Baruch de Spinoza
Ethik
Baruch de Spinoza

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Dritter Teil / Von dem Ursprunge und der Natur der Affekte

Die meisten, die über die Affekte und die Lebensweise der Menschen geschrieben haben, scheinen nicht von natürlichen Dingen, welche die gemeinsamen Gesetze der Natur befolgen, zu reden, sondern von Dingen, welche außerhalb der Natur liegen. Ja, sie scheinen den Menschen in der Natur wie einen Staat im Staate zu fassen. Denn sie glauben, daß der Mensch die Ordnung der Natur mehr störe als befolge; daß er eine absolute Macht in bezug auf seine Handlungen habe und von niemand als von sich selber bestimmt werde. Die Ursache des menschlichen Vermögens und der Unbeständigkeit legen sie nicht dem gemeinsamen Vermögen der Natur, sondern ich weiß nicht welchem Gebrechen der menschlichen Natur, bei, welches sie darum beweinen, verlachen, verachten, oder, was am häufigsten geschieht, verwünschen, und wer das Unvermögen des menschlichen Geistes recht beredt oder scharf durchzuhecheln weiß, wird wie für göttlich gehalten. Es gab jedoch auch ausgezeichnete Männer (deren Anstrengung und Fleiß wir vieles schuldig zu sein bekennen), die von der richtigen Lebensweise viel Herrliches geschrieben und den Menschen einsichtsvolle Anweisungen gegeben haben. Die Natur und die Kräfte der Affekte aber, und was andererseits der Geist sie zu mäßigen vermöge, das hat, so viel ich weiß, niemand bestimmt. Ich weiß zwar, daß der hochberühmte Descartes, obwohl auch er annahm, daß der Geist eine absolute Macht in Beziehung auf seine Handlungen habe, dennoch die menschlichen Affekte aus ihren ersten Gründen zu erklären und zugleich den Weg anzugeben versucht hat, auf dem der Geist eine absolute Herrschaft über die Affekte erlangen könnte; aber, nach meiner Ansicht wenigstens, hat er nichts als den Scharfsinn seines großen Geistes gezeigt, wie ich seines Ortes beweisen werde. Für jetzt will ich zu denen zurückkehren, welche die Affekte und Handlungen der Menschen lieber verabscheuen oder verlachen als verstehen wollen. Diesen wird es ohne Zweifel wunderbar scheinen, daß ich die Gebrechen und Torheiten der Menschen auf geometrische Weise zu behandeln unternehme und das in bestimmter Ordnung dartun will, wovon sie immerfort schreien, daß es der Vernunft widerstreite, eitel, albern und schrecklich sei. Aber mein Grund ist dieser: Es geschieht nichts in der Natur, was man ihr als Gebrechen anrechnen könnte, denn die Natur und ihre Kraft und ihr Tätigkeitsvermögen sind immer und überall eine und dasselbe, d. h. die Gesetze und Regeln der Natur, nach welchen alles geschieht und aus den einen Formen in die anderen verwandelt wird, sind überall und immer dieselben, und sonach muß auch eine und dieselbe Weise sein, die Natur irgendwelcher Dinge zu verstehen, nämlich durch die allgemeinen Gesetze und Regeln der Natur. Daher erfolgen die Affekte des Hasses, Zornes, Neides usw., an sich betrachtet, aus derselben Notwendigkeit und Kraft der Natur, wie das übrige einzelne, und hiernach erkennen sie bestimmte Ursachen an, durch welche sie verstanden werden, und haben bestimmte Eigenschaften, die unseres Verständnisses ebenso würdig sind, wie die Eigenschaften eines jeden anderen Dinges, an dessen bloßer Betrachtung wir uns freuen. Ich werde also die Natur und die Kräfte der Affekte und die Macht des Geistes in bezug auf dieselben nach derselben Methode behandeln, welche ich im vorigen über Gott und den Geist angewendet habe, und die menschlichen Handlungen und Bestrebungen ebenso betrachten, als wenn es sich um Linien, Flächen oder Körper handelte.

Definitionen

1. Adäquate Ursache nenne ich diejenige, deren Wirkung klar und deutlich durch sie aufgefaßt werden kann. Inadäquate aber, oder Teilursache, nenne ich diejenige, deren Wirkung durch sie allein nicht verstanden werden kann.

2. Ich sage, daß wir dann tätig sind, wenn etwas in uns oder außer uns geschieht, dessen adäquate Ursache wir sind, d. h. (nach der vorigen Def.) wenn aus unserer Natur etwas in uns oder außer uns folgt, was durch diese allein klar und deutlich verstanden werden kann. Dagegen sage ich, daß wir leiden, wenn etwas in uns geschieht oder aus unserer Natur etwas folgt, wovon wir nur eine Teilursache sind.

3. Unter Affekten verstehe ich die Affektionen des Körpers, wodurch das Tätigkeitsvermögen des Körpers vermehrt oder vermindert, erweitert oder eingeschränkt wird, und zugleich die Ideen dieser Affektionen.

