sprach ich da. »Der Galgenvogel ist doch nicht übers Meer entflogen, sondern nistet ganz nah! Wir wissen doch, wo er zu finden: Kaum eine halbe Stunde Wegs von hier, beim Hochgericht!«

Serenissimus nickten heftig. Wurden heiter. Klappten die Tabatière auf und schnupften guten Muths.

»Man müßte einen vertrauten Mann zu der Dirne senden!«

»Ja, fürstliche Gnaden!«

»Nachts. Ungesehen. Heimlich – ohne daß es einem Menschen ruchbar wird, daß er von Uns Selbst kommt!«

»So ist es, wie hochdero Weisheit angibt!«

»Selbiger geschickte und wohlerfahrene Diplomaticus müßte die zauberische Jungfer mit guter Zured', Schmeichelei und Verheißung an sich locken, zur Reis' hierher willig machen und vor Unser Angesicht führen!«

»Wird ihm schon glücken, durchlauchtiger Herr!«

»Des ästimier' ich auch.« Und dabei offerierte mir Serenissimus gnädig eine Prise. »Denn Er, Josua, soll dieser getreue Mann und Sendbot' sein! Suchet jetzt gleich, um die Mitternacht, die Hexe auf dem Galgenberg heim! Das ist die rechte Stunde und dessen verlaß' ich mich unweigerlich, daß Keiner außer der Dirne selber Euch zu Gesicht bekommt und ein Geschrei durch die Stadt erhebt, als hielten wir es mit Henkersvolk, Kesselflickern, Roßkämmern, Quacksalbern und Bocksreitern da draußen!«

Mir fiel vor Schrecken die Prise Tabak aus den Fingern, bei der hochfürstlichen Proposition, zu nachtschlafender Geisterzeit, in der alle Unholde wach, statt mein warmes Bette, das Hochgericht aufzusuchen! Hätte ja gleich bis zum Blocksberg weiter fahren können! War doch kein Eisenfresser und Kriegsmann, wie jüngst, mit gleichem Auftrag, der Junker von Yselteich!

Gern lustwandelt sonst ein ehrsamer Bürger mit seiner Eheliebsten am Sonntag-Nachmittag bei schönem Wetter unter dem Galgen. Es ist ein trefflicher Ausguck von da auf das Land. Man freut sich des Segens der Felder und des lieben Viehs auf der Weide. Man beschaut sich dann die Malefikanten, die eine löbliche Justitia hier mit Rad und hänfener Schlinge gerichtet, und getröstet sich, daß von den muthwilligen Buben da oben nichts Böses mehr zu gewärtigen ist. Das ist ein freundlich Bild.

Anders aber ist solch Pfad zur Nacht, wenn die Eulen schreien, Wehrwölf' und Widergänger am Kreuzweg hausen, Räuber und Mörder des Teufels Heerlager unterm Galgen halten! Ich war voll Ängsten und Verdruß und merkte doch wohl, daß Seiner Gnaden Befehl unweigerlich und mit ihm heute nicht gut Kirschen zu essen sei. Fügte mich also seufzend in Gottes und der Menschen Wille, sprach ein kräftiges Gebet und zog aus, wie mir geheißen.

Es war eine rabenschwarze Nacht voll bösem Wind – unheimlich Klagen und Stöhnen auf den dunklen Feldern, Schilfrauschen auf den Teichen, Gelächter im Wald, Winseln und Wispern am Weg. Ich hatte mir zu mehrer Sicherheit eine halbe Wachtstuben voll Grenadiers mitgenommen und die Kerls vorher mit Branntwein fleißig traktiert. Dadurch waren sie, vom Corporal bis zum Tambour, fröhlichen Herzens, erkühnten sich, sie wollten den Teufel selber in die Hörner zwicken und am Schwanz zupfen, wann er ihnen beitrete, und wir erreichten so wirklich ohne Fährniß des Henkers Haus.

Das leuchtete ganz friedsam und traulich mit hellen Fenstern durch die pechschwarze Nacht. Ich ließ meine Sauvegarde fernab im Dunkeln und pürschte mich auf Zehenspitzen an selbes Gutleuthaus und lugte verstohlen durch die Scheiben. Hinter Blei und Glas saß dadrinnen am Tisch der Meister Uz und spielte in guter Ruh mit zwei alten Scharfrichtern aus der Nachbarschaft Karten. Frau Bebe, sein grauhaarig Weib, die große Hornbrille auf der Nasen, strickte am warmen Heerd Strümpfe. Um sie hocketen Mutter Säuberlich und manch andere Hex', die Nächtens auf Visite gekommen, dick wie die Kröten, klapperten mit den Stricknadeln und ließen die zahnlos' Mäuler laufen wie die Mühlräder. Schätze, daß sie nicht vom Heil ihrer Seelen geschwatzt, sondern von sterbenden Läuften und Pestilenz, trockenen Kuheutern, Blutregen und Hagelschlag.

Ich vigilierte um das ganze Gebäud'. Hinter dem Beinhaus striegelten das Pfeiferlein und der Perle Einohr gestohlene Pferde. Ich erkannte die Landstörzer, weil der Meister Uz ihnen schon einmal bei uns zum frohen Pfingstfest am Pranger ein Ohr abgeschnitten. Trugen ihm den kleinen Verdruß nicht nach, sondern blieben mit ihm gut Freund. Durch die Luken im Beinhaus fiel Licht. Da hockten finstere Gesellen mit Säcken und Brechstangen und teilten unter sich Altarleuchter, Kelche und Monstranzen. Ich besorge: Es ist der Höllenhahn selber mit seinen Erzbösewichtern gewesen, und ich wich eilends in die Nacht zurück. Die Hille aber war mir noch nicht vorgekommen.

Da ward ein Seitenpförtlein unsanft aufgestoßen und flogen ein paar Gesellen gröblich ins Freie, unter die Stern' und Wölfe, und die dem Hirsch Assur und dem Chaim Katzeneljon und dem Reb Naphtali so ungehobelt heimleuchtete, war des Henkers Töchterlein und stand mit hochgehobenem Stall-Licht auf der Schwelle, und noch ein Tritt mit dem kleinen Schuh hinterher.

Rieb sich der Münzjud den Buckel, greinte zwischen Lachen und Flennen: »Lasset die Späß' jetzt unterwegs, Jungfrau!«

Und der Chaim: »Halbpart! Mit Eurem Gold!«

Und der Reb: »Wir machen Euch groß und mächtig im Lande!«

»Groß und mächtig bin ich schon!« spricht die Hille.

»Weiset uns wenigstens Euer Gold vor!« bettelte der Assur. »Keiner in der Stadt will es uns reichen und zeigen: meinen alle, wir hätten uns ehe schon am Gold bald blind gesehen!«

»Ich zeig's Euch nicht!« sagte die Hille und es klimperte hell in ihrer Taschen, wenn sie mit der Hand darin spielte. »Aber denen, die Euch morgen den rothen Hahn auf's Dach setzen sollen, denen will ich's zeigen!«

Da trollten sich die drei und der Hirsch Assur sprach zu den Andern: »Es wird Zeit, daß wir uns aus der Stadt verziehn! Geht sonst um Leib und Leben!« Und wirklich wurden am nächsten Abend weder er, der fürstliche Münzjud, noch sonst die Andern mehr in unseren Mauern befunden, sondern waren in aller Heimlichkeit davon.

Die schwarze Hille war in ihr Kämmerlein neben der Pforte getreten. Stellte da ihren Wachsstock auf den Kasten. Ich war eben willens, ihr zu folgen: Schau – wer hat da in der Ecke gestanden und gewartet, und rückt sich jetzt aus dem Dunkel der Stube ins Licht? Herr Wirich, unser Schöppenmeister, konnte sonst brav Hexen brennen. Ward deß nicht leicht müd und zog auch jetzt ein gräuliches und bedrohliches Gesicht. »Denk' an den Magirus!« heischte er und die Gier nach dem Gold zuckte ihm aus den Augen. »Wenn du dich nicht redlich und freigiebig gegen mich erweisest, wird's dir ergehen wie ihm!«

Lachte das Henkerskind und schob den gefürchteten Mann an den Schultern zur Thür hinaus. »Mag's mir schon ergehen wie dem Meister Magirus! Euch fürcht' ich keinen Deut!«

Und ehe ich nun – unbemerkt, wie mein Fürst mir geheißen – an dem Schöppenmeister vorbei zu der Hille gelangen konnte – halt – wackelten da zwei feiste Bäuch' durch die Nacht. Schnauften weithin, wie nur die Ehrbaren und Gestrengen schnaufen – sind keine anderen als der dicke Gerspach, der Rathsherr, und unser wohlweiser Bürgermeister, Herr Rupert, selber . . .

Waren jetzt nicht gewichtig und hoffärtig, mit güldenen Amtsketten und Knaufstöcken und Perücken wie sonst, sondern standen demüthig, die Hüt' in Händen, mit krummem Rücken, vor der Henkerstochter, und unser Stadtvater flennte schier und faltete die zehn Finger über seinem Schmeerbauch und weinte: »Liebe, süße Jungfer! Gebt mir ein weniges von Eurem Gold! Will's auch getreulich zu allgemeinem Nutzen behalten und verwahren!«

Macht die Hille dem Hochgebietenden eine lange Nas' und spreizt keck das klein Fingerlein. Läßt sich vernehmen: »Stehlen wollt Ihr's! Gewinnt aber von mir keinen Stüber in den Kasten!«

Ich, Josua Siebengang, fand, als die Beiden erzürnt abgeschieden, annoch nicht den Eintritt zu der Hille Kammer. Durfte mich ja nicht sehen lassen, und es stieg doch da Einer nach dem Andern Nächtens und heimlich den Weg aus der Stadt zu ihr. Wickelte sich erstlich der fürstliche Leibarzt Dr. Zwerg heimlich aus der Kapuzen, rückte die Brille zurecht und wisperte: »Höret, holdselige Jungfer! Ich misch' Euch Liebestränk', für Euer Gold, daß sich ein steinern Herz erweicht!« Wiegt sich die Hille wohlgefällig vor dem Spiegel: »Brauch' keinen Liebestrank, daß sich die Männer in mich vergaffen!«

Riecht es plötzlich vor dem Hause übel und tappt rauh und zottig Etwas wie ein Bär aus dem Wald. Auch dem Pater Daniel Eremita, dem Einsiedler, läßt das Hexengold keine Ruh'! Möcht' den Teufel aus der Hille treiben und ihrer Seele Frieden schaffen, wenn sie ihm dafür etliche Dukaten verehrt! Füllt die Hille ihm die gierig hingestreckte Hand mit Asche und lacht: »Da habt Ihr eines frommen Manns Dukaten!«

Und immer ansehnlicher wurden vor meinen, des Geheimsecretarii, erschrockenen Augen die Leut' aus der Nacht. Es fehlte bald Nichts, was in unserer guten Stadt da hinten Rang und Ansehen hatte. Schlich sich Einer hinter dem Andern heimlich, in seinen Mantel gemummt, daher, und meinte, ihm müsse es glücken und er der Henkerstochter Gunst und Gnade gewinnen.

