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Zweites Stück

Rom. Ein Zimmer in einer vornehmen Herberge

Lucrezia (mit gelöstem Haar in einem Sessel): Ich bin unglücklich.

Casanova: Du bist unbescheiden, mein Kind.

Lucrezia: Was habe ich jetzt? Dich, Scheusal.

Casanova: Was für ein entzückendes Scheusal, um das dich die Frauen Roms und der ganzen Erde beneiden.

Lucrezia: Wie lange wird's dauern? Tausend Nachfolgerinnen werde ich haben, wie ich tausend Vorgängerinnen gehabt habe.

Casanova: Du überschätzest mich.

Lucrezia: Ich kenne dich.

Casanova: Ein großes Wort

Lucrezia: Ich wußte von dir, ehe ich ahnen konnte, daß ich dich je sehen würde. Dein Ruf ging dir voraus und warb für dich.

Casanova: Mein Ruf als Beichtvater?

Lucrezia: Ihre Tugend beichten dir die Frauen. Ihre Schmerzen um ihre Tugend – und du erlösest sie.

Casanova: Gern.

Lucrezia: Du täuschest ihr Vertrauen.

Casanova: Nein. Sie täuschen das meine. Ich hielt noch eine jede für engelhaft rein, und noch immer war ich der Betrogene.

Lucrezia: Spitzbube, wie willst du dich von deinen hunderttausend Verbrechen lösen?

Casanova: Fürchtest du für mich?

Lucrezia: Dein Gewissen muß doch zusammenbrechen.

Casanova: Mein Gewissen beschwert mich nicht mit Vergangenem.

Lucrezia: Ich bin schuldlos.

Casanova: Sicherlich. Hattest du vor Gott nicht den besten Willen?

Lucrezia: Ich bin ihm ein treues Weib gewesen.

Casanova: Das soll einer leugnen! Soll nur einer sagen, Lucrezia habe nicht tausend Anfechtungen bestanden, er kommt vor meinen – vor Gott ...

Lucrezia: Wenn ich eine sah, von der das Gerücht ging, sie sei auf Abwegen, und man wies auf den und den – ich konnte es nicht fassen, ich verurteilte sie.

Casanova: Unsere Religion lehrt Milde, und sie weiß warum.

Lucrezia: Es darf nicht immer das gleiche Maß sein. Wenn uns einer entgegentritt, mit allem ausgerüstet, wonach das Weib verlangt ...

Casanova: Tausend Dank, nun wirst du wieder wahr. Warum auch nicht sagen, wie man fühlt. Habe ich dir einen Augenblick verhehlt, daß ich anbete?

Lucrezia: Der Andächtige kniet.

Casanova: Ich liege im Staube.

Lucrezia: Und ziehst mich mit hinab.

Casanova: Laß uns aufstehn und die Stunden nützen. Der Tag flieht, und morgen gehörst du wieder dem anderen.

Lucrezia: Und du einer anderen.

Casanova: Wenn ich am Leben bin.

Lucrezia: Geh, du bist gemein und roh.

Casanova: Schwöre bei Gott und deiner Seligkeit, daß ich es bin.

Lucrezia: Ich schwöre.

Casanova: Kleine Meineidige, warum tatest du das?

Lucrezia (sehnsüchtig): Um erlöst zu werden. (sie schlingt ihre Arme um ihn)

Casanova: Ich tu's. Ich bin zu gut, viel zu gut, und kann euch nicht leiden sehen.

Lucrezia: Aber wir leiden doch.

Casanova: Doch wie erst, wenn du mich nicht gefunden hättest. Du liefest deiner Sehnsucht weiter nach und bis in den Tod.

Lucrezia: Ich war zufrieden.

Casanova: Manchmal.

Lucrezia: Ich hatte schöne Stunden.

Casanova (lächelt): So schön?

Lucrezia: Und war ...

Casanova: Zu Hause. Das ist allerdings ein Vorteil. Jener ist reich und ein König. Ich bin ein Bettler und dein Gerechtigkeitssinn trieb dich auszugleichen und das große Versehen der Schöpfung einigermaßen gutzumachen.