Wenn wir also die adäquate Ursache einer dieser Affektionen sein können, dann verstehe ich unter Affekt Tätigkeit, im anderen Falle Leidenschaft.

Postulate

  1. Der menschliche Körper kann auf viele Weisen affiziert werden, wodurch sein Tätigkeitsvermögen vermehrt oder vermindert wird; und auch auf andere Weisen, welche sein Tätigkeitsvermögen weder größer noch geringer machen. Dieses Postulat oder Axiom stützt sich auf Postulat 1 und Lehnsatz 5 und 7. (Siehe diese nach Lehrsatz 13, T. 2.)
  2. Der menschliche Körper kann viele Veränderungen erleiden und nichtsdestoweniger die Eindrücke oder Spuren der Objekte (siehe hierüber Post. 5, T. 2), und folglich auch dieselben Vorstellungen von den Dingen, beibehalten (siehe deren Definition in der Anmerkung zu Lehrsatz 17, T. 2).

Lehrsatz 1. Unser Geist tut manches, manches aber leidet er, nämlich, insofern er inadäquate Ideen hat, insofern tut er manches notwendig, und insofern er inadäquate Ideen hat, sofern leidet er notwendig manches.

Beweis. In jedem menschlichen Geiste sind einige Ideen adäquat, andere aber verstümmelt und verworren (nach Anm. 2 zu Lehrsatz 40, T. 2); die Ideen aber, welche in jemandes Geiste adäquat sind, sind in Gott adäquat, sofern er das Wesen eben dieses Geistes ausmacht (nach Folgesatz zu Lehrsatz II, T. 2), und diejenigen sodann, welche im Geiste inadäquat sind, sind ebenfalls in Gott (nach demselben Folgesatz) adäquat, nicht sofern er bloß das Wesen dieses Geistes, sondern auch sofern er die Geister anderer Dinge zugleich in sich enthält. Ferner muß aus jeder gegebenen Idee notwendig eine Wirkung folgen (nach Lehrsatz 36, T. I), von welcher Wirkung Gott die adäquate Ursache ist (siehe Def. I dieses Teils), nicht sofern er unendlich ist, sondern sofern er als von jener gegebenen Idee affiziert betrachtet wird (siehe Lehrsatz 9, T. 2). Nun ist aber eben dieser Geist die adäquate Ursache der Wirkung, deren Ursache Gott ist, sofern er von einer Idee affiziert ist, welche in jemandes Geiste adäquat ist (nach Folgesatz zu Lehrsatz II, T. 2). Also tut unser Geist (nach Def. 2 dieses Teils) manches notwendig, insofern er adäquate Ideen hat. Dies war das erste. Was sodann notwendig aus einer Idee folgt, welche in Gott adäquat ist, nicht sofern er nur eines Menschen Geist, sondern sofern er die Geister anderer Dinge zugleich mit dem Geiste eben dieses Menschen in sich faßt, hiervon ist (nach demselben Folgesatz zu Lehrsatz II, T. 2) der Geist jenes Menschen nicht die adäquate, sondern die Teilursache, und folglich (nach Def. 2 dieses Teils) leidet der Geist notwendig manches, sofern er inadäquate Ideen hat. Dies war das zweite. Also tut unser Geeist usw. W. z. b. w.

Folgesatz. Hieraus folgt, daß der Geist um so mehreren Leidenschaften unterworfen ist, je mehr inadäquate Ideen er hat, und daß er dagegen um so mehr tut, je mehr adäquate er hat.

Lehrsatz 2. Der Körper kann den Geist nicht zum Denken, noch der Geist den Körper zur Bewegung oder Ruhe, noch zu etwas anderem (wenn es ein solches gibt) bestimmen.

Beweis. Alle Daseinsweisen des Denkens haben Gott, sofern er ein denkendes Ding ist, zur Ursache, nicht aber sofern er durch ein anderes Attribut ausgedrückt wird (nach Lehrsatz 6, T. 2). Das also, was den Geist zum Denken bestimmt, ist eine Daseinsweise des Denkens und nicht der Ausdehnung, d. h. (nach Def. 1, T. 2) es ist kein Körper. Dies war das erste. Ferner: die Bewegung und Ruhe des Körpers muß durch einen anderen Körper entstehen, welcher auch zur Bewegung oder Ruhe durch einen anderen bestimmt worden ist, und absolut alles, was in einem Körper entsteht, mußte durch Gott entstehen, sofern er als durch eine Daseinsweise der Ausdehnung und nicht als durch eine Daseinsweise des Denkens affiziert betrachtet wird (nach demselben Lehrsatz 6, T. 2), d. h. es kann nicht aus dem Geist entstehen, der (nach Lehrsatz 11, T. 2) eine Daseinsweise des Denkens ist. Dies was das zweite. Also kann weder der Körper den Geist usw. W. z. b. w.

