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Dritter Akt

Erste Szene

Ein Zimmer im Hause des Herrn Peter von Fopp. Es treten auf Herr Peter von Fopp, Herr Oliver von Obenaus und Kügele.

Herr Peter: Gut also. Wir wollen zuerst den Kerl anhören und dann unsern Wein trinken. Aber wie denkt Ihr Euch das andere, Meister Kügele? Mir ist Eure Idee nicht ganz klar.

Kügele: Seht, Herr! Dieser Stanley, von dem ich sprach, ist mit den beiden jungen Herren von Mutters Seite nahe verwandt. Er war früher Kaufmann in Dublin, hat aber infolge einer Reihe unverdienter Unglücksfälle bankrott gemacht. Nach seiner Verhaftung hat er sich brieflich an beide gewandt, an Herrn von Obenaus und Karl. Von dem einen hat er nichts erhalten als vage Versprechungen künftiger Hilfeleistung; Karl aber hat alles getan, was ihm bei seiner eigenen schlimmen Lage möglich war, und eben jetzt bemüht er sich, eine Geldsumme aufzunehmen, die er trotz seiner Bedrängnis zum Teil dem armen Stanley zuzuwenden gedenkt, wie ich weiss.

Herr Oliver: Ah, er ist doch meines Bruders Sohn!

Herr Peter: Ja, aber wie soll Herr Oliver persönlich –?

Kügele: Nun, ich will Karl und seinen Bruder benachrichtigen, dass Stanley die Erlaubnis erhalten hat, seine Freunde persönlich aufzusuchen; und da keiner von beiden ihn je gesehen hat, so mag Herr Oliver seine Rolle spielen und wird dabei die beste Gelegenheit haben, sich über die Gutherzigkeit der beiden ein Urteil zu bilden. Und glaubt mir, Herr, in dem jüngeren Bruder werdet Ihr einen finden, auf den, trotz seiner tollen Verschwendungssucht, das Wort unseres unsterblichen Dichters passt:

Ein Herz voll Mitleid und die Hand
bereit zum Geben wie der junge Tag.

Herr Peter: Pschah! Was nützt ihm die offene Hand und die offene Börse, wenn er nichts mehr zu geben übrig hat? – Gut, gut, macht die Probe, wenn Ihr wollt. Aber wo ist der Kerl, den Ihr bestellt habt, damit Herr Oliver ihn über Karls Lage befragt?

Kügele: Er ist unten und wartet auf Befehle. Niemand könnte bessere Auskunft geben. – Herr Oliver, es ist ein freundlicher Jude, der wirklich alles getan hat, um Euren Neffen zur Besinnung zu bringen.

Herr Peter: Lasst ihn kommen.

Kügele ( ruft dem Diener): Führ Moses herauf.

Herr Peter: Jetzt bitte sagt mir, warum, glaubt Ihr, sollte er die Wahrheit sagen?

Kügele: Oh, ich habe ihn davon überzeugt, dass er die Summen, die er Karl vorgestreckt hat, nur durch Herrn Olivers Güte zurückerhalten kann, und so mögt Ihr Euch darauf verlassen, dass er im eigensten Interesse nicht lügen wird. Dann habe ich noch einen andern Zeugen in Bereitschaft, einen gewissen Natter, den ich in einer Sache erwischt habe, die nahe an Fälschung grenzt. Ich werde ihn bald vorführen, um Euch, Herr Peter, Euren Verdacht über die Beziehungen zwischen Karl und Frau von Fopp zu nehmen – zum Teil wenigstens.

Herr Peter: Darüber habe ich schon zu viel gehört!

Kügele: Da kommt der biedere Jude. ( Moses tritt auf.) Dies ist Herr Oliver.

Herr Oliver: Moses, ich höre, Er hat in letzter Zeit mit meinem Neffen Karl geschäftlich viel zu tun gehabt.

Moses: Jawohl, Herr! Ich habe für ihn getan, was ich konnte; doch er war schon ruiniert, als er sich an mich um Hilfe wandte.

Herr Oliver: Das war Pech, wirklich! Denn so hatte Er keine Gelegenheit, Seine Talente zu zeigen.

Moses: Durchaus nicht. Ich hatte das Vergnügen seiner Bekanntschaft erst, als er um einige Tausend unter dem Nullpunkt war.

Herr Oliver: Sehr schade! Doch ich vermute, Er hat auch dann noch das Menschenmögliche für ihn getan, biederer Moses.

Moses: Ja. Und das weiss er auch. Gerade heute Abend sollte ich einen Herrn aus der Stadt zu ihm bringen, der ihn nicht kennt und ihm, glaube ich, etwas Geld leihen will.

Herr Peter: Wie? Ein Mensch, von dem Karl noch nie etwas geliehen hat?

Moses: Ja, Herr Premium von den Kreuzbrüdern, der früher Wechselmakler war.

Herr Peter: Bei Gott, Herr Oliver, ich habe eine Idee. – Er sagt, Karl kennt Herrn Premium nicht?

Moses: Nein, gar nicht.

Herr Peter: Dann, Herr Oliver, könnt Ihr Euren Wunsch besser befriedigen als mit Hilfe des Gerüchts von dem armen Verwandten. Begleitet unsern Freund Moses als Premium, und dann, das verspreche ich Euch, sollt Ihr Euren Neffen in vollem Glanze sehen.

Herr Oliver: Ja, wirklich, auch mir scheint es besser so; und ich kann ja immer noch später als Stanley zu Josef gehen.

Herr Peter: Gewiss könnt Ihr das.

Kügele: Nun, dabei ist aber Karl sehr im Nachteil. Immerhin, Moses, Ihr versteht doch Herrn Peter und wollt aufrichtig sein?

