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Dritter Aufzug.


Erste Scene.

Vor Prospero's Zelle.

Ferdinand, ein Scheit Holz tragend.

Ferdinand. Mühsame Spiele giebt's, wobei die Arbeit
Die Lust erhöht. Manch ein gemeiner Dienst
Wird edel ausgeführt, und niedrer Weg
Führt oft zu hohem Ziel. So wäre mir
Mein schnödes Tagwerk gleich verhaßt wie schwer,
Wenn nicht die Herrin, der ich diene, selbst
Todtes lebendig machte, Last zur Lust.
O sie ist güt'ger als ihr Vater grausam,
Und er besteht aus Grausamkeit. Ich muß
Viel tausend solcher Scheite tragen, schichten,
Bei strenger Strafe. Meine Liebste weint,
Wenn sie mich schaffen sieht und sagt, daß niemals
Solch niedre Arbeit solche Hände fand.
Doch ich vergaß mich; diese lieblichen
Gedanken laben auch die Arbeit, am
Lebendigsten, indem ich sie verrichte.

( Miranda tritt auf. Später im Hintergrunde Prospero)

Miranda. Streng' dich so hart nicht an, ich bitte dich!
O hätte doch der Blitz das Holz verbrannt,
Das du aufschichten mußt! Komm, leg' es nieder
Und ruhe aus. Wenn diese Scheite brennen,
So weinen sie, weil sie dich so geplagt.
Erhole dich! Mein Vater ist beschäftigt
Und für drei Stunden fern.

Ferdinand.                                 Geliebte Herrin,
Die Sonne sinkt, bevor mein Tagewerk
Vollbracht ist.

Miranda.             Wenn du niedersitzen willst,
Trag' ich so lange Holz für dich. Gieb mir
Dies Scheit, damit ich's zu dem Haufen lege.

Ferdinand. Nein, theures Wesen, eher bräche ich
Mir Sehnen, Arm' und Nacken, als daß du
Hier Knechtesdienst verrichtetest, indeß
Ich müßig zusäh'.

Miranda.                   Er geziemte mir
So gut wie dir; ich würd' ihn lieber leisten,
Als du, da ich's aus freien Stücken thäte,
Du nur gezwungen.

Prospero (aus dem Hintergrund).
                                  Armes Vögelein,
Du bist gefangen, dein Besuch beweist es.

Miranda. Wie müd' du aussiehst!

Ferdinand.                                     Nein, geliebte Herrin,
Für mich ist's Tag in deiner holden Nähe,
Und wär' es Nacht. Wie heißt du? Bitte, sag's,
Damit ich im Gebet dich nennen kann!

Miranda. Miranda! – O mein Vater, ich verletzte,
Indem ich dieses sagte, dein Verbot.

Ferdinand. Miranda – die Bewundernswerthe! Ja,
Der wahre Gipfel der Bewunderung,
Des höchsten Preises werth! Gar viele Frauen
Hab' ich betrachtet mit Aufmerksamkeit;
Ihr süß Geplauder hat schon oft mein Ohr
Verführerisch bestrickt. Um einzle Gaben
Gefielen mir wohl Einzelne; noch keine
So ganz und gar, daß nicht ein Mangel immer
Mit ihrem schönsten Reiz gehadert hätte
Und ihn besiegt. Du aber, du Vollkommne
Und Unvergleichliche, vereinst in dir
Das Beste eines jeglichen Geschöpfs!

Miranda. Meines Geschlechtes kenn' ich keine noch;
Ich hab' ein weiblich Antlitz nie gesehen,
Als meins im Spiegel. Ebenso erblickt' ich
Nie einen Mann, den man so nennen könnte,
Als dich, mein Freund, und meinen theuren Vater.
Welch männliche Gesichter und Gestalten
Es draußen giebt, das weiß ich nicht; doch wünsch' ich
Mir keinen anderen Gefährten in
Der Welt als dich, kann mir auch keinen denken,
Der mir gefiele so wie du . . . Allein
Ich schwatze da zu ausgelassen, gegen
Den Willen meines Vaters.