Anmerkung. Dies läßt sich noch deutlicher verstehen aus dem, was in der Anmerkung zu Lehrsatz 7, Teil 2 gesagt wurde, daß nämlich der Geist und der Körper ein und dasselbe Ding sind, welches bald unter dem Attribute des Denkens, bald unter dem der Ausdehnung begriffen wird. Daher kommt es, daß die Ordnung oder Verkettung der Dinge dieselbe ist, mag die Natur unter diesem oder jenem Attribute begriffen werden; folglich, daß die Ordnung der Tätigkeiten und Leidenschaften unseres Körpers von Natur der Ordnung der Tätigkeiten und Leidenschaften des Geistes gleich ist, was auch aus der Weise sich ergibt, wie wir Lehrsatz 12, Teil 2 den Beweis geführt. Aber, obgleich dies sich so verhält, daß kein Zweifelsgrund mehr ist, so glaube ich doch kaum, daß die Leute zu bewegen sind, dieses mit unbefangenem Geiste zu erwägen, wenn ich es nicht durch die Erfahrung werde bestätigt haben; so fest sind sie davon überzeugt, daß der Körper auf den bloßen Wink des Geistes bald sich bewege, bald ruhe und das meiste tue, was aber von dem Willen des Geistes und der Geschicklichkeit, es auszudenken, abhängt. Denn niemand hat bis jetzt bestimmt, was der Körper vermag, d. h. niemanden hat bis jetzt die Erfahrung gelehrt, was der Körper nach den bloßen Gesetzen der Natur, sofern diese bloß als körperliche betrachtet wird, tun kann, und was er nicht kann, wenn er nicht von dem Geiste bestimmt wird. Denn niemand kennt bis jetzt den Bau des Körpers so genau, daß er alle seine Funktionen erklären könnte, nicht zu gedenken, daß man bei den Tieren vieles bemerkt, was die menschliche Sinnesschärfe weit übertrifft, und daß die Nachtwandler im Schlafe sehr vieles tun, was sie wachend nicht wagen würden; dies zeigt zur Genüge, daß der Körper selbst nach den bloßen Gesetzen seiner Natur vieles vermag, worüber sein Geist sich wundert. Zudem weiß niemand, auf welche Weise oder durch welche Mittel der Geist den Körper bewegt, noch wie viele Grade der Bewegung er dem Körper verleihen kann, und wie groß die Schnelligkeit ist, mit der er ihn zu bewegen vermag. Hieraus folgt, daß die Menschen, wenn sie behaupten, daß diese oder jene Handlung des Körpers aus dem Geiste entspringe, der die Herrschaft über den Körper habe, nicht wissen, was sie sagen, und bloß mit allerlei hochtönenden Worten gestehen, daß sie die wahre Ursache dieser Handlung nicht kennen, ohne sich doch darüber zu wundern. Sie werden aber erwidern, ob sie nun wüßten oder nicht wüßten, durch welche Mittel der Geist den Körper bewegt, so machten sie doch die Erfahrung, daß, wenn der menschliche Geist nicht zum Denken fähig ist, der Körper ungeschickt sei; sie machten ferner die Erfahrung, daß es in der bloßen Gewalt des Geistes stehe zu sprechen oder schweigen, und vieles andere, wovon sie daher glauben, daß es von dem Beschlusse des Geistes abhängt. Was aber das erste betrifft, so frage ich sie selber, ob die Erfahrung nicht ebenfalls lehrt, daß, wenn im Gegenteil der Körper ungeschickt ist, der Geist zugleich zum Denken unvermögend sei? Denn wenn der Körper im Schlafe ruht, bleibt der Geist mit ihm in Schlaf versenkt und hat nicht, wie beim Wachen, die Macht, sich etwas auszudenken. Ferner haben wohl alle erfahren, daß der Geist nicht immer gleich befähigt ist, an dasselbe Objekt zu denken, sondern daß, so wie der Körper befähigter ist, daß bald die Vorstellung dieses, bald die jenes Objektes in ihm auftaucht, so auch der Geist befähigter ist, bald dieses, bald jenes Objekt zu betrachten. Aber, wird man sagen, aus den bloßen Gesetzen der Natur, sofern sie nur als körperliche betrachtet wird, können unmöglich die Ursachen der Gebäude, der Gemälde und derartiger Dinge, welche bloß durch die menschliche Kunst zustande kommen, abgeleitet werden, und der menschliche Körper, wenn er nicht vom Geiste bestimmt und geführt würde, wäre nicht imstande, einen Tempel zu bauen. Ich habe aber schon gezeigt, daß sie durchaus Nichtwissen, was der Körper vermag, oder was aus der bloßen Betrachtung seiner Natur abgeleitet werden kann, und daß sie selbst erfahren, daß sehr vieles gemäß den bloßen Gesetzen seiner Natur geschieht, was sie nie anders, als unter der Leitung des Geistes für möglich gehalten hätten, wie das, was die Nachtwandler im Schlafe tun, und worüber sie selbst sich, wenn sie wachen, wundern. Hierzu kommt der Bau des menschlichen Körpers selbst, welcher an Künstlichkeit alles weit übertrifft, was menschliche Kunst gebaut hat, ohne hier