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Erster Aufzug.


Erste Scene.

An Bord eines Schiffes zur See.

Unter Donner und Blitz treten, von verschiedenen Seiten, der Kapitän und der Bootsmann auf.

Kapitän. Bootsmann!

Bootsmann. Hier, Meister; wie steht's?

Kapitän. Gut; sprich den Matrosen zu. Greift hurtig an, oder wir fahren auf. Rührt euch, rührt euch! (Ab.)

(Matrosen kommen.)

Bootsmann. Halloh, Kinder! Lustig, lustig, Kinder! Greift hurtig an, hurtig! Zieht das Bramsegel ein! Achtet auf des Kapitäns Pfeife! – Möchtest du blasen, bis dir die Backen bersten; wenn wir nur die offene See hätten!

(Aus der Kajüte treten auf: Alonso, Sebastian, Antonio, Ferdinand, Gonzalo und Andere.)

Alonso. Guter Bootsmann, seid auf der Hut! Wo ist der Kapitän? Haltet euch wie Männer!

Bootsmann. Ich bitte, bleibt jetzt drunten!

Antonio. Wo ist der Kapitän, Bootsmann?

Bootsmann. Hört ihr ihn nicht? Ihr hindert uns im Arbeiten. Bleibt in eurer Kajüte. Ihr helft dem Sturm.

Gonzalo. Nun ja doch, seid nur ruhig!

Bootsmann. Wenn's die See ist. Hinweg! Was kümmert diese Brauseköpfe der Name König? In die Kajüte! Still, stört uns nicht.

Gonzalo. Aber bedenkt, wen ihr an Bord habt.

Bootsmann. Niemand, der mir näher ginge, als ich selbst. Ihr seid ja Rath. Könnt ihr den Elementen Schweigen gebieten und im Augenblick Frieden stiften, dann rühren wir kein Tau mehr an. Wenn ihr es nicht könnt, so dankt Gott, daß ihr so lange gelebt habt und bereitet euch in eurer Kajüte auf euer letztes Stündlein vor, falls es das nächste sein sollte. – Lustig, Kinder! – Geht uns aus dem Weg, sag' ich. (Mit den Matrosen ab.)

Gonzalo. Ich schöpfe großen Trost aus diesem Burschen; er hat kein Zeichen des Ersaufens an sich, sein Gesicht ist eine wahre Galgenphysiognomie. Bestehe darauf, gutes Schicksal, ihn hängen zu lassen. Mach' den Strick seines Verhängnisses zum Rettungstau für uns, denn unser eigenes nützt uns wenig. Wenn er nicht zum Hängen geboren ist, steht's schlimm mit uns.

(Er geht mit den übrigen Passagieren in die Kajüte zurück.)

Bootsmann (zurückkehrend). Herunter mit dem Topmast, tiefer, tiefer! Laßt das Schiff mit dem Schönfahrsegel treiben! (Geschrei im Schiffsraum.) Verflucht das Geheul! Sie sind lauter als der Sturm und unsere Arbeit. ( Sebastian, Antonio und Gonzalo kommen wieder herauf.) Schon wieder da? Was sucht ihr hier? Sollen wir's aufgeben und sinken? Habt ihr Lust unterzugehen?

Sebastian. Die schwere Noth in deinen Hals, du Fluch- und Lästermaul!

Bootsmann. So legt doch ihr Hand an!

Antonio. Laß dich hängen, du Hund, hängen! Du unverschämter Schreihals, wir fürchten uns weniger vor dem Ertrinken als du.

Gonzalo. Gegen das Ertrinken steh' ich ihm, wär' auch das Schiff nicht stärker als eine Nußschale und leck wie eine lüderliche Dirne. Er muß hängen.

Bootsmann. Legt vor den Wind, vor den Wind! Zwei Segel zieht auf! Wieder in See! legt bei!

(Matrosen treten auf, durchnäßt.)

Matrosen. Alles verloren! Betet, betet! Verloren!

Bootsmann. Was? Müssen wir ersaufen?

Gonzalo. Der König und der Prinz sind im Gebet;
Laßt uns mit ihnen beten, denn wir sind
In gleicher Noth.

Sebastian.               Mein Gleichmuth ist dahin!

Antonio. Wir sind um unser Leben grob betrogen
Von Säufern! Dieses Großmaul, dieser Schuft,
Daß er ersaufen müßte und versinken,
Von Flut und Ebbe zehnmal fortgerissen!

Gonzalo. Er wird gehängt, wenn jeder Wassertropfen
Auch ihn verschlingen möchte!

( Verworrenes Geschrei im Schiffsraum: Gott sei uns gnädig! Wir scheitern! – Lebt wohl, Weib und Kinder! – Bruder, lebe wohl! – Wir scheitern, wir scheitern!)

