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Fünfter Akt

Erste Szene

Bibliothekzimmer bei Josef von Obenaus. Josef von Obenaus und Diener treten auf.

Josef von Obenaus: Herr Stanley? – Und warum, glaubst du, sollte ich ihn empfangen wollen? Du musst doch wissen, dass er etwas haben will.

Diener: Herr, ich hätte ihn nicht hereingelassen, doch dieser Herr Kügele war mit ihm.

Josef von Obenaus: Pschah! Tölpel! Als ob ich jetzt in der Laune wäre, Besuche von armen Verwandten zu empfangen. Gut – warum führst du den Menschen nicht herauf?

Diener: Ich gehe, Herr. – Es war nicht mein Fehler, dass Herr Peter die Dame entdeckte.

Josef von Obenaus: Geh, du Narr! ( Diener ab.) Noch nie hat Fortuna einem Mann von meiner Verschlagenheit so übel mitgespielt! Mein Ansehen bei Herrn Peter, meine Hoffnungen bei Maria mit einem Schlag gestört! Gerade die richtige Stimmung, um anderer Leute Sorgen anzuhören Ich werde Stanley gegenüber nicht einmal ein wenig Wohlwollen aufbringen können. – So, da kommt er, und Kügele mit ihm. Ich muss doch versuchen, mich zu sammeln und ein wenig Mitleid in mein Gesicht zu bringen. ( Ab.)

(Herr Oliver von Obenaus und Kügele treten auf.)

Herr Oliver: Was! Er weicht uns aus? Das war er doch, nicht?

Kügele: Jawohl, Herr! Doch ich fürchte, Ihr seid zu unversehens gekommen. Seine Nerven sind so schwach, dass der Anblick eines armen Verwandten zu viel für ihn sein könnte. Ich hätte vorausgehen sollen, um ihn vorzubereiten.

Herr Oliver: Ach, zum Teufel mit seinen Nerven! Das ist also der Mann, dessen wohltätige Gesinnung Herr Peter so rühmt!

Kügele: Über seine Gesinnung wage ich nicht zu urteilen; denn, um gerecht zu sein, muss man sagen, dass er mindestens ebensoviel berechnete Wohltätigkeit zu haben scheint, wie irgendein anderer Edelmann im Königreich; wenn er auch selten sich so weit vergisst, sie auszuüben.

Herr Oliver: Dennoch führt er eine Menge mildherziger Sprüche im Munde.

Kügele: Ja, aber wirklich nur im Munde, Herr Oliver; denn mir scheint, sein oberster Grundsatz ist: »Wahre Wohltätigkeit beginnt bei sich selbst.«

Herr Oliver: Und seine Wohltätigkeit scheint mir von der Art, die sich nicht gerne unter Leute wagt.

Kügele: Ich fürchte, das werdet Ihr bestätigt finden – doch da kommt er. Ich will Euch nicht stören; und sobald Ihr weggegangen seid, komme ich also und kündige Eure Ankunft in Eurer wahren Gestalt an.

Herr Oliver: Abgemacht! Und nachher trefft Ihr mich bei Herrn Peter.

Kügele: Ohne Verzug! ( Ab.)

Herr Oliver: Sein Gesicht ist mir zu liebenswürdig.

(Josef von Obenaus tritt auf.)

Josef von Obenaus: Herr, ich bitte Euch tausendmal um Verzeihung, dass ich Euch warten liess – Herr Stanley, vermute ich?

Herr Oliver: Zu dienen.

Josef von Obenaus: Ich bitt' Euch, Herr, tut mir die Ehre und nehmt Platz – ich bitte darum, Herr!

Herr Oliver: Werter Herr – Ihr seid zu liebenswürdig. ( Beiseite.) Das ist er nämlich wirklich.

Josef von Obenaus: Ich habe nicht das Vergnügen, Euch zu kennen, Herr Stanley, doch ich bemerke mit aufrichtiger Freude, dass Ihr so wohl ausseht. Ihr wart meiner Mutter nahe verwandt, nicht wahr, Herr Stanley?

Herr Oliver: Jawohl, Herr. So nahe verwandt, dass meine gegenwärtige Armut ihre reichen Kinder in Misskredit bringen könnte, wie ich fürchte; sonst hätte ich es nie gewagt, Euch zu stören.

Josef von Obenaus: Werter Herr, es braucht keiner Entschuldigung. Wer in Bedrängnis ist, der hat ein Recht, auf seine Verwandtschaft mit Reichen zu pochen; ich wollte, ich wäre aus dieser Klasse und hätte es in der Hand, Euch einen, wenn auch nur schwachen Beistand anzubieten.

Herr Oliver: Wenn Euer Onkel, Herr Oliver, hier wäre, dann hätte ich einen Freund.

Josef von Obenaus: Ich wünsche von Herzen, er wäre hier! Es sollte Euch bei ihm nicht an einem Fürsprecher fehlen, glaubt mir, Herr.

Herr Oliver: Den würde ich nicht brauchen; meine Not würde für mich sprechen. Doch ich dachte, seine Güte hätte Euch instand gesetzt, an seiner Stelle wohltätig zu sein?

Josef von Obenaus: Mein lieber Herr, da seid Ihr arg im Irrtum. Herr Oliver ist ein äusserst würdiger Mann; doch Habsucht, Herr Stanley, ist das Laster des Alters. Lieber Herr, ich will Euch im Vertrauen sagen: Was er für mich getan hat, das war so gut wie nichts. Obwohl die Leute, wie ich weiss, anders darüber denken. Ich für meine Person habe diesen Gerüchten nie widersprochen.

Herr Oliver: Wie! Er hätte Euch nie Gold geschickt, gemünzt und ungemünzt?

Josef von Obenaus: Ach, mein lieber Herr, nichts derart – nein, nein! Ein paar kleine Geschenke ab und zu – chinesisches Porzellan, Schals, Kongotee, Spezereien und indische Früchte – kaum etwas sonst, glaubt mir.

Herr Oliver ( beiseite): Das ist die Dankbarkeit für zwölftausend Pfund! – Spezereien und indische Früchte!

Josef von Obenaus: Dann, mein werter Herr, habt Ihr zweifellos auch von der Verschwendungssucht meines Bruders gehört. Wenig Leute würden glauben, was ich für den unglücklichen jungen Menschen schon getan habe.