Lucrezia (lacht): War's so?

Casanova: Gewiß. Oder hattest du geglaubt, es sei deine niedere Begier gewesen? Du konntest ja nicht ahnen, daß dieser langjährige Freund deines Gatten Stunden zu verschenken hatte, in denen du tiefer erbeben würdest als je bisher. Du kamst einfach aus Güte.

Lucrezia: Du bist gut

Casanova: Mir ist, das hörte ich schon.

Lucrezia: Nicht von mir.

Casanova: Du willst mich erst kennenlernen.

Lucrezia: Werde ich Zeit dazu haben?

Casanova: Das – hängt von vielem ab. Ob Gott dies Rom nicht morgen zerstört, ergrimmt ob so vieler Sünden intra muros.

Lucrezia: Es steht in deiner Hand.

Casanova: In meiner Hand? Was denkst du? Was ist der Mensch, und was kann er wollen? Ein Ziegel vom Dach, ein Schuß aus dem Hinterhalt, und alles ist vorbei.

Lucrezia: Dieser Schuß – hüte dich!

Casanova: Mein Leben steht in des Herrn Hand, und wenn er mag ...

Lucrezia: Sei gewiß, ich lasse nicht mit mir spielen. Du bist in mein Dasein getreten, als ich an nichts dachte, und hast mich von meinem Platz und von meiner Pflicht zu dir gelockt. All die Künste und Listen, die du erprobt hast, wandtest du an, um mich zu Fall zu bringen.

Casanova: Ich war bescheiden unter deinen Bewunderern und hielt mich zurück.

Lucrezia: Mit welcher Anmaßung tratest du schon das erstemal vor mich.

Casanova: Ich verneigte mich tief.

Lucrezia: Mit einem Blick!

Casanova: Voll Demut.

Lucrezia: Und bewußter Sicherheit.

Casanova: Unbewußt.

Lucrezia: Und alsdann ...

Casanova: Ich schwieg doch stets.

Lucrezia: Dies Schweigen gellte mir in den Ohren und verfolgte mich überall hin. Ah, du wußtest genau, warum du schwiegst. Du sahst, daß ich schon kämpfte und litt.

Casanova: Ich hoffte.

Lucrezia: Du fühltest, daß, wenn du kamst ...

Casanova: Du zittertest. Und ich zitterte auch. Ich merkte, wie das Band sich um uns schlang, meine Arme sanken herab, nicht mehr fähig zu lösen und nicht willens. Wenn du die Augen aufschlugst, flog eine unerhörte Wollust zu mir hin, und ich war selig.

Lucrezia: Zu dem Besten in mir und zu dem Unberührtesten bin ich geflohen; ich habe vor mir auf den Knien gelegen und zu mir gebetet, ich habe Antonio die schönsten Augenblicke geschenkt und das Beste von ihm genommen; seine schönsten Lieder mußte er mir spielen, und immer mehr und mehr sank ich zu dir. Wie habe ich diesen Tag ersehnt und verabscheut. Hättest du doch gesprochen, stundenlang gesprochen, ich hätte in deinen Worten etwas gegen dich gefunden und wäre vielleicht sicher gewesen; aber du schwiegst. Jeder Blick von dir war eine Beleidigung; die Faust ballte sich und wollte dich – liebkosen. Ich glaube, du bist ein Fluch Gottes.

Casanova: Merkwürdig, daß ich dann so viel Segen bringe. Ich bin ja ganz voll Segen. Sieh, Liebe, diese Segenskraft jagt mich in der Welt herum. Auf der Straße, in der Kirche treffe ich diese großen, unseligen Augen. Dann wird's in meiner Seele warm, meine Hände beginnen sich auszustrecken und mein Gehirn tropft über von zärtlichen Gedanken. Diese da verblüht bei strengen Eltern, bei grämlichen Tanten, Oheimen und Großmüttern. Rette! Hilf! Und ich komme.

Lucrezia: Und du gehst.