Antonio. So laßt uns alle mit dem König sterben.

Sebastian. Kommt Abschied von ihm nehmen!

Gonzalo. Jetzt gäb' ich tausend Hufen See für einen Morgen trocknen Landes; dichte Heide, brauner Ginster, was es immer wäre. Der Wille des Himmels geschehe. Doch wäre ich gern eines trockenen Todes gestorben.

(Sie gehen während ihrer letzten Reden ab in die Kajüte.)


Zweite Scene.

Das Eiland vor Prospero's Zelle.

Prospero und Miranda treten auf.

Miranda. Wenn ihr durch eure Kunst, mein liebster Vater,
Den wilden Sturm erregt habt, stillt ihn wieder.
Der Himmel möchte Pech und Schwefel regnen,
Wenn nicht die See, bis in sein Antlitz steigend,
Das Feuer löschte. O, ich litt mit ihnen,
Die ich so leiden sah! Ein stattlich Schiff,
Und sicher auch lebend'ge Wesen drin,
Zerschellt in Stücke! O ihr Schrei durchdrang
Mein tiefstes Herz! Die armen Seelen sanken.
Wär' ich ein mächt'ger Gott gewesen, hätt' ich
Die See hinabgeschlungen in die Erde,
Eh' sie das gute Schiff verschlang, sammt aller
Lebend'gen Ladung.

Prospero.                       Sammle dich, mein Kind.
Sei nicht mehr bang. Sag' deinem milden Herzen:
Kein Leid geschah.

Miranda.                       O Unglückstag!

Prospero.                                                 Kein Leid.
Was ich gethan, geschah aus Sorg' um dich,
Um dich, mein Liebling, meine Tochter, die
Sich selbst nicht kennt, nicht weiß, woher ich stamme,
Und daß ich etwas ungleich Beßres bin
Als Prospero, Herr einer armen Zelle,
Und dein nicht größrer Vater.

Miranda.                                         Mehr zu wissen,
Kam niemals mir in Sinn.

Prospero.                               Doch ist es Zeit,
Dir mehr zu sagen. Leih' mir deine Hand,
Nimm meinen Zaubermantel von mir. So,
Da liege, meine Kluft! (Er legt seinen Mantel ab )
                                      Nun sei getrost
Und trockne deine Augen. Dieses Schauspiel
Des Schiffbruchs, das dein Mitleid tief erregte,
Hab' ich mit solcher Vorsicht meiner Kunst
Geordnet, daß kein lebend Wesen, nein,
Kein Haar gekrümmt ist denen, die du schreien
Gehört und untergehn gesehen. Laß
Dich nieder. Du sollst mehr erfahren.

Miranda.                                                     Oft
Begannt ihr, mir zu sagen, wer ich bin,
Dann schwiegt ihr wieder, ließt umsonst mich fragen
Und spracht: Noch nicht.

Prospero.                               Die Stund' ist jetzt gekommen,
Ja, die Minute heischt dein offnes Ohr.
Horch auf und merke! Kannst du einer Zeit
Dich noch erinnern, eh' hieher wir kamen
In diese Zelle? Fast bezweifl' ich es,
Denn damals warst du nicht drei volle Jahre.

Miranda. Doch kann ich's, Herr.

Prospero.                                     Woran? An welcher andern
Person? An einem Haus? Nenn' mir ein Bild,
Das im Gedächtniß dir verblieben ist.

Miranda. Es liegt fern ab, mehr Traum als Wirklichkeit,
Was mein Gedächtniß aufbewahrt. Doch hatt' ich
Vier Frauen oder fünf nicht, mir zu dienen?

Prospero. Die hattest du, und mehr, Miranda. Sprich,
Wie kommt's, daß dein Gedächtniß dies behielt?
Was siehst du sonst in dunkler Zeiten Ferne?
Wenn du der Zeit denkst, eh' hierher du kamst,
So weißt du auch wohl, wie du kamst?

Miranda.                                                       Doch nicht.

Prospero. Zwölf Jahre sind's, Miranda, zwölf der Jahre,
Da war dein Vater Herzog Mailands und
Ein mächt'ger Fürst.

Miranda.                         Herr, seid nicht ihr mein Vater?

Prospero. Deine Mutter war ein Tugendspiegel, und
Sie sagte, du seist meine Tochter; ich,
Dein Vater, war der Herzog Mailands; du
Mein einzig Kind, Prinzessin, nichts Geringres.

Miranda. O Himmel, welch ein Mißgeschick vertrieb uns
Von Mailand? Oder war's ein Glück?

Prospero.                                                   Kind, beides;
Das Mißgeschick vertrieb uns, wie du sagst,
Und gutes Glück half uns hierher.