Herr Oliver ( beiseite): Ich einmal sicher nicht!

Josef von Obenaus: Die Summen, die ich ihm vorgestreckt habe! Ich habe wohl harten Tadel verdient; es war eine liebenswürdige Schwäche. Dennoch versuche ich nicht, sie zu entschuldigen, und heute empfinde ich es doppelt drückend, weil ich dadurch verhindert bin, Euch, Herr Stanley, zu dienen, was ich doch so gerne täte.

Herr Oliver ( beiseite): Heuchler! – ( Laut.) So könnt Ihr mir also nicht helfen, Herr?

Josef von Obenaus: Im Augenblicke nicht, zu meinem Bedauern! Sollte ich aber je dazu in der Lage sein, dann werdet Ihr von mir hören, verlasst Euch darauf.

Herr Oliver: Es tut mir unendlich leid –

Josef von Obenaus: Nicht mehr als mir, glaubt mir; Mitleid fühlen, ohne helfen zu können, ist noch schmerzlicher, als vergebens zu bitten.

Herr Oliver: Gütiger Herr; Euer ganz gehorsamer, ergebener Diener.

Josef von Obenaus: Ihr seht mich tief erschüttert, Herr Stanley – ( ruft den Diener): Wilhelm, öffne die Tür!

Herr Oliver: O bitte, Herr, keine Umstände!

Josef von Obenaus: Euer ganz gehorsamer –

Herr Oliver: Euer aufrichtig ergebener –

Josef von Obenaus: Verlasst Euch darauf, Ihr werdet von mir hören, wenn ich Euch dienen kann.

Herr Oliver: Ach, teurer Herr, Ihr seid zu gütig.

Josef von Obenaus: Inzwischen wünsche ich Euch Gesundheit und guten Mut.

Herr Oliver: Euer ewig dankbarer und demütiger Diener.

Josef von Obenaus: Der gleiche für Euch, Herr.

Herr Oliver ( beiseite): Karl, du bist mein Erbe. ( Ab.)

Josef von Obenaus: Das ist der Nachteil eines guten Rufs; er fordert die Unglücklichen dazu heraus, sich an einen zu wenden, und es bedarf keiner geringen Geschicklichkeit, sich den Ruf der Wohltätigkeit zu wahren, ohne die Auslagen auf sich zu nehmen. Das gediegene Erz reiner Mildherzigkeit ist ein kostspieliger Artikel in der Liste der guten Eigenschaften eines Menschen, während die sentimentale französische Plattierung, die ich statt dessen verwende, ebensogut aussieht und steuerfrei ist.

(Kügele tritt auf.)

Kügele: Herr von Obenaus, Euer Diener! Ich fürchte, Euch zu stören, obwohl die Angelegenheit, die mich zu Euch führt, keinen Aufschub leidet, wie dieser Brief beweisen wird.

Josef von Obenaus: Es freut mich immer, Herrn Kügele zu sehn. ( Liest den Brief.) Herr Oliver von Obenaus! Mein Onkel ist angekommen!

Kügele: So ist es. Ich habe ihn eben verlassen. Er ist wohlauf, hat eine gute Überfahrt gehabt und sehnt sich danach, seinen würdigen Neffen zu umarmen.

Josef von Obenaus: Ich bin erstaunt – ( ruft den Diener) Wilhelm, halte Herrn Stanley auf, wenn er noch nicht fort ist.

Kügele: Oh, der wird nicht mehr zu erreichen sein, denke ich.

Josef von Obenaus: Warum liesst Ihr mich das nicht wissen, als Ihr zusammen herkamt?

Kügele: Ich dachte, Ihr hättet eine Privatangelegenheit zu erledigen. Doch ich muss gleich weiter, um Euren Bruder zu benachrichtigen und ihn hierher zu bestellen, damit er Euren Onkel trifft. In einer Viertelstunde wird er bei Euch sein.

Josef von Obenaus: Das schreibt er mir. Ich bin überglücklich über sein Kommen. ( Beiseite.) Nie kam mir etwas so verdammt ungelegen.

Kügele: Ihr werdet entzückt darüber sein, wie wohl er aussieht.

Josef von Obenaus: Überglücklich, das zu hören. ( Beiseite.) Gerade jetzt!

Kügele: Ich will ihm sagen, wie ungeduldig Ihr ihn erwartet.

Josef von Obenaus: Tut das; bitte, sagt ihm viel Liebes und Herzliches von mir. Wirklich, ich kann die Gefühle nicht ausdrücken, die mich bewegen bei dem Gedanken, dass ich ihn sehen soll. ( Kügele ab.) Unleugbar – dass er gerade jetzt kommt, das ist wohl das höchste Pech!

Zweite Szene

Ein Zimmer im Hause des Herrn Peter von Fopp. Frau Heimtuck und Zofe treten auf.

Zofe: Wirklich, Madame, meine Gnädige will augenblicklich niemand sehen.

Frau Heimtuck: Hat Sie ihr gemeldet, dass ihre Freundin, Frau Heimtuck, sie zu sprechen wünscht?

Zofe: Jawohl, Madame. Doch sie bittet, Ihr möget sie entschuldigen.

Frau Heimtuck: Geh Sie noch einmal hinein! Ich möchte sie so gerne sehen, und sei es auch nur auf einen Augenblick; denn sie muss doch sicher sehr betrübt sein. ( Zofe ab.) Lieber Himmel, wie zuwider! Ich weiss kaum die Hälfte der Tatsachen! Die ganze Geschichte wird mit vollem Namen in der Zeitung stehen, bevor ich sie in einem Dutzend Häuser anbringen konnte.

(Herr von Spöttlich tritt auf.)

Oh, lieber Herr Benjamin, Ihr habt gehört, vermute ich –

Herr Benjamin: Von Frau von Fopp und Herrn von Obenaus –

Frau Heimtuck: Und Herrn Peters Entdeckung –

Herr Benjamin: Eine ganz unerhörte Geschichte, wirklich!

Frau Heimtuck: Nie in meinem Leben war ich so überrascht! Es tut mir so aufrichtig leid für alle Beteiligten.

Herr Benjamin: Ich bemitleide Herrn Peter gar nicht; er war so unglaublich für Herrn Josef eingenommen.

Frau Heimtuck: Herrn Josef – was! Frau von Fopp wurde doch mit Karl ertappt!