Ferdinand.                               O Miranda,
Ich bin von Stand ein Prinz, ich glaub' ein König –
Wär' ich's doch nicht! – und würde nie ertragen
Hier diese hölzerne Leibeigenschaft,
So wenig wie im Antlitz eine Fliege.
Hör' meine Seele reden: Als ich dich
Zum erstenmal gesehen, flog mein Herz
In deinen Dienst; dort weilt es, als dein Sklave;
Um deinetwillen duld' ich meine Knechtschaft!

Miranda. So liebst du mich?

Ferdinand.                             Himmel und Erde mögen
Die Zeugen meines Schwures sein und ihn
Mit günstigem Erfolge krönen, wenn
Ich Wahrheit rede. Thu' ich's nicht, verkehre
Mein bestes Glück sich mir in Mißgeschick!
Weit über alles andre in der Welt,
Verehr' ich, lieb' ich, schätz' ich dich.

Miranda.                                                     O Thorheit,
Zu weinen über das, was mich erfreut!

Prospero. O schönes Finden zweier seltner Seelen!
Der Himmel regne gnädig darauf nieder,
Was zwischen Beiden sproßt.

Ferdinand.                                     Was weinest du?

Miranda. Daß ich's nicht werth bin und nicht bieten kann,
Was gern ich gäb', noch minder des Empfangens
Von dem, das bis zum Tod mein Herz ersehnt.
Allein, ich tändle . . . Mein Gefühl, je mehr
Es sich verbergen möchte, desto mächt'ger
Bricht es hervor. Hinweg denn, falsche Scham!
Du heil'ge Einfalt, Unschuld, sprich für mich!
Ich bin dein Weib, willst du mein Gatte sein;
Wenn nicht, so sterbe ich als deine Magd.
Als deine Hälfte magst du mich verschmähen,
Doch dien' ich dir, du wollest oder nicht!

Ferdinand. Sei meine theure Herrin, ich auf ewig
Dir unterthan!

Miranda.               Mein Gatte also?

Ferdinand.                                         Ja!
Mit so bereitem Herzen, wie die Knechtschaft
Jemals bereit zur Freiheit war!

Miranda.                                         So nimm
Hier meine Hand.

Ferdinand.                 Und du die meine, sammt
Dem Herzen drinnen. Und nun lebe wohl,
Auf kurze Zeit!

Miranda.                 Viel Tausendmal leb' wohl!

(Beide zu verschiedenen Seiten ab.)

Prospero. Ich kann so froh nicht drüber sein, wie sie,
Die völlig Ueberraschten. Doch es freut mich,
So hoch wie nichts. Zurück zu meinem Buch;
Denn Vieles hab' ich vor der Abendmahlzeit
Noch anzuordnen, was nothwendig ist.


Zweite Scene.

Eine andere Gegend der Insel.

Caliban tritt auf, eine Flasche tragend; ihm folgen Stephano und Trinculo.

Stephano. Komm mir damit nicht. Wenn das Faß aus ist, wollen wir Wasser trinken; vorher keinen Tropfen. Also vorwärts, angegriffen! Diener-Ungeheuer, trink mir zu.

Trinculo. Diener-Ungeheuer? Diese Insel ist ein Tollhaus. Es heißt, sie hat nur fünf Einwohner. Drei davon sind wir. Wenn die andern zwei im Kopf ebenso schwach bestellt sind, dann wackelt der Staat.

Stephano. Trink, Diener-Ungeheuer, wenn ich dir's befehle! Deine Augen stecken dir schon ganz tief im Kopf.

Trinculo. Wo sollen sie denn sonst stecken? Er wäre wahrhaftig ein sauberes Ungeheuer, wenn sie ihm im Buckel steckten.

Stephano. Mein Diener-Ungeheuer hat seine Zunge in Sekt ersäuft. Was mich angeht, mich kann das Meer nicht ersäufen. Ich schwamm, ehe ich das Land wieder erreichen konnte, fünfunddreißig Meilen, ab und zu, – beim Sonnenlicht, ich that's. Du sollst mein Leutnant sein, Ungeheuer, oder mein Hauptmann.

Trinculo. Lieber dein Leutnant, als dein Hauptmann. Sein Haupt steht nicht mehr auf dem rechten Fleck.

Stephano. Wir werden nicht davonlaufen, Musje Ungeheuer.