Miranda.                                               Mir blutet
Das Herz, wenn ich an die Beschwerden denke,
Die ich euch damals machte; doch fahrt fort!

Prospero. Mein Bruder und dein Ohm, – Antonio hieß er, –
Ich bitte dich, gieb Achtung, daß ein Bruder
So falsch kann sein . . . Er, den ich auf der Welt,
Nächst dir, am meisten liebte, welchem ich
Die Führung meines Reiches anvertraut,
Damals des ersten aller Fürstenthümer,
Wie Prospero der erste Fürst; ich galt
Im Rang dafür und ohne meines Gleichen
In freier Kunst . . . Da ich nur diese übte,
So ließ ich meinem Bruder die Regierung,
Ward meinem Land ein Fremdling und verlor
Mich ganz und gar in mein geheimes Wissen.
Dein falscher Ohm, – du hörst doch?

Miranda.                                                   Herr, genau.

Prospero. Als er gelernt, Gesuche zu gewähren
Und abzuschlagen, wen man fördern muß
Und wen, als allzuüppig, niederhalten,
Begann er, meine Schöpfung umzuschaffen,
Sie zu verändern oder neu zu bilden.
Der Diener und des Dienstes Schlüssel, beide
Hielt er in seiner Hand und stimmte leicht
Ein jedes Herz im Staat auf jenen Ton,
Der seinem Ohr gefiel. Er ward das Epheu,
Das meinen herzoglichen Stamm verbarg
Und meinen Saft mir aussog. – Doch du hörst nicht.

Miranda. O lieber Herr, ich höre.

Prospero.                                       Merk' denn auf.
Dadurch, daß ich mein äußres Amt versäumte,
Im Stillen nur beflissen, meinen Geist
Zu bilden – welches über alle Schätzung
Des Volkes, weil es so geheim geschehen, –
Erweckte ich in meinem falschen Bruder
Verbrecherischen Trieb. Mein offner Sinn,
Gleich einem edlen Vater, zeugte seinen
Verrath, der größer war, als mein Vertrauen,
Das ohne Grenzen, beides Gegensätze.
Er war der Herr nicht nur von meinen Renten,
Auch voll der Macht, und ähnlich einem Lügner,
Der durch die Wiederholung seiner Lüge
Zuletzt auch sich belügt und Lügen glaubt,
Hielt er sich selber für den Herzog Mailands,
Obwohl er nur sein Stellvertreter war,
Nur äußerlich mit Fürstenmacht bekleidet
Und allem Recht. Sein Ehrgeiz wuchs dadurch . . . .
Du hörst nicht.

Miranda. Eure Geschichte, Herr, kann Taube heilen.

Prospero. Zuletzt, um jeden Unterschied zu tilgen
Der Rolle, die er spielte und des Mannes,
Für den er spielte, nimmt er fest sich vor,
Selbst Mailands unumschränkter Herr zu werden.
Mir armen Mann war ja mein Büchersaal
Genug als Herzogthum. Er hielt mich ganz
Unfähig für ein weltlich Regiment.
So schließt er, durstig nach der Herrschaft, mit
Dem König von Neapel einen Bund,
Zahlt jährlich ihm Tribut als sein Vasall,
Macht seinen Herzogshut der Krone dienstbar
Und beugt sein freies Land – ach, armes Mailand! –
In höchst unedle Knechtschaft.

Miranda.                                           Güt'ger Himmel!

Prospero. Hör' den Vertrag, den Ausgang, und dann sage,
Ob so ein Bruder handelt.

Miranda.                                   Sünde wär' es,
Von meiner Aeltermutter Uebles denken;
Oft trug ein reiner Schooß unreine Frucht.

Prospero. Dies der Vertrag! Der König von Neapel,
Von Alters her mein Feind, giebt meinem Bruder
Gehör. Für die versprochnen Lehensdienste
Und den Tribut, ich weiß nicht mehr wie viel,
Verpflichtet sich der König, mich und mein
Geschlecht sogleich der Herrschaft zu entsetzen,
Das schöne Mailand und die Herzogswürde
Auf meines Bruders Haupt zu übertragen.
Darauf ward ein Verrätherheer geworben;
Antonio öffnet ihm in einer Nacht,
Die zu der That geeignet, Mailands Thore,
Und seines Anschlags Diener führen uns
In lautlos tiefer Dunkelheit hinweg,
Mich und dich weinend Kind.

Miranda.                                         Ach, welch ein Jammer!
Ich, nicht mehr wissend, wie ich damals weinte,
Will jetzt auf's neue weinen. Dieses Bild
Preßt meinem Auge Thränen aus.

Prospero.                                             Hör' weiter,
So führ' ich dich auf das Ereigniß hin,
Das jetzt bevorsteht, ohne welches meine
Geschichte müßig wäre.