Herr Benjamin: Nein, nein! Ich sag's Euch, Herr Josef von Obenaus ist der Ritter.

Frau Heimtuck: Keine Rede! Karl ist es! Herr Josef hat Herrn Peter nur absichtlich hingebracht, um sie zu überraschen.

Herr Benjamin: Ich sage Euch, ich habe es von jemand –

Frau Heimtuck: Und ich habe es von jemand –

Herr Benjamin: Der es von jemand hatte, der –

Frau Heimtuck: Ich habe es direkt von jemand. Doch da kommt Frau von Böslich; vielleicht weiss sie die ganze Geschichte.

(Frau von Böslich tritt auf.)

Frau von Böslich: Meine liebe Frau Heimtuck, das ist ja sehr schlimm, diese Geschichte unserer Freundin Frau von Fopp.

Frau Heimtuck: Ja, meine Liebe, wer hätte es gedacht –

Frau von Böslich: Man kann eben dem Schein nicht trauen – obwohl sie mir wirklich immer zu lebhaft war.

Frau Heimtuck: In der Tat. Ihre Manieren waren etwas frei; doch sie war ja so jung!

Frau von Böslich: Auch hatte sie einige gute Eigenschaften.

Frau Heimtuck: Stimmt. Doch habt Ihr die Einzelheiten gehört?

Frau von Böslich: Nein, indessen – alle Welt sagt, dass Herr Josef von Obenaus –

Herr Benjamin: Aha, dahaben wir's! Ich sagte Euch, Herr Josef sei der Mann.

Frau Heimtuck: Nein, das Stelldichein war mit Karl.

Frau von Böslich: Mit Karl? Ihr erschreckt mich, Frau Heimtuck!

Frau Heimtuck: Doch, ja, er war der Liebhaber. Man muss gerecht sein: Herr Josef machte nur den Spion.

Herr Benjamin: Nun, ich will nicht mit Euch streiten, Frau Heimtuck. Doch sei dem wie ihm wolle, ich hoffe, dass Herrn Peters Wunde nicht –

Frau Heimtuck: Herrn Peters Wunde! Gnad' mir Gott! Ich hatte kein Wort von dem Zweikampf gehört.

Frau von Böslich: Auch ich nicht; keine Silbe!

Herr Benjamin: Nicht? Kein Wort von dem Duell?

Frau Heimtuck: Kein Wort!

Herr Benjamin: O doch, die schlugen sich, bevor sie das Zimmer verliessen.

Frau von Böslich: Bitte, lasst hören!

Frau Heimtuck: Ach ja, bitte, erzählt von dem Duell.

Herr Benjamin: »Herr,« sagte Herr Peter unmittelbar nach der Entdeckung, »Ihr seid ein ganz undankbarer Bursche« –

Frau Heimtuck: Aha! Zu Karl –

Herr Benjamin: Nein, nein! Zu Herrn Josef – »ein ganz undankbarer Bursche; und so alt ich bin,« sagte er, »ich bestehe darauf, dass Ihr mir auf dem Fleck Genugtuung gebt – «

Frau Heimtuck: Nein, es muss doch Karl sein, denn es ist doch ganz unwahrscheinlich, dass Herr Josef in seinem eigenen Hause sich schlagen würde.

Herr Benjamin: Bei Gott, Madame, durchaus nicht – »auf dem Fleck Genugtuung gebt« – daraufhin rannte Frau von Fopp, als sie Herrn Peter in solcher Gefahr sah, aus dem Zimmer und bekam hysterische Krämpfe. Karl stürzte ihr nach und rief nach Hirschhornsalz und Wasser. Dann schlugen sie sich auf Säbel –

(Holzapfel tritt auf.)

Holzapfel: Auf Pistolen, Neffe, auf Pistolen – ich hab's aus ganz sicherer Quelle.

Frau Heimtuck: Oh, Herr Holzapfel, dann ist also alles wahr?

Holzapfel: Gewiss, Madame! Und Herr Peter ist gefährlich verwundet –

Herr Benjamin: Durch einen Stich in der Sekonde durch die linke Seite.

Holzapfel: Durch einen Schuss in die Brust.

Frau Heimtuck: Gütiger Himmel! Armer Herr Peter!

Holzapfel: Jawohl, Madame. Obzwar Karl es womöglich gerne vermieden hätte.

Frau Heimtuck: Ich wusste es wohl, dass es Karl war.

Herr Benjamin: Mein Onkel weiss nichts davon, wie ich sehe.

Holzapfel: Doch, Herr Peter warf ihm den schwärzesten Undank vor –

Herr Benjamin: Das habe ich gesagt –

Holzapfel: O bitte, Neffe, lass mich sprechen. Und er bestand auf sofortiger –

Herr Benjamin: Ganz wie ich sagte –

Holzapfel: Zum Teufel, Neffe, erlaube doch anderen, auch etwas zu wissen! – Ein paar Pistolen lagen auf dem Schreibtisch – denn Herr von Obenaus war spät in der Nacht vorher von Salt Hill zurückgekommen, wo er mit einem Freunde gewesen war, der einen Sohn in Eton hat – und daher waren die Pistolen unglückseligerweise noch geladen.

Herr Benjamin: Davon habe ich nichts gehört.

Holzapfel: Herr Peter zwang Karl, eine zu nehmen, und wie es scheint, feuerten sie fast zu gleicher Zeit. Karls Schuss traf, wie gesagt, und Herr Peter fehlte. Ganz ausserordentlich aber ist es, dass die Kugel gegen eine kleine Bronzebüste von Shakespeare schlug, die auf dem Kamin stand, von da im rechten Winkel abprallte, zum Fenster hinausfuhr und den Postboten verwundete, der eben einen doppelten Brief von Northamptonshire brachte.

Herr Benjamin: Der Bericht meines Onkels enthält mehr Einzelheiten, was ich gestehe; aber doch ist der meinige wahr.

Frau von Böslich ( beiseite): Mir liegt an der Sache viel mehr als sie denken, und ich muss Genaueres erfahren. ( Ab.)

Herr Benjamin: Aha! Frau von Böslichs Aufregung ist leicht erklärlich.

Holzapfel: Ja gewiss, man sagt – doch das gehört wohl nicht hierher.

Frau Heimtuck: Doch bitte, wie geht es Herrn Peter augenblicklich?