Casanova: Ich kann nicht bleiben. Überall in der Welt warten hunderttausend Kelche, erfüllt zu werden. Du ahnst ja nicht wie groß die Welt ist. Erdteile und Länder und Städte. Ah, es ist ein Schöpfungsfehler! Man ist machtlos. Es erdrückt einen. Überall ahnt man es und kann doch nicht hin. Schlechte Wege, kein Geld, es ist ein Jammer. Ja, wenn alle Männer diese Kraft besäßen, diesen Drang fühlten. Man ist wie ein Arzt und hat die Pflicht. Es ist der grenzenlose Jammer meines Lebens, daß ich nicht hunderttausendfach bin!

Lucrezia: Hör mal

Casanova: Diese Qual, diese Skrupel! Was weißt du davon? Da winkt ein blonder Engel nach Genua, hier ein schwarzer nach Padua, und in Rom bist du! Man sieht aufgehobene Hände, hört erstickte Schreie, und sieht die Welt in einem Schleier von Tränen. Man fühlt sich Mörder von jungen Hoffnungen und ist machtlos. Der Augenblick flieht und damit die Gelegenheit. Es ist eine Tragödie.

Lucrezia: Du hast also bei jeder das Gefühl, eine andere verpaßt zu haben?

Casanova: Eine? Ach!

Lucrezia (ironisch): Armer Casanova.

Casanova: Und dabei diese Menschen! Eben diese Eltern, Brüder, Onkel und Gatten, die nicht begreifen wollen. Man ist den schrecklichsten Mißdeutungen ausgesetzt und erntet eitel Undank. Kommt in die unangenehmsten Situationen und ist dann oft zu einer gewissen Härte genötigt, die einem so fern liegt. Ah, sagt so ein Mann ...

Lucrezia: Wenn Antonio ...

Casanova: Antonio? Nein, nein, bestimmt nicht. Nein. Sieh mal, da sind die Männer, die von ihren Zinsen leben. Die sind schlimm. Die haben nichts zu tun, schnüffeln, und wenn sie etwas finden, sind sie unbändig aus Freude, einmal zu etwas zu taugen. Die Berufsmenschen, Ärzte, Advokaten, sind zu fürchten, wenn sie gerade kein ernster Fall beschäftigt, und die Kaufleute, wenn das Geschäft schlecht geht. Aber ein Künstler – nein! Erstmal, der schöne Größenwahn: Neben mir keiner und nach mir – noch lange keiner. Und wenn es selbst so weit kommt, sind sie leicht zu behandeln, ach viel leichter, als ein Advokat etwa. Ah, das sind unangenehme Menschen.

Lucrezia: Du kennst Antonio nicht.

Casanova: Ich ihn nicht kennen! Dann niemand. Es ist auch wirklich nicht schwer und ein Wort sagt alles: Künstler. Von der Seele des Mannes gehen Saiten in den Himmel und ein Hauch weckt auf ihnen Melodeien, die alles andere zu ehrfürchtigem Schweigen bringen, um ihn und in ihm. Auch du, mag er dich lieben, wie du willst, bist ihm dann nur ein Schemen, und in den Augenblicken lebt er nicht um dich.

Lucrezia: Darunter habe ich gelitten.

Casanova: Die Kunst ist grausam.

Lucrezia: Du auch! Du läßt mich verschmachten.

Casanova: Du hast mich so lange warten lassen.

Lucrezia: Und wenn ich schon am ersten Tag bereit gewesen wäre, wir hätten doch bis zu seiner Reise warten müssen. Die Sonne steht schon hoch; bald ist es Mittag. Sag, ist denn keine so schön, daß sie dich halten könnte?

Casanova: Wie schön bist du!

Lucrezia: Aber ...

Casanova: Kein Aber! Du bist schön ohne jedes Aber. Jedoch in Genua ...

Lucrezia (erzürnt): Und in Padua ...

Casanova: Ach und wenn das alle wären!

Lucrezia: Teufel!

Diener (stürzt aufgeregt herein): Herr Graf!

Casanova: Man klopft.

Diener: Ein Herr, Herr Graf!

Casanova: Was soll's?

Diener: Ich glaube ...

Casanova: Wer? Was?

Diener: Der Gemahl dieser Dame!

Lucrezia (schreit auf): O Gott!

