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Gedichte

Das Lied von der Ordnung

Daß wir Hunger haben, ist nicht wichtig,
Nebensache, daß wir betteln gehn,
Unsere Klagen weist man ab als nichtig,
Hauptsache: Die Ordnung bleibt bestehn!
Wer's noch nicht gemerkt hat, mag's jetzt hören:
Eine Ordnung gibt's auf dieser Welt,
Sie ist da, damit wir sie nicht stören,
Und wir halten sie, weil sie uns hält!

Die Erde ist von Ost bis West,
Von Singapur bis Budapest,
Glänzend organisiert!
Dreißig Millionen gehen stumm
In Reih und Glied vor Hunger krumm,
Wer nicht mehr gehen kann, fällt um,
Das klappt, als wär's geschmiert!
Gibt's zu viel Brot? Dann heizt mit Brot!
Gibt's zu viel Menschen? Schießt sie tot!
Die Ordnung schuf der liebe Gott,
Wir frieren, krepieren in Tritt und Trott,
Die Ordnung funktioniert!

Ach, man merkt von ihr oft Jahr für Jahr nichts,
Manchmal glauben wir schon, sie wär hin,
Ihr habt alles, und wir haben gar nichts:
Ist das die Ordnung oder hat das Sinn?
Aber schreien wir das in die Straßen
Von Neuyork, von London, von Schanghai,
Wollt ihr uns nicht länger zweifeln lassen,
Und es bleut uns ein die Polizei:

Die Erde ist von Ost bis West,
Von Singapur bis Budapest,
Glänzend organisiert!
Dreißig Millionen gehen stumm
In Reih und Glied vor Hunger krumm,
Wer nicht mehr gehen kann, fällt um,
Das klappt, als wär's geschmiert!
Gibt's zu viel Brot? Dann heizt mit Brot!
Gibt's zu viel Menschen? Schießt sie tot!
Die Ordnung schuf der liebe Gott,
Wir frieren, krepieren in Tritt und Trott,
Die Ordnung funktioniert!

Alles geht in schönster und in bester
Ordnung! Und wir müssen mit ihr mit –
Doch je mehr wir werden, desto fester
Dröhnt auf allen Straßen unser Tritt!
Gestern hielten wir noch fromm die Ordnung. –
Heute wankt sie. – Wird sie morgen stehn?
Und wir fragen: Muß es stets in Ordnung,
Muß es stets in dieser Ordnung gehn?

Wir fragen euch von Ost bis West,
Von Singapur bis Budapest,
Trotz Knüppel und Gewehr!
Wir, die wir hungern überall,
Weil Ordnung auf dem Erdenball,
Wir fragen euch, wie es einmal
Mit einer andern Ordnung wär?
Heut gehn wir mit der Ordnung mit,
Doch morgen fallen wir aus dem Schritt,
Wir fallen aus dem Hungertrott,
Trotz Fabrikant und liebem Gott.
Und morgen, und morgen,
Da wird in Front marschiert!

 

An alte Professoren

Ihr wißt ja nicht, ihr strengen, starren,
Ihr würdigen, ihr weisen Narren,
Ihr wißt ja nicht, wie weh ihr tut.
Ihr kennt nicht unsere stumme Wut,
Ihr hört nicht unsre Zähne knirschen –
Stolz, steif unter dem schimmelgrünen Doktorhut.

Ihr ahnt nicht, wieviel Knabenträume
Sich schwingen aus den dumpfen Räumen
Zur himmelblauen Freiheit auf –
Und wie ihr kalt und dumm den Jubellauf
Zurückreißt in methodenöden Alltag.
Und schmiert sarkastisch kluge Worte drauf.

Ihr habt doch alle längst die Zeit vergessen,
Da ihr noch selbst in eurer Bank gesessen,
Da euch noch lockten weite, blaue Fernen,
Da ihr noch aufwärts wolltet zu den Sternen,
Da ihr noch Mädelnamen in die Bank gekratzt
Und aufs Katheder streutet Apfelsinenkerne.

Wir wissen wohl, das ist für euch vorüber,
Wir wissen wohl, die Zeiten wurden trüber.
Ganz fern und nebelig, schon sehr weit,
Ihr alten Herrn, ist eure Jugendzeit.
Darum könnt ihr die unsere nicht begreifen, die gegenwärtige Vergangenheit.

Nur manchmal – es sind seltne Augenblicke,
Da ruhn durch Brillen eure Blicke
Auf uns so eigentümlich: anderswo und starr,
Als wenn ein wilder Ruf, ein flatternd Haar
In euch was Fernes, Zartes rühre,
Das lange, lange her schon war.

 

Schlaflied für ein Ungebornes

»Halt die Ehe hoch in Ehren,
Wenn's nicht anders geht, im Prater!
Denn mein Volk soll sich vermehren
Wie der Weizen in den Meeren!«
Sprach der Staat zu deinem Vater.
Schlaf, Kindlein, schlaf.
Dich schützt der Paragraph.
Dich treibt die Mutter schon nicht ab,
Dich braucht der Staat fürs Massengrab
Im Wasgenwald, am Piave.
Schlaf, Kindlein, schlafe.

»Die Maschine, die Kanone
Brauchen Futter, brauchen Futter.
Bei dem Menschen geht's auch ohne,
Denn er ist der Schöpfung Krone.«
Sprach der Staat zu deiner Mutter.
Schlaf, Kindlein, schlaf.
Dich schützt der Paragraph.
Einst bringt der Staat viel Disziplin
Dir bei. Und wenig Vitamin,
Damit du still und brav ...
Schlaf, Kindlein, schlaf.

»Ist kein Platz für dich im Leben,
So doch im Geburtsmatrikel.
Paßt's dir nicht, trag doch ergeben
Dieses Leben. Es ist eben
Nur ein Konfektionsartikel!«
Singt der Paragraph.
Schlaf, Kindlein, schlaf.