Holzapfel: Oh, man hat ihn heimgebracht, und er ist nun hier im Hause, wenn auch die Dienstboten den Auftrag haben, ihn zu verleugnen.

Frau Heimtuck: Das glaube ich auch. Und Frau von Fopp pflegt ihn.

Holzapfel: Jawohl. – Und ich sah einen Herrn von der Fakultät eben vor mir ins Haus gehen.

Herr Benjamin: Hoho! Wer kommt da?

Holzapfel: Ja, das ist er – der Arzt, verlasst Euch darauf.

Frau Heimtuck: Gewiss muss es der Arzt sein. Und nun werden wir alles erfahren.

(Herr Oliver von Obenaus tritt auf.)

Holzapfel: Nun, Doktor, wie steht's?

Frau Heimtuck: Ja, Doktor, wie geht es unserm Patienten?

Herr Benjamin: Nun Doktor, stammt die Wunde nicht von einem Degenstich?

Holzapfel: Und ich wette hundert Pfund, es ist ein Schuss durch die Brust.

Herr Oliver: Doktor? Ein Degenstich? Ein Schuss durch die Brust? – Was zum Teufel, seid Ihr verrückt, Ihr guten Leute?

Herr Benjamin: Seid Ihr vielleicht kein Doktor, Herr?

Herr Oliver: Wenn ich's bin, dann habe ich meinen Grad Euch zu danken.

Holzapfel: Nur ein Freund von Herrn Peter also? Doch, Herr, Ihr müsst von seinem Unfall ja gehört haben.

Herr Oliver: Nicht ein Wort!

Holzapfel: Ihr wisst nicht, dass er schwer verwundet ist?

Herr Oliver: Den Teufel ist er!

Herr Benjamin: Durch und durch gerannt –

Holzapfel: Durch die Brust geschossen –

Herr Benjamin: Von einem der beiden Obenaus.

Holzapfel: Jawohl, vom Jüngern.

Herr Oliver: He, was zur Pest! Eure Berichte gehn scheint's merkwürdig auseinander. Immerhin seid Ihr einig darüber, dass Herr Peter schwer verwundet ist.

Herr Benjamin: Gewiss, darüber sind wir einig.

Holzapfel: Jawohl, darüber ist kein Zweifel möglich.

Herr Oliver: Dann – mein Wort darauf – ist er für einen Menschen in solcher Lage reichlich unvernünftig; denn hier kommt er, als ob gar nichts geschehen wäre.

( Herr von Fopp tritt auf.)

Herr Oliver: Bei Gott, Herr Peter, Ihr kommt zur rechten Zeit, denn wir hatten Euch eben aufgegeben.

Herr Benjamin ( beiseite zu Holzapfel): Das nenne ich eine plötzliche Genesung, Onkel.

Herr Oliver: Mensch! Was tut Ihr nun ausser Bett mit einem Degenstich im Leib und einem Schuss durch die Brust?

Herr Peter: Ein Degenstich und ein Schuss?

Herr Oliver: Jawohl. Diese Herren hier wollten Euch ohne Gesetz zum Tode bringen und mich sogar zum Doktor und Helfershelfer machen.

Herr Peter: Was soll das alles?

Herr Benjamin: Es freut uns, Herr Peter, dass die Geschichte von dem Zweikampf nicht wahr ist, und über Euer übriges Missgeschick sind wir aufrichtig betrübt.

Herr Peter ( beiseite): So, so, die ganze Stadt weiss schon davon.

Holzapfel: Obgleich es ein schwerer Fehler von Euch war, Herr Peter, in Euern Jahren noch zu heiraten.

Herr Peter: Herr, was kümmert Euch das?

Frau Heimtuck: Obzwar Herr Peter, da er doch ein so guter Ehemann war, auch wieder innig zu bemitleiden ist.

Herr Peter: Hol der Teufel Euer Mitleid, Madame, ich brauche es nicht.

Herr Benjamin: Wie immer – das Lachen und die Spässe, denen Ihr gelegentlich begegnen werdet, die sollen Euch nicht kümmern, Herr Peter.

Herr Peter: Mein Herr, ich wünsche Herr in meinem eigenen Hause zu sein.

Holzapfel: Es ist kein ungewöhnlicher Fall, das ist ein Trost.

Herr Peter: Ich wünsche allein zu sein! Ganz ohne Förmlichkeit: ich bestehe darauf, dass Sie alle mein Haus sofort verlassen.

Frau Heimtuck: Gut, gut. Wir gehen schon, und verlasst Euch darauf, wir wollen so günstig darüber sprechen wie nur möglich. ( Ab.)

Herr Peter: Verlasst mein Haus!

Holzapfel: Und erzählen, wie schlimm es Euch ergangen ist. ( Ab.)

Herr Peter: Verlasst mein Haus!

Herr Benjamin: Und wie geduldig Ihr es tragt. ( Ab.)

Herr Peter: Feinde, Vipern, Furien! Oh, dass sie an ihrem eigenen Gift ersticken wollten!

Herr Oliver: Sie sind in der Tat unerträglich.

( Kügele tritt auf.)

Kügele: Ich hörte heftige Worte, habt Ihr Euch geärgert, Herr?

Herr Peter: Pschah! Unnötige Frage! Wann hätte ich einen Tag ohne meinen Ärger!

Kügele: Nun, ich bin nicht neugierig.

Herr Oliver: Hört, Herr Peter, ich bin also in der verabredeten Rolle bei meinen beiden Neffen gewesen.

Herr Peter: Ein prächtiges Paar, diese beiden!

Kügele: Ja, und Herr Oliver ist überzeugt, dass Euer Urteil richtig war, Herr Peter.

Herr Oliver: Ja, wenn man es recht betrachtet, ist Josef wirklich ein Ehrenmann.

Kügele: Und – wie Herr Peter sagt, er ist ein Mann von Empfindung.

Herr Oliver: Und lebt streng nach den Grundsätzen, zu denen er sich bekennt.

Kügele: Es ist eine Erbauung, ihn reden zu hören.

Herr Oliver: Oh, er ist ein Muster für andere junge Leute! Doch wie, Herr Peter, Ihr stimmt ja gar nicht ein in das Lob Eures Freundes Josef?

Herr Peter: Herr Oliver, wir leben in einer verdammt bösen Welt, und je weniger wir loben, desto besser.

Kügele: Wie, Herr Peter, Ihr sprecht so, der Ihr Euch nie in Eurem Leben getäuscht habt.