Raunte und winkte ihr aus der Nacht der Colonel Roland, ein wohlberühmter Held auf Amors camp de bataille und Meister in allen galanten Aventüren, und dachte, als sie herauskam, er würde sie, wie schon so manch Gänslein, mit feurigem Blick und martialisch aufgezwirbeltem Schnurrbart bezwingen. Giebt ihm die Hille, wie er sie flugs an sich reißen und gewinnen und küssen will, einen Backenstreich, daß die Schächer am Galgen drüben den Klatsch hören und merklich durch die Nacht meckern. Da stellte es der Jägermeister, Herr Graf Frey von Arnau, freilich sittiger an: Seine Hochgeboren beugten zierlich vor der Henkersdirn' ein Knie und lispelten: »Gnädiges Fräulein! Dero von heißer Liebe entzündeter Knecht bietet Euch Herz und Hand, Nam' und Wappen!« Stemmt die Hille die Hand' in die Seiten und zuckt verächtlich die Achseln: »Was frommt mir ein Gräflein? Mein Sinn steht nach mehr!«

War eine unselige Prozession menschlicher Schwäche und Eitelkeit vor meinen, im Dunkel betrübten Blicken. Auri sacra fames! klaget schon der heidnische Poet Ovidius – unheiliger Hunger nach Gold! . . . Es war nur der Herr Hofcavalier Percival von Yselteich – seinen Ehren sei's gemeldet – der besser als die andern hohen, weisen und gestrengen Herren, die schwarze Hille und den Weg zum Henkershaus kannte, und doch den Weg und die Hille nicht fand, sondern daheim, bei seiner lieben Braut, dem Fräulein Delphine, blieb, mochte ihm die Hille in jener Nacht, als er sie nach dem Diebsthurm holte, noch so heiß verbuhlte Blicke zugeworfen haben, und er also, vor allen anderen, hätte voll von Hoffnung und Anrecht auf ihr Gold sein können.

Das Fräulein Delphine, seine künftige siebente Rippe, war, wie schon vordem von mir berichtet, des Herrn fürstlichen Cabinetspräsidenten, des Freiherrn Waldherr von Wackersburg, Tochter. Wo blieb um diese Stund' ihr mächtiger Herr Vater? Auf welchen Pfaden wandelte in dunkler Finsterniß seine hochgebietende Exzellenz? Oh Zeiten! Oh Sitten! Oh Menschengeschlecht! Durch die Nacht nahete, von Kammerknechten geleitet, ein großer Herr. Hielt wohl den Zipfel seines Mantels vor das Antlitz, mußte ihn aber dann doch, als er vor der Hille stand, fallen lassen, damit sie ihn erkenne und ihm die schuldige Ehrfurcht erweise, und nun war es, vor Thau und Tag, auf dem Galgenhügel, der Herr Präsident in eigener Gestalt und Person, sah sich scheu nach jeder Richtung der Windrose um, faßte die Henkerstochter an der Hand und flüsterte sanft und väterlich: »Lieb Kind – komm mit mir! Sollst es gut haben in der Stadt! Jeden Tag in einer vierspännigen Kutsche fahren und Schleckereien, Geschmeide und prächtige wälsche Kleider haben, daß die Fräulein vom Adel vor scheelem Neide zerplatzen! Sollst gehalten werden wie meine eigene Tochter! Komm nur und sei getrost!«

Streckt die Hille, das jung Kind, böslich seiner Exzellenz die Zunge heraus und lacht dazu und ihre weißen Zähne blitzen und ihre schwarzen Augen funkeln, und der Herr Cabinetspräsident retiriert, des Todes entsetzt vor solcher Vermessenheit, einen Schritt nach hinten.

Ich beobachtete, aus meinem Rückhalt im dunkeln und freien Feld, betrübten Herzens das schnöde Bild und vermerkte plötzlich, daß ich nicht allein war. Es stand, in der Finsterniß, unversehens eine Gestalt neben mir, als sei sie aus dem Erdreich zu meinen Füßen gewachsen. Schien ein Mann in einem langen, weiten Mantel und kannte mich. Denn er redete mich bei Namen an und ich erschrak.

»Eine groß' und wunderlich Nacht! Dünkt es dem Herrn Secretario Siebengang nicht auch so?«

Blieb ich stumm wie ein Karpfen. Jener aber weiter:

»Heut' wird der Menschen Geheimniß ruchbar! Wer sich sonst verstellte, deß Herz liegt jetzt bloß, und was in Sammet und Seide stolzierte und sich blähte, da fallen die Hüllen, und die Vornehmsten gehen nackt einher wie Adam.«

Die Stimme des Fremden schien mir wundersam bekannt, und ich wußte nicht woher. Spürte aber eine Gänsehaut übern Rücken rieseln. Vernahm weiter:

»Kehrt so die Menschheit zur Schlichtheit und Einfalt zurück, wird unschuldig wie die Kindlein und offenbart ihr innerlichstes Trachten und Wesen. Das nennt sich unser liebes Gold!«

Selbe Stimme hatte ich schon oft vernommen! Eine Erinnerung kam mir. Ein Grausen packte mich an. Langsam sträubten sich mir die Haare zu Berg. Sprach der Mann neben mir feierlich und langsam:

»Ihr preiset das Gold in allen Zungen! Ihr hänget und gieret nach Gold! Gold ist Euer täglich Begehr und Gebet, Euer stündlich Sehnsucht, Euer höchste Lieb' und Lust bei jedem Athemzug auf Erden! Item: Ehret die, die Gold machen, und hänget sie mit Nichten! Preiset die, die den Stein der Weisen haben, und brennet sie nicht! War übel gethan, Herr Secretarius, und hat Euch soviel gefruchtet, als wenn man auf einen alten Sack schlägt!«

Der Herr Cabinetspräsident war drüben nicht mehr vorhanden. Die schwarze Hille stand allein und hielt das Laternlein in der Hand. In dessen Schein gesellte sich zu ihr der fremde Mann im Mantel und stand leibhaft da und war der Meister Magirus . . .

Da spürte ich kalten Schweiß und knickten mir die Kniee, und ward mir des Satans Bosheit und List zu viel und ich schlug ein Kreuz übers andere, und lobte Gott den Herrn und flüchtete, was ich vermochte und meine Beine hergaben, zu meiner salvaguardia, und der Soldateska wurde, als sie mich denn derart verstört vor dem Bösen fliehen sahen, jämmerlich bang ums Herz, und mir rannten selbzehnt über Stock und Stein, und ich war erst wieder froh, als sich das Stadtthor hinter mir schloß. Vor Serenissimi Angesicht aber hinzutreten, wagte ich den ganzen nächsten Tag nicht, weil ich seinen Auftrag nicht ausgerichtet, und hielt mich auf dem heimlichen Gemach verriegelt und verborgen, als er nach mir sandte.

An diesem Tag aber langte unser Herrgott seinen Kometen, die Zuchtruthe, vom Himmel . . .

Es war ein gemeiner Werkeltag. Aber beim Kupferschmied, Böttcher und Spengler lag der Hammer still. Unter der Schusterkugel und auf dem Schneidertisch saß keine Seel', der Tuchmacher walkte nicht und der Weber ließ nicht das Schifflein gleiten, es ging kein Seiler rückwärts und kein Färber machte sich die Arme blau.

Aber die ganze Stadt machte blau. Man hätte meinen mögen, der Magirus würde noch einmal gehenkt, so ging eine Wallfahrt gemeinen Volks durch das Thor hinaus zum Galgenhügel. War ein Gedränge und Gejauchze, ausgestreckte Händ' und goldener Segen aus der Hille Händen, um des Scharfrichters Haus, als sei da Kaiserkrönung Römischer Majestät. Man vernahm das »Hoch!« und »Heil!« und »Dank!« bis in die Stadt, so gewaltig jubelte die Menge. Es trug Jeder, Groß und Klein, von der Hille sein Scherflein heim und liefen Narren voraus durch die Gassen und verkündeten: »Der jüngste Tag ist da! Die goldene Zeit ist kommen! Speis' und Trank für Jedermann, Kleider und Schuh und was man begehret, nach Herzenslust!« Und der Bader Tückmantel gröhlte aus rauher Kehle: »Es braucht Keiner mehr zu arbeiten!« – Was solchem Hansdampf in allen Gassen freilich lieblich einging – und hinter ihm jauchzeten, die ihm folgten: »Die Hille Uz sorgt für uns alle, so lang wir leben! Die Jungfer Uz ist mild und gnädig und erbarmt sich des armen Manns!«

Prahlten mit ihren Dukaten, die sie von der Henkerstochter überkommen! Der Hornickel, der ungeschlachte Gesell, war mit viel anderen muthwilligen Bauern in die Stadt gerückt, schlug die Faust voll Gold auf den Wirthstisch und verschwur sich: »Damit kauf ich mir künftig beim Gericht wider Vogt und Amtmann mein Recht!« Er und seine Gesellen waren schon mit Sensen und Dreschflegeln bewehrt, und die hochfürstliche Waffenmacht klopfte ihnen nicht auf die Pratzen, sondern zog Arm in Arm ungescheut mit selben Kerlen über den offenen Markt, rief: »Victoria!« warf die Hüte in die Höh' und ließ die Donnerbüchsen in die Luft gehen, allwo schon die Glocken ängstlich bammelten und bimmelten, und der Peter Siebenschuh, der baumlang Grenadier, spuckte dem Herrn Colonel Roland, der sie an Eid und Pflicht ermahnte, bäurisch vor die Füß': »Wir Soldaten von Fortune brauchen nimmer auf Eure blutwenige Löhnung zu warten! Haben Gold in Hauf! . . . Unsere Patronin ist Ihre Gnaden, die schwarze Hille!«

Und tausend Stimmen schrieen es und jubilierten und füllten die Stadt mit ihrem Getöse, daß bald, wie vor den Posaunen von Jericho, die Mauern wankten: »Morgen, zwischen der Frühsuppen und dem Mittagskraut, zieht die Jungfer Uz festlich bei uns ein! Sie hat's versprochen und gelobt, daß sie uns ohne alle Zoll' und Zehnten, Mauth und Frohn, weislich halten und regieren will! Und es bringt uns von jetzo ab der Steuerbot' das liebe Geld ins Haus – Jedem, so viel er eben braucht! – und der Pfandmeister geht mit dem Säckel von Haus zu Haus und zahlt Jedem seine Schuld auf Heller und Pfennig aus, und wer weiter alleweil gern ein Fäßlein mit Goldstücken bei sich auf der Diele stehen haben mag, der soll nur zur Hille aufs Schloß vor ihren Thron und seinen Kratzfuß machen, und sich's dort holen!«