nochmals auszuführen, was oben gezeigt ist, daß aus der unter jeglichem Attribute betrachteten Natur Unendliches folgt. Was ferner das zweite betrifft, so stände es wahrlich weit besser um die menschlichen Angelegenheiten, wenn es ebensosehr in der Gewalt des Menschen stände, zu schweigen als zu sprechen. Die Erfahrung lehrt aber mehr als genug, daß die Menschen nichts weniger in ihrer Gewalt haben als die Zunge, und nichts weniger vermögen als ihre Triebe zu mäßigen. Daher kommt es, daß die meisten glauben, daß wir nur das frei tun, was wir nicht sehr stark begehren, weil das Verlangen nach diesen Dingen leicht durch das Andenken an ein anderes Ding, dessen wir häufig gedenken, verwischt werden kann, dasjenige aber keineswegs, was wir mit großem Affekt erstreben, der durch das Andenken an ein anderes Ding nicht beruhigt werden kann. Aber hätten wir nicht erfahren, daß wir vieles tun, was wir nachher bereuen, und daß wir oft, wenn wir nämlich von entgegengesetzten Affekten bestürmt werden, das Bessere sehen und doch dem Schlechteren folgen, so wäre kein Grund, der uns zu glauben hinderte, daß wir in allem frei handeln. So glaubt der Säugling, er begehre die Milch freiwillig, der erzürnte Knabe, er wolle die Rache, und der Furchtsame, er wolle die Flucht. Auch glaubt der Trunkene, er spreche aus freiem Entschlusse des Geistes dasjenige, was er nachher nüchtern verschwiegen haben möchte; so meint der Irre, die Plaudertasche, das Kind und die meisten dieses Schlages, sie redeten aus freiem Entschlusse des Geistes, da sie doch den Trieb zum Reden, den sie haben, nicht zähmen können, so daß die Erfahrung selbst uns ebenso klar als die Vernunft lehrt, daß die Menschen bloß deshalb sich für frei halten, weil sie sich ihrer Handlungen bewußt, der Ursachen aber, von denen sie bestimmt werden, unkundig sind, und überdies, weil die Beschlüsse des Geistes nichts sind, als die Arten des Verlangens selbst, die daher nach der verschiedenen Disposition des Körpers verschieden sind. Denn jeder richtet alles nach seinem Affekte ein. Wer also von entgegengesetzten Affekten bestürmt wird, weiß nicht, was er will, wer aber von keinem, wird durch einen kleinen Bewegungsgrund bald hierhin, bald dorthin geschleudert. Dies alles zeigt uns gewiß klar, daß sowohl der Beschluß des Geistes, als sein Verlangen, so wie die Bestimmung des Körpers, von Natur zugleich, oder vielmehr ein und dasselbe Ding ist, welches wir, unter dem Attribute des Denkens betrachtet und durch dieses ausgedrückt, Beschluß nennen, dagegen, unter dem Attribute der Ausdehnung betrachtet und aus den Gesetzen der Bewegung und Ruhe abgeleitet, Bestimmung heißen. Dies wird aus dem Folgenden noch deutlicher erhellen; denn es ist etwas anderes, was ich hier besonders beachtet haben möchte, nämlich, daß wir nur gemäß dem Beschlusse des Geistes etwas tun können, wenn wir uns dessen erinnern; wir können z. B. kein Wort aussprechen, ohne uns dessen zu erinnern; ferner steht es nicht in der freien Macht des Geistes, sich eines Dinges zu erinnern oder es zu vergessen. Daher glaubt man, es stehe nur in der Gewalt des Geistes, ein Ding, dessen wir uns erinnern, nach freiem Entschlüsse des Geistes verschweigen oder sagen zu können. Wenn wir aber träumen, daß wir sprechen, glauben wir auf Grund eines freien Entschlusses des Geistes zu sprechen, und dennoch sprechen wir nicht, oder wenn wir sprechen, so geschieht es auf Grund einer willkürlichen Bewegung des Körpers. Uns träumt ferner, daß wir manches den Menschen verhehlen, und zwar nach demselben Beschlusse des Geistes, nach welchem wir wachend verschweigen, was wir wissen. Uns träumt endlich, daß wir manches nach dem Beschlusse des Geistes tun, was wir wachend nicht wagen, und deshalb möchte ich wohl wissen, ob es im Geiste zwei Gattungen von Beschlüssen gebe, nämlich phantastische und freie? Wenn wir nicht so weit im Unsinn gehen wollen, muß man notwendig zugeben, daß dieser Beschluß des Geistes, den man für frei hält, sich von der Vorstellung selbst oder Erinnerung nicht unterscheidet und nichts anderes ist als jene Bejahung, welche die Idee, sofern sie Idee ist, notwendig in sich schließt(siehe Lehrsatz 49, T. 2). Folglich entstehen diese Beschlüsse des Geistes nach derselben Notwendigkeit im Geiste wie die Ideen der wirklich daseienden Dinge. Wer also glaubt, daß er aus freiem Beschlusse des Geistes spreche oder schweige, oder sonst etwas tue, träumt mit offenen Augen.