Moses: Ihr mögt Euch auf mich verlassen. ( Sieht auf die Uhr.) Es ist gerade die Zeit, um die ich bestellt bin.

Herr Oliver: Ich kann gleich mit Ihm gehen, Moses. – Doch halt, eins habe ich vergessen: wie, zum Teufel, soll ich für einen Juden gelten können?

Moses: Das ist nicht nötig, der Herr ist Christ.

Herr Oliver: Wirklich? Das tut mir leid. Aber dann – bin ich für einen Geldverleiher nicht zu gut angezogen?

Herr Peter: Durchaus nicht. Es würde auch nicht auffallen, wenn Ihr im eigenen Wagen vorfahren wolltet. Nicht wahr, Moses?

Moses: Sicher nicht.

Herr Oliver: Und wie soll ich sprechen? Die Wucherer haben gewiss ihre eigenen Ausdrücke und Geschäftskniffe, die ich kennen müsste.

Herr Peter: Oh, da gibt's nicht viel zu lernen. Die Hauptsache ist, denke ich, dass Ihr in Euren Forderungen unverschämt genug seid. He, Moses?

Moses: Gewiss, das ist die Hauptsache.

Herr Oliver: Nun, daran will ich's nicht fehlen lassen. Ich will zumindest acht oder zehn vom Hundert Dahrlehnszinsen verlangen.

Moses: Wenn Ihr nicht mehr verlangt, dann werdet Ihr rasch entdeckt sein.

Herr Oliver: He? Was, zur Pest! Wie viel denn dann?

Moses: Das hängt von den Umständen ab. Wenn es ihm nicht sehr dringend scheint, dann solltet Ihr nur vierzig oder fünfzig Perzent verlangen; ist er aber in grosser Bedrängnis und braucht das Geld ganz notwendig, dann könnt Ihr ruhig aufs Doppelte gehen.

Herr Peter: Ein tüchtiges, ehrliches Geschäft, das Ihr da lernt, Herr Oliver!

Herr Oliver: Ja gewiss. Und recht einträglich.

Moses: Dann habt Ihr das Geld nicht selbst, müsst Ihr wissen, sondern seid gezwungen, es von einem Freund zu leihen.

Herr Oliver: Oh, ich leihe es von einem Freund? Ja?

Moses: Und Euer Freund ist ein gewissenloser Hund. Doch das könnt Ihr nicht ändern.

Herr Oliver: Mein Freund ist ein gewissenloser Hund – wirklich?

Moses: Ja. Und er hat das Geld auch nicht flüssig, sondern muss mit grossem Verlust Waren verkaufen.

Herr Oliver: Muss mit grossem Verlust Waren verkaufen. So, so. Nun, das ist wirklich nett von ihm.

Herr Peter: Ich sehe, Herr Oliver – Premium, meine ich – Ihr werdet bald ein Meister in diesem Geschäft sein. – Doch hör Er, Moses, würde es nicht gut zur Rolle passen, wenn Er ein wenig dagegen wettern wollte, dass der Junge nur ein Jahresgeld bekommt?

Moses: Gewiss, sehr gut.

Kügele: Und dabei jammern, dass heutzutage ein junger Mann sich jahrelang einschränken muss, bevor er sich richtig ruinieren kann?

Moses: Gewiss, es ist ein Jammer.

Herr Peter: Und über die öffentliche Meinung schimpfen, weil sie ein Gesetz löblich findet, das den einzigen Zweck hat, die Unerfahrenheit dem Wucher aus den Krallen zu reissen, und das dem Minderjährigen die Möglichkeit gibt, sein Erbe anzutreten, ohne vorher schon abgewirtschaftet zu haben.

Herr Oliver: Gut so. – Moses mag mich auf dem Wege weiter unterrichten.

Herr Peter: Ihr werdet nicht viel Zeit haben, denn Euer Neffe wohnt ganz in der Nähe.

Herr Oliver: Ah, keine Angst. Mein Lehrmeister ist so tüchtig, dass – wohnte Karl auch in der nächsten Strasse – es nur meine eigene Schuld sein könnte, wenn ich nicht ein vollendeter Schuft wäre, bevor wir noch um die Ecke biegen. ( Ab mit Moses.)

Herr Peter: Nun, denke ich, wird Herr Oliver sich überzeugen. Ihr, Meister Kügele, seid parteilich und hattet Karl gewiss schon auf den anderen Trick vorbereitet.

Kügele: Nein, mein Wort darauf, Herr Peter.

Herr Peter: Jetzt bringt mir also diesen Natter, und ich will hören, was er zu sagen hat. Ich sehe Maria kommen und habe mit ihr zu reden. ( Kügele ab.) Es sollte mich freuen, wenn mein Verdacht gegen Frau von Fopp und Karl grundlos wäre. Übrigens habe ich über diesen Punkt noch nie mit meinem Freund Josef gesprochen; das will ich doch tun – er wird mir offen seine Meinung sagen.

(Maria tritt auf.)

Herr Peter: Nun, Kind, ist Herr von Obenaus mit dir gekommen?

Maria: Nein, er war verhindert.

Herr Peter: Sag, Maria, wenn du so mit diesem liebenswürdigen jungen Mann zusammen bist, wird dir da nicht immer klarer, dass seine Neigung zu dir eine Erwiderung verdiente?

Maria: Ach, Herr Vormund, es betrübt mich sehr, dass Ihr so beharrlich immer wieder auf den einen Punkt zu sprechen kommt, denn Ihr zwingt mich dadurch zu der Erklärung, dass ich selbst unter meinen flüchtigsten Bekannten keinen wüsste, den ich Herrn von Obenaus nicht vorzöge.