Und männiglich auf den Gassen faßte sich an den Händen, tanzte Ringelreigen, sang und sprang, und die kleinen Kindlein schon jauchzten mit roten Bäcklein: »Morgen ist die alte Obrigkeit abgethan und hat alle Noth ein Ende!«

Wie ich solches vernahm, da fiel mir das Herz in die Hosen. Aber ich faßte es mir wieder und wagte mich um das Zwielicht durch des Volkes Toben vor dem Schloß hinein in Serenissimi Muschelsaal, allwo er als Schäfer Paris just die Flöte blies und anmuthig dazu die Allonge-Perücke bewegte. Es lag ihm schon der Apfel zur Hand, den er der Schönsten reichen sollte, und machten sich, hinten in der Grotte, Venus, Juno und Minerva bereit, vor hochdero Richterauge zu treten. That mir weh – aber ich mußte solch unschuldiges Arkadien stören. Warf mich Seiner Gnaden zu Füßen. Beichtete, daß ich in verflossener Nacht mit Nichten dem Teufel das Spiel abgewonnen. Der durchlauchtige Herr hörte mich mit krauser Stirne an, scheuchte unmuthig das Frauenzimmer in der Grotte, welches denn auch selbdritt seine Linnen raffte und sich von dannen hub, und neigte fragend sein fürstlich Haupt gegen den Herrn Grafen Frey von Arnau, welcher ihn gewohntermaßen bei alltäglichem Schäferspiel und Nymphen-Einfalt accompagnierte, und Seine Hochgeboren ließ sich als glatter Fuchs vernehmen: »Wenn mir auch selber solche Gelegenheiten, wie Galgenhügel und Henkershaus völlig unbekannt und ich niemals nicht mit keinem Schritt dort gewesen, so blieb's mir doch nicht verhohlen, daß viele Leut' seit mehren Tagen da draußen in der Asche des Scheiterstoßes fleißig nach etlichen Knöchlein und Rippen des verbrannten Magistri gesucht, um solche als Amulett und Talisman zu gebrauchen, aber kein kleinwinziges Stücklein von ihm gefunden, woraus denn das abscheuliche Gerücht entstanden, der Goldmacher Magirus sei, gleich einem Phönix oder Salamander, in den Flammen wieder zum Leben gekommen und annoch unter uns anwesend und lasse nun all seine bösen Künste tausendfach spielen, und aus diesem verkehrten Glauben schöpfet nun das Volk seinen bösen Muth!«

»Das ist es ja, Euer durchlauchtige Gnaden!« seufzte und schrie ich und lag dabei noch mit den Knieen auf dem Bodengetäfel. »Ich selbst habe ja in verwichener Nacht den Nekromanten Magirus leiblich vor mir stehen sehen und seine Stimme aus dieser Welt vernommen!«

Serenissimus äugte unwillig durch sein Stielglas auf mich hernieder, das nach Pariser Mod' künstlich aus Bernstein geschnitten und mit einem rundgeschliffenen Berg-Krystall besetzt war. »Fasele Er nicht, Josua, und stehe Er auf!« gebot er, und ich klopfte mir den Staub von den schwarzsammtenen Escarpins und beharrte, unterthänig und doch mit einigem Trotz: »Der Magirus lebt!«

»Deß wollen Wir Uns selber überzeugen!« sprach unser Fürst Philander, mit einem spöttischen Lächeln der Großen dieser Welt, die da meinen, daß Alles auf Gottes Erden nur zu ihrer Kurzweil da und sich nach ihrem Gusto fügen müsse.

». . . und wenn wir's nur noch diese Nacht anstehn lassen, Allergnädigster, so verschlingt uns der Magirus und die Hölle mit Schuh' und Strümpfen, Haut und Haar!«

»Just darum wollen Wir selber hinausreiten und mit dem Henkerskind ein Tänzlein wagen!« resolvierte sich Serenissimus vergnügten Gesichts. Und ich, mit zu unserem Herrgott verschlungenen Händen: »Möge solch unerhörte ritterliche Fahrt wider Vampyre, Teufelswunder und Hexenspuk Euer Gnaden zum Heil ausschlagen und die Unruhe im Volk abstellen!«

»Um des Pöbels Murmeln sorgen wir uns so viel als wie wenn die Mäus' pfeifen!« sprach Serenissimus leichtweg, obwohl ein übles Geschrei von draußen das Plätschern der wasserspeienden Tritonen, Delphine, Nereiden und Püsteriche im Muschelsaal übertäubte, – wickelte seine Damaszenerklinge um den kleinen Finger und ließ sie, in abenteuerlicher Laune, schnellen. »Er, Josua, bleibe hinterm Ofen und lasse sich von seiner Hausehre einen Fliedertrank kochen! Er ist selber ein altes Weib und nicht zu gebrauchen, wo's cavalièrement hergeht! Frisch aufgesessen, Graf Frey! Wir wollen heut' Nacht dem Schöppenrichter ins Handwerk pfuschen und, statt auf Hirsche, auf ein Hexlein jagen!«

In einer stattlichen Cavalcade, mit Chevaliergarden, Kammerhusaren, fackeltragenden Mohren und Dienern, den Leibtürken neben sich, als welcher ein unwissender Heide war und sich vor Gespenstern nicht fürchtete – unter Hifthornblasen und Plempengerassel zog Serenissimus hohen Muths dem Hochgericht zu. Die Gäule wieherten, die großen Saurüden kläfften. Vor diesem Getöse, wie es selbst den Irokesen fremd, flohen alle bösen Geister. Unterm Galgen mochte sich Nichts regen. Im Henkershaus drüben waren plötzlich alle Lichter erstorben, und es duckte sich, still wie ein verkrochener Haas im Lager, platt ins Dunkel. Also ließ Fürst Philander einen Hornstoß ergehen und klatschte voll Ungeduld in die höchsteigenen Hände. Wollte sich doch Nichts rühren.

»Wir besorgen: Die Vögel sind ausgeflogen!« geruhte er zu äußern und wendete sich im Sattel zu seinem Gefolge, sah aber da ängstliche Mienen und bang ausgereckte Zeigefinger. Die deuteten hinter des Henkers Dach nach dem Beinhaus, wo Meister Uz die Schädel und Knochen der Schächer verwahrte, die im Lauf der allmächtigen Zeit vom Galgen hernieder gefallen, und wohl seinen Hokus-Pokus mit solchen Hirnschalen und Diebsdaumen trieb. Es stäubten dort rothe Funken in Schwärmen aus der Esse, stiegen wie Glühwürmer in der Nacht und flogen mit dem Wind ins Weite.

»Dort macht die schwarze Hexe Gold!« rief der Herr Hofjagdmeister und Seine Gnaden klopften ihm auf die Schulter: »Steigt mit mir vom Pferd, Graf Frey, lasset die Suite warten und geht mit mir. Wir wollen allein die Jungfer kirr machen und das Abenteuer bestehn!«

So nähern sich der hohe Herr und sein Freund und Waidgenoß getrost dem verschlossenen Beinhaus, das platt und schwarz daliegt wie ein Drache und aus dem Schlot mit den Flammen züngelt. Fällt aus dem Haus plötzlich ein feurig helles Viereck von flackerigem Licht ins Dunkel: die Thür ist aufgegangen, und in dem grellen Widerschein des Heerds da drinnen steht, wie in einem Flammenmantel, die schwarze Hille, also daß sie den Zugang zum Schmelzofen verdeckt und verwehrt, zuckt geringschätzig die Schultern wider die beiden Gäst' aus der Nacht und ruft, als wären es ein paar fahrende Handwerksgesellen: »Hier ist keine Herberg'! Sucht Euch ein ander Quartier!«

»Gemach, Jungfer . . .« beschwichtigt der Graf. Sie indessen: »Hab' keinen Raum für Grafen und anderes Bettelvolk!«

Tritt Fürst Philander zürnend in voller Majestät und Herrlichkeit vor sie, recht in den Lichtschein. Steht da wie Gott Jupiter selbst. Fragt aus seiner Höh' und Glorie herab:

»He – Dirn: Kennst du Uns?« Und wie sie gelassenen Sinnes nickt, weiter: »Also wer bin ich?«

Schränkt die Hille die Arme über der Brust und spricht: »Heute noch das, was ich morgen sein werd'!«

Da goß sich eine merkliche Zornröthe über unseres Herrn und Fürsten wohlproportioniertes Antlitz.

»Ei – du Speikatz!« sprach er. »Dir wollen wir das Fauchen und Kratzen ernstlich legen!« Und zu dem Grafen Frey gewendet, verordnete er gnädig: »Rufet und winket nach hinten den bei uns habenden Troß herbei! Wir werden diese maulfertige, aufrührerische Creatur, die unserer Milde und Nachsicht spottet, frischweg fangen, in die Stadt führen und heute noch als eine Hexe justifizieren!«

Schnippt die Hille, indeß der Herr Hofjagdmeister zu der Reiterschaft im Dunkeln eilt, mit dem klein Fingerlein, lacht und rühmt sich: »Probiert's! Mit selbem Nagelglied bin ich gewaltiger als Ihr!«

»Geduld' dich nur, du Nachtkauz! Werden dir schon die Flüglein schneiden! . . . En avant, Graf Frey! . . . Fackelt nicht lange! Führt meine Suite heran!«

». . . Denn ich hab' das Gold!« schreit die Hille mit einer Stimme, die allen wie mit Messern durch Ohren und Seelen schnitt, und reckt und streckt sich in die Höh' und ihre schwarzen Augen glühen. »Und wer das Gold hat, hat die Welt!«

Und vor all den Cavalieren, Büchsenspannern, Mohren und Waidvolk, die da zähneklappernd und aneinandergedrängt heranrücken, – Hirschfänger, Degen, Saufedern und Fackeln in der Rechten und mit der Linken sich ohne Unterlaß bekreuzigend – vor all den guten Herren und Knechten hebt die Hille mild die Arme, tritt einen Schritt zur Seite, giebt den Zugang und Einblick ins Beinhaus frei . . .

Da gefror vor solchem Bild auch dem dreistesten Hans Fürchtmichnit das Blut in den Adern . . .