Herr Peter: Pschah! Hol Euch beide der Teufel! Ich merke ja an Eurem Gespött, dass Ihr die ganze Geschichte gehört habt; Ihr werdet mich noch verrückt machen.

Kügele: Dann, Herr Peter, wollen wir Euch nicht länger aufziehen. Wir wissen nämlich wirklich alles. Ich traf Frau von Fopp, als sie von Herrn von Obenaus kam, und sie war so gedemütigt, dass sie sich zu der Bitte herabliess, ich möchte bei Euch ihr Fürsprecher sein.

Herr Peter: Weiss Herr Oliver das alles?

Herr Oliver: Bis ins kleinste.

Herr Peter: Was! Auch von der Tapetentür und dem Schirm, ja?

Herr Oliver: Ja, ja. Und auch von der französischen Putzmacherin. Oh, ich hab' mich königlich unterhalten über die Geschichte. Ha, ha, ha!

Herr Peter: Es war sehr komisch!

Herr Oliver: Nie in meinem Leben habe ich so gelacht, ich versichere Euch. Ha, ha, ha!

Herr Peter: Oh, es ist unerhört lustig. Ha, ha, ha!

Kügele: Gewiss! Josef mit seinen Sentenzen! Ha, ha, ha!

Herr Peter: Ja, seine Sentenzen! Ha, ha, ha! Verlogener Schuft.

Herr Oliver: Ja, und der Racker, der Karl! Zieht den Herrn Peter aus der Tapetentür heraus. Ha, ha, ha!

Herr Peter: Ha, ha! Es war höllisch unterhaltlich, gewiss!

Herr Oliver: Ha, ha, ha! Bei Gott, Herr Peter, ich hätte gern Euer Gesicht gesehn, als der Schirm umgerissen wurde. Ha, ha!

Herr Peter: Ja, mein Gesicht, als der Schirm umgerissen wurde. Ha, ha, ha! Oh, ich darf mich nicht mehr zeigen.

Herr Oliver: Nun kommt, kommt, es ist nicht nett, Euch auszulachen, mein alter Freund. Ich kann mir nur nicht helfen, meiner Seel!

Herr Peter: Ach bitte, haltet deswegen Eure Heiterkeit nicht zurück, es verletzt mich gar nicht. Ich lache selbst über die ganze Geschichte. O ja, ich finde, es ist eine ungemein angenehme Lage, wenn man allen seinen Bekannten zum Gespött dient. Ja, und dann wie lustig – eines Morgens die Zeitungsartikel zu lesen über Herrn Oliver, Frau von Fopp und Herrn Peter von Fopp …

Kügele: Ganz aufrichtig gesagt, Herr Peter, das Lachen der Narren kann Euch gleichgültig sein, aber ich sehe Frau von Fopp im Nebenzimmer. Ihr müsst doch sicher eine Versöhnung ebenso ernstlich wünschen wie sie.

Herr Oliver: Vielleicht hält meine Gegenwart sie ab, zu Euch zu kommen. Da will ich den biedern Kügele als Mittler zwischen euch dalassen; doch er muss euch alle dann zu Herrn Josef bringen. Ich kehre nun dahin zurück, um die Heuchelei zu entlarven, wenn ich den Kerl schon nicht bekehren kann.

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Nie in meinem Leben habe ich so gelacht. Akt 5. Sz. 2.

Herr Peter: Ich will leidenschaftlich gerne dabei sein, wenn Ihr Euch dort zu erkennen gebt, obzwar es ein recht unglücklicher Ort für Enthüllungen ist.

Kügele: Wir kommen nach.

( Herr Oliver ab.)

Herr Peter: Sie kommt nicht herein, seht Ihr, Kügele!

Kugele: Ja, aber sie hat die Türe des Zimmers offen gelassen. Seht doch, sie weint!

Herr Peter: Ich glaube, dass eine kleine Erniedrigung einer Frau sehr gut tut. Meint Ihr nicht, es würde nichts schaden, wenn wir sie ein wenig in ihrem Jammer lassen?

Kügele: Das ist nicht grossmütig von Euch!

Herr Peter: Ich weiss nicht, was ich denken soll. Erinnert Ihr Euch noch an den Brief von ihr, den ich fand und der zweifellos an Karl gerichtet war?

Kügele: Eine grobe Fälschung, Herr Peter! Absichtlich für Euch hingelegt. Das ist einer der Punkte, über die Natter Euch aufklären soll.

Herr Peter: Ich wollte, ich könnte einmal ruhig sein darüber. Sie sieht her! Was für unglaublich feine Kopfbewegungen sie doch hat! Kügele, ich will zu ihr gehen.

Kügele: Gewiss.

Herr Peter: Obwohl die Leute, wenn sie hören, dass wir uns versöhnt haben, noch zehnmal mehr lachen werden.

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»Seht doch, sie weint.«

Kügele: Lasst sie lachen und begegnet ihrer Bosheit nur damit, dass Ihr ihnen zeigt, dass Ihr trotzdem glücklich seid.

Herr Peter: Bei Gott, ja! Das will ich! Und wenn's nach mir geht, dann wollen wir das glücklichste Paar im Lande sein.

Kügele: Recht so, Herr Peter! Wer einmal das Misstrauen unterdrückt hat –

Herr Peter: Halt, Meister Kügele! Wenn Ihr mich ein wenig schätzt, dann lasst mich nie wieder etwas wie eine Sentenz hören. Ich habe für den Rest meines Lebens genug davon! ( Beide ab.)

Dritte Szene

Die Bibliothek im Hause des Herrn Josef von Obenaus. Josef von Obenaus und Frau von Böslich treten auf.

Frau von Böslich: Unmöglich! Herr Peter will sich also mit Karl sofort aussöhnen und sich demnach auch seiner Verbindung mit Maria nicht länger widersetzen? Der Gedanke macht mich rasend!

Josef von Obenaus: Kann Eure Leidenschaft daran etwas ändern?

Frau von Böslich: Nein, auch die Ränke nicht. Oh, ich war eine Närrin, eine Törin! Mich mit einem solchen Tölpel einzulassen.

Josef von Obenaus: Frau von Böslich, ich bin doch gewiss am härtesten getroffen. Und doch seht Ihr, dass ich das Unglück in Ruhe trage.