Miranda.                               Warum brachten
Sie uns nicht gleich um's Leben?

Prospero.                                             Wohl gefragt,
Nach dem, was du gehört. Sie wagten's nicht,
Weil treu das Volk mich liebte, ihrer That
Ein blutig Siegel aufzudrücken; nein,
Sie übertünchten hell ihr dunkles Werk.
Man riß uns weg, an eines Schiffes Bord,
Und fuhr uns ein paar Meilen in die See.
Dort ward ein alt Geripp von Boot gerüstet,
Ohn' Tauwerk, Mast und Segel, von den Ratten
Sogar verlassen; darin setzten sie
Uns aus, zu weinen in's Geheul der Wogen,
Zu seufzen in den Wind, der, wieder seufzend
Und mitleidvoll, nur liebend weh uns that.

Miranda. Ach, wie viel Mühsal macht' ich damals euch!

Prospero. Ein Engel warst du, mir zu Trost und Rettung.
Du lächeltest, von Gott mit Muth beseelt,
Wenn ich die See mit salz'gen Tropfen füllte,
Erliegend meiner Last. Dein Beispiel hob
Mein tiefgebeugtes Herz und gab mir Muth
Zu dulden, was bevorstand.

Miranda.                                     Wie gelangten
Wir dann ans Land?

Prospero.                       Durch Gottes Vorsehung.
Wir hatten Nahrung mit und etwas Wasser,
Das uns Gonzalo gab, ein Edler von
Neapel, zu der Unthat ausersehen,
Allein gerührt durch unsre Noth zum Mitleid.
Er gab uns reiche Kleider, Leinen, Stoffe
Und Hausgeräth, das seitdem oft gedient,
Und da er wußte, wie mein ganzes Herz
An meinen Büchern hing, versah er gütig
Aus meinem Vorrath mich mit wahren Schätzen,
Die mehr mir werth sind als mein Herzogthum,

Miranda. Daß ich dem Mann doch je begegnen möchte!

Prospero. Nun steh' ich auf. – Sitz' still und hör' das Ende.
Wir kamen auf dies Eiland. Hier hab' ich,
Dein Lehrer, mehr als Fürstentöchter pflegen,
Dich lernen lassen, die für eitle Dinge
Mehr Zeit besitzen, minder treue Meister.

Miranda. Der Himmel lohn' es euch. Nun sagt mir aber,
Warum ihr jenen Seesturm habt erregt,
Der noch in meinem Busen tobt?

Prospero.                                             So wisse!
Durch höchst seltsame Fügung hat Fortuna,
Jetzt wieder meine Freundin, unsre Feinde
An diesen Strand geführt. Mir sagt mein Wissen,
Daß meines Glückes Stern sich dem Zenith
Jetzt nähert. Nütz' ich seinen Einfluß nicht,
Versäum' ich ihn, so wird sich unser Loos
Nicht mehr erheben. Frage jetzt nicht weiter;
Du neigst zum Schlafe. Dieser Schlaf ist gut,
Gieb ihm nur nach. Ich weiß, du kannst nicht anders.
        (Miranda entschlummert.)
Hierher, mein Diener, komm! Ich bin bereit,
Nah' dich, mein Ariel, komm!

(Ariel erscheint.)

Ariel. Heil, großer Herr und Meister, Heil! Ich komme,
Um deinem Wink zu dienen, sei es fliegend,
Sei's schwimmend, in das Feuer tauchend, reitend
Auf krausen Wolken. Dein Befehl mag schalten
Mit Ariel und aller seiner Kunst.

Prospero. Hast du den Sturm, wie ich's befahl, vollbracht?

Ariel. In jedem Stück. Ich enterte das Schiff
Des Königs; bald am Schnabel, bald am Bauch,
An Deck, in jeglicher Kajüte sprüht' ich
Verderben. Manchmal theilt' ich mich
Und brannt' an vielen Ecken; hoch am Mast,
An Segelstang' und Bugspriet glüht' ich einzeln
Und floß darauf in einen Brand zusammen.
Die Blitze Jupiters, die Herolde
Furchtbarer Donnerschläge, sind nicht rascher,
Den Wink nicht überholender. Das Feuer,
Der Schwefeldampf, das laute Krachen schienen
Den mächtigen Neptunus zu erschüttern,
Sammt seinen Wellen, seinem grimmen Dreizack.

Prospero. Mein wackrer Geist! Wer war so fest, so standhaft,
Daß ihm der Sturm nicht die Besinnung nahm?