 

Kommentar zur Weimarer Verfassung

Uns ist in alten Mären
Wunders viel geseit
Von der Verfassung und deren
Bedrohter Sicherheit.
Sie und den etwas geschmeidigen
Boden, der sie trug,
Schwor man zu verteidigen
Bis zu ihrem leidigen
Letzten Atemzug.
Da stand eines Tages im Deutschen Reich
Die Staatsmacht ergriffen da.
Und zwar von Hitler. Sie wußte nicht gleich,
Ob's ihr legal geschah.
Doch Hindenburgs Jawort verlieh diesem Akt
Die Weimarer Garantie –
Ein altes Berliner Wahrwort fragt:
Nu rin mit der Verfassung oder raus mit der Verfassung,
Oder wie?

Es sagte Herr Hindenburg: »Amen ...«
Der Spruch des Verfassungsgerichts
Verschwand vor seinem Namen
Zu einem glatten Nichts.
Dann seufzte Herr Hindenburg: »Bitte ...«
Schrieb einige Zeilen, und
Der Presse von links bis zur Mitte
Knebelte Hitler den Mund.
Drauf stöhnte Herr Hindenburg: »Bitte sehr,
Mir bleibt nichts erspart«, schrieb »m. p.«,
Und Papen diktierte in Preußen, als wär
Es so seit Anno Schnee.
Da staunt der Laie: »Die Freiheit ging
Ja futsch. Das sowieso.
Man jagte sie weg, wie den Severing,
Aber – innerhalb der Verfassung oder außerhalb der Verfassung,
Oder wo?«

Auf, auf, schmeißt Blumengarben
Und eure Beine im Takt!
Die IG-Landesfarben
Laßt steigen! Die Häuser beflaggt!
Klopft im Kasernenhof Griffe!
Friede ist Hirngespinst!
Hoch die Gasoffensive!
Nieder die Lohntarife,
Her mit dem Arbeitsdienst!

Demokratie? Faschistischer Trupp?
Wer hat gewonnen das Spiel?
Herr Oldenburg-Januschau und Herr Krupp,
Die fragen danach nicht viel.
Sie sitzen im Herrenklub am Kamin
Und träumen von Stahlbad und Kolonien,
Gott, Kaiser, Somaliland.
Und Herr Papen hält auf dem Knie
Der deutschen Verfassung erneuten sowie
Verbesserten vierzehnten Band.
Es gähnt ein Papierkorb, empfangsbereit,
Es gähnt mit sprichwörtlicher Höflichkeit
Herr Papen: »Was meinen Sie?
Nu rin mit der Verfassung oder raus mit der Verfassung.
Oder wie?«

 

Wahlen im Dritten Reich

Das ist die Zeit der großen Wahl.
Der vielgeliebte Führer nimmt
Zuflucht beim Volke wieder mal
Und spricht, das Herz rein wie Kristall:
Wir wolln mal sehn, wo wer nicht stimmt!
Der heldische Säbelschüttler
Will nichts sein als Willensvermittler.
Er fragt, von Rechtsgefühl beseelt:
Wollt Adolf ihr oder Hitler?
Deutsche, wählt!

Das ist die Wahl der großen Zeit.
(Die Zeit ist groß. Die Wahl ist klein.)
Weil ihn Diktieren nicht mehr freut,
Wird Hitler voll Entschlossenheit
Ein Demokrat auf »ja und nein!«.
Er stutzte der Freiheit die Flügel,
Jetzt lockert er wieder die Zügel,
Daß jeder frei die Entscheidung fällt!
Wollt Hitler ihr oder Prügel?
Deutsche, wählt!

Das ist die große Zeit der Wahl:
(Auch Krupp wählt sorgsam schon für euch
Den allerbesten Mörserstahl.)
Die Wahl ist listenarm? Egal:
Herr Goebbels macht sie listenreich.
Wähl: Krieg oder Frieden! Doch lerne
Jedenfalls töten! Nicht ferne
Steht dein Heldengrab, längst bestellt.
Sterbt ungern ihr oder gerne?
Deutsche, wählt!

Das ist die große Wahl der Zeit:
Tragt ruhig ihr das braune Joch,
Steigt morgen unsagbar das Leid
Der Welt – und treibt die Kurse hoch.
Doch lernt ihr zur Zeit euch empören,
Ist Deutschland euer und unser die Welt.
Verrecken – oder euch wehren:
Deutsche, wählt!

 

Krupps Morgenliedchen

Die Hoffnungen schießen empor, froh und frisch,
Gleich Flugzeugabwehrgeschützen!
Hurra! Ich freue mich mörderisch,
Die Hoffnung ist grün wie der grüne Tisch,
An dem sie in Genf jetzt sitzen!

Die Krise ist tot, mit der Krise ist Schluß,
Man braucht schon wieder Kanönchen!
Bald gibt's ein Stahlbad von frischem Guß.
Kopf hoch! Und Kopf ab, wenn's so sein muß!
Seid nur keine Muttersöhnchen!

Vom Osten her weht frischer Wind.
Heil Japans wackrer Truppe!
Bis zum letzten Hauch von Mann und Kind!
Ob's Kaiser oder Mikados sind,
Das ist mir völlig schnuppe!

Im Westen sorgt man sowieso
(Heil Hitler, Tardieu und Thyssen!)
Dafür, daß Volksgenossen en gros
Gegen den Erbfeind, für Krupp und Creuzot
Ihr nordisches Blut vergießen.

Amerika sammelt Kreuzer (gut Glück!),
Der Papst zum Beten die Kräfte,
Doch drahtet Gott ihm nicht zurück.
Gott weiß: Er versteht nichts von Politik,
Er verdarb uns nie die Geschäfte.

Glück auf! Eine neue Genesung winkt!
Krank ist die Welt, seien wir offen,
Doch weil sie schon nach Kadaver stinkt
Und Blaukreuzgas aus dem Leichnam dringt,
Laßt uns das Beste hoffen!

 

Liebesgeflüster in der NSDAP

Wenn ich mal Hitlers Stabschef bin,
Dann halt ich mich an Negerknaben,
Solange ich als SA-Mann dien,
Hab Weib und Nachwuchs ich zu haben!
Der Rhein ist Deutschlands Fluß, nicht Grenz,
Drum setzet Kinder, setzet Taten,
So komm Brünhild, es ruft der Lenz:
Und Adolf Hitler braucht Soldaten
Und die Polacken ihre Keil,
Heil!