Trinculo (bei Seite). Und gehen ebensowenig. Ihr werdet wie die Hunde im Winkel liegen und das Maul nicht aufthun.

Stephano. Mondkalb, sprich einmal in deinem Leben, wenn du ein gutes Ungeheuer bist.

Caliban. Wie geht es deiner Gnaden? Laß mich deine Schuhe küssen. Dem da dien' ich nicht. Er ist nicht tapfer.

Trinculo. Du lügst, dummes Ungeheuer. Ich nehm' es mit jedem Polizeidiener auf. Ei du fauler Fisch du, hat jemals ein Mann keine Courage im Leib, der so viel Sekt drin hat wie ich heute? Willst du eine ungeheure Lüge sagen, der du nur halb ein Ungeheuer bist, und halb ein Fisch?

Caliban. Sieh, wie er mich foppt! Leidest du das, mein gnädigster Herr?

Trinculo. Gnädigster Herr, sagt er. Wie ungeheuer dumm solch ein Ungeheuer ist!

Caliban. Sieh, sieh, schon wieder. Beiß' ihn todt, ich bitt' dich.

Stephano. Trinculo, halte deine Zunge im Zaum. Wenn du rebellirst, wirst du am nächsten Baum . . . Dies arme Ungeheuer ist mein Unterthan; er soll keine Beleidigung erfahren.

Caliban. Dank meinem gnäd'gen Herrn. Gefällt es dir, noch einmal das Gesuch zu hören, das ich dir vorgetragen?

Stephano. Wohl gefällt es mir. Knie nieder, wiederhol' es. Ich höre stehend zu, wie Trinculo auch.

( Ariel kommt unsichtbar.)

Caliban. Wie ich dir vorher sagte, ich bin einem Tyrannen unterthan, der mich durch List um die Insel gebracht hat.

Ariel. Du lügst.

Caliban (zu Trinculo).
Du lügst, du Aff', du Possenreißer, du!
Ich wollt', mein tapfrer Herr verdürbe dich.
Ich lüge nicht.

Stephano. Trinculo, wenn du ihn noch einmal in seiner Erzählung störst, bei dieser meiner Rechten, ich schlag' dir ein paar Zähne ein.

Trinculo. Ei, ich habe ja nichts gesagt.

Stephano. Still denn! Nichts mehr. (Zu Caliban.) Fahre fort!

Caliban. Durch Zauberei gewann er dieses Eiland,
Gewann's von mir. Wenn deine Hoheit ihn
Bestrafen will – ich weiß es, du bist herzhaft;
Doch dies Geschöpf ist's nicht,

Stephano. Das ist gewiß.

Caliban. Dann wirst du Herr der Insel, ich dein Sklave.

Stephano. Wie soll das aber angefangen werden? Kannst du mich zu unsrem Mann hinführen?

Caliban. Ja, gnäd'ger Herr. Ich liefr' ihn schlafend dir,
Wo du ihm seinen Kopf vernageln kannst.

Ariel. Du lügst, das kannst du nicht.

Caliban. Buntscheckiger Hanswurst, zerlumpter Narr!
Ich flehe deine Hoheit, bläu' ihn durch
Und nimm die Flasche ihm. Sobald sie leer,
Soll er Seewasser trinken. Denn ich zeig' ihm
Die süßen Quellen nicht.

Stephano. Trinculo, begieb dich nicht weiter in Gefahr. Unterbrich das Ungeheuer noch mit einem Wort, und, bei dieser meiner Rechten, ich thu' alle Barmherzigkeit ab von mir und klopfe dich wie einen Stockfisch, windelweich.

Trinculo. Ei, was hab' ich denn nur gethan? Nichts hab' ich gethan. Ich will weiter zurückgehn.

Stephano. Sagtest du nicht, er löge?

Ariel. Du lügst.

Stephano. Ich lüge? Da hast du eine! (Er schlägt ihn.) Schmeckt sie dir, so straf' mich noch einmal Lügen.

Trinculo. Ich strafte dich nicht Lügen! Den Verstand verloren, und das Gehör dazu? Verdammt sei deine Flasche. So weit kann Sekt und Saufen bringen. Die Pest über dein Ungeheuer, und der Teufel hol' deine Faust.

Caliban. Ha, ha, ha!