Ariel. Nicht eine Seele blieb von Wahnsinn frei
Und Streichen der Verzweiflung. Außer
Dem Schiffsvolk sprangen Alle in die See,
Die schäumende, das Schiff im Stiche lassend,
Das unter mir ein Flammenmeer geworden.
Der Sohn des Königs Ferdinand, sein Haar
Gesträubt wie Besenreiser, nicht wie Haare,
Er sprang zuerst und schrie! Die Höll' ist los,
All ihre Teufel hier!

Prospero.                       Brav, lieber Geist!
Geschah dies nah dem Strand?

Ariel.                                                 Ganz nahe, Meister,

Prospero. Und sie sind unversehrt?

Ariel.                                                     Kein Haar gekrümmt,
Kein Fleck am Kleid, das oben sie erhielt,
Jetzt frischer als vorher. Wie du befohlen,
Zerstreut' ich sie in Gruppen auf dem Eiland.
Den Sohn des Königs landet' ich allein;
An einem öden Fels verließ ich ihn,
Die Luft mit seinen Seufzern kühlend, und
Die Arme kläglich so verschlungen.

Prospero.                                                 Sprich,
Was thatst du mit dem Schiff des Königs, mit
Dem Schiffsvolk, mit der Flotte Rest?

Ariel.                                                           Geborgen
In tiefer Bucht des Hafens, liegt das Schiff
Des Königs, da, wo du um Mitternacht
Einst von den stürmischen Bermudainseln
Mich hießest Thau zu schöpfen. Alles Schiffsvolk
Ist unter Deck gebracht, in Schlaf versunken,
Halb vor Ermüdung, halb durch Zauberkraft.
Der Flotte Rest, den ich zerstreut, hat sich
Vereint und schwimmt auf mittelländ'scher See,
Den Heimweg traurig suchend gen Neapel,
Im Wahn, daß sie das Schiff des Königs scheitern
Und sein gesalbtes Haupt versinken sahn.

Prospero. Dein Auftrag, Ariel, ist wohl erfüllt;
Doch giebt's der Arbeit mehr. Um welche Zeit ist's?

Ariel. Mittag vorüber.

Prospero.                     Mindestens zwei Stunden.
Die Zeit von jetzt bis Abend brauchen wir
Zu wicht'gem Zweck.

Ariel.                                 Noch mehr der Arbeit giebt's?
Da du mich brauchst, laß an dein Wort mich mahnen,
Das du noch nicht gehalten.

Prospero.                                     Wie! Verdrossen?
Was kannst du fordern?

Ariel.                                     Meine Freiheit, Herr!

Prospero. Eh' deine Frist um? Nichts davon!

Ariel.                                                                   Ich bitte,
Gedenke, daß ich nützlich dir gedient,
Dich nicht belogen, kein Versehn begangen,
Niemals gegrollt, geschmollt. Du hast versprochen
Ein Jahr mir zu erlassen.

Prospero.                               Du vergißt,
Aus welcher Qual ich dich erlöste.

Ariel.                                                       Nein.

Prospero. Ja doch. Es dünkt dir schwer und groß, zu wandeln
Am Grund der See,
Zu laufen auf dem scharfen Nord, zu steigen
Auf mein Geheiß tief in der Erde Schooß,
Den hart gefrornen.

Ariel.                               Herr, ich thu' nicht groß.

Prospero. Du lügst, boshaftes Ding. Hast du vergessen
Die böse Hexe Sykorax, die Alter
Und Neid wie einen Faßreif krumm gebogen?

Ariel. Nein, Herr!

Prospero.             So sag', wo sie geboren ward?

Ariel. In Algier, Herr.

Prospero.                   So? Wirklich? Muß ich doch
Einmal in jedem Monat dich erinnern,
Was du gewesen, daß du's nicht vergißt,
Die Hexe Sykorax, du weißt es, wurde
Für mancherlei Vergehn und Zaubereien,
Zu schrecklich für ein menschlich Ohr, verbannt
Aus Algier. Nur um eines Grundes willen
Verschonte man ihr Leben. Ist dem so?

Ariel. Ja, Herr.

Prospero. Das Scheusal wurde schwanger hergeführt
Und von dem Schiffsvolk hier zurückgelassen.
Du, jetzt mein Sklave, warst der ihre damals,
Und da du, als ein allzuzarter Geist,
Dich ihrem schnöden Dienst versagtest, sperrte
Sie dich in einer Fichte Stamm. Darin
Hast du zwölf Jahr' gefangen zugebracht.
Sie starb indeß und ließ in deinem Kerker
Dich eingeschlossen, heulend, zähneklappernd,
Gleich einem Mühlenrad. Dies Eiland zeigte
Damals noch keine menschliche Gestalt,
Bis auf den Sohn, den Sykorax hier warf,
Ein ekler Wechselbalg.

Ariel.                                   Ja, Caliban.