Mich reizt die schwarze Baker nicht,
Kein jüdischer Kultusvorsteher,
Ich tu des Rassenbullen Pflicht,
Drum, Mädchen, rück doch etwas näher;
Die Nachtigall schlägt hold im Busch,
Wir wollen siegreich Frankreich schlagen,
Sei lieb, Brünhild – husch – husch, husch – husch,
Dein Sohn wird einst sein Leben wagen
Für Deterdings Shell Motor Oil,
Heul!

Zeig mir noch schnell den Rassenschein,
Spürst du den Duft der Fliederblüten?
Es ruft der Kuckuck aus dem Hain,
Es ruft der Krupp nach Kriegsprofiten.
Im Dritten Reich heiraten wir,
Dann webst du Rosen mir ins Leben,
Und schaltest still und wäschst Geschirr,
Und kuschst du nicht, so werd ich dir
Wohl ein paar in die Fresse geben –
Auf, Mädchen, werd mein Eheteil,
Heil!

 

Rassische Liebesballade

Es waren zwei Nazikinder,
Die hatten einander so lieb.
Sie konnten zusammen nicht kommen,
Denn sie war ein ostischer Typ.

Ihr Schädel nämlich war rundlich,
Ihr Busen hingegen oval,
(Statt umgekehrt) – rassenkundlich
War dieses Weib ein Skandal.

Sein Haupthaar war siegfriedisch,
Sein Auge preußischblau:
Kein Partner für die negroidisch-
Mongolisch gemixte Frau.

Und als er trotzdem dämlich
Beim Rassenamt angesucht,
Da hieß es: »Du bist unabkömmlich
Als Bulle für arische Zucht.«

Sie weinten sehr selbander,
Die Lage war äußerst trist.
Da plötzlich – ha! – erfand er
Eine echt nordische List.

Er ließ sich die Haare schwärzen
Und kräuseln, dann – husch – husch –
Strich, wenn auch mit blutendem Herzen,
Den Leib er sich mit Tusch.

Dann trat er zum Bürotisch
Im Rassenamt und bat
Sehr höflich auf hottentottisch
Um ein Ehezertifikat.

Er frug: »Stört die Herrn meine Rasse?«
Da schrien sie höhnisch: »Nein!
Ihr Glück, daß Sie keine blasse
Und nordische Wunschmaid frein!«

So fanden die beiden sich eh'lich.
Und weil er sich fleißig wusch,
Verschwand mit den Jahren allmählich
Von seinem Leibe der Tusch ...

Nun frage ich euch auf Ehre,
Ob das, was jener getan
So kühn, gelungen wäre
Einem mischrassigen Mann?
Nein! – Also: Die Rassenlehre
Ist doch kein leerer Wahn!

 

Besucht den Reichstagsbrandprozeß!

Das wird ein Theater! Das wird ein Tamtam!
Was wird da an Prunk man entfalten!
Denn das Festprogramm war das einzge Programm,
Das Hitler je eingehalten.
Und das einzige Werk, das in Gang er gesetzt,
War doch das Feuerwerk bis jetzt.

Das wird ein Theater! Die Rollen sind schön
Verteilt von Lübbe bis Papen.
Kein Mensch wird hinter die Bühne sehn,
Die Kulissenregie wird klappen!
Denn reicht die Naziromantik nicht mehr,
Dann muß die Pyromantik her.

Göring, Spielleiter und Dramaturg,
Wird die Heldenrolle erhalten.
Lübbe den »Schurken«. Und Hindenburg
Gibt prächtig den »komischen Alten«.
Wenn ein Intrigant den Faden verliert,
Dann wird nachdrücklichst ihm souffliert.

Beifall klatscht zu dem Stück die SA
Mit Peitschen auf Arbeiterknochen.
Herr Goebbels ist als Claquechef da
Und hat auch Kritiklob versprochen.
Ein Welttheater, wie's Salzburg nie sah!
Ausverkauft ist seit Wochen!
Welch Galapremiere! Heil und hurra!
Doch, Pardon, ich hätte vergessen beinah
Eine Kleinigkeit. Welche? Na ja:
Es wird nebenbei Recht gesprochen.

 

Prozeßergebnisse

Vorbemerkung:

Die ganze Reichstagsbrandgeschichte
Ist nunmehr allen völlig klar.
Wir halten uns bei dem Berichte
Streng an den Akt vom Reichsgerichte.
(Unser Bericht ist trotzdem wahr.)

I

Finster war's, der Mond schien' helle,
Während zögernd und sehr flink,
Langsam und mit Blitzesschnelle
Torgler aus dem Reichstag ging.

Van der Lübbe sprach indessen,
So bezeugte ein Passant,
Fließend und wie immer stotternd:
»Heut noch gibt's 'nen Reichstagsbrand!«

In der Tasche trug er tausend
Kilogramm Brandmaterial,
Und weil dieses so geruchlos,
Stank es ganz katastrophal.

II

Torgler aber, der besprochen
Schon den ganzen Reichstagsbrand
(Vorsichtshalber nur mit Taneff,
Weil der ja kein Deutsch verstand),

Saß, aus voller Kehle flüsternd,
Seltsam ruhig, aufgeregt
In dem Restaurant, von wo aus
Dieser Schuft den Brand gelegt.

III

Als allein nun van der Lübbe,
Unterstützt von fünfzehn Mann,
Die Aktion beendigt hatte,
Kam der zweite Teil vom Plan:

Es verschwanden alle roten
Schwerverbrecher nach der Tat,
Durch den Gang, zu dem nur Göring
(Welch ein Glück!) den Schlüssel hat.

Und um zu kompromittieren
Mit dem Brande die SA,
Blieb (Verruchtheit!) van der Lübbe
Mit dem KPD-Buch da!

IV

Hätt den Brand nicht eine Stunde
Vorher Helldorf schon gesehn
(Zollt der Schneid des Braven Ehre!) –
Dann – wer weiß? – kann sein, dann wär
Die Geschichte nicht geschehn!

Nachbemerkung:

Die Fakta, die daraus erhellen,
Gestand van der Lübbe voll sofort.
Drum tut es not, hier festzustellen:
Daran stimmt trotzdem jedes Wort!