Stephano. Nun vorwärts in deiner Erzählung. Du steh' weiter zurück, ich rath' es dir.

Caliban. Hau' ihn nur weidlich durch! Ein Weilchen noch,
So thu' ich mit.

Stephano. Steh' zurück, und du, fahre fort.

Caliban. Wie ich gemeldet, pflegt er Nachmittags
Zu schlafen. Dann kannst du sein Hirn einschlagen,
Wenn du ihm seine Bücher erst genommen;
Mit einem Knittel seinen Kopf zerschmettern,
Auf einen Pfahl ihn spießen, oder auch
Mit einem Messer ihm den Hals abschneiden.
Vergiß nicht, seine Bücher wegzunehmen;
Denn ohne sie ist er so dumm wie ich
Und hat nicht einen Geist zu seinen Diensten.
Sie alle hassen ihn so tief wie ich.
Verbrenn' nur seine Bücher. Er besitzt
Feines Geräth (so nennt er's) für sein Haus,
Wenn er eins hat; allein das Köstlichste
Voll allen Schätzen ist sein Töchterlein;
Er selber sagt, sie hat nicht ihres Gleichen.
Ich habe nie ein Weib gesehn als sie
Und meine Mutter Sykorax. Sie geht
Weit über Sykorax, unendlich weit.

Stephano. Ist das Mädel so hübsch?

Caliban. Ja, gnäd'ger Herr. Wohl paßt sie deinem Bett,
Ich steh' dafür, und bringt dir schmucke Kinder.

Stephano. Ungeheuer, ich werde den Mann umbringen. Ich und seine Tochter wollen König und Königin sein, – der Himmel erhalte unsre Hoheiten! – und Trinculo und du, ihr werdet Vicekönige. Gefällt dir der Plan, Trinculo?

Trinculo. Ueber die Maßen.

Stephano. Reich' mir deine Hand. Mir thut leid, daß ich dich geschlagen; aber halt' dein Lebelang deine Zung' im Zaum.

Caliban. In einer halben Stunde wird er schlafen;
Willst du ihn dann vernichten?

Stephano.                                       Ja, auf Ehre.

Ariel. Dies meld' ich meinem Meister.

Caliban. Du machst mich lustig; ich bin außer mir!
Laßt uns vergnügt sein! Trällern wir das Liedchen,
Das ihr mich eben lehrtet?

Stephano. Dein Verlangen, Ungeheuer, will ich befriedigen, nach Möglichkeit befriedigen. Komm, Trinculo, singen wir eins! (Er singt.)

        Rupft sie und zupft sie! Zupft sie und rupft sie!
        Denken ist frei!

Caliban. So ging die Weise nicht.

(Ariel spielt auf Trommel und Pfeife die Melodie.)

Stephano. Was bedeutet das?

Trinculo. Es ist die Weise unseres Liedchens, vom Herrn Niemand aufgespielt.

Stephano. Wenn du ein Mensch bist, zeig' dich in deiner leibhaftigen Gestalt. Bist du ein Teufel, so mach' was du willst.

Trinculo. Vergieb uns unsre Sünden.

Stephano. Wer stirbt, ist aller Schulden quitt. Ich trotze dir . . . Der Himmel sei uns gnädig.

Caliban. Hast Angst?

Stephano. Nein, Ungeheuer, ich nicht.

Caliban. Hab' keine Angst! Das Eiland ist voll Stimmen
Und Töne, süßer Lieder voll, die hoch
Ergötzen und nicht schaden. Oftmals summen
Viel Instrument' und Stimmen um mein Ohr,
Die, wenn ich eben aufgewacht vom Schlaf,
Mich wieder schlafen machen. Dann, so dünkt es
Im Traume mir, thun sich die Wolken auf
Und zeigen Schätze, die auf mich herunter
Zu regnen scheinen, daß ich, wenn der Traum
Vorüber ist, auf's neu' zu träumen wünsche.

Stephano. Das wird ein artiges Königreich für mich werden, wo ich meine Musik umsonst habe.

Caliban. Wenn Prospero vernichtet ist.

Stephano. Das soll alsbald geschehen. Ich weiß den Plan noch.

Trinculo. Der Klang verliert sich. Folgen wir ihm nach und gehen dann an's Werk.