Casanova: Still! Wo?

Diener: Er kam aufs Haus. Jetzt ist er wohl schon ...

Casanova (packt Lucreziens Arm und reißt sie zur Tür des Seitenkabinetts): Da hinein! Still.

Casanova (entnimmt dem Schrank einen Priesterrock und schlüpft hinein. Zum Diener): Geh.

Der Diener geht durch eine dritte Tür

Antonio kommt eilig und erregt und schließt die Tür, durch die er gekommen ist. Dann geht er bis zum Tisch, an welchem Casanova schreibt und zieht eine Pistole aus der Tasche

Casanova: Endlich!

Antonio: Was?

Casanova: Du willst dich töten.

Antonio: Wen?

Casanova: Ich habe es gewußt, geahnt wenigstens, als du vorgabst, reisen zu wollen.

Antonio: Ich?

Casanova: Und das Schlimmste, ich darf nicht nein sagen, darf nicht. Was habe ich durchgemacht, wie sieht es in mir aus! Der Freund und der Priester wollten dich retten; ich kann es nicht; der klare Verstand siegte.

Antonio: Bist du verrückt?

Casanova: Mach mich nicht wütend! Da, der Brief. An dich. Er sollte dir sagen, daß mit diesem Tage unsere Freundschaft endet, daß ich dein Haus nicht mehr betrete ...

Antonio: Ja, aber

Casanova: Ja, wahrhaftig! Wenn dir der Priester für deine letzte Stunde Trost schenken soll, er hat kein Wort für dich.

Antonio: Hör auf, hör auf, du bist wahnsinnig.

Casanova: Elender!

Antonio bricht in ein verzweifeltes Lachen aus

Casanova: Ich kann nicht. Als du zum ersten Male das große Bewußtsein hattest ein seltener Künstler zu sein, hast du da nur an deine Vorrechte vor anderen Menschen gedacht?

Antonio: Willst du mir sagen, was das heißt?

Casanova: Gut wenn ich denn Ankläger sein muß: Wie furchtbar hast du dein Weib betrogen und die Welt und mich.

Antonio: Ich, ich ...

Casanova: Wie furchtbar! Wirklich, du hast Grund genug, ein Ende zu machen. Aber der Vergeltung entgehst du dennoch nicht! Du bist gezeichnet

Antonio (außer sich, hebt die Pistole): Mensch, rede oder ich schieße!

Casanova: Drücke los. Morde. Dein schlimmstes Verbrechen wird es nicht sein. Ich will nicht zuerst von deinem Weibe, dieser Allerärmsten, sprechen, nein, Antonio, obwohl ... Aber in welcher Weise betrogst du die Welt dein Jahrhundert das eine große Forderung an dich hatte. Wo ist die erschütternde Tatsache, die du leisten mußtest?

Antonio (tief berührt): Casanova ...

Casanova: Du bist königlich durch die Menge geschritten, und mit welchem Recht? Als du deine ersten Lieder jenen Abend vor der Prinzessin spieltest und wir alle wußten, Italien hat wieder einen großen Künstler, da mußt du deine große Pflicht gefühlt haben, und du hast sie gefühlt Und du erinnerst dich unserer Abende in Venedig, wo man begann, von dir zu sprechen und wo die Frauen anfingen, mit dir groß zu tun. Wie oft habe ich da dasselbe gesagt: Antonio, ach! und legte die Bewunderung hinein, als spräche ich von Alighieri und Monteverdi – Und in der Zukunft?

Antonio (gequält): Casanova ...

Casanova: Als ich dich jetzt nach Jahren wiederfand, – ich wartete, ich wartete, du mußtest doch sprechen, du mußtest doch zeigen, was dir gelungen war.

Antonio: Ich habe gerungen ...

Casanova (lacht auf): Wonach? Zur Möglichkeit, am Abend wieder zu genießen, als sich der Körper von den Erregungen des Mittags noch nicht erholt hatte.

Antonio: Ich habe Stunden gesessen, Stunden in die Nacht ...

Casanova: Haha! Frauenhaare, Frauenhaare.