Herr Peter: So – das heisse ich Verblendung! Nein, nein, Maria, Karl allein ist es, den du vorziehst! Es ist ja ganz klar: seine Laster und Tollheiten haben ihm dein Herz gewonnen.

Maria: Ihr seid hart, Herr Vormund. Ihr wisst wohl, dass ich Euch gehorcht und sowohl den Verkehr als auch den Briefwechsel mit ihm abgebrochen habe. Ich habe genug gehört, um zu wissen, dass er meine Achtung nicht verdient. Dennoch kann ich nichts Böses darin sehen, dass mein Herz mich treibt, sein Unglück mitzufühlen, wenn auch mein Verstand seine Torheiten streng verurteilt.

Herr Peter: Schon gut. Bemitleide ihn, soviel du willst, doch gib dein Herz und deine Hand einem Würdigeren.

Maria: Niemals seinem Bruder!

Herr Peter: Geh fort, verblendetes und störrisches Kind! Doch nehmt Euch in acht, mein Fräulein, Ihr wisst noch nicht, welche Gewalt ein Vormund hat. Zwingt mich nicht, es Euch zu zeigen.

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»Geh fort, verblendetes und störrisches Kind!«

Maria: Ich kann nur sagen, dass ich Euch wissentlich keinen Grund dazu geben will. Es ist wahr, dass ich Euch nach meines Vaters Willen für kurze Zeit als seinen Stellvertreter ansehen soll; doch ich müsste aufhören, Euch dafür zu halten, wenn Ihr mich zu einer Schlechtigkeit zwingen wolltet. ( Ab.)

Herr Peter: War je ein Mann so geplagt wie ich! Alles kommt zusammen, um mich zu ärgern. Ich war noch keine vierzehn Tage in ehelichen Banden, da starb ihr Vater, ein kräftiger gesunder Mensch – ganz absichtlich, glaube ich, nur um mir einen Streich zu spielen und mir die Sorge um seine Tochter aufzuhalsen. ( Frau von Fopp singt hinter der Szene.) Doch da naht ja meine teure Gattin. Sie scheint glänzend gestimmt. Wie glücklich wäre ich, wenn ich sie dazu bringen könnte, mich zu lieben – sei es auch nur ein wenig.

(Frau von Fopp tritt auf.)

Frau von Fopp: Oho, Herr Peter, ich hoffe, Ihr habt mit Maria nicht gezankt. Wozu bin denn dann ich da, wenn Ihr auch ohne mein Beisein schlechter Laune seid!

Herr Peter: Ach, Madame, es stände wohl bei Euch, mich jederzeit bei guter Laune zu erhalten.

Frau von Fopp: Ich wünschte, es wäre so. Denn eben jetzt wüsste ich Euch gern in besonders liebenswürdiger Stimmung. Seid lieb und gebt mir zweihundert Pfund. Wollt Ihr?

Herr Peter: Zweihundert Pfund! Wie! Soll ich nicht guter Laune sein dürfen, ohne dafür bezahlen zu müssen? – Aber wenn Ihr so zu mir sprecht, dann kann ich Euch doch nichts abschlagen. Ihr sollt sie haben. Doch besiegelt mir die Quittung.

Frau von Fopp: Ach nein! Da, meine Handschrift wird's auch tun. ( Hält ihm die Hand hin.)

Herr Peter: Und Ihr sollt mir nicht länger vorwerfen dürfen, dass ich Euch nicht unabhängig stelle; ich gedenke Euch nächstens zu überraschen. Doch sollen wir immer so weiterleben?

Frau von Fopp: Wie Ihr wollt. Mir für meine Person ist es ganz gleichgültig, wann wir mit Streiten aufhören, sofern Ihr nur zugebt, dass Ihr es zuerst müde geworden seid.

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Da – meine Handschrift wirds auch tun. Akt 3. Sz. 1

Herr Peter: Gut, dann wollen wir von nun ab wetteifern, wer der Liebenswürdigere ist.

Frau von Fopp: Ich versichere Euch, Herr Peter, die gute Laune bekommt Euch. Ihr seht jetzt aus wie damals vor unserer Heirat, als wir unter den Ulmen spazierten und Ihr mir Geschichten erzähltet aus Eurer galanten Jugend und mich unters Kinn fasstet – ja, das tatet Ihr – und mich fragtet, ob ich wohl einen alten Knaben lieben könnte, der mir nichts abschlagen würde. – War's nicht so?

Herr Peter: Ja, ja. Und Ihr wäret so gut und höflich –

Frau von Fopp: Gewiss war ich das; und habe immer Eure Partei genommen, wenn meine Bekannten Euch schmähten und lächerlich machen wollten.

Herr Peter: Wirklich.

Frau von Fopp: Und wenn meine Cousine Sophie Euch einen steifen, mürrischen Hagestolz nannte und mich auslachte, weil ich einen Mann heiraten wollte, der mein Vater sein könnte, da habe ich Euch immer verteidigt und gesagt, Ihr schienet mir gar nicht so hässlich und würdet gewiss einen wirklich guten Ehemann abgeben.

Herr Peter: Und Ihr habt richtig prophezeit; wir wollen nun das glücklichste Paar sein –

Frau von Fopp: Und nie mehr streiten?

Herr Peter: Nein, nie mehr. Wenn Ihr dazu auch, Madame, Eure Launen ernstlich bekämpfen müsst. Denn wenn Ihr alle unsere Zänkereien überdenkt, meine Liebe, dann werdet Ihr finden, dass immer Ihr, meine Teure, zuerst begonnen habt.

Frau von Fopp: Verzeiht, lieber Herr Peter, Ihr wäret es, der stets den Anlass gab.