Frau von Böslich: Weil die Enttäuschung Euch nicht bis zum Herzen geht. An Maria band Euch nur eine Berechnung. Hättet Ihr für sie gefühlt, was ich für jenen undankbaren Tollkopf fühlte, dann sollten Euch weder Eure Ruhe noch Eure Heuchelei davor schützen können, offen zu zeigen, wie heftig enttäuscht Ihr seid.

Josef von Obenaus: Womit aber sollte ich Eure Vorwürfe darüber verdient haben?

Frau von Böslich: Seid Ihr nicht die Ursache? Genügt es Eurer Schurkerei nicht, Herrn Peter zu betrügen, Euren Bruder auszustechen? Musstet Ihr noch versuchen, sein Weib zu verführen? Ich hasse diese verbrecherische Habgier, sie ist durchaus verwerflich und geht niemals gut aus.

Josef von Obenaus: Nun gut, ich gebe zu, ich war zu tadeln. Ich gestehe, ich bin vom graden Wege des Bösen abgewichen – doch wir sind noch nicht so völlig geschlagen, scheint mir.

Frau von Böslich: Nicht?

Josef von Obenaus: Ihr sagt, dass Ihr seither Natter ausgehorcht und die Überzeugung gewonnen habt, dass er uns noch treu ergeben ist.

Frau von Böslich: Das glaube ich.

Josef von Obenaus: Und dass er sich bereit erklärt hat, im Notfalle eidlich zu beweisen, dass Karl heute durch Ehre und Gelübde an Euer Gnaden gebunden ist, was durch einige seiner früheren Briefe an Euch zu beweisen sein wird.

Frau von Böslich: Das wäre allerdings noch eine Möglichkeit!

Josef von Obenaus: Kommt, noch ist es nicht zu spät. ( Es klopft.) Doch hört! Das ist wahrscheinlich mein Onkel, Herr Oliver; geht ins Nebenzimmer, wir wollen weiter beraten, wenn er fort ist.

Frau von Böslich: Wenn er Euch aber auch durchschauen sollte?

Josef von Obenaus: O keine Angst deswegen! Herr Peter wird im eigensten Interesse den Mund halten – und Herrn Olivers schwache Seite will ich bald heraushaben, verlasst Euch drauf.

Frau von Böslich: Zu Eurer Geschicklichkeit hätte ich wohl Zutrauen, wenn Ihr Euch nur auf eine Schurkerei zur Zeit beschränken wolltet.

Josef von Obenaus: Ich will, ich will!

( Frau von Böslich ab.)

Es ist verdammt hart, wenn zu allem Unglück noch die eigene Verbündete über einen herfällt. Jedenfalls ist aber mein Ruf so viel besser als der Karls, dass ich unbedingt – Hoho! Was? Das ist nicht Herr Oliver – sondern der alte Stanley! Zur Pest! Muss er gerade jetzt kommen und mich belästigen? Herr Oliver wird ihn hier vorfinden und –

( Herr Oliver von Obenaus tritt auf.)

Zum Henker, Herr Stanley, warum kommt Ihr gerade jetzt zurück und belästigt mich? Ich kann Euch jetzt nicht brauchen, meiner Treu –

Herr Oliver: Herr, ich höre, dass Euer Onkel Oliver hier erwartet wird, und wenn er Euch gegenüber so geizig war, so will ich doch versuchen, was er für mich tun will.

Josef von Obenaus: Ihr könnt jetzt unmöglich hierbleiben, und ich bitte also, kommt irgendein andermal, ich verspreche Euch, ich werde Euch helfen.

Herr Oliver: Nein, Herr, ich muss Herrn Oliver kennen lernen!

Josef von Obenaus: Zum Donnerwetter, dann bestehe ich darauf, dass Ihr das Zimmer sofort verlasst.

Herr Oliver: Nein, Herr –

Josef von Obenaus: Herr, ich bestehe darauf – He da! Wilhelm! Führe den Herrn hinaus! Da Ihr mich dazu zwingt – nicht einen Augenblick – eine unerhörte Frechheit! ( Will ihn hinausdrängen.)

( Karl von Obenaus tritt auf.)

Karl von Obenaus: Holla! Was ist nun wieder los? Hast du meinen kleinen Makler festgekriegt? Donnerwetter, Bruder, tu dem Gevatter Premium nichts! – Was gibt's denn, Alterchen?

Josef von Obenaus: Er war also auch bei dir?

Karl von Obenaus: Gewiss war er das! Er ist der ehrlichste – aber Josef, Du hast Dir doch wohl nicht auch Geld ausgeborgt, oder –?

Josef von Obenaus: Ausgeborgt? Nein! Aber Bruder, Du weisst doch, wir erwarten hier jeden Augenblick Herrn Oliver –

Karl von Obenaus: Bei Gott, 's ist wahr! Noll darf den Makler nicht finden.

Josef von Obenaus: Und doch will Herr Stanley unbedingt –

Karl von Obenaus: Was, Stanley? Premium heisst er.

Josef von Obenaus: Nein, Stanley.

Karl von Obenaus: Nein, nein! Premium!

Josef von Obenaus: Nun, einerlei! Aber –

Karl von Obenaus: Ja gewiss, Stanley oder Premium – es ist ganz gleich; denn ich glaube, er hat ein halbes Hundert Namen, ausser der Chiffer A. B. im Kaffeehaus. ( Es klopft.)

Josef von Obenaus: Zum Teufel! Da ist Herr Oliver am Tor! Nun bitte ich aber, Herr Stanley –

Karl von Obenaus: Ja, und ich bitte auch, Herr Premium –

Herr Oliver: Meine Herren –

Josef von Obenaus: Herr – Ihr sollt, beim Himmel, gehen –

Karl von Obenaus: Gewiss ja! Hinaus mit ihm!

Herr Oliver: Das ist Gewalt!

Josef von Obenaus: Eure eigene Schuld, Herr.

Karl von Obenaus: Los! Hinaus mit ihm!

( Beide werfen Herrn Oliver hinaus.)

( Herr Peter von Fopp, Frau von Fopp, Maria und Kügele treten auf.)

Herr Peter: Mein alter Freund, Herr Oliver! Hoho! Was, zum Teufel, das sind saubere Neffen! Überfallen ihren Onkel bei seinem ersten Besuch!

Frau von Fopp: Wirklich, Herr Oliver, es ist nur gut, dass wir kamen, um Euch zu retten.