 

Reformiertes deutsches Kirchenlied

Wir stehen in Dachau beim Prügeln, habt acht,
Wir kleben in Tegel Tüte um Tüte ...
Bis hierher hat uns Gott gebracht
In seiner großen Güte.
Halleluja!

Wir trotten in Feldgrau, Schub um Schub
Zum Arbeitsdienst, Werke des Friedens zu schaffen ...
Ein' feste Burg ist unser Krupp,
Ein' gute Wehr und Waffen.
Halleluja!

Wir sprachen am Wahltag mit frohem Gesicht,
(Denn unsere Häscher standen daneben):
Hitler meine Zuversicht
Und mein Heiland ist im Leben.
Halleluja!

Wir stehen habt acht, wir gehen in Reihn
Am Henker vorüber, verzerrten Gesichtes,
Zum Letzten entwürdigt, in Schmach und in Pein,
Die Letzten werden die Ersten sein,
Am Tage des Gerichtes.
Amen.

 

»Volkszählung«

nannte der Berliner Polizeipräsident v. Levetzow eine nächtliche Razzia in Straßen und Parkanlagen, die er mit Hilfe von Spürhunden durchführte.

Was glänzt dort vom Park her im Mondenschein
Und streift durch nächtliche Gassen?
Bluthunde mit vier Beinen und zwein,
Sie schnüffeln in jedes Strauchwerk hinein,
Verborgenes Rotwild zu »schassen«.
Und wenn ihr die braunen Gesellen fragt:
Das ist Levetzows wilde, verwegene Jagd!

Seht, Bolschewiken! Huß, dran und drauf,
Ihr Sturm- und Statistikkolonnen!
Die große Volkszählung nimmt ihren Lauf:
Zählt diesem Völkchen mal zwanzig auf!
Laßt toben SAdistische Wonnen!
Und wenn ihr die braunen Schergen fragt:
Das ist Levetzows wilde, verwegene Jagd!

Es fressen alles leer und kahl
In Hitlers Jagdreviere
Die Schlachtfeldhyäne, der Börsenschakal,
Zinsgeier, Osthilfeschweinestall –
Man schont diese hohen Tiere.
Die Schwachen sind's, an die man sich wagt:
Das ist Levetzows wilde, verwegene Jagd!

Mit nordischem Mäntelchen, blauem Dunst,
Mit Zöpfen, gleich Phrasen gewunden,
Mit Stoffen für Kleider und völkische Kunst
Verhüllen Herr Goebbels und Ehegespunst
Deutschlands blutende Wunden.
Doch das Dritte Reich, wahr, wirklich und nackt,
Das ist: Levetzows nächtliche Menschenjagd.

 

Zeitungsmeldungen

»Es braust ein Ruf wie dazumal
In allen deutschen Gauen!
Deutschlands Stationschef gibt Signal
Zur fröhlichen Fahrt ins Grauen.
Es gibt Spione, die Gift verstreun
Am Brunnen vor dem Tor.
Und gar in puncto ›Wacht am Rhein› –
Lieb Vaterland, magst ruhig sein,
So ruhig wie nie zuvor!
Wir wollen uns siegreich ins Stahlbad stürzen!«
Stammt diese Meldung vom Jahre vierzehn?
Fehlgeraten! Die Nachricht wird
Vom Jahre dreiunddreißig datiert.

»Von neun guten Deutschen sind durchschnittlich acht
Soldaten, und der letzte,
Der für die Front nicht kommt in Betracht,
Der ist der Vorgesetzte ..
's ist höchste Zeit, daß die große Zeit
Über Deutschland komme!
Der gute Deutsche ist bereit
Zu kämpfen mit Beharrlichkeit
Um seinen Platz an der Somme!
Schwarzweißrot sind Fahnen und Schürzen ...«
Stammt diese Nachricht vom Jahre vierzehn?
Fehlgeraten! Die Meldung wird
Vom Jahre dreiunddreißig datiert.

»Der nationale Stiefel gellt
Im Rundfunk, auf der Straße!
Der Führer ruft hinaus in die Welt:
Der Freiheit eine Prügelgasse!
Man machte in Elbing zwei Rote kalt
(Man hat auf der Flucht sie erschossen),
Der eine lief weiter beim Zuruf: Halt!
Der andre (war schon doof und alt)
Blieb stehn wie angegossen ...«
Stammt die Meldung vom Balkan?
Gestern kam sie aus Deutschland an ...

Es tönt aus dem Rundfunk zum erstenmal
Über Land und Stadt:
»Schluß mit Faschismus und Kapital!
Am Wort ist das Proletariat!
Uns macht kein Friedensversprechen mehr dumm
Und kein Offiziersehrenwort!
Achtung, wir reißen das Steuer herum,
Die Menschlichkeit geht über Bord!«

Würde die Meldung von achtzehn stammen,
Wären wir wie sie so hart
Gewesen, als wir an die Reihe kamen,
Hätten wir uns Herrn Hitler erspart ...

Genossen vom Reich! Wann ruft ihr »Halt!«?
Datiert die Meldung auf möglichst bald!

 

Kapitalistischer Segensspruch

In Leoben fror man heuer,
Weil für Kohlen kein Bedarf;
Und man schreit nach Brot in Steyr,
Und der Winterfrost ist scharf.
Fünfmal hunderttausend Hände
Liegen still. Kein Rad mehr rollt.
Sei gesegnet ohne Ende.
Heimaterde, wunderhold!

Hohe Seelenhirten hüten
Treu der Bankenjuden Geld,
's gibt faschistische Banditen
Von der Etsch bis an den Belt.
Daß man die Verfassung schände,
Sind fünf Schilling fixer Sold.
Sei gesegnet ohne Ende,
Heimaterde, wunderhold!

Dieser Staat läßt sich nicht lumpen,
Wenn er sich belumpen läßt:
Einer kriegt das Gold in Klumpen,
Euch, euch gibt man bald den Rest!
Rufet: »Hoch die Dividende!«,
Wenn ihr euch zum Stempeln trollt.
Sei gesegnet ohne Ende,
Heimaterde, wunderhold!

Was mir recht ist, ist dir billig!
Freie Bahn für jeden Schuft!
Halt zusammen, treu und willig,
Deinen Mund und leb von Luft!
Freundlich schimmert das Gelände,
Ehrenfest und Hengelgold,
Sei gesegnet ohne Ende,
Heimaterde, wunderhold!