Herr Peter: Nun seht doch, mein Engel. Hütet Euch! Widerspruch ist kein Mittel, die Freundschaft zu erhalten.

Frau von Fopp: Dann beginnet doch nicht damit, Liebster!

Herr Peter: Da, da, schon fangt Ihr wieder an. Begreift Ihr denn nicht, geliebtes Leben, dass Ihr gerade das eine tut, was mich immer ärgert?

Frau von Fopp: Jenun, wenn Ihr Euch immer ganz grundlos ärgert, mein Bester –

Herr Peter: Da habt Ihr's! Schon seid Ihr wieder dabei.

Frau von Fopp: Aber nein! Doch wenn Ihr so übellaunisch seid –

Herr Peter: Nun, wer beginnt zuerst?

Frau von Fopp: Ja, Ihr natürlich. Ich habe nichts gesagt – aber Eure Launen sind unerträglich.

Herr Peter: Nein, Madame, Eure Launen sind schuld.

Frau von Fopp: Ach, Ihr seid ganz so, wie meine Cousine Sophie es vorhergesagt hat.

Herr Peter: Eure Cousine ist ein freches, vorlautes Ding.

Frau von Fopp: Ihr seid ein grober Bär, meine Verwandten so zu beschimpfen.

Herr Peter: Nun mag doch alles Ehestandsleid mich doppelt plagen, wenn ich noch einmal versuche, in Frieden mit Euch auszukommen.

Frau von Fopp: Um so besser!

Herr Peter: Nein, nein, Madame, es ist ganz klar: Ihr habt nie einen Deut nach mir gefragt, und ich war ein Narr, Euch zu heiraten. Euch, ein schnippisches kokettes Landgänschen, das schon fast alle achtbaren Edelleute aus der Nachbarschaft abgewiesen hatte.

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Sophie lachte mich aus, weil ich heiraten wollte. Akt 3. Sz. 1

Frau von Fopp: Und ich war erst recht verrückt, Euch zu nehmen – einen alten wackeligen Junggesellen, der mit fünfzig Jahren noch allein stand, nur weil er keine hatte finden können, die ihn hätte haben mögen.

Herr Peter: Schön, schön, Madame! Doch Ihr habt mich recht gern erhört, denn ein solcher Antrag war Euch noch nicht gemacht worden.

Frau von Fopp: Nicht? Habe ich nicht Herrn Sporn auf Terrier abgewiesen, von dem jeder sagte, er sei eine bessere Partie? Denn sein Vermögen ist ebenso gross als Eures, und er hat sich schon den Hals gebrochen, seit wir verheiratet sind.

Herr Peter: Ich bin fertig mit Euch, Madame! Ihr seid ein gefühlloses, undankbares – doch alles hat ein Ende! Ich halte Euch jeder Schlechtigkeit für fähig! Jawohl, Madame! Und nun glaube ich auch die Gerüchte über Euch und Karl, Madame. Jawohl, Madame, Ihr und Karl seid nicht ohne Grund –

Frau von Fopp: Hütet Euch, Herr Peter! Ihr tätet besser daran, solche Vermutungen nicht auszusprechen. Ich will nicht ohne Ursache verdächtigt werden, das sage ich Euch.

Herr Peter: Ganz recht, Madame, ganz recht! Wir können auseinander gehen, sobald es Euch beliebt. Jawohl, Madame! Oder gleich die Scheidung! Ich will ein Exempel statuieren, allen alten Junggesellen zum Nutzen. Trennen wir uns, Madame!

Frau von Fopp: Einverstanden, einverstanden! Und nun, mein lieber Herr Peter, da wir ja wieder ganz einer Meinung sind, können wir das glücklichste Paar sein, nie wieder uneins werden, erinnert Ihr Euch? Haha! hahaha! Doch Ihr kommt wieder in Wut, wie ich sehe, und ich könnte Euch höchstens stören – so lebt wohl, lebt wohl! ( Ab.)

Herr Peter: Kreuzbombenelement! Kann ich sie denn nicht wild kriegen! Ach Gott, ich bin ein armer Teufel! Aber ich dulde es nicht, dass sie sich was darauf einbildet, ihre Ruhe zu bewahren. Nein! Sie mag mir das Herz brechen, aber sie soll nicht ihre Ruhe bewahren! ( Ab.)

Zweite Szene

Ein Zimmer im Hause von Karl von Obenaus. Taps, Moses und Herr Oliver von Obenaus treten auf.

Taps: Gut, Moses! Wenn Ihr einen Augenblick warten wollt, so will ich versuchen – wie war der Name des Herrn?

Herr Oliver ( halblaut): Moses, wie heisse ich?

Moses: Herr Premium.

Taps: Premium, sehr wohl. ( Geht ab und schnupft.)

Herr Oliver: Den Dienern nach zu urteilen, sollte man nicht glauben, dass der Herr ruiniert sei. Doch wie! – Ist das nicht meines Bruders Haus?

Moses: Jawohl, Herr. Herr Karl hat es von Herrn Josef gekauft, mitsamt der Einrichtung, den Bildern usw. – ganz wie der alte Herr es hinterlassen hatte. Herr Peter nannte es damals einen seiner tollen Streiche.

Herr Oliver: Meiner Ansicht nach verdient die pietätlose Knickerigkeit des anderen, der es verkaufte, weit mehr Tadel.

Taps ( kommt zurück): Mein Herr sagt, Ihr sollt warten. Er hat Gesellschaft und kann Euch nicht empfangen.

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Taps – geht ab und schimpft

Herr Oliver: Wenn er wüsste, wer ihn zu sprechen wünscht, würde er vielleicht nicht diese Botschaft schicken.