Stephano. Geh voran, Ungeheuer, wir folgen. Ich möchte den Trommelschläger sehn; er spielt lustig drauf los. Willst du kommen?

Trinculo. Ich folge, Stephano.

(Sie gehen ab.)


Dritte Scene.

Eine andere Gegend der Insel.

Es treten auf: Alonso, Sebastian, Antonio, Gonzalo, Adrian, Francisco und Andere.

Gonzalo. Bei unsrer lieben Frau, ich kann nicht weiter;
Die alten Knochen thun mir weh. Wir haben
Ein Labyrinth durchwandert, kreuz und quer.
Vergönnt, Herr, daß ich raste.

Alonso.                                           Alter Freund,
Ich kann dir's nicht verargen, selbst ermüdet
Auf's Aeußerste und fast betäubt im Kopfe.
Sitz' nieder, ruhe aus. Hier auf der Stelle
Entschlag' ich mich jedweder falschen Hoffnung,
Mit der ich mir geschmeichelt. Er ertrank,
Den wir zu suchen in der Irre gehn.
Die See verspottet unsre Nachforschung
Zu Land. Er fahre hin!

Antonio (bei Seite zu Sebastian).
                                      Ich bin recht froh,
Daß er die Hoffnung aufgiebt. Gebt nur ihr,
Um eines Fehlschlags willen, unsren Plan
Nicht auf.

Sebastian.     Den nächsten günst'gen Augenblick
Benützen wir entschieden.

Antonio.                                   Sei's heut Abend!
Sie werden und sie können, ganz ermüdet,
Nicht mehr so wachsam sein, als wie bei Tage
Und frischer Kraft.

Sebastian.                   Heut Abend denn! Nichts weiter.

(Feierliche und seltsame Musik. Prospero in der Höhe, unsichtbar. Verschiedene Erscheinungen tragen ein Mahl auf und tanzen um die Tafel, den König und sein Gefolge mit zierlichen Geberden begrüßend und einladend, worauf sie verschwinden.)

Alonso. Welch eine Harmonie? Horcht, gute Freunde!

Gonzalo. Ein seltsam süßer Wohllaut!

Alonso. Der Himmel schenk' uns güt'gen Schutz! Was war das?

Sebastian. Ein lebend Puppenspiel. Nun glaub' ich auch,
Daß es Einhörner giebt, daß in Arabia
Ein Baum, der Thron des Phönix, wächst, daß dort
Zur Stund ein Phönix herrscht.

Antonio.                                           Ich glaube beides
Und schwör' auf alles, was unglaublich ist,
Wenn's mir erscheint. Nie logen Reisende,
Ob sie ein Narr zu Haus auch Lügen zeiht.

Gonzalo. Erzählt' ich nun dies alles in Neapel,
Wer glaubte mir? Ich sah hier Eingeborne, –
Denn sicher sind dies Leute von der Insel –
Die, wenn sie auch von seltsamer Erscheinung,
Doch milder sind und freundlicher von Sitten,
Als Viel', als Einer von uns Menschenkindern.

Prospero (für sich).
Ehrlicher Alter, du hast wahr geredet;
Denn unter euch giebt's manchen schlimmen Teufel!

Alonso. Vor Staunen komm' ich außer mir. Gestalten,
Geberden, Klänge, welche, ohne Sprache,
Gewissermaßen stumm, doch trefflich reden.

Prospero (für sich).
Lob' nicht zu früh; den Ausgang warte ab.

Francisco. Wie seltsam sie verschwanden!

Sebastian.                                                       Einerlei!
Sie ließen uns ihr Mahl zurück, wir hungern.
Beliebt euch nicht zu kosten?

Alonso.                                           Nein, ich nicht.

Gonzalo. Herr, fürchtet nichts. Als wir noch Knaben waren,
Wer glaubte, daß es Bergbewohner gäbe
Mit Wampen wie ein Stier, an ihrem Hals
Ein Kropf gleich einem Sack? Und Leute, denen
Der Kopf tief in der Brust gesessen ist?
Und doch kann jetzt ein jeder das erzählen,
Der sich als Reisender versichert hat.