Antonio (verzweifelt): Du, du bist mein schlimmster Feind! Was mir Menschen je getan haben, ist gering vor deinen Schlägen. Ich habe ja – als dieser Quell nachließ, dies mühelose Hervorbringen, als ich anfangen mußte, zu suchen, als die Kunst Arbeit für mich wurde und Verzweiflung, da begann für mich Qual ohne Ende.

Casanova: Weiße Arme haben deine Kraft zerstört.

Antonio: Wenn ihr mich überschätzt habt, ihr mehr von mir verlangt habt, als ich leisten konnte ...

Casanova: Das hast du getan aber auf anderem Gebiete.

Antonio: Oft habe ich die Waffe in der Hand gehabt.

Casanova: Wie oft! Wenn ich dir jetzt dein Lied spielen würde ...

Antonio: Höre auf! Siehst du denn nicht?

Casanova: Du sehnst dich nach Mitleid. Du bist es nicht wert. Dein Weib hat zuerst deine Qualen mitgelitten.

Antonio: Sie – hat – gewußt?

Casanova: Und als sie am Ende ihrer Kraft war, gingst du auf die Straße und betrogst sie.

Antonio: Ich?

Casanova: Willst du es etwa leugnen?

Antonio: Ich hätte ...?

Casanova: Ich muß wohl Namen nennen? Hör mal, mein Freund, was glaubst du eigentlich von einer Frau? Hältst du es für besonders angenehm, sich auf tränenfeuchten Kissen die Lüste des galanten Gatten auszumalen?

Antonio: Um Gotteswillen! Ich schwöre dir, ich habe nicht geahnt, daß auch sie litt, ich schwöre! Ich hatte für nichts Sinn, als für mein Elend. Das weißt du auch, Casanova: Der Tod ist leicht gegen die gelähmte Künstlerhand.

Casanova (grimmig): Du lebst ja noch! Jetzt endlich, da der Krug überzulaufen droht, hast du dich zum letzten entschlossen. Zu spät.

Antonio (außer sich): Du willst sterben?

Casanova: Es wäre der gerechte Lohn dafür, daß ich versucht habe, das Gräßliche von dir fern zu halten. Mein zu gutes Herz! Als sie unter Tränen sprach: Könnte er zürnen, wenn ich dem Tiber meine müden Glieder anvertraute ...?

Antonio: Heiland!

Casanova: Da half ich und sprach der Fassungslosen Trost zu und ließ ihr eine Hoffnung für die Zukunft. Gemeinsam beteten wir um deine Erlösung zur Tat und um deine Heimkehr. Aber als da dich immer weiter entferntest, als die Finger ihrer beiden Hände die Zahl deiner Geliebten nicht mehr faßten ...

Antonio: Das ist nicht wahr!

Casanova: Ich muß wohl wieder erst Namen nennen? übrigens Geschmack hast du, Freund.

Antonio: Kein Mensch kann wissen ...

Casanova: Du hast es schlau angefangen, aber du vergaßest die gefälligen Dienstboten.

Antonio: Sie weiß, sie weiß! Und deshalb ist sie fort? Sie ist fort!

Casanova: Ja. Und ist das nicht das Natürlichste von der Welt? Sollte sie denn warten, bis deine Gier sich nicht mehr beherrschte und das Haus entehrte? Schon wies man mit Fingern auf sie und belächelte sie. Sie wußte schließlich nicht mehr wohin mit ihrer Scham.

Antonio: Warum sagte sie es nicht, sprach kein Wort?

Casanova: Warum hast du es nicht gefühlt?

Antonio: Gestern noch lachte sie ...

Casanova: Vergoldete ihre Tränen. In welchem Sumpf bist du denn herumgekrochen, daß dir edle Frauenart so fremd ist? Freilich, wer nur an das ekle Gekreisch um Lohn für gespendete Liebenswürdigkeiten gewöhnt ist ...

Antonio: Wo ist sie?