Ein feuriger Glast erfüllte das Gewölb, daß Einem die Augen weh thaten. Durch die blutig heiße Luft grinsten die Todtenschädel von den Wänden und lehnten die Knochenmänner, die der Galgen drüben abgeschüttelt, in den Ecken, und vor ihren schwarzen Augenhöhlen hüpften glühende Funken und schlugen wie ein zauberischer Wirbelsturm hinauf in den Schlot. Unter der Esse aber, um den Schmelzofen inmitten des Beinhauses, loderten schuhlange, feurige Zungen und leckten brausend um den rußgeschwärzten großen Kessel, und hinter dem brodelnden Bottich stand Einer, inmitten der flackernden Flammen, als sei er selber des höllischen Elements und mit ihnen verwachsen und eins, und schöpfte von der rauchenden, geschmolzenen Speis, damit der Heerd beschickt, und gewann mit jedem Löffel ein rothglühendes, reines Gold, und hämmerte und prägte es als des Teufels Schmied mitten im Feuermeer, und warf es von sich zu Boden. Da rollte es, da lag es zu Haufen, da thürmte es sich zu Hügeln von Dukaten. Standen schon die Skelette in den Winkeln mit ihren Fußknochen im Gold und von dem Amboß sprühte es ohne Rast und Unterlaß wie ein güldener Regen in das Gaukelspiel von schwälender Luft und wehender rother Brunst. Und der da den Hammer schwang und tanzen ließ – kling – klang – durch das Sausen und Singen der Flammen – das war der Meister Magirus selber, in seinem güldenen Sterbekleid zwischen der blutigen Lohe – nun aber jung und schön, stattlich und männlich, freudigen Angesichts und mit braunem, langem Bart. Und es schien, als wüchsen ihm krumme Teufelshörner überm Haupt und sei ihm hinten ein langer, buschiger Schweif entsprossen.

»Courage, Graf Frey! Sans peur et sans reproche!« schreit Fürst Philander und schwenkt seinen Degen. »Der Gesell im feurigen Ofen und, was wir da schauen, ist eitel Blendwerk Beelzebubs und schwindet ins Leere, wenn wir's herzhaft angehn!«

Der Magirus aber fletscht die Zähne und wirft dem Herrn Jagdmeister, der die Augen zukneift und sich auf ihn stürzen will, einen glühenden Dukaten ins Gesicht, daß er zurücktaumelt, und die Hille klatscht in die Hände und lacht wie toll: »Ihr kennt die Henkersgriffe nicht, Ihr hochedelgeborenen Tröpf'! Ich hab's unterm Galgen meinem Vater wohl ins Ohr gemeldet, daß der Magirus mich das Goldmachen lehren will! Da hat er dem Meister fein säuberlich den Strick zwischen Kinn und Ohren geschlungen und ihn so gehängt, daß er wohl eine Zeit durch die Kehle Luft ziehen und sich erhalten konnt', und hat sein großer Bart den falschen Knoten darunter und das ganze Henkersstück vor dem Volk verborgen. Um ihn aber geschwind vom Galgen herabzugewinnen, haben wir das Märlein von dem Feuerstoß ersonnen! Der Herr Magister hat den Scheiterhaufen nie erkannt, ist nicht von Asche, sondern von Fleisch und Blut!«

»Ich lebe!« rief der Magirus aus dem Flammengezüngel. »Ich bin tausend Jahre alt!«

Draußen in der Nacht war ein Gelaufe und Hufgepolter und Waffengeklirr, und da der Herr Graf Frey sich umkehrte – sieh: da stob des Fürsten ganze Cavalcade in Todesängsten vor dem Teufelsspuk davon – die Gäul' mit angelegten Ohren, die Hund' mit eingezogenen Schwänzen, die Menschen mit übern Kopf geschlagenen Mänteln. Ritt und lief ein Jeder in die Nacht hinaus, wie er nur konnte, und allen voraus, brüllend wie ein Ochs, der Hassan, der unverzagte Leibtürk.

Da ward es auch einem gottlosen Herrn wie dem Grafen Frey von Arnau weh zu Muth und er riß seinen Fürsten, der immer noch halben Herzens und zitternd mit der Klinge nach dem Magirus zielte, mit sich von dannen. »Die Unholde verzaubern uns, wenn wir nicht weichen!« keuchte er. »Wir müssen flugs heim und uns auf die Sonne vertrösten. Am lichten Tag haben die Gespenster keine Gewalt. Da raffen wir eine Rotte Mannskerle zusammen und räuchern die Hexenküche aus, als wie wenn man Dachse gräbt!«

Ward das eine Nacht und Heimkehr für unseren armen Herrn, der sich, des tapferen Bluts seiner Ahnen gemäß, und seinem bessern Theil getreu, aus Seidenpfühl, Nymphenspiel und Lotterei unverzagt in Abenteuer und Gefahr gestürzt! Wo waren die ledigen Rosse? Hinter der retirierenden Suite her entloffen und davon! Wo blieben die Fackeln? Weggeworfen und zertreten! Die beiden Cavaliere irrten zu Fuß in stockfinsterer Nacht, konnten die Hand nicht vor den Augen sehen, merkten, daß sie vom Wege abgekommen, nur am Rauschen des Waldes und dem Plätschern der Quellen um sie her. Also hielten sie sich an der Hand, um nicht auch noch einander zu verlieren, und suchten ihren Pfad und kämpften mit den wüsten Nachtgestalten. Die Wurzeln am Boden wurden lebendig und wickelten sich ihnen um die Knöchel, als seien es Schlangen. Sie hörten die Wölfe heulen und der Käuze Gelächter. Athmeten auf: denn da leuchteten zwei helle Lichter von einer Waldhütte. Die wurden, als sie drauf zu stapften, rund wie die Räder und gräulich flammengelb und hockte da ein grimmer Schuhu und schlug mit den Flügeln. Wandten sich die zwei vielgeplagten Herren seitwärts, erreichten einen Kreuzweg. Auf selber Lichtung stand der Mann mit dem Kopf unterm Arm und wehrte ihnen mit erhobener Hand, daß sie wohl oder übel umkehren mußten.

Endlich, als die Nacht sich noch kaum hellte, stießen sie auf einen freundlichen jungen Burschen im Wald. Der erbot sich, sie gegen Geld und Gotteslohn wohl zu geleiten, führte sie kreuz und quer, hin und her, und als der Morgen graute – da standen Serenissimus und der Graf wiederum da, von wo sie ausgegangen, – auf dem Armesünderhügel, und der junge Gesell, der ihr Wegweiser gewesen, hing da oben hoch am Galgen und streckte ihnen die Zunge heraus.

Es ward hell. Die liebe Sonne schien roth und warm über das Hochgericht, der Himmel wurde blau, die Lerchen sangen, es war weithin Ruh' und Frieden, als gäbe es gar keine Wechselbälge und Kielkröpfe, Kobolde und Alraunen, Satans Söhn' und Töchter und höllischen Hofstaat auf der Welt. Im Henkershaus drüben waren die Läden vor die Fenster geschlagen, aber die Thür stand trotz der frühen Morgenstunde weit offen und ließ sich doch Niemand nicht sehen. Das unehrlich Volk schnarchte wohl noch in den Betten, und Fürst Philander, üblen Muths von der Nacht, erbittert und erhitzt, fuchtelte mit seinem blanken Degen in der Luft und schritt stürmend und sporenklirrend auf die böse Herberge zu.

»Am lichten Tag fürcht' ich nicht Tod und Teufel!« rief er. »Will allen Zauberern und ihren Vetteln da drinnen zeigen, wer noch Herr im Lande!«

Seine Gnaden und der Herr Graf drangen ein. Scheuten sich keineswegs, Lärm zu machen, um die Schläfer zu erwecken. Konnten aber doch nicht Mann noch Weib mit ihren spitzen Klingen aus den Federn kitzeln. Denn das ganze Haus war leer und verlassen. Nur in der Asche im Heerd lag ein großer schwarzer Kater, stellte sich, als der Herr Graf Frey ihm dräute, auf die vier Beine, machte einen krummen Buckel und sprühende grüne Augen und ging langsam zur Thür hinaus. Die beiden Cavaliere folgten ihm auf den Flur. War der Kater weg und stand statt seiner da die Mutter Säuberlich. Die hütete das Haus.

Wo die schwarze Hille sei – begehrte Seine fürstliche Gnaden von ihr zu wissen, und die Mutter Säuberlich machte ein feierliches Antlitz, wies mit dem Krückstock nach Hochdero Residenzschloß in der Ferne und bedeutete uns: »Prinzessin Hille ist mit ihrem Krönungszug unterwegs nach der Stadt!«

Aus der Stadt trug der Morgenwind den Klang von allen Glocken. Unser Herr Fürst Philander wollte darob noch herzlich lachen, aber dem Grafen neben ihm war nicht mehr lustig ums Herz, sondern er schrie unsanft Seiner Gnaden ins Gesicht: »Springt, was die Beine mögen! Sonst seid Ihr ein Herrlein ohne Land!«

Das Laufen zu Fuß war den beiden Erlauchten und Hochgeborenen sauer, die sonst gewöhnt, Gottes Welt von Rosses Rücken zu begucken. Manchen Tropfen Schweiß vergossen sie und spürten Stechen in den Rippen und schnappten Luft, bis sie nur die Landstraße vor dem Thor erreichten. Aus dem Thor aber rollten sechsspännige Karrossen, mit bangen, großen Herren statt der Lakaien auf den Trittbrettern, und hieben die Postillone auf eilig und liederlich angeschirrte Gäule und galoppierten Edle und Gestrenge, die Eheliebste hinter sich im Sattel. Trugen im Trab die Hof-Mohren in einer verschlossenen Sänfte unsere Gräfin Bibiane davon, die schreckensbleich dasaß und hastig die rosig geschminkte Wange mit dem schwarzen Schönheitspflästerchen zur Seite wandte, um Seine Gnaden nicht zu sehen. Der Leibarzt Dr. Zwerg fuhr in einer Staubwolke an ihm vorüber und wollte des hohen Herrn, dem er so oft unterthänigst den erlauchten Puls gefühlt, nicht wahr haben. Der Colonel Roland sprengte, mit verbundener Stirn, ein Pistol in der Hand, aus der Stadt daher, und ritt Serenissimus schier in den Graben, und blind weiter, um sein Leben zu retten. Der Leibtürk rannte vorbei, der Kammerzwerg, all der Hofstaat und das Schloßgesinde, und es wollte Keiner auf den Ruf unseres armen Fürsten hören, und sie achteten ihn, vor dem sie gestern noch geschlottert und gekniet, nicht mehr als eine Handvoll Staub am Weg.

Und wie Hochdero erster und unser Aller Ahnherr Adam aus Staub geworden, so, in irdischer Vergänglichkeit nach aller Pracht und Eitelkeit, stand Fürst Philander da und sprach zu seinem Jägermeister: »Heute lerne ich die Menschen wahrlich und eigentlich kennen und schlucke die bittere Pille, die Wahrheit heißt!« und merkte nun erst, daß auch der Herr Graf heimlich von seiner Seite fort war und ihm Nichts hinterlassen als den höllischen Dukaten, den ihm der Meister Magnus ins Gesicht geworfen. Den hatte er, als ein mit Fug abergläubischer Herr, lieber zu Boden fallen lassen, als sich mit Satanskram auf der Flucht zu beschweren, und Serenissimus hob das Goldstück auf und steckte es zu sich und hatte alles Land und Erbe verloren und Nichts dafür gewonnen als diesen Teufelsgulden, und der durchlauchtige Herr stand einsam und verlassen auf freiem Feld und wußte nicht, wo er sein Haupt noch niederlegen sollte.