 

Nachruf

Stavisky hat gute Geschäfte gemacht,
Er betrog diese Welt des Trugs.
Ihr aber fuhrt hinab in den Schacht,
Und um euch war tagtäglich die gleiche Nacht,
Kumpels von Dux.

Hitler hat Deutschland zum Schweigen gebracht,
Aus Blut die Profitrate wuchs.
Ihr aber fuhrt hinab in den Schacht
Und rangt mit dem Berg die tagtägliche Schlacht,
Kumpels von Dux.

Genf hat geschlafen, Tokio gewacht
Im Rausch des Eroberungszugs.
Ihr aber fuhrt hinab in den Schacht,
Und euch drohte tagtäglich der Fels, den ihr bracht,
Kumpels von Dux.

Sie zahlten im Spiele um Ruhm und um Macht
Millionen für mördrischen Jux.
Doch wo ihr für sie fuhrt hinab in den Schacht,
Da waren sie täglich aufs Sparen bedacht,
Kumpels von Dux...

Wenn es wahr ist, was sie jetzt erzählen
Euren Weibern: daß die Seelen
Sich zum Himmel drängen
Jähen Flugs –
Wann, wann werdet ihr die Felsen sprengen,
Die den Sturm zum Paradies beengen,
Kumpels von Dux?

 

Galgenfrist bewilligt

Im Fernen Osten hat's Schüsse gegeben,
Doch Genf hat nur von Ausschüssen gewußt.
Ach, weißt du, wieviel Sternlein kleben
Auf der Generäle Brust?
In Komitee und in Kommission
Wird beraten, beraten, beraten,
Und in aller Welt marschieren schon
Soldaten, Soldaten, Soldaten.
Und ein Kriegsgrund ist ja leicht zu besorgen.
Heut nicht mehr? Dann morgen!

Was ist des Deutschen Vaterland?
Bankrott vom Brenner zur Memel!
Da beißt in Granit der Gläubgerverband
Und wir in die letzte Semmel.
Dies kündet Papen mit Heldenpos',
Und Dollfuß macht schön »bitte, bitte«,
Doch sie sprechen dasselbe: »Es helfen bloß
Kredite, Kredite, Kredite!«
»Doch wir verhungern, auch wenn sie uns borgen?«
»Heut nicht mehr! Erst morgen...«

Herr Hitler greift bereits nach der Macht
Und dem deutschen Prolet an die Kehle.
»Das Deutschland Wilhelms ist wiedererwacht!«
Schreien Stahlherrn und Generäle.
Ihr Herrn, eure Welt ist todgeweiht.
Schafft Kriege, Kredite, Faschisten.
Dadurch gewinnt ihr nur wenig Zeit,
Nur kurze Galgenfristen.
Wir werden euch stürzen, macht euch keine Sorgen.
Heut nicht mehr? Dann morgen!

 

Einheitsfront

Die Sowjets bedrohen, wie jeder weiß,
Den Klassenfrieden, den Erdölpreis,
Die Baumwollkurse, die Religion,
Moral und Zündholzproduktion!
Drum reichen Deterding, Vanderbilt,
Ford, Morgan und Thyssen einander die Hände:
»Hoch die Kultur, die's zu schirmen gilt,
Dreimal so hoch die Dividende!«
Um Leichenbeute wird später gestritten –
Jetzt feiern die Herren Honigmond.
»Auf denn«, ruft Krupp, »gen Ostland geritten,
Es lebe die goldene Einheitsfront!«

»Ich träumte einst von Arbeiterpartei«,
Sprach Hitler, »doch das ist längst vorbei.
Mögt ruhig sein, die ihr schafft und rafft:
Fest steht und treu die Zinsknechtschaft!«
Und neue Aufschläge gab es im Nu
Zu Uniformrock samt Hose,
Und neue Anschläge gab es dazu
Auf Krüppel und Arbeitslose.
So einten sich Hitler und die Barone.
Schon steigen glorreich am Horizont
Hohenzollernschnurrbart und Krone.
»Es lebe die braune Einheitsfront!«

Von Warschau bis Schanghai, von Süd bis Nord,
Von Essen bis Neuyork, von Thyssen bis Ford,
Von Hitler bis Horthy steht er geeint,
Der imperialistische Klassenfeind!
Sie greifen an, sie marschieren geschlossen!
Können denn wir nicht, was die gekonnt?
Die Zeit ist knapp. Zeit ist Blut, Genossen!
Genossen, schließet die Einheitsfront!

 

Simmering

»Klassenkämpfe, Klassenhaß –
Ach, Mama, was ist denn das?
Ist's nicht unanständig?«
Stets schrieb so Herr Schattenfroh
Samt Herrn Lippowitz u. Co.
Und schämten sich unbändig!
»Prolet und Unternehmer sind
Im Grund wie Vater doch und Kind
Und tun sich nie was Args!
Wie 's eigne Kind behandelt schon
Den Arbeitnehmer Herr Busson!«
Doch wenn's mal wo zum Krachen kommt,
Verstummt das Friedenssäuseln prompt,
Dann schließt sich jäh im Hasse
Die Front der Bürgerklasse.

Ach, Weltanschauungen gibt's viel,
Es spieln sie aus, wie im Kartenspiel,
Die Herren allzusammen:
Herr Lippowitz zum Beispiel hat
Den König stets in seinem Blatt
Und eine Menge Damen.
Der Nazi setzt in Saus und Braus
Auf Hitler, denn es teilt ihm aus
Rothschild aus zweiter Hand;
Ein andrer Trumpf heißt »liberal«,
Ein dritter »christlich-sozial«,
Ein vierter »tolerant«.
Doch nimmt das Spiel mal nicht den Lauf
Der Polizeigewehre,
Dann decken sie die Karten auf!
Und als ob's längst so wäre
Steht in der Drischützgasse
Die Front der Bürgerklasse!

Seht: Aus den vielen Mäulern gellt
Dieselbe Lüge, Genossen,
Von Nagelstock bis Frauenfeld
Hat sich die Front geschlossen!
Daß wir von ihnen zu lernen verstehn,
Werden die Herren morgen sehn,
Wenn wir auf der Straße
Stehn:

Klasse gegen Klasse.