Lehrsatz 3. Die Handlungen des Geistes entspringen nur aus adäquaten Ideen, die Leidenschaften aber hängen nur von inadäquaten ab. Beweis. Das erste, was das Wesen des Geistes ausmacht, ist nichts anderes, als die Idee des wirklich daseienden Körpers (nach Lehrsatz 11 und 13, T. 2), welche (nach Lehrsatz 15, T. 2) aus vielen anderen zusammengesetzt ist, von denen einige (nach Folgesatz zu Lehrsatz 38, T. 2) adäquat, andere aber inadäquat sind (nach Folgesatz zu Lehrsatz 29, T. 2). Was also aus der Natur des Geistes folgt, und wovon der Geist die nächste Ursache ist, durch welchen es verstanden werden muß, das muß notwendig aus einer adäquaten oder inadäquaten Idee folgen. Sofern aber der Geist (nach Lehrsatz 1 dieses Teils) inadäquate Ideen hat, sofern leidet er notwendig. Demnach folgen die Handlungen des Geistes nur aus adäquaten Ideen, und der Geist leidet allein deshalb, weil er inadäquate Ideen hat. W. z. b. w.

Anmerkung. Wir sehen also, daß die Leidenschaften nur insofern dem Geiste angehören, als er etwas hat, was eine Negation in sich schließt, oder sofern er als ein Teil der Natur betrachtet wird, welche für sich ohne andere nicht klar und bestimmt aufgefaßt werden kann. So könnte ich denn zeigen, daß sich die Leidenschaften auf dieselbe Weise auf die Einzeldinge wie auf den Geist beziehen und auf keine andere Weise aufgefaßt werden können; mein Vorsatz ist aber, nur von dem menschlichen Geiste zu handeln.

Lehrsatz 4. Jedes Ding kann nur von einer äußeren Ursache zerstört werden.

Beweis. Dieser Lehrsatz erhellt aus sich; denn die Definition jedes Dinges bejaht das Wesen des Dinges selbst, verneint es aber nicht, oder setzt das Wesen des Dinges, hebt es aber nicht auf. Wenn wir also nur auf das Ding selbst, nicht aber auf die äußeren Ursachen achten, werden wir nichts in demselben finden können, was es zerstören könnte. W. z. b. w.

Lehrsatz 5. Dinge sind insofern entgegengesetzter Natur, d. h. können insofern nicht in demselben Subjekte sein, sofern das eine das andere zerstören kann.

Beweis. Denn wenn sie unter sich übereinstimmen, oder in demselben Subjekte zugleich sein könnten, so könnte es ja in demselben Subjekte etwas geben, was es zerstören könnte. Dies ist (nach dem vorigen Lehrsatz) widersinnig, also sind Dinge usw. W. z. b. w.

Lehrsatz 6. Jedes Ding strebt, so viel an ihm liegt, in seinem Sein zu beharren.

Beweis. Denn die Einzeldinge sind Daseinsweisen, durch welche die Attribute Gottes auf gewisse und bestimmte Weise ausgedrückt werden (nach Folgesatz zu Lehrsatz 25, T. 1), d. h. (nach Lehrsatz 34, T. 1) Dinge, welche Gottes Vermögen, wodurch Gott ist und handelt, auf gewisse und bestimmte Weise ausdrücken. Kein Ding hat etwas in sich, wodurch es zerstört werden könnte, oder was sein Dasein aufhöbe (nach Lehrsatz 4 dieses Teils), sondern es widersetzt sich vielmehr alle dem, was sein Dasein aufheben kann (nach dem vorigen Lehrsatz), also strebt es, so viel es kann und an ihm liegt, in seinem Sein zu beharren. W. z. b. w.

Lehrsatz 7. Das Bestreben, wonach jedes Ding in seinem Sein zu beharren strebt, ist nichts als das wirkliche Wesen des Dinges selbst.

Beweis. Aus dem gegebenen Wesen eines jeden Dinges folgt manches notwendig (nach Lehrsatz 36, T. 1), und die Dinge können nichts anderes als das, was aus ihrer bestimmten Natur notwendig erfolgt (nach Lehrsatz 29, T. 1), darum ist das Vermögen oder Bestreben jedes Dinges, wodurch es entweder allein, oder mit anderen etwas tut, oder zu tun strebt, d. h. (nach Lehrsatz 6 dieses Teils) das Vermögen oder Bestreben, wodurch es in seinem Sein zu beharren strebt, nichts als das gegebene oder wirkliche Wesen des Dinges selbst. W. z. b. w.

Lehrsatz 8. Das Bestreben, wonach jedes Ding in seinem Sein zu beharren strebt, schließt keine bestimmte, sondern eine unbestimmte Zeit in sich.

Beweis. Denn wenn es eine begrenzte Zeit in sich schlösse, welche die Dauer eines Dinges bestimmte, so würde aus dem bloßen Vermögen selbst, wodurch das Ding da ist, folgen, daß das Ding nach jener Zeit nicht dasein könnte, sondern zerstört werden müßte. Nun ist dies (nach Lehrsatz 4 dieses Teils) widersinnig, also schließt das Bestreben, wonach das Ding da ist, keine bestimmte Zeit in sich, sondern vielmehr, weil es (nach Lehrsatz 4 dieses Teils), wenn von keiner äußeren Ursache zerstört, mit demselben Vermögen, womit es jetzt da ist, da zu sein immer fortfährt, schließt also dieses Streben eine bestimmte Zeit in sich. W. z. b. w.