Da kam Einer des Wegs, – der war ihm treu geblieben. Spornstreichs ritt der Herr Hofcavalier Percival von Yselteich heran, die blutige Klinge zur Linken, und führte ein wohlgesattelt Handpferd bei sich und freute sich und sprach:

»Endlich find' ich Euch, gnädiger Herr! Such' Euch überall!«

»Wollt Ihr bei mir bleiben?«

»Ich hab' Mademoiselle Delphine, meine liebe Braut, und ihren Vater, den Cabinetspräsidenten, heil aus der Stadt geschafft und bin der Sorge ledig!« versetzte der wackere und treffliche Junker. »Und bin nun Euer Durchlaucht meine Dienste und Leib und Leben schuldig und, so Gott will, zu opfern parat, wie ich es als Edelmann beschworen!«

»Und selben Eid wollt Ihr halten?«

»War oft wenig zufrieden, durchlauchtiger Herr, mit Euer Gnaden leichtfertigem Wandel – Mummenschanz, Weiberkram, Soldatenspiel und kein Herz für dero armes, geplagtes Volk – und halte meines Mißmuths kein Hehl. Kann mich aber doch von Pflicht und Ehr' nicht lossagen, bin und bleibe dero getreues Sujet!«

Da reichte Serenissimus diesem Fürbild treuen Adels die Rechte und sprach: »Heut' erst erkenn' ich meine verstohlenen Feinde und versteh', wo mein einziger heimlicher Freund zu finden! Euch sendet mir unser Vater im Himmel, auf dessen Langmuth ich oft und sträflich herumgetrampelt!«

»So schwinget Euch aufs Pferd, erlauchter Herr, und kommt!«

»Laßt mih nur noch ein Quentlein Zeit verweilen!« bat unser Fürst Philander und kniete sich in den Schmutz der Erde und faltete die Hände, die Augen gen Himmel, »und seid mein Zeuge und höret, Lieber und wahrhaft Getreuer, meinen heiligen Schwur für heute und immerdar!«

Und er sprach und betete: »Unser Herrgott dort oben! Ich danke dir! Ich weiß jetzt, wieviel auf Menschen Verlaß und wo einem Fürsten die Speichellecker und Ohrenbläser und bösen Buben sitzen, und wo, allein für sich, der Gerechte steht! An diesen Erzengel Michael, den du mir geschickt, will ich mich halten, Laster und Thorheit gänzlich abthun, dem Rath des getreuen Percival von Yselteich in allem folgen und vertrauen und ihn, wenn Gott mir gnädig Kron' und Land zurückerstattet, zu meiner Rechten setzen und schalten und walten lassen, daß meine Unterthanen künftig an mir einen guten Fürsten haben! So wahr mir Gott helfe zu meiner Seelen Seligkeit! Amen!«

»Sputet Euch, Durchlaucht, wenn's beliebt!« drängte der Yselteich und sein Herr und Fürst saß auf das Roß und Beide ritten ab wie der Wind und passierten ungezaust die Landesgrenze.

Ich aber, der Geheimsecretarius Josua Siebengang, dessen betrübte Feder dir, günstiger Leser, alle diese kuriosen Begebenheiten meldet – ich war in der Stadt zurückgeblieben. Denn ich war mir keiner Schuld bewußt und baute, wie der Jonas im Walfisch, auf Gottes gnädigen Beistand, auch wenn der Fürst der Hölle trügerisch das Zepter an sich gerissen.

Dermaßen betete ich in meinem Kämmerlein und indessen erfüllete sich schon draußen das Wort aus der Offenbarung Johannis: »Ich rathe dir, daß du Gold von mir kaufest, das mit Feuer durchläutert ist!« und zum anderen: »Sie ist gefallen, Babylon, die große, und eine Behausung der Teufel geworden und ein Behältniß aller unreinen Geister.«

Denn unserem Stadtthor nahte sich im Triumph Satans Schul' und Zucht und zog festlich ein und alle Klöppel schwangen an das Erz der Glocken und auf den Gassen brauste das Volk und tausend Mäuler sperrten sich auf: »Willkommen, Prinzeß Hille! Gegrüßt, gnädigste Herrin!« Und aber tausend Hände reckten sich, hoben die Hut' und winkten mit Tüchlein: »Es lebe, der todt ist und dennoch vorhanden! Vivat der Meister Magirus!«

Die Hille, das Henkerskind, ritt prächtig auf einer goldgezäumten weißen Stute, goldgeschmückt, ein goldenes Krönlein auf den schwarzen Flechten, und vor ihr, über den Sattel, hing ein Säcklein mit Gold, daraus sie lachend, mit vollen Händen, spendete, und folgte hinter ihr ein Troß von goldbeladenen Gäulen, und die Räuber und Pferdedieb', die darauf saßen, schütteten das Gold in Scheffeln unter das glückselig weinende Volk. Neben der Hille aber zeuchte der gewaltige Goldmacher, der Magister Magirus, hoch auf schwarzem Roß, noch in dem güldenen Kleid und spitzer Zauberermütze, darin er gehenkt worden. Doch nun war sein Gewand nicht mehr aus Zundel und Flitter, und sein Hut nicht mehr aus elend Papier, sondern es gleißte und blinkte eitel von lauterem Gold. Er aber, der Magier, streuete kein Gold unter die Menge. Seine Miene war feierlich voll Majestät und sein langer Bart wallte und in erhobener Hand hielt er das Wunder der Wissenden, den Schlüssel der Welt: den Stein der Weisen.

Es gab noch Etliche, die da schmähten: »Greift die Hexe! Steinigt den Priester des Baal!« Denen wurde rasch das Maul verboten, wurden niedergeworfen, übel geschlagen und verjagt und durften, indeß sie ihre Wunden wuschen, Gott danken, daß sie noch mit dem lieben Leben davongerathen. Durch die Stadt aber zeterten die Glocken Sturm, fuhr ein Geschrei aus viel tausend Köpfen, als wenn ein Meer in hohen Wellen geht, und Windsbraut darüber hinfährt, und es war wie ein Gezücke von Blitz und Donner um die beiden güldenen, gekrönten Gestalten auf weißem und schwarzem Roß über den Menschen und der niederen Menge, so jubelten und priesen Adams Söhne und Evas Töchter unter dem goldenen Regen, mit trunkenen Augen, ihre neue Macht und Obrigkeit – das goldene Paar ob ihren Häupten: »Siehe die Könige der Zeit! Knieet in den Staub! Schlaget die Stirn' auf die Steine vor unserem weisen Fürsten Magirus und unserer tugendreichen Fürstin Hille!« . . .

Kaum kann ich, Josua Siebengang, füglich melden und beschreiben, wie all die unsinnigen Leut', davon die Stadt bis zum Rand gefüllet, sich in ihrer Gier und Fieber und Durst nach Gold anstellten und gehabten. Der Hornickel hieß den Landmann, den Pflug im Acker stecken lassen, wo er war, da künftig doch kein Brot Bauen von Nöthen, sondern es sei frei. Alles um Gold kommen zu lassen und zu erwerben, und es standen die Dörfer leer und krähte nur der Gockel auf dem Mist. Die Bauern aber waren in der Stadt, zechten und sangen. In den Handwerksstuben lag Staub auf Hobel und Pfriem, Säge und Scheere, Pinsel und Kelle, Wage und Winkelmaß. Wozu noch sauren Schweiß vergießen, lehrte der Bader Tückmantel seine andächtig Gemeind' im Schurzfell und in Käppchen und Schlappschuhen, die guten Krämer und Handwerksleut', – wozu noch sich mühen und verkaufen, wo man fürs Gold doch künftig alles kaufen kann! Auf dem Schloßhof wieder splitterten die Kolben von den Arquebusen und zerschlug die Soldateska ihr Gewehr und Waffen auf den Steinen, und der Peter Siebenschuh, ihr Fürsprech und Vordermann, lachte: »Wir brauchen nicht mehr für Gold im Herrendienst Arm' und Bein und Leib und Leben in die Schanze schlagen! Haben Gold in Hauf – auch wenn wir Pflaster treten, und das Gewerb' gedenken wir zeitlebens zu treiben!«

Gold . . . wer dachte, in unserem Sodom und Gomorrha, noch an anderes denn Gold? Die Kindlein an der Mutterbrust streckten die Händchen zu dem Magirus und der Hille, und greinten nach Gold. Die alten Mütterlein winkten mit den Krücken und wimmerten. Die Jungferlein warfen Seiner güldenen Herrlichkeit auf dem schwarzen Roß Kußfinger zu und die Jungherren küßten Ihrer güldenen Liebden auf dem weißen Zelter Rocksaum und Steigbügel. Es krochen die Kranken aus den Betten und wankten heran und barmten, ehe sie denn verscheiden müßten, nach Gold. Die Einsiedler und heiligen Klausner verließen ihre Zellen im Wald, und Daniel Eremita, ihr Führer, sprach und begehrte für sich und sein weltflüchtig Volk das Gold, damit es bei frommen Männern wohl aufgehoben sei und Keinen in Versuchung führe! Und wie er also gewaltig laut redet – siehe – da hat es ein Scheintodter in der Kapelle nebenan vernommen, kommt eilends zu sich, steiget aus dem Sarg, wandelt im Leichenlaken durch das weichende Volk, streckt die Hand aus und will seinen Theil am Gold.

Vor dem Schloß stand ich, der Secretarius, wohl geborgen im großen Haufen und sah: da harrte barhäuptig Herr Rupert, unser Bürgermeister, und ließ sich die Zeit nicht lange werden, wenn ihm schon die Sonne heiß auf seine Glatze brannte, und als unter Paukenschlag und Drommetenschall, unter den bunten Fahnen in den Gassen, die hohen Herrschaften heranritten, da trat er vor und entbot ihnen, wie er es denn von früher her geübt war, aus schallender Kehle Willkommen, Gruß und Dank der Stadt, als welche sich nicht unterstehe, wider den Stachel der neuen Gewalt zu löcken, und bückte sich und durfte der Hille die Hand küssen. Und nach ihm schnaufte unser dicker Herr Gerspach und verkündete im Namen eines ehrbaren Raths, daß selbener unbedingt den neuen Dingen Rechnung zu tragen gehorsamst gewillt sei. Und gleichermaßen meldete der Stadtschreiber Richolt für die Bürgerschaft, es stehe eine solche auf dem Boden der Thatsachen und möge Nichts mehr von dem Gestern wissen. Und nach ihm rückte sich Herr Wirich, der Schöppenrichter, die Brille zurecht und wußte im Auftrag einer größeren Mehrheit der Wohlweisen und Hochgelehrten hiesigen Orts zu sagen, daß selbe das heute neu aufgekommene öffentliche Wesen schon lange mit den Principiis der Logik und Casuistik erforscht und vorausgesehen und also dessen Noth und Nutzen bis spätestens morgen haarscharf nachzuweisen und zu vertheidigen pflichtschuldigst erbötig seien.