 

Vertrauenskundgebung für Herrn Fey

Eiapopeia alala,
Was rasselt im Stroh?
Man macht auf Waffen Razzia,
Und darum rasselt's so.
Proleten, wir wollten die rote Partei
Und die Verfassung bewachen?
Ach, überlassen wir das Herrn Fey
Und seiner braven Polizei;
Die werden die Sache schon machen.

Alle sind gleich vor dem Gesetz,
Vor dem Gesetz dieses Staats,
Doch hinter dem Gesetz ist stets
Für Heimwehr reichlich Platz.
Ja, dazu sagten wir allerlei,
Als unzensuriert wir noch sprachen –
Jetzt überlassen wir alles Herrn Fey
Und seiner braven Polizei;
Die werden die Sache schon machen.

Es ist nicht leicht für die Gendarmerie,
In unbekannten Verstecken
Stets unsere Waffen und niemals die
Der Heimwehr zu entdecken!
Sie haben wohl viel Plage dabei.
Sie schwitzen – wir können lachen!
Drum überlassen wir alles Herrn Fey
Und seiner braven Polizei;
Die werden die Sache schon machen.

Oh, sein wir doch nicht destruktiv!
Vertrauen wir ihnen! Auf Ehre:
Sie sind entwaffnend objektiv!
Brauchen wir da noch Gewehre?
Wir wollten uns schützen vor allerlei
Grünen und braunen Apachen.
Ach, überlassen wir das Herrn Fey
Und seiner braven Polizei;
Die werden die Sache schon machen.

Grab weiter, wertes Staatsorgan!
Und gib uns keinen Pardon!
Denn sieh: Wir zogen die Massen heran
Gegen die Reaktion.
Und schaut euch bloß ein wenig um,
Bei euren Waffensuchen!
Stehn da nicht Massen rundherum,
Die Fäuste geballt, und fluchen?
Und Arbeitslose in dichter Reih
Hinter Gendarmenwachen:
Viel hundert Münder – ein Zornesschrei?

Sind wir's, die den Haß entfachen?
Wir überlassen das Ihnen, Herr Fey,
Und Ihrer braven Polizei,
Sie werden die Sache schon machen.

 

Die Mühlen der Gerechtigkeit

Der liebe Gott sprach klipp und klar:
»Punkt fünf: Du sollst nicht töten!«
In Graz sprach man das Kommentar:
»Und wenn, dann nur Proleten!«
In Arbeiterlokalen
Kriegt erst Justirias Säbel Schneid:
Dann mahlen, mahlen, mahlen
Die Mühlen der Gerechtigkeit.

Wer »Hunger!« brüllt, den muß man fest
An seiner Kehle packen.
Man heilt die Not in Budapest
Mit Polizeiattacken.
Und gibt's in Polen Wahlen,
Wird mancher stumm gemacht, der schreit:
Es mahlen, mahlen, mahlen
Die Mühlen der Gerechtigkeit.

Vergebens haben einst gehofft
Sacco und Vanzetti.
Der Nigger stinkt; man hängt ihn oft
Und jagt ihn durch die Getti.
Zäunt die Kultur mit Marterpfählen
Sorgfältig ein. Mord? Tut uns leid:
Es mahlen, mahlen, mahlen
Die Mühlen der Gerechtigkeit.

Wer in Italien frei sein will,
Verreckt in Tropenschwüle.
In SHS krepiert er still
In eines Kerkers Kühle.
Standrecht und Folterqualen,
Hochspannungsstrom und Zwangsarbeit:
Es mahlen, mahlen, mahlen
Die Mühlen der Gerechtigkeit.

 

Uralte Silvesterlegende

Die Menschheit sah: Ihr altes Jahr
War schäbig und war dreckig.
Die Menschheit sah: Vom Blute war,
Vom Schweiße war es fleckig.
Die Abbau trifft im Januar,
Die fanden es zu kurz. Und bang
Schwor ihr die Arbeitslosen schar,
Es sei zu lang! Es sei zu lang!

Die Menschheit sah, daß ihr Gewand
Mehr keinem wollte passen,
Weshalb sie es für gut befand,
Ein neues sich nähn zu lassen.
Die Nacht war kalt. Die Menschheit stand
Halb hoffnungsglühend und halb nackt.
Es flog des Meisters flinke Hand
Im Uhrentakt, im Uhrentakt.

Die Uhr schlug zwölf. Der Meister rief,
Zur Erde tief sich bückend:
Das Jahr – ich spreche objektiv –
Steht Ihnen ganz entzückend!
Die Menschheit lachte, trank und schlief.
Und schlief die Nacht ganz wunderbar.
In ihren Träumen froh sie lief
Im neuen Jahr! Im neuen Jahr! ...

Die Menschheit fühlte sich sehr krank,
Als Frühfrost wach sie rüttelte,
Und als sie von der Stadtparkbank
Ein Mann, der's durfte, knüttelte.
Sie sagte ihm gleich frei und frank,
Daß sie kein Bettelweib doch sei!
Ob er nicht sah: Ihr Jahr sei blank
Und frisch und neu! Ganz frisch und neu!

Der Mann verzog zum Spott den Mund.
Die Menschheit aber blickte
Aufs neue Jahr. Erhob sich und –
Das Jahr, das neue, drückte!
Es drückte Hals und Schultern wund!
Es hing herab, ein Lumpenschurz!
Es war zu lang oder im Grund
Vielleicht zu kurz? Vielleicht zu kurz?

Es trug sich schwer! Ein freier Schritt
In ihm hieß Weh und Wimmern!
Durch seinen Stoff von schlechtem Schnitt
Sah bloß man Flecke schimmern!
Ja, brauner Schimmer Blutes glitt
Durch sein Gewebe, dünn und glatt.
Es krachte dumpf wie Dynamit
Des Jahres Naht, des Jahres Naht ...

Ein neues Jahr? Nein, das war's nicht.
Die Menschheit war verblendet:
Man hatte ihr bei Sternenlicht
Den alten Rock gewendet!
Den alten Rock, der würgt und sticht,
Sie wenden ihn ohne Ende.

Die Menschheit aber sah es nicht.
Sie schleicht mit gläubigem Gesicht
Zur nächsten Jahreswende.