Lehrsatz 9. Der Geist strebt sowohl, sofern er klare und deutliche, als sofern er verworrene Ideen hat, in seinem Sein in unbestimmter Dauer zu beharren, und ist sich dieses seines Strebens bewußt.

Beweis. Das Wesen des Geistes besteht aus adäquaten und inadäquaten Ideen (wie wir Lehrsatz 3 dieses Teils gezeigt haben), folglich strebt er (nach Lehrsatz 7 dieses Teils) sowohl insofern er die einen, als insofern er die anderen hat, in seinem Sein zu beharren, und zwar (nach Lehrsatz 8 dieses Teils) in unbestimmter Dauer. Da aber der Geist (nach Lehrsatz 28, (?). 2) durch die Ideen der Affektionen des Körpers notwendig sich seiner bewußt ist, so ist also (nach Lehrsatz 7 dieses Teils) der Geist sich seines Strebens bewußt. W. z. b. w.

Anmerkung. Dieses Streben, auf den Geist allein bezogen, heißt Wille, aber auf Geist und Körper zusammen bezogen, nennt man es ein Verlangen, welches also nichts anderes ist, als das Wesen des Menschen selbst, aus dessen Natur das, was zu seiner Erhaltung dient, notwendig folgt, und folglich ist der Mensch dieses zu tun bestimmt. Auch ist zwischen Verlangen und Begierde kein Unterschied, nur daß Begierde sich meist auf die Menschen bezieht, sofern sie sich ihres Verlangens bewußt sind. Man kann sie daher so definieren: Begierde ist Verlangen mit dem Bewußtsein desselben. Aus diesem allen geht hervor, daß wir nichts erstreben, wollen, verlangen, noch begehren, weil wir es für gut halten; sondern umgekehrt, daß wir deshalb etwas für gut halten, weil wir es erstreben, wollen, verlangen und begehren.

Lehrsatz 10. Es kann in unserem Geiste keine Idee geben, welche das Dasein unseres Körpers ausschließt, vielmehr ist eine solche ihm entgegengesetzt.

Beweis. Es kann nichts in unserem Körper geben, was ihn zerstören kann (nach Lehrsatz 5 dieses Teils), folglich kann es auch keine Idee davon in Gott geben, sofern er die Idee unseres Körpers hat (nach Folgesatz zu Lehrsatz 9, T. 2), d.h. (nach Folgesatz zu Lehrsatz 11 und 13, T. 2) es kann in unserem Geiste keine Idee davon geben, sondern vielmehr, da (nach Lehrsatz 11 und 13, T. 2) das erste, was das Wesen des Geistes ausmacht, die Idee eines wirklich daseienden Körpers ist, so ist es das erste und hauptsächlichste Streben unseres Geistes (nach Lehrsatz 7 dieses T.), das Dasein unseres Körpers zu bejahen, und folglich ist eine Idee, welche das Dasein unseres Körpers verneint, unserem Geiste entgegengesetzt. W. z. b. w.

Lehrsatz 11. Alles, was die Tätigkeit unseres Körpers vermehrt oder vermindert, erweitert oder beschränkt, dessen Idee vermehrt oder vermindert, erweitert oder beschränkt das Denkvermögen unseres Geistes.

Beweis. Dieser Satz erhellt aus Lehrsatz 7, Teil 2, oder auch aus Lehrsatz 14, Teil 2.