Taps: Doch, doch, Herr! Er weiss, dass Ihr es seid. Ich habe den Gevatter Premium nicht vergessen. Nein, nein!

Herr Oliver: Sehr schön! Und bitte, Herr, wie ist Euer Name?

Taps: Taps, Herr, Taps ist mein Name, Euch zu dienen.

Herr Oliver: Nun, Herr Taps, Ihr habt einen netten Platz hier, schätze ich?

Taps: Hm, ja – wir sind unser drei oder vier und bringen unsere Zeit soweit ganz angenehm zu. Dafür bleibt unser Lohn mitunter ein wenig im Rückstand – auch ist er nicht sehr gross: nur fünfzig Pfund im Jahr! Da muss man sehen, wie man sich kleine Nebeneinkünfte verschafft.

Herr Oliver ( beiseite): Was, Nebeneinkünfte! Prügel solltet Ihr haben!

Taps: Apropos, Moses, könntet Ihr den kleinen Wechsel für mich unterbringen?

Herr Oliver ( beiseite): Auch der nimmt Geld auf! Gnad' mir Gott! Hat Geldsorgen, wett' ich, wie ein Lord und bildet sich noch was ein drauf.

Moses: Es war wirklich nicht zu machen, Herr Taps.

Taps: Teufel! Das nimmt mich wunder. Mein Freund Bürste hat doch giriert, und ich dachte, wenn der seinen Namen auf einen Wechsel setzt, dann sei es bares Geld.

Moses: Nein, es genügt doch nicht.

Taps: Eine kleine Summe nur, zwanzig Pfund! Hört, Moses, glaubt Ihr nicht, ich könnte dafür eine Rente verschreiben?

Herr Oliver ( beiseite): Eine Rente! Haha! Ein Lakai nimmt Geld auf Renten auf! Eine nette Wirtschaft, bei Gott!

Moses: Gut, aber dann müsst Ihr Eure Stellung versichern.

Taps: Von Herzen gern! Ich will meine Stelle versichern und mein Leben auch, wenn Ihr wollt.

Herr Oliver ( beiseite): Das beides eher als deinen Hals, mein Bürschchen!

Moses: Habt Ihr gar nichts zu verpfänden?

Taps: Nein. Ich habe aus meines Herrn Garderobe nichts Rechtes mehr bekommen. Aber ich könnte Euch eine Hypothek auf einige seiner Winterkleider geben, mit Rückkaufsrecht bis zum November. Oder ich könnte Euch eine Anwartschaft einräumen auf den Rock aus französischem Samt, oder einen Schuldschein geben auf den blauen Rock mit Silber. – Das Moses, nebst ein paar Spitzenkrausen als mittelbare Sicherheit – das, dächte ich, müsste genügen, he, Alterchen?

Moses: Gut, gut. ( Es läutet.)

Taps: Hallo, die Glocke! Ich glaube, ich kann Euch nun verlassen, meine Herren. Vergesst die Rente nicht, Moses! – Hier, meine Herren – ja, wissen Sie, ich will meinen Platz versichern.

Herr Oliver ( beiseite): Wenn der Diener nur ein schwaches Abbild seines Herrn ist, dann ist hier wirklich die Lumperei zu Hause. ( Alle ab.)

Dritte Szene

Anderes Zimmer in demselben Hause. Karl von Obenaus, Harry von Zech, Ohnsorg und andere Herren beim Trinken.

Karl von Obenaus: Beim Himmel, es ist wahr, wie verkommen ist unsere Zeit! Wie viele haben Geschmack, Geist und Schliff, aber, zur Pest, trinken wollen sie nicht.

Ohnsorg: Wahrhaftig, so ist's, Karl! Sie verlegen sich auf alle möglichen leckeren Gerichte, nur dem Wein und dem Whist halten sie sich fern. Und, natürlich, die Geselligkeit muss darunter leiden. Denn während früher beim klaren Burgunderwein die Scherze hin und her flogen, gleicht ihre Unterhaltung jetzt dem Spaawasser, das sie trinken – das hat alle die quirlende Lebendigkeit des Champagners ohne sein Feuer und seine Blume.

Erster Kavalier: Was sollen aber die tun, die das Kartenspiel dem Wein vorziehen?

Ohnsorg: Richtig. Da ist zum Beispiel Herr Harry, der lebt diät wegen des Kartenspiels und macht eine förmliche Hazardkur durch.

Karl von Obenaus: Es wird ihm schon übel genug bekommen. Wie – man trainiert ein Pferd doch auch nicht für das Rennen, indem man ihm den Hafer entzieht. Ich weiss, dass ich nie so viel Glück habe, als wenn ich ein bisschen angeheitert bin. Gebt mir eine Flasche Champagner, und ich verliere nie – oder wenigstens fühle ich meine Verluste nie, was schliesslich dasselbe ist.

Erster Kavalier: Ja, das glaube ich.

Karl von Obenaus: Und dann: wer will sagen, dass er was von Liebe versteht, wenn er dem Wein abgeschworen hat. Denn der ist doch das Mittel, wodurch der Liebhaber sein eigenes Herz erkennt. Trinkt ein Dutzend Becher auf ein Dutzend Schöne, und die dann obenauf ist, die hat Euch behext.

Ohnsorg: Komm, Karl, sei ehrlich und nenne uns deine Liebste.

Karl von Obenaus: Ich habe sie bisher nur aus Mitleid für euch verschwiegen. Denn wenn ich auf sie trinke, dann müsst ihr mir mit dem Toast auf eine Ebenbürtige antworten, und die ist nicht zu finden – auf Erden.

Ohnsorg: Ach, dann nehmen wir ein paar selig gesprochene Vestalinnen oder heidnische Göttinnen. Die werden's doch tun, nicht wahr?