Prospero. Einfältig Ding, so heißt er: Caliban,
Mein Diener jetzt. Du wirst am besten wissen,
In welcher Qual ich dich gefunden habe.
Dein Stöhnen weckte das Geheul der Wölfe
Und Mitleid in des wilden Bären Brust.
Es war 'ne Höllenpein, von Sykorax
Nicht wieder lösbar; meine Kunst allein
Vermochte, da ich herkam und dich hörte,
Den Stamm zu öffnen und dich freizulassen.

Ariel. Dank, Meister, dir!

Prospero.                           Wenn du noch einmal murrst,
So spalt' ich einen Eichenstamm und keile
Dich hart in sein verknotet' Eingeweide,
Bis du zwölf lange Winter durchgeheult.

Ariel. Vergieb! Ich will mich deinem Willen fügen
Und artig spuken.

Prospero.                     Thust du das, so laß ich
Dich in zwei Tagen frei.

Ariel.                                     Mein edler Meister,
Was soll ich thun? Sag' an, was soll ich thun?

Prospero. Verwandle dich in eine Wassernixe,
Nur dir und mir erkennbar, unsichtbar
Für jedes fremde Auge. Komm zurück,
Sobald du dies gethan. Jetzt rasch von hinnen!
        (Ariel verschwindet.)
        (Zu Miranda)
Erwache, liebes Herz. Dein Schlaf war süß.
Erwache!

Miranda.       Eine wunderbare Mär'
Hat mich in Schlaf gewiegt.

Prospero.                                     Erheb' dich nun;
Wir gehn zu meinem Sklaven Caliban,
Der niemals freundlich ist.

Miranda.                                   Ein Ungeheuer,
Das ich nicht sehen mag.

Prospero.                               Doch das wir brauchen,
Wie unser Haus jetzt ist. Er macht uns Feuer,
Trägt unser Holz und leistet manche Dienste,
Die nützlich sind. He, Sklave, Caliban!
Erdkloß!

Caliban (von innen).
                Es ist noch Holz genug im Haus.

Prospero. Heraus! Hier giebt's für dich auch andre Arbeit;
Schildkröte, komm!
        ( Ariel erscheint als Wassernymphe wieder.)
Holde Erscheinung! Flinker Ariel,
Komm, lausche mir! (Er flüstert in Ariels Ohr.)

Ariel. Es soll geschehen, Meister. (Ab.)

Prospero. Du gift'ger Sklav', vom Teufel selbst erzeugt
Mit deiner bösen Mutter, komm heraus!

( Caliban kommt.)

Caliban. So schlimmer Thau, als jemals meine Mutter
Mit Rabenfedern fing aus gift'gem Sumpf,
Fall' auf euch zwei! Ein Südwind blas' auf euch
Und deck' euch ganz mit Blattern!

Prospero. Dafür sollst du, fürwahr, noch heute Nacht
An Krämpfen und an Seitenstechen leiden,
Daß dir der Athem ausgeht. Alp und Igel,
Die sich im Dunkeln rühren, mögen dich
Heimsuchen. Blau gekniffen sollst du werden,
Von einem ganzen Bienenkorb gestochen.

Caliban, Ich muß zu Mittag essen. Dieses Land
Ist mein, von meiner Mutter Sykorax.
Du nimmst es mir. Im Anfang, da du kamst,
Verzogst du mich und thatst mir schön; du gabst mir
Wasser mit Beeren drin, und lehrtest mich
Das große und das kleine Licht benennen,
Die brennen Tag und Nacht. Da liebt' ich dich
Und zeigte dir die Schätze dieser Insel,
Salzquellen, Brunnen, dürres Land und fettes.
Verflucht, daß ich's gethan! Der ganze Zauber
Der Sykorax, Molch, Schröter, Fledermaus,
Komm über dich! Ich, sonst mein eigner Herr,
Bin jetzt dein Unterthan, der einzige.
Du sperrst mich ein in diesen harten Felsen
Und nimmst das Land für dich.

Prospero.                                         Verlogner Sklav',
Empfindlich nur für Streiche, nicht für Güte!
Ich habe menschlich, Unmensch, dich behandelt,
Bis du versucht, die Ehre meines Kindes
Zu schänden.

Caliban. Oho, oho! Ich wollt', es wär' geschehen!
Wenn du mich nicht gehindert, hätt' ich wohl
Mit Calibans die Insel reich bevölkert.

Prospero. Abscheulicher, zu jeder Schandthat fähig,
Zu keiner guten! Mich erbarmte dein,
Ich suchte dir der Rede Kunst zu geben
Und wies dir jede Stunde etwas Neues.
Als du, dir selber unverständlich, Wilder,
Gleich einem Thiere knurrtest, lieh ich dir
Für dein Bedürfniß Worte. Aber dein
Verworfner Sinn, obwohl er lernte, litt
Gemeinschaft nicht mit feineren Naturen.
Deswegen sperrt' ich dich in diesen Felsen,
Obwohl du mehr verdient als ein Gefängniß.