Waren auch Sänger und Poeten genug und in Hauf', die vor dem Schloßthor standen und freudig in die Harfen schlugen, als der Herr und die Herrin der Zeit, ohne ihrer viel zu achten, hineinwallten, und liefen noch hinter ihnen her und priesen sie. Gewannen aber bei dem ganzen Handel am wenigsten von allen. War kein Körnlein Gold mehr für sie vorhanden, sondern Alles schon unterwegs an Volk und Zünfte und Gewerkschaften ausgetheilet, und sie standen mit ihren Leyern und Lorbeerkränzen als arme Schlucker bei Seite, hinter den stolzen Männern, so in der Stadt die Gruben räumeten und jetzt mit vollen Säckeln einherprunkten. Wurden unter den Poetis aber doch Etliche erfunden, die das neue Wesen nicht mitmachten, sondern still daheim in ihren Kämmerlein blieben, sich nicht auf den Markt mengten, und also den Federkiel weiter führten, wie sie es allezeit gewohnt waren und es vor dem Gott Apollo und ihrem Gewissen für gut und recht hielten.

Sei dem nun, wie ihm wolle: Mich, Josua Siebengang, trieb nicht üble Neugier in das Schloß hinein, sondern ein Bangen und Staunen, was Gott der Herr noch Alles an Gesichten seines Zorns uns armen Sündern zu offenbaren in seinem unerforschlichen Rath beschlossen. Just als ich über die Ehrentreppe stieg, die ich so oft in einem submissen Gefolge unseres armen Fürsten Philander geschritten, den ich trotz seiner vielen Untugenden aus getreuem Dienerherzen geliebt – auf den obersten Stufen wäre ich schier vor Schrecken zu Boden geplumpst, so gröblich entluden sich unten die blindgeladenen Stückmörser aus feurigen Mäulern zum Himmel und schossen die Constabler Victoria! und war im großen Spiegelsaal ein Geschrei, das mich eher das Toben böser Geister denn ein christliches Frohlocken dünkte. Unter dem purpurnen Baldachin aber standen, in Hermelin, mit Zepter, Apfel und Kron', der landstreichende Magister und die Henkerstochter, und ließen sich mit Kniefall, Reverenz und Handkuß huldigen, und die Drommeten schmetterten und die Posaunen erschollen und durch die Gassen ritten Wappenherolde und Bannerträger, ließen Jubelfanfaren ergehen und verkündeten mit geschwungenem Federhut, daß Fürst Magirus der Erste mit seiner hohen Frau Gemahlin Hille den Thron bestiegen! Fügten auch hinzu, daß der neue Herr schon an dem sei, ohne Säumen allen überkommenen verrotteten Brauch zu stürzen und sein eigenes, nie geschautes und herrliches Regiment aufzurichten!

Wie es um diese neue Ordnung und Obrigkeit bestellt, das will Euch der fleißige Chronist nicht vorenthalten – wenn schon mir, Josua Siebengang, noch beim nachträglichen Gedenken an das, was ich am selben Tag sehen und erleben mußte, der Kiel aus den Fingern fällt. Schien mir manchmal wie ein Traum und Albdruck eines bösen Geistes, unter dem ich seufzend wandelte, und war dennoch wahr.

Ich trat in dem Schloß in den Conseil-Saal, wo sonst der Herr Cabinetspräsident mit einem fürstlichen Ministerio conferierte. Es waren an ihrer Statt schon treffliche neue Minister vorhanden. Saß da als ihr oberster der Höllenhahn, der gewaltige Straßenräuber, mit der rothen Fuchsin, seiner Kebse auf dem Schoß, und erließ strenge Befehle gegen die überhandnehmende öffentliche Sicherheit. Warnte, daß etwa ein Bürger sich erkühne, eine Waffe bei sich zu führen, womit er gar muthwillig einen Wegelagerer, der ihm im Wald das Seine beschlagnahme, beschädigen könne. Untersagte auch ernstlich, bei einfallender Dunkelheit die Gassenlaternen zu entzünden, als welche Helligkeit einem ehrsamen Diebshandwerk in hohem Maße schädlich und zuwider. Verordneten auch des Herrn Höllenhahns Exzellenz, daß von einer kurzen Zeit zur andern, was noch an Häftlingen in den Fronfesten säße, jeweils gänzlich zu begnadigen und freizulassen sei, damit es dem Land nicht an Spitzbuben gebreche und es durch sothanes Manko in Schimpf und Schande bei den Nachbarn käme.

Der Dukatenteufel aber, als Geheimder Rath, hatte sich eine Brille auf seinen Galgenschädel gestülpt, saß im Lehnstuhl und ließ vor sich die wohlgelehrten Herren vom medizinischen Collegio stehen, schüttelte seine Perücke und belehrte sie, daß, wenn Einer stehl' und morde, er eines solchen frischen Willens von der Natur beschaffen und damit vom Vater her belastet sei, er also Nichts dafür vermöge und im Gegentheil die Menschheit ihm Hege und Pflege schuldig.

Da verbeugten sich die Herren Professores und versprachen, sie wollten es sich gesagt sein lassen und allezeit die armen Malefikanten und Mörder, als welche in einem Dämmerungszustand auf Erden wandelten, mit gelahrtem Rüstzeug der Wissenschaft vor einem gemeinen Bürger schirmen und schützen.

»Ei – und die ehrlichen Leut'!« ruf ich in meinem Vorwitz. Springt der Herr Cabinetsrath Drachenstüber auf, giebt mir einen Backenstreich und zeigt mir des Zimmermanns Loch. »Zahl' Er seine Steuern, bis er Blut schwitzt!« schrie er erbost. »Schaff' Er unverdrossen für die andern und halt' Er übrigens das Maul! So wollen wir vorerst noch Gnad' für Recht ergehen und Ihn leben lassen, und hat Er, wenn Er heutzutage noch arbeitet, seine Schuldigkeit als ein ehrlicher Mann und Esel gethan!«

Unter dem gab mir des Herrn Drachenstübers Gnaden einen Fußtritt in die Posteriora, daß ich die Treppen hinabflog. Raffte mich unten auf, rieb mir des Rückens Ende, wußte nicht, ob ich wacht' oder träumte.

Aber da saß, im Gartensaal, Exzellenz Perle Einohr, der Pferdedieb, als Justizminister mit dem Pfeiferlein, dem öffentlichen Ankläger, und manch anderen Langfingern als Strafrichtern, ließ sich die Schuldigen im Gänsemarsch vorführen und verhängte scharfe Sprüch', als: »Du Schelm warst fleißig? Marsch ins Loch für schlechte Sitten!« Oder: »Du loser Vogel hast unsern strengen Erlaß vom Nichtsthun wohl gewußt und doch Lust verspürt, Hand anzulegen? . . . Wollen dir schon im Thurm das Faulenzen beibringen! – Du blöder Hans hast dich erdreistet und warst sparsam? – Dein bischen Erspartes für dein Alter werden wir dir, zur gerechten Straf', flugs erfassen und wegnehmen! – Pfui über dich, du Schandmaul! Hast dich auf offenem Markt des Sprüchworts unterstanden: ›Ehrlich währt am längsten!‹ . . . wirst ob solcher Lästerung zeitlebens aus unserem Weichbild verbannt! . . . Und Ihr einfältig Frauen . . . Ihr seid tugendhaft und schämt Euch nicht? Lasset Euch nicht noch einmal darauf erwischen! Mag Euch heute in Teufels Namen hingehen, weil das Heil noch neu und eben erst über Nacht kommen.« . . .

Ob solcher Sprüche entsetzte ich, der Secretarius Siebengang, mich über die Maßen und floh hinaus in die Stadt. Gerieth aber vom Beelzebub zu des Satans Großmutter. Blieb alle zehn Schritte stehen und griff mir an die Stirne – und wußte nicht mehr, wo ich war.

Es hatte sich bei uns in wenigen Stunden das Unterste zu oberst gekehrt und was schwarz gewesen, das war nun weiß, und was rechts war, das hieß links. Es führten die Landstörzer den Polizeimeister auf die Wache und ohrfeigte der Saufaus den Amtmann. Weitberühmte Weltweise und Lehrer der Jugend standen hungernd mit dem Hut in der Hand an der Straßenecke und baten um eine milde Gabe, und die Bettler klimperten mit Gold. Greise fielen entkräftet zur Erden und an ihnen vorbei trabten hochgemuth halbgare Bürschlein hoch zu Roß und stocherten sich die Zähne. Je jünger Einer war, desto angesehener war er und desto gewichtiger galt in allem sein Wort und Meinung. Der Vater stand entblößten Hauptes vor dem Sohn, der Schulmeister kniete vor seiner Klasse und es drohte ihm das letzte Büblein auf der Bank mit der Ruthe, und ordneten, wie die erwachsenen Leut', so auch die Kindlein sich zu Zügen durch die Stadt und es konnte der Dreikäsehoch an der Spitze noch kaum die Füße recht vor einander setzen und trug doch eine Stange und Inschrift: »Wir mögen nit mehr lernen! Die Freiheit ist vorhanden!«

Und es ist die Freiheit Etwas Herrliches und eines Mannes und Volkes höchste Ehr' und Zier. Freiheit ist ein himmlisches Gewächs und ein Baum Gottes, unter dem gut wohnen. Freiheit ist wie die liebe Sonne, in welcher Schein alles hienieden freudig zum Licht aufsproßt und gedeiht. Freiheit ist ein edler, starker Wein, welcher den, der ihn mit Maß und Art genießt, täglich neu erquickt. Wer aber des goldenen Nasses ohne Maßen gebraucht, fällt von seinem Sitz unter die Trunkenen und die Thiere, lieget da und das Haupt thut ihm weh. Woraus abzumerken, daß, wenn Einer die Freiheit haben will und ihrer begehret, er sich zuvor im Selbstinnern in Züchten nehmen und mäßigen muß. Hat so Jedermann in Stadt und Land den alten muthwilligen Adam in sich gezähmet, – siehe – dann schießet aus solcher freiwilligen Überwältigung der Einzelcreatur wie eine große fremde Wunderblume aus dem Lande India, köstlich anzuschauen, die allgemeine Freiheit empor, und solche Freiheit wollen wir heut' und immerdar ehren, loben und preisen!