Karl von Obenaus: Gut also. Angestossen, Ihr Schlemmer! Angestossen! Maria! Maria!

Harry von Zech: Maria – wer?

Karl von Obenaus: O zum Teufel mit dem Familiennamen! Der ist zu förmlich, als dass man ihn in den Liebeskalender eintragen sollte. Doch nun, Herr Harry, gebt acht, nun müsst Ihr eine unerreichbare Schönheit nennen.

Ohnsorg: Ach, plagt Euch nicht, Herr Harry. Wir wollen mittrinken, und hätte Eure Herrin nur ein Auge. Ihr wisst wohl, ein Lied soll Euch freisprechen.

Harry von Zech: Ich weiss eins und will ihm das Lied statt der Dame sagen:

Dies Glas auf die fünfzehnjährige Maid,
Dies der Witwe, die fünfzig und grau ist,
Dies auf die Kokette im duftigen Kleid,
Dies der, die 'ne sparsame Frau ist.

(Chor:)

Es steige der Toast,
Der Liebsten ein Prost!
Ich wette, dies soll einen Trunk uns ersparen.

Der Fee dies mit Grübchen gar lockend und fein,
Und dies auf die Schöne, die keins hat,
Dies auf die Maid mit zwei Blauäugelein,
Der anderen dies, die nur eins hat.

(Chor:)

Es steige der Toast,
Der Liebsten ein Prost!
Ich wette, dies soll einen Trunk uns ersparen.

Dies auf das Mädchen mit schneeiger Brust,
Dies jener, die braun wie 'ne Nuss ist,
Und dies auf das Weib ohne Laune und Lust,
Dies der andern, die süss wie ein Kuss ist.

(Chor:)

Es steige der Toast,
Der Liebsten ein Prost!
Ich wette, dies soll einen Trunk uns ersparen.

Denn seien sie dick oder seien sie dünn,
Jung, alt – es wird alles sich geben.
Den Humpen nun füllt bis zum Rande hin,
Die Gläser nun füllt bis zum Rande hin,
Hoch sollen sie allesamt leben!

(Chor:)

Es steige der Toast,
Der Liebsten ein Prost!
Ich wette, dies soll einen Trunk uns ersparen.

Alle: Bravo! Bravo!

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Es steige der Toast. Akt 3. Sz. 3.

Taps tritt auf und flüstert Karl von Obenaus etwas zu.

Karl von Obenaus: Ihr müsst mich einen Augenblick entschuldigen, ihr Herren! Ohnsorg, übernimm den Vorsitz, willst du?

Ohnsorg: Was ist das nun wieder, Karl, ich bitte dich? Vielleicht eine deiner unvergleichlichen Schönen, die zufällig hereingeschneit ist.

Karl von Obenaus: Nein, auf Ehre! Die Wahrheit zu sagen, es sind ein Jude und ein Makler, die ich bestellt hatte.

Ohnsorg: O verdammt! Bring uns den Juden herein.

Erster Kavalier: Ja. Und den Makler auch, unbedingt.

Zweiter Kavalier: Ja, ja, den Juden und den Makler.

Karl von Obenaus: Weiss Gott, gern. – Taps, bitte die Herren herein. ( Taps ab.) Allerdings – einer der beiden ist ein Fremder, kann ich euch sagen.

Ohnsorg: Karl, wir wollen ihnen diesen edlen Burgunder einflössen. Vielleicht gibt der ihnen edlere Grundsätze.

Karl von Obenaus: O zum Henker, nein. Der Wein bringt nur das wahre Wesen eines Menschen heraus, und denen Wein zu trinken geben, das hiesse ihre Schurkenhaftigkeit noch steigern. ( Taps kommt mit Herrn Oliver und Moses.) Recht so, biederer Moses. Bitte, tretet näher, Herr Premium – so heisst der Herr doch, nicht, Moses?

Moses: Ja, ja.

Karl von Obenaus: Stühle her, Taps! Nehmt Platz, Herr Premium. Gläser, Taps! ( Taps bringt Stühle und Gläser, dann ab.) Setz Er sich, Moses. Kommt, Herr Premium. Ich will Euch zutrinken. Prost, es lebe der Wucher! – Moses, füll Er dem Herrn einen Humpen!

Moses: Lebe der Wucher! ( Trinkt.)

Ohnsorg: Recht so, Moses. Der Wucher ist Schlauheit und Eifer und verdient Erfolg.

Herr Oliver: Dann also – all den Erfolg, den er verdient! ( Trinkt.)

Ohnsorg: Nein, nein, das genügt nicht, Herr Premium. Ihr habt Euch um den Toast gedrückt und müsst nun einen Doppelhumpen nachtrinken.

Erster Kavalier: Mindestens einen Doppelhumpen!

Moses: Ach, bitte, ihr Herren, bedenkt, Herr Premium ist ein Gentleman.

Ohnsorg: Und muss also guten Wein schätzen.

Zweiter Kavalier: Verdonnere den Moses auch. Das ist Meuterei und Missachtung des Präsidiums.

Ohnsorg: Sei's drum! Gerechtigkeit muss sein – bis zum letzten Tropfen in der Flasche.

Herr Oliver: Ich bitt' euch, ihr Herren, ich war auf diese Gebräuche nicht gefasst …

Karl von Obenaus: Lasst ihn sein, zum Henker! Herr Premium ist ein Fremder.

Herr Oliver ( beiseite): Ich wollt', ich wäre mit heiler Haut wieder draussen.

Ohnsorg: Dann hol' sie beide die Pest! Wenn sie nicht trinken wollen, dann wollen wir nicht mit ihnen sitzen. Kommt, Harry, die Würfel sind hier nebenan. – Karl, du kommst uns nach, wenn du deine Geschäfte mit den Herren erledigt hast?