Anmerkung Wir sehen daher, daß der Geist große Veränderungen erleiden und bald zu größerer, bald zu geringerer Vollkommenheit übergehen kann, und diese Leidenschaften erklären uns die Affekte der Lust und Unlust. Unter Lust verstehe ich also im folgenden die Leidenschaft, wodurch der Geist zu größerer Vollkommenheit übergeht, unter Unlust aber die Leidenschaft, wodurch er zu geringerer Vollkommenheit übergeht. Bezieht sich ferner der Affekt der Lust zugleich auf Geist und Körper, nenne ich sie Wollust oder Wohlbehagen, den Affekt der Unlust aber Schmerz oder Mißbehagen. Jedoch ist zu bemerken, daß Wollust und Schmerz sich dann auf den Menschen beziehen, wenn ein Teil desselben mehr als die übrigen affiziert ist, Wohlbehagen aber und Mißbehagen, wenn alle gleichmäßig affiziert sind. Was sodann Begierde ist, habe ich in der Anmerkung zu Lehrsatz 9 dieses Teils erklärt und außer diesen dreien erkenne ich keinen anderen Grundaffekt an. Im folgenden werde ich zeigen, daß die anderen aus diesen dreien entstehen. Ehe ich jedoch weiter gehe, will ich hier den Lehrsatz 10 dieses Teils weitläufiger erläutern, damit man deutlicher einsieht, auf welche Weise eine Idee einer Idee entgegengesetzt ist. In der Anmerkung zu Lehrsatz 17, Teil 2 haben wir gezeigt, daß die Idee, welche das Wesen des Geistes ausmacht, das Dasein des Körpers so lange in sich schließt, als der Körper selbst da ist. Ferner folgt aus dem, was wir in dem Folgesatz zu Lehrsatz 8, Teil 2 und in der Anmerkung dazu gezeigt haben, daß das gegenwärtige Dasein unseres Geistes bloß davon abhängt, daß der Geist das wirkliche Dasein des Körpers in sich schließt. Endlich haben wir gezeigt, daß das Vermögen des Geistes, wodurch er sich die Dinge vorstellt und sich ihrer erinnert, auch davon abhängt (siehe Lehrsatz 17 und 18, T. 2 mit der Anmerkung), daß er das wirkliche Dasein des Körpers in sich schließt. Hieraus folgt, daß das gegenwärtige Dasein des Geistes und sein Vorstellungsvermögen aufgehoben wird, sobald der Geist das gegenwärtige Dasein des Körpers zu bejahen aufhört. Der Geist selbst kann aber ebensowenig die Ursache sein, weshalb der Geist dieses Dasein des Körpers zu bejahen aufhört (nach Lehrsatz 2 dieses Teils) als das, daß der Körper zu sein aufhört. Denn (nach Lehrsatz 6, T. 2) ist die Ursache, weshalb der Geist das Dasein des Körpers bejaht, nicht, weil der Körper angefangen hat, da zu sein. Deshalb hört er auch aus demselben Grunde nicht auf, das Dasein des Körpers selbst zu bejahen, weil der Körper zu sein aufhört, sondern (nach Lehrsatz 17, T. 2) entspringt dies aus einer anderen Idee, welche das gegenwärtige Dasein unseres Körpers und folglich unseres Geistes ausschließt, und welche daher der Idee, welche das Wesen unseres Geistes ausmacht, entgegengesetzt ist.

Lehrsatz 12. Der Geist sucht, soviel er vermag, sich das vorzustellen, was das Tätigkeitsvermögen des Körpers vermehrt oder erweitert.

Beweis. So lange der menschliche Körper auf eine Weise affiziert ist, welche die Natur eines äußeren Körpers in sich schließt, so lange wird der menschliche Geist denselben Körper als gegenwärtig betrachten (nach Lehrsatz 17, T. 2), und folglich betrachtet (nach Lehrsatz 7, T. 2) der menschliche Geist einen äußeren Körper so lange als gegenwärtig, das heißt (nach Anmerkung eben dieses Lehrsatzes 17) er stellt sich ihn vor, so lange der menschliche Körper auf eine Weise affiziert ist, welche die Natur eben dieses äußeren Körpers in sich schließt. So lange also der Geist sich das vorstellt, was das Tätigkeitsvermögen unseres Körpers vermehrt oder erweitert, so lange ist der Körper durch Modi affiziert, welche sein Tätigkeitsvermögen vermehren oder erweitern (siehe Post. 1 dieses Teils), und folglich wird (nach Lehrsatz 11 dieses Teils) so lange das Vermögen des Geistes vermehrt oder erweitert, und es sucht daher (nach Lehrsatz 6 oder 9, T. 3) der Geist, so viel er vermag, sich dieses vorzustellen. W. z. b. w.

Lehrsatz 13. Wenn der Geist sich das vorstellt, was das Tätigkeitsvermögen des Körpers vermindert oder einschränkt, sucht er, so viel er vermag, sich derjenigen Dinge zu erinnern, welche das Dasein jener ausschließen.

Beweis. So lange sich der Geist etwas derartiges vorstellt, so lange wird das Vermögen des Geistes und Körpers vermindert oder eingeschränkt (wie wir im vorigen Lehrsatze bewiesen haben), und doch wird er sich dieses so lange vorstellen, bis der Geist sich etwas anderes vorstellt, was das gegenwärtige Dasein desselben ausschließt (nach Lehrsatz 17, T. 2), d. h. (wie wir eben gezeigt haben) das Vermögen des Geistes und Körpers wird so lange vermindert oder eingeschränkt, bis der Geist sich etwas anderes vorstellt, was das Dasein desselben ausschließt, und welches der Geist also (nach Lehrsatz 9 dieses Teils) so viel er vermag, sich vorzustellen, oder ins Gedächtnis zu rufen suchen wird. W. z. b. w.

Folgesatz. Hieraus folgt, daß der Geist abgeneigt ist, sich das vorzustellen, was sein Vermögen und das des Körpers vermindert oder einschränkt.

Anmerkung. Hieraus erkennen wir klar, was Liebe und was Haß ist; Liebe ist nämlich nichts als Lust, verbunden mit der Idee einer äußeren Ursache; und Haß nichts als Unlust, verbunden mit der Idee einer äußeren Ursache. Wir sehen ja auch, daß der Liebende notwendig den Gegenstand, den er liebt, gegenwärtig zu haben und zu erhalten sucht, während dagegen der Hassende den Gegenstand, der ihm verhaßt ist, zu entfernen und zu zerstören sucht. Doch von diesem allem in der Folge weitläufiger.