Alonso. Ich greife zu und esse, wär's mein Letztes!
Gleichviel, da doch das Beste mir vorüber.
Mein Bruder Herzog, thut gleich uns, greift zu.

(Donner und Blitz. Ariel kommt in Gestalt einer Harpye und schlägt mit den Flügeln auf die Mahlzeit, welche durch eine geschickte Vorrichtung verschwindet.)

Ariel. Ihr seid drei schwere Sünder, die das Schicksal,
Dem diese ird'sche Welt und was darinnen,
Als Werkzeug dient, der nimmersatten See
Geboten auszuspein und an dies Eiland
Zu werfen, das von Menschen unbewohnte,
Da ihr mit Menschen nicht zu leben taugt.
        (Alonso, Sebastian und die uebrigen ziehen ihre Schwerter.)
Ich hab' euch toll gemacht. Mit solchem Muth,
Wie ihr ihn zeigt, erhängen und ersäufen
Die Menschen sich. Ihr Thoren, ich und meine
Genossen sind des Schicksals treue Diener.
Das Element, das eure Schwerter stählt,
Vermöchte eh'r den lauten Wind zu treffen,
Oder mit eitlem Streich die See zu tödten,
Als meiner Flügel einen Flaum zu krümmen;
Gleich unverwundbar sind meine Genossen.
Auch wenn ihr treffen könntet, wäre jetzt
Für eure Kräfte euer Schwert zu schwer,
Nicht aufzuheben eurem Arm. Bedenkt
(Denn dies ist meine Sendung), daß ihr drei
Den guten Prospero um Mailand brachtet;
Daß ihr ihn ausgesetzt sammt seinem Kinde,
Dem unschuldvollen, in die wilde See,
Die jetzo euch vergilt. Für dies Verbrechen
Hat das Geschick, das zögert, nicht vergißt,
Jetzt Land und Meer und alle Kreaturen
In Aufruhr gegen eure Ruh' gebracht.
Alonso, dich beraubten sie des Sohnes
Und künden dir durch mich, daß schleichend Unheil,
Verderblicher als Tod, dich Schritt für Schritt
Auf deinem Weg verfolgt. Von solcher Strafe,
Die hier auf diesem öden Eiland euch
Erreichen wird, giebt's keine andre Rettung,
Als Reue und ein fürder reines Leben.

(Er verschwindet unter Donnerschlag. Dann kehren die Erscheinungen zurück, begleitet von sanfter Musik, und tragen mit höhnischen Geberden die Tafel weg.)

Prospero (bei Seite).
Gut spieltest du die Rolle der Harpye,
Mein Ariel, anmuthig auch im Würgen.
Von meiner Vorschrift hast du nichts vergessen
In deiner Rede. Auch die niedren Geister
Verrichteten ihr Amt mit Lust und Eifer.
Mein hoher Zauber wirkt. All' meine Feinde
Sind tief in Wahn verstrickt, in meiner Macht.
Und so verlass' ich sie, um Ferdinand,
Den sie ertrunken glauben, zu besuchen,
Und sein' und meine Liebste. (Er verschwindet.)

Gonzalo. In aller Heil'gen Namen, Herr, was starrt ihr so?

Alonso. O, es ist gräßlich, gräßlich! Mich bedünkte,
Die Wellen sprachen und erzählten mir's,
Es sang's der Sturm; der Donner, diese tiefe
Furchtbare Orgelpfeife, rollte laut
Den Namen Prospero und mein Verbrechen!
Deswegen liegt mein Sohn in Schlamm gebettet;
Ich such' ihn, tiefer, als das Senkblei forscht,
Und will verschlämmt an seiner Seite liegen! (Ab.)

Sebastian. Nur einen Teufel schickt mir auf einmal,
So fecht' ich's mit Legionen aus.

Antonio.                                             Ich helfe! (Beide ab.)

Gonzalo. Sie sind verzweifelt, alle drei. Die Schuld,
Ein Gift, das seine Wirkung spät beginnt,
Nagt scharf an ihnen. Ich ersuche euch,
Der ihr noch jüng're Beine habt, geht nach
Und haltet sie von jeder That zurück,
Wozu der Wahnsinn treiben kann.

Adrian.                                                 So folgt mir!

(Alle gehen ab.)

 


 


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