Karl von Obenaus: Ja, ja. ( Harry von Zech und Kavaliere ab, Ohnsorg folgt ihnen; Karl ruft:) Ohnsorg!

Ohnsorg ( zurückkommend): Ja?

Karl von Obenaus: Vielleicht brauche ich dich.

Ohnsorg: Du weisst ja, ich bin zu allem bereit: Wort, Schuldschein, Bürgschaft – mir ist alles gleich. ( Ab.)

Moses: Herr, dies ist Herr Premium. Ein Gentleman von hoher Ehrenhaftigkeit und Diskretion, der durchführt, was er unternimmt. Herr Premium, dies ist –

Karl von Obenaus: Pschah, genug! Herr, mein Freund Moses ist eine ehrliche Haut, aber etwas schwerfällig von Begriff. Er würde eine Stunde brauchen, um uns unsere Titel zu geben. Herr Premium, die Sache ist ganz einfach die: ich bin ein leichtlebiger junger Mensch, der Geld braucht: Ihr seid ein weiser alter Knabe, der Geld zu verleihen hat. Ich bin der Narr, der lieber fünfzig Prozent zahlt, als dass er auf das Geld verzichtet. Und Ihr, denke ich mir, seid der Schuft, auch hundert zu nehmen, wenn Ihr sie kriegen könnt. So, Herr, seht Ihr, sind wir mit einemmal bekannt und können ohne weiteres zum Geschäft übergehen.

Herr Oliver: Das heisse ich frei gesprochen, meiner Seel'! Ich sehe, Ihr seid kein Freund von vielen Worten.

Karl von Obenaus: Wahrhaftig nicht. Bei solchen Geschäften halte ich Offenherzigkeit für das beste.

Herr Oliver: Das macht mir Euch nur um so werter, Herr. Dennoch – in einem Punkt seid Ihr im Irrtum. Ich habe kein Geld zu verleihen. Ich glaube nur, dass ich welches von einem Freund beschaffen könnte – doch der ist ein gewissenloser Hund. Nicht wahr, Moses? Und muss Ware verkaufen, um Euch zu dienen. Ist's nicht so, Moses?

Moses: Gewiss, ja! Ihr wisst, ich spreche immer die Wahrheit und hasse die Lüge.

Karl von Obenaus: Recht so. Leute, welche die Wahrheit sprechen, hassen meistens die Lüge. Aber das sind Ausflüchte, Herr Premium. Selbstredend weiss ich, dass man Geld nicht leihen kann, ohne dafür zu zahlen.

Herr Oliver: Ja, aber was für Sicherheiten könnt Ihr bieten? Ihr habt keinen Grundbesitz, vermute ich.

Karl von Obenaus: Nicht einen Maulwurfshaufen, noch einen grünen Zweig. Nur was draussen in den Töpfen vorm Fenster steht.

Herr Oliver: Auch keine Mobilien, schätze ich.

Karl von Obenaus: Nur lebenden Bestand, und auch da nur ein paar Pointers und Ponies. Doch bitte, Herr Premium, wisst Ihr gar nichts von meinen verwandtschaftlichen Beziehungen?

Herr Oliver: Doch, ja.

Karl von Obenaus: Dann müsst Ihr ja wissen, dass ich einen höllisch reichen Onkel in Ostindien habe, Herrn Oliver von Obenaus, von dem ich einmal viel erwarten kann.

Herr Oliver: Dass Ihr einen reichen Onkel habt, habe ich gehört. Ob aber Eure Erwartungen begründet sind, das, denke ich, könnt Ihr wohl nicht mit Bestimmtheit sagen.

Karl von Obenaus: O ja, darüber ist jeder Zweifel ausgeschlossen. Ich weiss, ich bin sein erklärter Liebling, und er will mir alles vermachen.

Herr Oliver: Wirklich? Das erste Wort, das ich darüber höre.

Karl von Obenaus: Ja, ja, so ist es. Moses weiss, dass es wahr ist; nicht, Moses?

Moses: O gewiss, ich will es beschwören.

Herr Oliver ( beiseite): Bei Gott, sie werden mir gleich einreden, ich sei in Bengalen.

Karl von Obenaus: Nun, Herr Premium, einen Vorschlag: wenn es Euch passt, so gebe ich Euch einen Schuldschein auf Herrn Olivers Tod, obgleich der Alte stets so gut zu mir war, dass es mir, auf Ehrenwort, ungemein betrüblich wäre, von seinem Ableben zu hören.

Herr Oliver: Nicht mehr als mir, versichere ich Euch. Doch der Schuldschein, den Ihr mir vorschlagt, ist gerade die schlechteste Sicherheit, denn ich könnte hundert Jahre alt werden, ohne das Kapital wiederzusehen.

Karl von Obenaus: Doch, doch – Ihr werdet's wiedersehen! Denn sowie Herr Oliver stirbt, könntet Ihr kommen und das Geld einmahnen.

Herr Oliver: Dann wäre ich wohl der unwillkommenste Mahner, den Ihr in Eurem Leben gesehen habt.

Karl von Obenaus: Wie? Ihr scheint zu fürchten, dass Herr Oliver gar zu langlebig sei?

Herr Oliver: Nein, das wirklich nicht; obwohl ich gehört habe, er sei so gesund und kräftig wie nur irgendeiner seines Alters in der Christenheit.

Karl von Obenaus: Da seid Ihr nun wieder falsch berichtet. Nein, nein, das Klima hat ihn hart mitgenommen, den armen Onkel Oliver; ja, er siecht dahin, sagt man mir, und hat sich so verändert, dass ihn seine nächsten Verwandten nicht wiedererkennen würden.