Casanova: Das fragst du? Das wagst du zu fragen? Du entblödest dich wohl nicht, ihr deine Sünden zuzuschreiben und vermutest sie bei einem deiner edlen Freunde, die nach der schönen Beute lüstern sind? Wahrhaftig, du verdientest es! Aber leider gab dir der Himmel das reinste Weib. Wie hat sie gerungen! Wie hat sie gerungen! Sie hatte ja nicht Mutter, nicht Freundin und keine Verwandten hier. Ja, als sie gestern zu mir sagte: Er läßt mich wieder allein, und eine Träne von ihr mir auf die Hände fiel, und ich dachte: Er verläßt sie zu seinem letzten Gange, einmal hast du sie dem Jenseits entrissen, diese Frau stirbt, wenn sie die Nachricht seines Todes empfängt, da lud ich sie hierher.

Antonio: Ha! Also ist sie hier!

Casanova: Aber glaube nicht, daß sie dir in ein neues Martyrium folgt. Im Hause des Priesters hat sie eine Freistatt gefunden, die sie nicht eher verläßt ...

Antonio: Wo ist sie? Laß mich hin!

Casanova: Halt!

Antonio: Laß mich!

Casanova: Du bleibst.

Antonio (hebt die Waffe): Aus dem Wege!

Casanova: Also geh! Und wenn sie dir deine Schmach ins Gesicht schlägt, dann – lache ich!

Antonio stößt die Tür des Seitenkabinetts auf. In dem durch eine Ampel matt erleuchteten Alkoven liegt Lucrezia schlafend auf einem Ruhebett

Antonio: Sie schläft ...

Casanova: Und der Friede glänzt ihr an der Stirn. O Antonio, sei demütig.

Antonio (stürzt zu ihr und zu ihren Füßen): Lucrezia, Lucrezia, Lucrezia ...

Er faßt ihre herabhängende Hand und bedeckt sie mit Küssen

Lucrezia (erwacht): Ich schlief ...

Antonio: Geliebte!

Lucrezia: Ich schlief und ... (sie erhebt sich): Antonio?

Casanova (für sich): Weiber!

Antonio: Ich bin es.

Lucrezia: Antonio? Wo bin ich? Was ist das alles?

Casanova: Seht Ihr das Glück in seinen Augen, Lucrezia, und die große Bitte um Verzeihung?

Lucrezia (kommt an Antonios Hand nach vorn, erstaunt): Verzeihung?

Casanova (zu Antonio): Merke diese schöne Güte, die erstaunt fragt: Verzeihung? Die selbstverständlich löst und nur bedauert, nicht mehr geben zu können.

Antonio: Lucrezia.

Casanova: In diesem Augenblick leiste in deiner Seele den Schwur, nie wieder etwas anderes denken zu wollen als dein Weib, nie wieder einer anderen Frau ...

Lucrezia: Ja, was denn ...?

Casanova (Lucrezia mit den Augen bezwingend): Damit du ein anderes Mal nicht gerichtet wirst.

Lucrezia: (die an sich gehalten, jetzt aber taumelt): Ich muß sitzen ...

Antonio: Was hast du?

Er will sie stützen

Lucrezia (stößt ihn zurück und bricht in ein wildes Schluchzen aus): Das ist – ich, ich ...

Antonio: Um Gottes willen!

Casanova: Ruhig. Schnell den Arzt!

Antonio: Der Puls steht, kein Herzschlag ...

Casanova: Den Arzt!

Antonio: Wenn sie indes ...

Casanova: Sie stirbt nicht; aber schnell, nur schnell!

Antonio stürzt mit einem Blick auf die Liegende davon

Lucrezia (richtet sich auf und ruft ihm nach): Betrüger! Betrüger!

Casanova: Und vergib uns unsere Schuld.

Lucrezia: Wie hat man gekämpft, sich gewehrt, um diesen ...

Casanova: Wenn wir das gewußt hätten.

Lucrezia: Wie hast du's aber erfahren?

Casanova: Ich hab es ihm auf den Kopf zugesagt.

Lucrezia: Ja, wußtest du denn?

Casanova: Nichts; aber das stimmt immer und bei allen.

Lucrezia: So wird man hintergangen.

Casanova: Weiß Gott, die Welt ist schlecht.

Er trägt sie in sein Schlafzimmer

 


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