Was aber der Fürst Magirus und die Fürstin Hille an diesem Nachmittag kundgaben und schauen ließen, das war von einer edlen und wahrhaftigen Freiheit höllenweit ab und fern. Und ging doch denen, die Kopf an Kopf die Gassen füllten, lecker ein wie Manna in der Wüste. Durch der glückseligen, jubelnden und winkenden Menschen Gewimmel zogen, mit einem endlosen Schweif von Beutelschneidern und Brandstiftern, falschen Spielern, Marktdieben und Mördern, Zuhältern und Zigeunern, Bauernfängern und Bankerottierern, wilden Männern, Schwärzern, Giftmischern, Hehlern, Stehlern – zogen der Magier und die schwarze Hille, um sich ihrem Volk zu zeigen, zum Rathhaus. Erwiesen unterwegs mannigfaltige Gnaden. Es reichte der Herr Magirus feierlich vom Roß Ehrenzeichen an die ungetreuen Beamten, belobte die Trunkenbolde und verlieh Rang und Würden an die Messerhelden, und die Frau Hille beugte sich huldvoll nieder, klopfte den Schlemmern auf die Schulter und freute sich der Schürzenjäger und liederlichen Mägdlein.

So kamen sie auf unsere reichste und ansehnlichste Straße – hieß nach Seiner entwichenen Gnaden, dem Herrn Philander, der Fürstendamm – und eilten flugs die Händler und die Wechsler, die da wohnten, vor ihre Häuser – waren viel Fremdlinge darunter, mit schwarzen Löckchen und langen Gewändern – und rotteten sich zu Hauf' und priesen die neue Zeit und tanzten vor dem Zaubermeister und der Hexenkönigin einher, wie David vor der Bundeslade, bis zu dem Rathhaus.

Dort bot Meister Uz, der Henker, in blutigrothem Festgewand, den Willkommtrunk und ihn kredenzten als züchtige Ehrenjungfrauen die güldene Else und die Düveke im Namen aller um sie geschaarten fahrenden Fräulein, und Mutter Säuberlich und Frau Bebe, des Scharfrichters Eheliebste, und viel alte Kupplerinnen und Hexen knixten ins Knie und neigten sich tief als ehrbare Rathsfrauen unserer guten Stadt. Und ich, der Secretarius, stand dabei und hatte das staunend im Auge und schaute es doch wie durch einen Schleier, also daß es mir bald nahe, bald ferne schien.

Nun erst aber, als die Nacht sank – da wurden alle bösen Geister ihrer Höllenketten ledig, stiegen auf und brausten wie das wüthende Heer durch die Stadt. Die lag in feurigem Schein – nicht wie Tageslicht, sondern als wie eine schwefelige Gluth – und alle Fenster waren hell und festlich beleuchtet und nur die Kirchen standen schwarz und finster und ihre Thürme ragten dunkel zu dem unheimlich röthlichten Himmelsgewölb, an dem nicht der gute Mond und kein tröstender Stern zu schauen, sondern nur wie eine flammende Zuchtruthe Gottes der Komet. Über Gassen, Märkt' und Plätz' aber wälzten sich mehr Leut', als jemals in der Stadt gesehen worden und Raum gefunden – konnte kein Apfel in die Gosse fallen, so wirrete und schwirrete und irrete das unsinnig Völklein Kopf an Kopf und war ein Jauchzen und Springen allerorts, und Urahne und Schulbub, Hausvater und Muhme, Meisterin und Lehrbengel, Knecht und Magd – Mann, Weib und Kind kreischten und hüpften und überall rollte das Gold und Jedermann hatte von Gold die Taschen voll und reichte es hin und der Eine gab dem Anderen dafür, was er begehrte – Schuh und Gewand, Tobak und Wein, Edelstein' und Geschmeid, Schinken und Schmalz, also daß das goldene Zeitalter in Wahrheit angebrochen und kein Mangel mehr auf Erden.

Es hatten bis dato nur die Krugwirthe ein alt Anrecht, mit eines hohen Magistrats Erlaubniß Wein auszuschenken. Kümmerten sich die Andern nicht viel mehr um solch Privilegium, sondern sperreten ihr Hausthor auf, bestellten ihre Diele mit Tisch' und Gestühl und verzapften feurig Wasser, und war bald kein Haus ohne eine solche Diele zu finden und in keiner ein Plätzlein leer. Die aber einen Saal ihr eigen nannten, stellten sich vor ihr Haus und schrieen: Kommt, Ihr lieben Leut', und tanzt! Und es juckten schon allen die Beine und drängten sich hinein, wie die Schafe bei Gewitter, und tanzten sich Löcher in die Schuh und tanzten immer neue Tänz', wie sie bei den Menschenfressern im Pfefferland in Schwung und Brauch, und mit Namen, die kein Christenmensch je erhört, lärmten sich den Takt mit Ofenblech und Heerdpfannen und Kinderklappern, tanzten, bis sie nicht mehr schnaufen konnten und zu Boden fielen, und zappelten noch auf dem Estrich mit den Füßen weiter.

Am tollsten aber tanzte und tobte es um den Thron im Schloß. Der stand nicht mehr unter dem Baldachin, sondern frei inmitten des Saals und auf ihm saßen, von einem bläulichen und geisterhaften Licht umflossen, der Magirus und die Hille mit bleichen, hohläugigen Gesichtern wie zwei Könige der Todten, und zu ihren Füßen um sie fegte und kreiste und wieherte ein Wirbel und Reigen der Mitternacht. Und Blitz und Donner grollten vom Himmel in den Rausch von Gold und Sünde und es bebte der Boden, wie der Blocksberg durch die Stadt raste, und die Erdfeste begann unter den Besessenen zu schwanken, und beim Zucken der Blitze sah man fern die Gehenkten in ihren fliegenden Lümplein unter dem Galgen tanzen, und es walzten die Gerippe mit rasselndem Gebein und flatternden Hemden auf dem Kirchhof und gaukelten die Hexen auf Besen in den Lüften, und ich, Josua Siebengang, getraute mir nicht mehr zu entscheiden, ob ich wachte oder träumte, und wußte nur, daß es zu unseres Fürsten Philander Zeiten immerhin noch freundlicher zugegangen, und viel Noth und Fehl' unter der Herrschaft Seiner Gnaden, vielleicht auch durch unsere eigene Schuld, daher kommen, daß wir keine aufrechten Männer nicht gewesen, sondern uns allzu leicht und willig jeder Zeit unter Serenissimi Launen geduckt und jeden krausen Einfall von ihm bewundert und gutgeheißen, so daß es nicht zum Staunen, wenn Seine Durchlaucht sich füglich für den Weisesten aller Menschen und, in all seinem gebrechlichen und sündigen Fleisch, beinahe für den lieben Gott gehalten.

Fürst Philander hatte, wie anschon gemeldet, sich mit dem von Yselteich, seinem getreuen Hofcavalier, flüchtiger Weis' und spornstreichs durch des Himmels Gunst und Gnade salviert. Brauchte in unserem Ländlein nur wenige Stunden scharfen Ritt, um den Grenzbaum zu erreichen. In der Nachbarstadt, überm Fluß, fand Serenissimus eine merkliche Summa Adels, Räth' und Amtleut', Ecuyers, Chevaliersgarden, Falkeniere, Fouriere, – mehrentheils ein unnütz, kleinmüthig Volk, das sich hierher gerettet und nun Nächtens, um ein Feuer sitzend, mit den Klagen Jeremiä den Markt füllte. Unser Herr Percival von Yselteich aber trat vor sie und ließ sie hart an. Sprach: »Ihr guten Herren und lieben Gesellen. Lasset die Zähren dem Frauenzimmer, nach der eingeborenen Schwachheit seiner Natur, und das Plärren dem unerfahrenen Kindlein in der Wiegen. Uns aber, als Männern, ziemt ein freudig Herz unter Küraß und Koller. Ich heb' meine Stimme und sag' Euch: Ich wag' es! Ich pack' den Teufel bei Hörnern und Schwanz und jag' ihn mit seinen Landsknechten in den Schwefelpfuhl, daher er greulicher Weis' entstiegen! Wir wollen uns flugs in Ordnung stellen und richten, und, wenn der Tag graut, unverzagt auf hochfürstliche Residenz marschieren und gucken, ob der Magirus wirklich hörnen und der Satan selber oder, wie ich schätz' und denke, nur ein armselig Magisterlein ist, das ich mit meiner Plempe durch und durch rennen und wie einen Quackfrosch spießen werd'! Wer sich förcht, der mag hier bleiben! Thu' sich Weiberröck' an, setz' sich an den Spinnrocken und fang sich Flöh! Euch Anderen aber will ich ein Feldhauptmann sein und Euch mannhaft weisen und führen!«

Unter dem waren Seine fürstliche Gnaden beim Thorwart ob der Brucken abgetreten und fanden dort hochdero landflüchtigen Münzjuden, den Hirsch Assur, der da seiner Gelegenheit und etwaigen Vortheils wartete, und wies ihm den feurigen Dukaten, den der Magirus dem Grafen Frey von Arnau ins Gesicht geschmissen. Sprach: »Sieh: die güldene Münz' ist meines Unglücks Schaustück! Mir wollte der Magirus kein gutes Gold machen. Nun aber prägt er es in Mengen über die Maßen, um mich zu verderben!«

Der bemeldete Dukaten war freilich längst nicht mehr heiß, wie er aus des Teufels Schmiede gekommen, glänzte auch nicht hell, sondern hatte einen trüben und rauchigen Schein. Der Hirsch Assur hielt ihn sich mißtrauisch vors Auge, rückte ihn hin und wieder, lachte krächzend und heiser und gab ihn dem Reb Naphtali. Der ließ das Goldstück auf dem Steinsims klimpern und kicherte in sich und reichte es dem Chaim Katzeneljon. Selbiger biß mit seinen gelben Zähnen in den Dukaten, spie aus, meckerte aus einer rauhen Kehle, faßte die Andern an den Händen, und die drei Ebräer tanzten im Kreise, daß ihre Schläfenlocken flatterten und ihre schwarzen Kaftane flogen.

Forschte der Fürst: »Ist Israel närrisch geworden? Warum hüpft und springt Ihr? Ihr seid nicht lieblich zu schauen! Es fehlt Euch die Anmuth der Glieder!« Auf das blieb der Hirsch Assur stehen und schwang den Dukaten und meldete außer Athem: »Herr! Selben Judasgroschen hat der Herr Uriel mit List geprägt und nach seiner Art die Menschen geäfft! Ist gar kein Gold!«

»Ist Katzengold!« schrie der Reb. Und der Katzeneljon: »Ist Rauschgold!«

»Ist Knittergold aus gemeinem Blei und Erz!« betheuerte der Hirsch Assur, der es wissen mußte, als ein hochfürstlicher Münzjud, warf die gelbe Münz' in die Luft, drehte sich vor Freuden um sich selber und fing sie wieder auf. »Solch blecherne Herrlichkeit und Teufelsregiment währt nicht lang! In wenig Tagen werden solch leichtfertige Dukaten gänzlich schwarz und unansehnlich, daß sich Jeder die Finger daran rußig macht und Keiner sie mehr nehmen mag, und also kommt der Schabernack des Magirus vor dem Volke auf!«

Indeß der Assur noch so spricht, tönt auf der Brücke kriegerischer Klang. Haben Serenissimi geflüchtete Getreuen sich allesammt ein Herz gefaßt und ziehen mit entrolltem Panier gegen den Magirus zu Feld. An ihrer Spitze, hoch zu Roß, den Degen gezückt, der von Yselteich und neben ihm, fromm auf einem Eselein, mit erhobenem Cruzifix, unser Dominus Barnabas Bätzle, der unerschrockene Gottesmann. Schwert und Kreuz wider den bösen Feind, der drüben, in unserem guten, fürstlichen Schloß Hochzeit hielt und Thronbesteigung feierte.