Herr Oliver: Wie? Ha, ha, ha! So verändert, dass ihn seine nächsten Verwandten nicht wiedererkennen würden. Ha, ha! Bei Gott – ha, ha!

Karl von Obenaus: Freut Euch, das zu hören, was?

Herr Oliver: Nein, durchaus nicht.

Karl von Obenaus: Doch doch, es freut Euch! Ha, ha, ha! Ihr wisst, dass das Eure Aussichten bessert.

Herr Oliver: Doch man sagte mir, dass Herr Oliver herüberkommen wolle; einige meinen sogar, er sei schon da.

Karl von Obenaus: Pschah! Ich muss doch wohl besser wissen als Ihr, ob er da ist oder nicht. Nein, verlasst Euch drauf: er ist gegenwärtig, in diesem Augenblick, in Kalkutta. Nicht, Moses?

Moses: Ja, gewiss.

Herr Oliver: Wie Ihr sehr richtig bemerkt, müsst Ihr es besser wissen, obwohl ich's aus ziemlich guter Quelle habe, nicht wahr, Moses?

Moses: Ja, ganz zweifellos.

Herr Oliver: Doch, Herr, da ich sehe, dass Ihr einige Hundert sofort braucht – habt Ihr gar nichts, worüber Ihr verfügen könntet?

Karl von Obenaus: Wie meint Ihr das?

Herr Oliver: So zum Beispiel habe ich gehört, dass Euer Vater eine Menge altes gediegenes Silber hinterlassen hat.

Karl von Obenaus: Ach du lieber Gott! Das ist längst weg. Darüber könnte Moses Euch viel mehr sagen als ich.

Herr Oliver ( beiseite): Grosser Gott, alle die Familien-Rennpokale und Klubbecher! ( Laut:) Dann hiess es auch, dass seine Bücherei äusserst wertvoll und umfangreich gewesen sei.

Karl von Obenaus: Ja, ja, das war sie – viel zu bedeutend für einen einfachen Edelmann! Ich für mein Teil war immer mitteilsam, und da hielt ich es für eine Schande, so viel Wissen für mich selbst zu behalten.

Herr Oliver ( beiseite): Gnad' mir der Himmel! Ein Schatz von Gelehrsamkeit, der sich in der Familie unantastbar vererbt hatte. ( Laut.) Bitte, was ist aus den Büchern geworden?

Karl von Obenaus: Da müsst Ihr den Auktionator fragen, Gevatter Premium. Denn ich glaube, dass nicht einmal Moses Euch wird Aufschluss geben können.

Moses: Ich weiss nichts von Büchern.

Herr Oliver: So ist also von dem alten Besitz nichts übrig geblieben?

Karl von Obenaus: Nicht viel, allerdings. Es sei denn, Ihr habt Sinn für die alten Bilder. Ich habe im oberen Stock ein Zimmer voller Ahnen, und wenn Ihr an alten Gemälden Gefallen findet, dann könnten wir – bei Gott – ein Geschäft machen.

Herr Oliver: He, was, Teufel? Ihr würdet doch wohl nicht Eure Vorväter verkaufen, oder –?

Karl von Obenaus: Jeden einzelnen davon – an den Meistbietenden.

Herr Oliver: Was! Eure Grossonkel und -tanten?

Karl von Obenaus: Ja, und meine Urgrossväter und -grossmütter dazu.

Herr Oliver ( beiseite): Jetzt lass' ich ihn fallen. – ( Laut:) Zur Pest, habt Ihr denn gar keinen Familiensinn? Gütiger Himmel! Haltet Ihr mich für einen Shylock, dass Ihr auf Euer eigen Fleisch und Blut Geld aufnehmen wollt?

Karl von Obenaus: Nun, nun, lieber Makler, regt Euch nicht auf. Was geht das Euch an, wenn Ihr nur zu Eurem Gelde kommt.

Herr Oliver: Also gut, ich bin Käufer. Ich glaube, ich kann die Ahnenbilder brauchen. ( Beiseite:) Das werde ich ihm nie verzeihen – nie!

( Ohnsorg tritt auf.)

Ohnsorg: Nun, Karl, wo bleibst du?

Karl von Obenaus: Ich kann noch nicht kommen. Wir werden oben einen Verkauf veranstalten. Premium hier will alle meine Ahnen kaufen.

Ohnsorg: Ach, hol der Teufel deine Ahnen!

Karl von Obenaus: Nein, das mag er später tun, wenn er will. Bleib, Ohnsorg, wir brauchen dich. Du sollst den Auktionator machen – komm mit uns!

Ohnsorg: Da bin ich gern dabei! Ich kann den Hammer ebensogut schwingen wie den Würfelbecher. Auf, auf!

Herr Oliver ( beiseite): O die Verworfenen!

Karl von Obenaus: Moses, Er soll den Schätzer machen, wenn wir einen brauchen. Weiss Gott, Gevatter Premium, Euch scheint der Handel nicht zu behagen?

Herr Oliver: O doch, ungemein. Ha, ha, ha! Ja, mir scheint es ein gelungener Witz, dass einer seine Familie versteigert. – Ha, ha! ( Beiseite:) O der Ruchlose!

Karl von Obenaus: Natürlich. Wenn der Mensch Geld braucht, wo zur Pest sollte er denn Hilfe finden, wenn er über seine eigenen Verwandten nicht verfügen könnte? ( Ab.)

Herr Oliver: Nie werde ich ihm vergeben, nie! ( Alle ab.)

Es treten auf Karl von Obenaus, Herr Oliver von Obenaus, Moses und Ohnsorg.


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