Kügele: In der Tat. Ich sehe, Herr Oliver, dass Euch die Rolle des alten Stanley nicht schützen konnte.

Herr Oliver: Auch die von Premium nicht. Die Bedrängnis des ersteren konnte diesen wohltätigen Herrn nicht bestimmen, mir auch nur einen Schilling zu geben; und sein würdiger Bruder wäre mit mir in meiner zweiten Rolle fast noch übler umgesprungen als mit seinen Ahnen; er wollte schon zuschlagen, ohne dass jemand geboten hätte.

Josef von Obenaus: Karl –

Karl von Obenaus: Josef –

Josef von Obenaus: Jetzt ist's aus!

Karl von Obenaus: Ja!

Herr Oliver: Herr Peter, mein Freund, und Ihr, Kügele, seht Euch da meinen älteren Neffen an! Ihr wisst, was er meiner Güte schon alles verdankt. Und Ihr wisst alle auch, wie gerne ich ihm die Hälfte meines Vermögens zugedacht hätte. Nun stellt Euch meinen Schmerz vor, als ich entdecken musste, dass ihm Wahrheitsliebe, Barmherzigkeit und Dankbarkeit in gleicher Weise fremd sind.

Herr Peter: Herr Oliver, diese Erklärung hätte mich mehr überrascht, wenn ich nicht selbst schon eingesehen hätte, dass er ein niedriger Verräter und Heuchler ist.

Frau von Fopp: Und wenn dem Herrn das nicht genügt, dann ruft bitte mich zum Zeugen über ihn an.

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Gewiss, ja! Hinaus mit ihm! Akt 5. Sz. 3.

Herr Peter: Mehr braucht es nicht, glaube ich. Wenn er selbst sich kennt, dann wird er es wohl als die bitterste Strafe empfinden, dass auch die Welt ihn kennt.

Karl von Obenaus ( beiseite): Wenn sie so zur Makellosigkeit sprechen, was werden sie erst zu mir sagen?

Herr Oliver: Was nun diesen Verschwender, seinen Bruder, angeht –

Karl von Obenaus ( beiseite): O weh! Jetzt komme ich dran! Die verdammten Ahnenbilder brechen mir den Hals.

Josef von Obenaus: Herr Oliver – Onkel! Wollt Ihr mir gütigst Gehör schenken?

Karl von Obenaus ( beiseite): Wenn nur Josef einen seiner langen Sprüche loslassen wollte, dann könnte ich mich ein wenig sammeln.

Herr Oliver: Mir scheint, du willst dich gar rechtfertigen?

Josef von Obenaus: Ich hoffe, dazu imstande zu sein.

Herr Oliver ( zu Karl): Nun, und du könntest dich auch rechtfertigen, denke ich?

Karl von Obenaus: Ich wüsste nicht wie, Herr Oliver.

Herr Oliver: Wie! Gevatter Premium hat zu tief in die Karten geguckt, was?

Karl von Obenaus: Ja, aber das waren Familiengeheimnisse, die besser begraben blieben.

Kügele: Kommt, Herr Oliver, ich weiss ja doch, dass Ihr über Karls Tollheiten nicht ernstlich böse sein könnt.

Herr Oliver: Bei Gott – es geht wirklich nicht; ich bringe nicht einmal die Würde auf. Wisst Ihr, Herr Peter, dass der Racker mir alle seine Ahnen verhandelt hat? – Verkaufte Richter und Generale nach der Elle und ledige Tanten billig wie zerbrochenes Porzellan.

Karl von Obenaus: Gewiss, Herr Oliver, das mit den Ahnenbildern war ein böser Streich, und meine Vorfahren könnten rächend gegen mich aufstehen. Doch glaubt mir, wenn ich Euch aufrichtig sage – und bei meiner Seele, ich wollte es nicht sagen, wenn's nicht so wäre – dass mich die Ausbreitung aller meiner Torheiten nur deswegen nicht erdrückt, weil es mich so aufrichtig freut, Euch, meinen grossmütigen Gönner, vor mir zu sehn.

Herr Oliver: Karl, ich glaube dir! Gib mir noch einmal deine Hand. Der hässliche kleine Bursch über dem Kanapee hat dich gerettet.

Karl von Obenaus: Dann bin ich dem Original noch dankbarer.

Frau von Fopp: Und doch, glaube ich, Herr Oliver, dass hier jemand ist, mit dem sich Karl noch lieber aussöhnen Würde. ( Zeigt auf Maria.)

Herr Oliver: Oh, ich habe davon gehört, dass er da festhängt. Und wenn die junge Dame mir verzeihen will – dies Erröten scheint mir –

Herr Peter: Nun, Kind, so sprich doch!

Maria: Herr, ich habe wenig zu sagen, nur, dass es mich freuen wird, zu hören, dass er glücklich ist. Auf die Ansprüche, die ich vielleicht auf seine Neigung hatte, will ich gerne verzichten – zugunsten einer anderen, die ein besseres Recht darauf hat.

Karl von Obenaus: Wie denn, Maria?

Herr Peter: Hoho, was ist das wieder für ein Rätsel? Während er noch als unverbesserlicher Lump galt, da wolltest du nur ihm deine Hand geben, und nun, da es ganz so aussieht, als ob er sich bessern wollte, nun willst du ihn nicht haben, möcht' ich wetten?

Maria: Sein eigenes Herz und Frau von Böslich kennen den Grund dafür.

Karl von Obenaus: Frau von Böslich?

Josef von Obenaus: Bruder, es tut mir sehr leid, dass ich nicht schweigen kann; doch meine Gerechtigkeitsliebe verbietet es mir, und die Unbill, die Frau von Böslich erlitten hat, kann nicht länger verheimlicht werden. ( Öffnet die Tür.)

( Frau von Böslich tritt ein.)

Herr Peter: So – noch eine französische Putzmacherin. Er hat, weiss Gott, in jedem Zimmer eine!

Frau von Böslich: Karl, du Undankbarer! Nun magst du wohl überrascht sein durch die peinliche Lage, in die deine Treulosigkeit mich gebracht hat.

Karl von Obenaus: Onkel, bitte sagt – ist das wieder ein Trick von Euch, denn – bei Gott, ich verstehe nichts davon.