Lehrsatz 14. Wenn der Geist einmal von zwei Affekten zugleich affiziert worden ist, wird er, wenn er nachher von einem derselben erregt wird, auch von dem anderen erregt werden.

Beweis. Wenn der menschliche Körper einmal von zwei Körpern zugleich erregt worden ist, wird der Geist, wenn er sich hernach einen derselben vorstellt, sich sogleich auch des anderen erinnern (nach Lehrsatz 18, T. 2). Aber die Vorstellungen des Geistes zeigen mehr die Affekte unseres Körpers als die Natur der äußeren Dinge an (nach Folgesatz 2 zu Lehrsatz 16, T. 2), wenn also der Körper und folglich der Geist (siehe Def. 3 dieses Teils) einmal von zwei Affekten zugleich erregt worden ist, wird er, wenn er nachher von einem derselben erregt wird, auch von dem anderen erregt werden. W. z. b. w.

Lehrsatz 15. Jedes Ding kann zufällig Ursache der Lust, Unlust oder Begierde sein.

Beweis. Angenommen, der Geist würde von zwei Affekten zugleich erregt, wovon der eine sein Tätigkeitsvermögen weder vermehrt noch vermindert, und der andere es vermehrt oder vermindert (siehe Post. 1 dieses Teils), so erhellt aus dem vorigen Lehrsatze, daß, wenn der Geist hernach von dem ersten als seiner wahren Ursache, welche (nach der Voraussetzung) an sich sein Denkvermögen weder vermehrt noch vermindert, affiziert wird, er auch sogleich von dem anderen, welcher sein Denkvermögen vermehrt oder vermindert, das heißt (nach der Anm. zu Lehrsatz 11 dieses Teils) von Lust oder Unlust erregt werden wird, und sonach ist jenes Ding nicht an sich, sondern zufällig Ursache der Lust oder Unlust. Auf dieselbe Weise kann nun leicht dargetan werden, daß jenes Ding zufällig die Ursache der Begierde sein kann. W. z. b. w.

Folgesatz. Bloß deshalb, weil wir ein Ding mit dem Affekt von Lust oder Unlust betrachtet haben, wovon es selbst nicht wirkende Ursache ist, können wir es lieben oder hassen.

Beweis. Denn bloß daher kommt es (nach Lehrsatz 14 dieses Teils), daß der Geist, wenn er sich nachher dieses Ding vorstellt, durch den Affekt der Lust oder Unlust erregt wird, das heißt (nach Anm. zu Lehrsatz 11 dieses Teils), daß das Vermögen des Geistes und Körpers vermehrt oder vermindert wird usw., und folglich (nach Lehrsatz 12 dieses Teils), daß der Geist geneigt ist, es sich vorzustellen oder (nach Folgesatz zu Lehrsatz 13 dieses Teils) abgeneigt ist, das heißt (nach Anm. zu Lehrsatz 13 dieses Teils), daß er es liebt oder haßt. W. z. b. w.

Anmerkung. Hieraus erkennen wir, wie es kommen kann, daß wir etwas ohne irgendeine andere uns bekannte Ursache lieben oder hassen, als bloß aus Sympathie (wie man sagt) und Antipathie. Hierher sind auch diejenigen Objekte zu beziehen, die uns bloß deshalb mit Lust oder Unlust erregen, weil sie mit den Objekten einige Ähnlichkeit haben, die uns mit eben diesen Affekten erregen, wie ich im folgenden Lehrsatze zeigen werde. Ich weiß zwar, daß die Schriftsteller, welche diese Wörter Sympathie und Antipathie zuerst eingeführt haben, damit gewisse verborgene Eigenschaften der Dinge haben bezeichnen wollen, aber ich glaube nichtsdestoweniger, daß wir auch bekannte oder offenbare Eigenschaften darunter verstehen dürfen.

Lehrsatz 16. Wir werden ein Ding bloß deshalb, weil wir uns vorstellen, daß es etwas Ähnliches mit einem Objekte hat, welches den Geist mit Lust oder Unlust zu affizieren pflegt, lieben oder hassen, wenn auch das, worin das Ding dem Objekte ähnlich ist, nicht die bewirkende Ursache dieser Affekte ist.

Beweis. Das, was dem Objekte ähnlich ist, haben wir in dem Objekte selbst (nach der Voraussetzung) mit dem Affekte der Lust oder Unlust betrachtet. Wenn also (nach Lehrsatz 14 dieses Teils) der Geist von der Vorstellung desselben affiziert wird, wird er auch zugleich von diesem oder jenem Affekte erregt werden und folglich wird dieses Ding, bei dem wir eben dasselbe wahrnehmen (nach Lehrsatz 15 dieses Teils) zufällig Ursache der Lust oder Unlust sein. Also (nach dem vorigen Folgesatz) werden wir es lieben oder hassen, wenn auch das, worin es dem Objekte ähnlich ist, nicht die wirkende Ursache dieser Affekte ist.


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