Caliban. Du hast mich sprechen lehren. Mein Gewinn
Ist, daß ich fluchen kann. Die Pest auf dich
Für das Geschenk der Sprache!

Prospero.                                           Hexenbrut,
Hinweg und trage Holz! Zu deinem Besten
Rath' ich dir flink zu sein. 's giebt mehr zu schaffen.
Du zögerst, Scheusal? Wenn du lässig bist
Und störrisch, foltr' ich dich mit argen Krämpfen
Und pein'ge deine Knochen. Brüllen sollst du,
Daß Bestien zittern.

Caliban.                         Bitte, nein, halt' ein!
        (Beiseite)
Ich muß gehorchen, seine mächt'ge Kunst
Bezwänge selbst die Geister meiner Mutter
Und machte sie zu seinen Dienern.

Prospero.                                                 Fort!

(Caliban ab. Ariel tritt unsichtbar auf, spielend und singend. Ihm folgt Ferdinand.)

Ariel (singt).
        Kommt auf diesen gelben Strand,
        Schlingt Hand in Hand!
        Küßt euch und verneigt euch fein,
        Die See schlief ein;
        Taucht und schwebt im Kreis empor,
        Süße Geister, singt den Chor.
        Horcht auf!
                (Geisterstimmen hinter der Scene: Wau, wau!)
        Der Hund giebt Laut.
                (Geisterstimmen: Wau, wau!)
        Horcht auf und schaut!
        Es kräht der Hahn, der Morgen graut!
        Kickeriki!

Ferdinand. Wo ist nur die Musik? Hienieden, – droben?
Sie klingt nicht mehr. Wohl dient sie einem Gott
Des Eilands. Drunten saß ich an dem Strand,
Noch einmal meines Vaters Tod beweinend,
Und da beschlich sie mich vom Wasser her,
Der Wellen Zorn und meinen Kummer lindernd
Mit sanftem Wohllaut. Darauf folgt' ich ihr,
Vielmehr sie zog mich nach. Nun ist sie still.
Nein, sie beginnt auf's neue.

Ariel (singt).
        Fünf Faden tief liegt Vater dein,
        Sein Gebein wird zur Koralle,
        Perlen sind die Augen sein;
        Nicht ein Theil von ihm verfalle,
        Den nicht salz'ge Meeresflut
        Wandelt in ein köstlich Gut.
        Nixen läuten ihm zur Ruh! –
        Bim, bim – hörst ihr Glöckchen du?

Chor.
        Bim, bim!

Ferdinand. Das Lied gemahnt mich an den lieben Vater.
Dies ist kein sterblich Werk, und solche Weise
Gehört der Erde nicht. Jetzt tönt sie droben.

Prospero (zu Miranda).
Zieh' deiner Augen Fransenvorhang auf
Und sprich: was siehst du dort?

Miranda.                                           Was ist's? Ein Geist?
Wie's um sich schaut! Welch' herrliche Erscheinung!
Doch glaubt mir, Herr, es ist ein Geist.

Prospero.                                                     Mein Kind,
Es ißt und trinkt und schläft, hat gleiche Sinne
Wie wir. Der Jüngling, den du siehst, war mit
Im Schiffbruch. Wenn nicht Gram, der Wurm der Schönheit,
An ihm genagt, so möchtest du ihn wohl
Ein schönes Mannsbild nennen. Er verlor
Die Seinen und irrt suchend nun umher.

Miranda. Ein göttlich Wesen scheint er mir zu sein,
Nie sah ich etwas Menschliches so schön.

Prospero (für sich).
Es geht, wie ich's gewünscht. (Zu Ariel) Mein feiner Geist,
Dafür entlass' ich dich nach zweien Tagen.

Ferdinand. Gewiß die Gottheit, die das Lied gefeiert! –
Erhört mein Flehn, zu wissen, ob ihr weilt
Auf diesem Eiland. Unterrichtet mich,
Was ich zu thun hab'. Meine erste Bitte,
Zuletzt gesagt, ist die! Du holdes Wunder,
Bist du ein Mädchen oder nicht?

Miranda.                                             Kein Wunder,
Ein Mädchen nur.

Ferdinand.                 O Himmel! Meine Sprache!
Ich bin der Erste aller, die sie reden,
Wär' ich nur da, wo sie geredet wird.

Prospero. Der Erste, wie? Was wärst du, hörte dich
Der König von Neapel?

Ferdinand.                         Was ich wäre?
Ein Wesen wie ich jetzt bin, hoch erstaunt,
Daß ich dich von Neapel sprechen höre.
Er hört mich, und ich weine, daß er's thut.
Ich selbst bin König von Neapel, seit
Mit meinen nimmer trocknen Augen ich
Den König, meinen Vater, sinken sah.