Josef von Obenaus: Ich glaube, Herr, dass nunmehr das Zeugnis noch einer Person notwendig ist, um alles ganz klar zu machen.

Herr Peter: Und diese eine Person ist – Herr Natter, denke ich mir? Kügele, Ihr hattet sehr recht, ihn gleich mitzubringen; bitte, ruft ihn doch herein!

Kügele: Tretet ein, Herr Natter!

( Natter tritt auf.)

Ich dachte mir wohl, dass er als Zeuge gebraucht werden könnte. Es ist nur ein Pech, dass er gegen Frau von Böslich aussagen wird und nicht für sie.

Frau von Böslich: Oh, Schuft! So hat er mich doch noch verraten! Red Er, Bursche! Hat Er sich auch gegen mich verschworen?

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Josef von Obenaus öffnet die Tür – Frau von Böslich tritt ein.

Natter: Ich bitte Euer Gnaden vieltausendmal um Vergebung. Euer Gnaden haben mir die Lüge, um die es sich handelt, gewiss sehr reichlich bezahlt, nur hat man mir unglücklicherweise das Doppelte geboten, wenn ich die Wahrheit spräche.

Frau von Böslich: All die Qualen der Beschämung und Enttäuschung über Euch alle. ( Will gehen.)

Frau von Fopp: Halt, Frau von Böslich! Bevor Ihr geht, lasst Euch noch für die Mühe danken, die Ihr und diese Herrn hier sich gemacht haben, indem Ihr Briefe von mir an Karl schriebt und sie selbst beantwortetet. Und ich möchte Euch auch gleich bitten, der Lästergemeinde, deren Haupt Ihr seid, meine Ergebenheit zu vermelden und ihr mitzuteilen, dass Frau von Fopp, Lizentiatin, den Grad ablegt, da sie die Praxis aufgibt und nicht länger den Ruf von Leuten umbringen will.

Frau von Böslich: Auch Ihr, Madame, fordert mich so frech heraus? Mag Euer Gatte noch fünfzig Jahre leben! ( Ab.)

Herr Peter: Oho! Welche Wut!

Frau von Fopp: Ein boshaftes Geschöpf, wirklich!

Herr Peter: Wie – doch nicht wegen ihres letzten Wunsches?

Frau von Fopp: O nein!

Herr Oliver: Nun, Josef – und was sagst du jetzt?

Josef von Obenaus: Herr, ich bin so völlig verblüfft davon, dass Frau von Böslich es unternommen haben sollte, Natter dazu anzustiften, uns alle zu hintergehen – dass ich nicht weiss, was ich sagen soll. Dennoch ist es sicher besser, wenn ich ihr gleich nachgehe, da sie sonst – rachsüchtig wie sie ist – meinem Bruder etwas Übles antun könnte. ( Ab.)

Herr Peter: Moralisch bis zuletzt!

Herr Oliver: Ja – und heirate sie, Josef, wenn es geht. Essig und Öl – bei Gott, Ihr passt gut zusammen.

Kügele: Ich denke mir, dass wir Herrn Natter jetzt nicht weiter brauchen werden.

Natter: Bevor ich gehe, möchte ich noch ein für allemal um Verzeihung bitten für alle Unannehmlichkeiten, die ich den verehrten Anwesenden zu verursachen das Unglück hatte.

Herr Peter: Schon recht. Er hat es durch eine gute Tat zuletzt wieder ausgeglichen.

Natter: Doch muss ich die Herrschaften darum bitten, dass es nicht bekannt wird.

Herr Peter: Hoho, was, zur Pest? Schämt Er sich, dass Er einmal im Leben anständig war?

Natter: Ach, Herr, bedenkt, ich lebe von meinem schlechten Ruf, und wenn es bekannt würde, dass ich mich einmal zu einer guten Handlung habe verführen lassen, dann würde mich das alle Freunde kosten, die ich in der Welt habe.

Herr Oliver: Schon gut, wir wollen Ihn nicht verraten, indem wir auch nur ein Wort zu Seinem Lobe sagen. Fürchte Er sich nicht. ( Natter ab.)

Herr Peter: Ein kostbarer Schuft das!

Frau von Fopp: Seht Ihr, Herr Oliver, nun braucht's keine Überredung mehr, um Euren Neffen mit Maria auszusöhnen.

Herr Oliver: Dann ist ja alles in schönster Ordnung, und wir wollen morgen die Verlobung feiern.

Karl von Obenaus: Dank Euch, lieber Onkel!

Herr Peter: Was, du Schelm, fragst du nicht erst das Mädchen um ihre Einwilligung?

Karl von Obenaus: Oh, das habe ich längst getan, vor einer Minute, und sie hat mit den Augen ja gesagt.

Maria: Schäm dich, Karl! Herr Peter, ich protestiere – kein Wort –

Herr Oliver: Je weniger, desto besser. Mag Eure Liebe nie Beteuerungen brauchen.

Herr Peter: Und mögt Ihr so glücklich zusammen leben, wie Frau von Fopp und ich es nun tun wollen.

Karl von Obenaus: Kügele, mein alter Freund, ich weiss, Ihr gönnt mir mein Glück, und ich vermute, dass ich Euch viel verdanke.

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Der Lästergemeinde meine Ergebenheit. Akt 5. Sz. 3.

Herr Oliver: Da hast du recht, Karl.

Kügele: Wären meine Versuche, Euch zu dienen, erfolglos geblieben, dann hättet Ihr mir für den Versuch dankbar sein müssen. Doch nun – zeigt Euch Eures Glückes würdig, und ich bin überreich belohnt!

Herr Peter: Ja, der biedere Kügele hat immer gesagt, dass Ihr Euch bessern würdet.

Karl von Obenaus: Nun, Herr Peter, wegen der Besserung will ich nichts versprechen; und dass ich gar ein Muster würde, will ich dahingestellt sein lassen. Doch hier mag meine Mahnerin meine liebe Führerin sein. Ach! Könnte ich vom rechten Wege abweichen, wenn diese Augen ihn erleuchten?

Ihr Holde, die der Schönheit Szepter schwingt
Und mich so leicht in ihre Dienste zwingt,
Der ich dem Reich des Übermuts entronnen:
Ihr und die Liebe, ihr seid meine Sonnen.

(Zum Publikum.)

Lasst die Besorgnis fürderhin zu Haus:
Wenn ihr nur lobt, stirbt selbst das Lästern aus.


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