Es war in dem großen Saal dort um mich, den Secretarius, herum immer noch eine wüst' Walpurgisnacht, wurde aber merklich leiser, so als schwebte das sündhaft Gesindlein im leeren Raum und berührte mit annoch tanzenden Schuhen nicht mehr das Bodengetäfel, und schienen mir des Teufels Räth' und Kammerherren und seiner Großmutter Hoffräulein und Ehrendamen, die da im Reigen um ihren höllischen Herrn und Meister walzten – schienen mir alle wunderlich bleich und durchsichtig und könnt' ich mit Grausen durch der Gespenster Reifröck' und Rippen, goldgestickte Schwalbenschwänz' und Knochen hindurch die artig verschnörkelten und vergüldeten Pfeiler an der anderen Wand des Thronsaals sehen, als lösete sich der Hexensabbath in Luft. Durch die wohlgerundeten, hohen Fenster zwischen den Säulen drüben lugte ein erstes, grämliches Tageslicht und die niedergebrannten Wachsstöcke schwälten und flackerten und erstarben, und war ein unheimlich Grauen.

Der Magirus saß noch auf seinem Thron. Schaute aber uralt aus. Wurde grau und unbestimmt wie Nebel, der sich dahinzog und verlor. Und wallte all sein Hofstaat mit, in weißlichen langen Schleppen und faltigen weißlichen Mänteln, wie wenn früh Morgens beim Hahnenschrei die feuchten, schweren Schwaden über die Wiesen ziehen, und verweheten im Kehraus und Kommnitwieder durch die offenen Fenster ins Morgenroth, und verwisperte und verlosch das unziemlich und heidnisch Getöse der Nacht weit von fern in einer christlichen Stille . . . .

Durch diese köstliche Gottesgab' der Ruh und Einsamkeit aber stapfte es schwer und grob: Eins – zwei – und wieder plump und laut: Eins – zwei – die Thurmtreppe herauf und in das Vorgemach zu des Magiri Kerkergelaß – und in selber Durchlaßkammer saß ich, Josua Siebengang, im Frühlicht im Lehnstuhl, Tisch und leeren Becher vor mir, und glotzte den Fronvogt Schlöffel, der seufzend mir gegenüber stand, nicht klüger an als ein gestochen Kalb den Metzger, verspürte heftige Pein in den Schläfen und es dünkte mir mein wehes Haupt von Blei.

»Dacht' es mir wohl,« sprach der Fronmann trüb und dumpf, »daß es Euch nicht besser gangen wie mir! Hab' eine wüste Nacht gehabt, voll grausamer Träume, Albdruck und Muthwill' des Bösen, und kalten Schweiß unter der Nachtmütz'. Schlotter' jetzt noch an Haupt und Gliedern . . .«

Ich brachte kein Wörtlein aus der Kehle. Schaute um mich und merkte wohl: das war das Thurmgemach, in dem ich, nach Serenissimi Geheiß, den Magirus hatte bewachen sollen.

»Entsinnet Euch, Secretarius!« versetzte Meister Schlöffel. »Der Nekromant hat gestern abend, ehe die Henkersmahlzeit aufgekocht und gar, rothen Wein von mir gefordert. Hab' ihn dem Gaukler dienstwillig in seine Zelle gebracht. Ist er nicht, kaum ein Vaterunser nachher, zu uns in das Vorgemach getreten, hat uns zwei Becher Wein geboten und von uns verlangt und erwirkt, ihm auf die Nagelprobe Bescheid zu thun?«

»Geschah so, just ehe die Mahlzeit kam und der Goldmacher die schwarze Hille als Tischgenoß begehrte« bejahte ich. »und Ihr Euch im Schloß bei Seiner Gnaden Bescheid holtet . . .«

Zog der Fronvogt die Stirn kraus: »Was schwatzt der Herr Secretarius da?«

». . . und der Herr Hofjunker von Yselteich auf hochfürstlichen Befehl die Henkerstochter in hiesigen Thurm brachte!«

»Vermelde der Herr Secretarius die üblen Träum' später,« versetzte der Fronmann ungeduldig, »an denen Er, just wie ich, in verwichener Nacht gelitten . . .«

»Lieber: Lasset die Wahrheit für Wahrheit gelten!«

»Und ist die lautere Wahrheit, daß ich, der Fronvogt, meinen Thurm seit dem Abend auch nicht so lange verlassen, als die Sanduhr rinnt, und können es die Wachen unten erhärten und bezeugen, daß Niemand hier im Thurm auch nicht den Zopf von der schwarzen Hille geschaut!«

Hub ich mich entgeistert aus dem Gestühl: »Bei Christi Gnad' und Blut«, ließ ich mich entsetzt vernehmen: »Hab' doch der schwarzen Hille höllischen Aufstieg, Triumph und Majestät mit eigenen Augen erlebt!«

Der Fronvogt aber reckte den Finger und wies durch das Fenstergitter. Fern schien die liebe Sonne auf den Armesünderhügel. Still hingen die Galgenbrüder in ihren hänfenen Schlingen. Unter dem Hochgericht aber schlenderte wie gestern die schwarze Hille und ihr rothes Kopftuch leuchtete, und sie stand und spielte mit dem Gezücht der Rabenvögel, das sie umflatterte, wie die edlen Fräulein mit dem Taubengeschnäbel nach dem Gottesdienst vor dem Dom, und ihr dürftig Röcklein schlug ihr im Wind um die bloßen Beine.

»Ist ein arm Kind und froh, daß sie das Leben hat!« sprach der Schlöffel. »Heirathet ehestens Einen von ihres Vaters Henkergesellen.«

»Ei – wie kommt denn ein Hausvater und Gottesknecht wie ich dazu, von solch loser Dirne zu träumen?«

». . . weil uns der Magirus diese Träum' geschickt hat!« schrie der Fronvogt Schlöffel und schüttelte die leeren Becher. »Die Pest über den unartigen Mann! Hat nebenan, in seinem Verließ, in den Wein, den ich ihm beigetragen, etwelchen höllischen Theriak aus seiner Hexen-Apotheken geschüttet und uns zwo Schellenhäns' also die ganze Nacht betäubt und verwirrt!«

»Ei – warum denn soviel Schelmerei?« lallt' ich noch mit schwerer Zunge und schaute nach dem Galgenberg. Dort war jetzt um die schwarze Hille ein Getriebe von Gesellen in rothen Wämmsen, und in ihrer Mitten der Meister Uz. Richteten und rüsteten, was von Nöthen, um einen zeitig erwarteten Malefikanten geziemend und nach der Kunst zu henken. Der Fronmann Schlöffel neben mir aber kratzte sich das Haar und ächzete: »Mir schwanet Böses, Secretarius! Füg' es Gott, daß ich mich irr'!«

Unter solchen bangen Worten stieß er die Thür zum Kerker auf. Siehe: das Verließ war leer und wehete eine Strickleiter außen am Thurm und steckte an den zerfeilten Fensterstäben ein Zettelein, auf dem geschrieben: »Schnarchet fest und wohl! Den Magirus hänget Keiner, er hätt' ihn denn zuvor!«

* * *

War ein saurer und harter Gang hinüber ins Schloß, um allda, in Reu' und Kniefall vor dem Thron, dem Fürsten Philander bußfertig zu melden, was sich arrivieret. Doch zu meinem Vortheil war Serenissimus diesen Morgen heiterer Laune. Wie er denn an sich ein wohlmeinender und gutmüthiger Herr war, so hatte es ihm schon leid gethan, daß der Magirus sterben müsse, wollte aber sein fürstlich Wort nicht widerrufen, und war nun froh, daß der Magister sich à la mode der Franzosen empfohlen, und damit der ganze Handel ab und weg. Also lachte er nur von Herzen und sprach: »Zur Straf, Josua, zeichne Er fleißig und getreulich auf, was Er diese Nacht an absonderlichen Gestalten und Gesichten erlebt!«

Das hab' ich gethan und faßte mir ein Herz und erkühnte mich und meinte in dem, was mein Gänsekiel schrieb, mehr als ich wohl sagte, und mein Herz klopfte mir unterm Kittel, als mir Seine Gnaden mein Promemoria abforderten und an sich nahmen. Hoffte, der durchlauchtige Herr möge es bei Seite legen und vergessen. Allein in Bälde schlug mir Dominus Barnabas Bätzle auf die Schulter, wacker, wie es des unverzagten Herrn Hofpredigers Brauch, so daß ich in den Knieen zusammenknickte, und sprach: »Herr Secretarius! Euch ist ein guter Wurf gelungen! Habt den König in den Kegeln wohl getroffen und heilsam angerührt! Wir, des Thrones wahre Getreue, hatten unsern gnädigen Herrn schon beinahe im Sinn gebessert und umgewandelt. Fehlte nur noch ein Weniges und Letztes! Dies Zünglein an der Wage, lieber Secretarius, war Eure Schrift!«

»Also hat sie Serenissimus gelesen?« frug ich noch mit Zagen.

»Hat sie gelesen und wohl verstanden! Und was wir, die redlichen Leut', ihm schon seit Tagen an Resolutionen vorgelegt und unterbreitet, – so hat Serenissimus, nach den letzten Seiten Eurer Postille, sich hingesetzt und es flugs unterschrieben! Die Gräfin Bibiane ist schon mit reitenden Postillonen zum Thor hinaus, eine überflüssige Soldateska wird abgedankt und Hirsch und Säu' auf den Feldern leben nimmer lang!«

»Ist doch kein Gold vorhanden!« wagte ich einzuwerfen.

»Kommt aber nun das wahre Gold ins Land! Heißet Arbeit, mein Lieber, und der Arbeit redlicher Lohn!«

»Wenn Serenissimus nicht in etwelcher Zeit wieder anderen Sinnes wird . . .«

»Deswegen hat er dem trefflichen Herrn Percival von Yselteich Vollmacht und Statthalterschaft gegeben, alles zum Besten zu richten und zu führen! Hört Ihr das Volk draußen jubeln? Hört Ihr die Glocken läuten? Kommt eine neue Zeit für den Herrn Philander und sein Land! Seine Gnaden wird es nicht vergessen, daß Ihr ihm, in Eurem Traumgesicht, einen Fürstenspiegel vorgehalten und Gottes Zuchtruthe dahinter fürgesteckt! Ihr seid ein Schalk, Herr Secretarius . . .«



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