Miranda. Hilf Himmel!

Ferdinand.                     Ja, so ist es. Sein Gefolge
Ging mit ihm unter, auch der Herzog Mailands.

Prospero. Der Herzog Mailands könnte eines Beßren
Dich wohl belehren, wär' es an der Zeit.
        (Bei Seite)
Beim ersten Anblick wechseln sie die Augen;
Mein Ariel, dafür entlaß ich dich.
        (Zu Ferdinand)
Ein Wort! Mir scheint, du thust dir selbst zu nah.

Miranda. Warum mein Vater nur so zornig spricht?
Dies ist der dritte Mann, den ich gesehen,
Der erst', um den ich je geseufzet! Mitleid
Mag meinen Vater meines Sinnes machen!

Ferdinand. Wenn du ein Mädchen bist und bist noch frei,
Erheb' ich dich zur Kön'gin von Neapel.

Prospero. Nur sachte, Herr! Ein Wort noch! (Bei Seite) Beide sind
Schon einig unter sich. Das rasche Bündniß
Muß ich verzögern, daß zu leichter Sieg
Den Preis nicht schmäl're. (Zu Ferdinand) Hör,' ich sage dir,
Daß du mir folgst. Du nimmst hier Namen an,
Die dir nicht ziemen. Als ein Späher kamst du
Auf dieses Eiland, mir es zu entreißen,
Dem ächten Herrn.

Ferdinand.                   So wahr ich Mann bin, nein.

Miranda. In diesem Tempel kann nichts Böses herrschen.
Hat solch ein schönes Haus der schlimme Geist,
So wird der gute bei ihm wohnen wollen.

Prospero. Sprich nicht für den Verräther! (Zu Ferdinand) Folge mir!
Ich will dir Hals und Fuß zusammenfesseln,
Seewasser sollst du trinken, Muscheln essen,
Roh aus dem Bach, verwelkte Wurzeln, Schaalen
Der Eichel. Folge mir!

Ferdinand.                        Ich wehre mich
Und weiche nur, wenn mich der Feind besiegt.

(Er zieht sein Schwert, bleibt aber regungslos stehen, durch Prospero gebannt.)

Miranda. O lieber Vater, straft ihn nicht zu schnell,
Denn er ist gut, nicht furchtbar.

Prospero.                                           Will das Küchlein
Gar klüger als die Henne sein? Verräther,
Wag' keinen Streich, gelähmt durch dein Gewissen;
Steck ein! Mit diesem Stab entwaffn' ich dich
Und werf' dein Eisen nieder.

Miranda.                                       Bitte, Vater!

Prospero. Zurück! Was hängst du dich an mein Gewand?

Miranda. Erbarmen, Herr! Ich stehe gut für ihm

Prospero. Schweig'! Noch ein Wort, so muß ich mit dir zanken,
Wenn nicht – dich hassen! Bürgen für den Späher?
Du denkst, es giebt kein Wesen, das ihm gleicht,
Da du nur ihn und Caliban gesehen.
O thöricht Mädchen! Neben andren Männern
Ist er ein Caliban, und sie sind Engel,
Mit ihm verglichen.

Miranda.                       Dann ist mein Begehr
Bescheiden. Ja, ich hege keinen Wunsch
Nach einem schönern Mann als er.

Prospero (zu Ferdinand).                           Gehorche
Und folge! Deine Sehnen sind geschwächt
Wie eines Kindes.

Ferdinand.                 Ja, so ist's. Mein Geist
Fühlt sich gebunden, wie in einem Traum.
Des Vaters Tod, die Schwäche, die ich fühle,
Das Schicksal aller meiner Freunde, selbst
Die Drohung dieses Manns, der mich bewältigt,
Sie sind mir leicht, wenn ich aus meinem Kerker
Nur einmal täglich dieses Mädchen sehe.
Mag Freiheit alle Erdenwinkel füllen,
Für mich ist Raum genug in solchem Kerker!

Prospero. Es wirkt! (Zu Ariel) Das hast du gut gemacht, mein Geist!
Hör', was du noch zu thun hast! (Zu Ferdinand) Folge mir!

Miranda. Sei nur getrost. Mein Vater ist viel besser
Als er in Worten scheint. Höchst ungewohnt
Ist, was er dir gethan.

Prospero (zu Ariel).             Frei wie der Wind
Auf Bergen sollst du sein, vollzieh' nur erst
Genau, was ich befohlen.

Ariel.                                       Jede Silbe.

Prospero. Komm, folge mir! (Zu Miranda) Du, rede nicht für ihn!

(Sie gehen ab.)

 


 


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