 

Zehn Tage neues Jahr

Ein neues Jahr ist durchaus kein Hund!
Die Zeitungen drucken Neujahrsgrüße
Vom Buresch und vom Hoover, und
Man faßt die löblichsten Entschlüsse.

Die Herren der Wirtschaft und Politik
Schworen heilig bei den Banketten,
Mit Frieden, Krediten, Vertrauen und Glück
Diesmal sicher die Welt zu erretten.

Und die Japaner begrüßten das Jahr
Mit ein paar lauten Ehrensalven,
Die vor den Mauern von Tsitsikar
Zweihundert Chinesen ins Jenseits halfen.

Das Jahr ist funkelnagelneu!
Die Maschinengewehre der englischen Herren
Knallen in Bombay. Die Polizei
Beginnt die Führer einzusperren.

In Washington war man sehr gereizt,
Weil Arbeitslose nach Essen riefen.
Es dampfen, mit Kaffee geheizt,
In Brasilien die Lokomotiven.

Und während der Weizen zum Himmel stank,
Erschoß man Menschen, die Hunger hatten.
Die Rüstungen aber, Gott sei Tank,
Gehn nach wie vor in Frieden vonstatten.

Das neue Jahr ist noch sehr jung.
Doch habt zu den Herren der Welt nur Vertrauen,
Es kommt schon noch alles gehörig in Schwung:
Ein Jahr noch Krise. Dann sollt ihr schauen!

 

Ein Täuberich belehrt seinen Sohn

Und die großen Vögel ohne Schwingen,
Die sich immer gar so wichtig machten,
Weil sie uns das bißchen Futter bringen –
Die, mein Junge, sollst du stets verachten.

Glaube nicht, sie hätten uns so lieb!
Nicht einmal, wir täten ihnen leid!
»Dienst und Gegendienst« ist ihr Prinzip;
Wer uns nährt, nährt seine Eitelkeit.

Ihre Weibchen streuen Semmelkrumen,
Lassen uns auf ihren Schultern hocken,
Um mit diesem (nebstbei ziemlich dummem)
Mittel ihre Männchen anzulocken.

Männchen aber spreizen sich gleich Pfaun,
Schenken sie uns was, und ihre Brut
Läuft verzückt herbei, um zuzuschaun:
»Ach, er füttert Tauben! Er ist gut!«

Daß noch kleine Tiere existieren,
Die nicht ängstlich flüchten, wenn sie kommen,
Scheint die Flügellosen tief zu rühren.
(Ihr Gewissen ist wohl sehr beklommen.)

Und wir schmücken jeden Liebesbrief!
Und es knipst uns jeder Amateur!
Und wir sind ein dichtrisches Motiv!
Schwer verdient man sich sein Brot, sehr schwer!

Schau, die drei, die eben debattierten,
Streun uns Körner. Komm, wir wollen klauben!
Welch ein Bild für alle Illustrierten:
»Diplomaten füttern Friedenstauben!«

Los, mein Junge! Sei ein kluger Esser!
Friß dich satt, doch lach aus vollem Kröpf chen!
Und zum Dank: ein wohlgezieltes Tröpfchen!
Glaub mir: Sie verdienen es nicht besser!

 

Nur die Ruhe ...

A: Deutschland aus dem Völkerbunde
Waffen klirrend ausgetreten!
Jetzt, Proleten, nicht verspäten:
Schlaget zu in letzter Stunde,
Denn sonst schlägt sie euch, Proleten!

B: Freund, Sie sind zu pessimistisch.
Neurath und selbst Hitler sprachen
Doch so rührend pazifistisch!
Nur die Ruhe wird es machen.

A: Japan droht, denn Gier macht mutig:
»Rußland hat die Bahn zu räumen!«
Raus, Proleten, aus dem Träumen!
Säumt ihr jetzt, so werdet blutig
Ihr Europas Felder säumen!

B: Freund, Sie sehn die Welt zu trübe!
Roosevelt wird die Ruh bewachen
Und Macdonalds Friedensliebe –
Nur die Ruhe wird es machen.

A: Hell klingt beim Champagnerglase,
Aber hohl auf Panzerwänden
Englands, Frankreichs Friedensphrase.
Seid nicht blind, auf daß die Gase
Euch nicht gründlicher bald blenden!

B: Freund, die Herren sind schon pleite.
Sollen sie nun ganz verkrachen?
Nein, an Krieg denkt keiner heute.
Nur die Ruhe wird es machen.

A: Nur die Ruhe wird es machen?
Wüßten Sie, wie wahr Sie sprachen!
Wenn einst, wund im tiefsten Schöße,
Diese Erde, eine große
Dichtgefüllte Leichentruhe,
Wird tief unten und hoch oben
Lange Zeit die Hölle toben,
Aber dann herrscht Friedhofsruhe.
Und wen Worte nicht erschreckten,
Wird die Ruhe graunvoll schütteln!
Wenn euch Worte nicht erweckten –
Diese Ruh wird wach euch rütteln!
Gegen eure Blindheit fochten
Laute Worte – und zerbrachen.
Und was Worte nicht vermochten –
Nur die Ruhe wird es machen!

 

Genfer Abrüstungsrede

Messieurs! Die Welt hört ab Montag bereits
Außer dem faden Schlachtengetümmel
Lieblich aus der französischen Schweiz
Unserer Friedensglocken Gebimmel.

Verehrte Herren! In heißem Dank
Wird die Menschheit auf uns schauen:
Wir werden der Welt, die vom Rüsten so krank,
Endlich das richtige Pulver brauen!

Wir sitzen bei trautem Kanonengebrumm,
Und in den Lüften (Sie werden's kaum glauben)
Flattern. Bombenflugzeuge herum
Und gurren wie richtige Friedenstauben!

Die Friedenspalmen schütteln sich leis ...
Prosit, meine Herren, Sie sollen leben!
(Der Toast gilt zwar nicht den Toten Schanghais,
Doch würde auch sie dieser Anblick erheben.)

Ein Halleluja dem Völkerbund!
Die Kommission wirkt energisch im Osten,
Sie macht bei Gefallnen den Leichenbefund
Und berechnet bei Bombardements die Kosten!

Schluß mit den langen Kriegen ab heut!
Ich höre die Englein Schalmeien blasen ...
Bald ist der menschliche Fortschritt so weit,
Daß wir, meine Herren, mit Sicherheit
Die Menschheit in sechzig Minuten vergasen ...

 

Heldensage, gleichgeschaltet

Deutschland baut unterirdische Flugzeughäfen

Der alte Barbarossa,
Der Kaiser Friederich,
Im unterirdschen Schlosse
Hält er verzaubert sich.

Sein Bart ist jetzt von Flachse,
Er bleicht ihn täglich frisch,
Und läßt ihn nicht mehr wachsen
Um Genfs Verhandlungstisch.

Von Stahl ist Helm und Krone,
Der Reichsapfel brisant,
Die Panzerplatten am Throne,
Auch die sind allerhand.

Sein Speer ist dreizehnschüssig.
Im Fliegeroverall
Nährt er sein Schlachtroß flüssig
Mit Shell-Öl und Benzol.

Sprich: Bleibt der alte Kaiser
Dort bis zum Jüngsten Tag?
Nein! Ihn hält im Kyffhäuser
Nur der Versailler Vertrag.

Er schickt einen Hitlerknaben
Wohl aus, auf daß er merk,
Ob schon genügend Raben
Umkreisen seinen Berg.

Und sind genügend Raben
In Deutschland einst gebaut,
Steigt er aus seinem Grabe
Und bläst ins Hifthorn laut.

Wenn Barbaro-SA dann marschiert
Gen Ost oder zum Rhein,
Heiho und horrido, das wird
Ein Hakenkreuzzug sein!

 

Das Dachaulied

(Über dem Eingang zum KZ Dachau stand die Inschrift: »Arbeit macht frei«)

Stacheldraht, mit Tod geladen,
Ist um unsre Welt gespannt.
Drauf ein Himmel ohne Gnaden
Sendet Frost und Sonnenbrand.
Fern von uns sind alle Freuden,
Fern die Heimat und die Fraun,
Wenn wir stumm zur Arbeit schreiten,
Tausende im Morgengraun.

Doch wir haben die Losung von Dachau gelernt,
Und wir wurden stahlhart dabei.
Bleib ein Mensch, Kamerad,
Sei ein Mann, Kamerad,
Mach ganze Arbeit, pack an, Kamerad:
Denn Arbeit, denn Arbeit macht frei,
Denn Arbeit, denn Arbeit macht frei!

Vor der Mündung der Gewehre
Leben wir bei Tag und Nacht.
Leben wird uns hier zur Lehre,
Schwerer, als wir's je gedacht.
Keiner mehr zählt Tag und Wochen,
Mancher schon die Jahre nicht.
Und so viele sind zerbrochen
Und verloren ihr Gesicht.

Doch wir haben ...

Heb den Stein und zieh den Wagen,
Keine Last sei dir zu schwer.
Der du warst in fernen Tagen,
Bist du heut schon längst nicht mehr.
Stich den Spaten in die Erde,
Grab dein Mitleid tief hinein,
Und im eignen Schweiße werde
Selber du zu Stahl und Stein.

Denn wir haben ...

Einst wird die Sirene künden
Auf zum letzten Zählappell!
Draußen dann, wo wir uns finden,
Bist du, Kamerad, zur Stell.
Hell wird uns die Freiheit lachen,
Schaffen heißt's mit großem Mut.
Und die Arbeit, die wir machen,
Diese Arbeit, sie wird gut.

Denn wir haben ...

 

Sturmzeit!

Der Weg ist weit
Und fern die Rast,
Es pfeift die Zeit,
Vom Sturm erfaßt,
Dir gellend um die Ohren.
Ein Flügelschlag
Streift dir durchs Haar,
War das ein Tag?
War das ein Jahr?
Verflogen und verloren ...

Was du getan,
Geht über Bord,
Der Hurrikan
Reißt alles fort,
Er reißt dein Kleid in Fetzen.
Was rings geschieht,
Ist schnell verweht,
Du hörst das Lied,
Hörst das Gebet
Kaum im Vorüberhetzen.

Zum Himmel stieg
Ein Mutterschrei.
Das war ein Krieg,
Nun ist's vorbei.
Weh allen, die's erwähnen!
Im Tod verklingt
Ein »Ça ira!«,
Ein Stern versinkt,
Er schien so nah.
Nun regnet's bittre Tränen.

Das Sterben jagt
Dem Leben nach,
Ein Morgen tagt ...
Ein Mensch zerbrach ...
Es blühn und dorren Saaten,
Es treten ab
Und fallen hin
Ins Massengrab
Die Kompanien
Der ewigen Soldaten ...

Der Weg ist weit
Und fern die Rast,
Und Müdigkeit
Hat euch erfaßt.
Ihr wollt die Augen schließen.
Und dennoch schließt
Die Augen nicht!
Dem Sturme blickt
Ins Angesicht,
Denn ihr sollt alles wissen!

 

Lied des einfachen Menschen

Menschen sind wir einst vielleicht gewesen
Oder werden's eines Tages sein,
Wenn wir gründlich von all dem genesen.
Aber sind wir heute Menschen? Nein!

Wir sind der Name auf dem Reisepaß,
Wir sind das stumme Bild im Spiegelglas,
Wir sind das Echo eines Phrasenschwalls
Und Widerhall des toten Widerhalls.

Längst ist alle Menschlichkeit zertreten,
Wahren wir doch nicht den leeren Schein!
Wir, in unsern tief entmenschten Städten,
Sollen uns noch Menschen nennen? Nein!

Wir sind der Straßenstaub der großen Stadt,
Wir sind die Nummer im Katasterblatt,
Wir sind die Schlange vor dem Stempelamt
Und unsre eignen Schatten allesamt.

Soll der Mensch in uns sich einst befreien,
Gibt's dafür ein Mittel nur allein:
Stündlich fragen, ob wir Menschen seien?
Stündlich uns die Antwort geben: Nein!

Wir sind das schlecht entworfne Skizzenbild
Des Menschen, den es erst zu zeichnen gilt.
Ein armer Vorklang nur zum großen Lied.
Ihr nennt uns Menschen? Wartet noch damit!


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