William Shakespeare
Romeo und Juliette.
William Shakespeare

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Fünfte Scene.

Verwandelt sich in Juliettens Schlaf-Zimmer; Juliette ligt auf dem Bette.

Die Amme tritt wieder auf.

Amme. Gnädiges Fräulein he! Fräulein! Juliette Das heißt geschlaffen, das gesteh ich – – he, Däubchen – – he, Fräulein – – fy, ihr Sieben-Schläferin – – he! Liebchen, sag ich – – Fräulein – – Herzchen – – Braut – – wie? nicht ein Wort? Ich seh, ihr nehmt für eure drey Pfenninge zum Voraus; ihr schlaft vor die ganze Woche; gut, in der nächsten Nacht, da bin ich gut dafür, wird Graf Paris Mann dafür seyn, daß ihr wenig genug schlafen sollt – – Gott verzeih mir's – – heilige Marie! und Amen! – – was für einen gesunden Schlaf sie hat! Ich muß sie aufschreyen – – Fräulein, Fräulein, Fräulein – – Nun, wahrlich, laßt nur den Grafen euch in sein Bette kriegen, er wird euch aufrütteln, mein Treu – – Kan's denn nicht seyn? Wie, angezogen, in euern Kleidern – – und wieder zurük! – – Ich muß Ernst brauchen – – Fräulein, Fräulein, Fräulein – – O Gott! o Gott! helft, helft, helft! Mein Fräulein ist todt! O Herzenleid! O! warum mußt ich gebohren werden! – – O, einen Schluk Aquavit – – he! – – Gnädiger Herr! Gnädige Frau!

Lady Capulet.

Lady Capulet. Was ist hier für ein Geschrey?

Amme. O unglükseliger Tag!

Lady Capulet. Was ist's, was ist's?

Amme. Da seht – – O unglüklicher Tag!

Lady Capulet. O Gott, o Gott! mein Kind, mein einziges Leben! leb wieder auf, sieh mich an, oder laß mich mit dir sterben. Hülfe, Hülfe! schrey um Hülfe!

Capulet zu den Vorigen.

Capulet. Schämt euch doch, warum bringt ihr Julietten so lange nicht; ihr Gemahl ist gekommen.

Amme. Sie ist todt, gestorben ist sie, sie ist todt: O! daß es Gott erbarme!

Capulet. Ha! laßt mich sehen – – O Himmel! es ist aus, sie ist kalt, ihr Blut ist gestockt und ihre Gelenke sind starr – – ihre Lippen sind ohne Leben, der Tod ligt auf ihr, wie ein frühzeitiger Frost auf der angenehmsten Blume des ganzen Gefildes. Verfluchter Unfall! Unglükseliger alter Mann!

Amme. O des kläglichen Hochzeit-Tags!

Lady Capulet. Arme trostlose Mutter!

Capulet. Der Tod, der mir die Freude meines Alters geraubt hat, bindet meine Zunge, und will mich nicht reden lassen.

Bruder Lorenz und Paris mit Musicanten.

Bruder Lorenz. Kommt, ist die Braut fertig zum Kirchgang?

Capulet. Zum Kirchgang, aber nicht zur Heimholung. O Sohn, in der Nacht vor deinem Hochzeit-Tag ist der Tod bey deinem Weibe gelegen. Sieh, hier ligt sie, die holde Blume die sie war, nun von ihm ihres Schmuks beraubt: Der Tod ist mein Tochter-Mann.

Paris. Hab ich so lange mich gesehnt, diesen Morgen zu sehen, und giebt er mir nun einen solchen Anblik?

Lady Capulet. Verfluchter, elender, unseliger, verhaßter Tag! Jammervolleste Stunde, die jemals die Zeit auf ihrer immerwährenden Pilgrimschaft erblikte! Nur ein einziges, ein armes, einziges, liebes, zärtliches Kind; nur ein einziges, das mir zur Freude und zum Trost war, und der unbarmherzige Tod hat es mir weggenommen.Paris hat hier im Original eine Rede, die vollkommner Non-Sense ist, und durch die er die Amme ablößt, die sich mit unaufhörlichen Ausruffungen »O weh, o weh; o Tag, o Tag,« heiser geschrien. Man hat beyde dem Genius des Shakespears aufgeopfert.

Capulet. Unseliger Zufall! – – Mußte unsre Freude auf eine so meuchelmördrische Art ermordet werden! O mein Kind, mein Kind! Meine Seele, nicht mein Kind, sollst du todt seyn? O Gott, todt! – – Mein Kind ist todt – – alle meine Hoffnungen sinken mit ihm ins Grab.

Bruder Lorenz. Nun, so hemmt doch endlich diesen Ausbruch der Ungeduld und Verzweiflung! Alle diese trostlosen Klagen können euer Weh nicht heilen: Der Himmel und ihr hattet Antheil an diesem liebenswürdigen Mädchen; nun hat der Himmel Alles, und desto besser ist es für sie. Euern Antheil an ihr konntet ihr nicht vor dem Tode bewahren: Aber der Himmel erhält den seinen bey ewigem Leben. Alles was ihr suchtet, war ihre Erhebung – – und ihr weint nun, sie über die Wolken, so hoch als der Himmel selber ist, erhoben zu sehen? Was für eine verkehrte Liebe zu euerm Kind ist das, daß ihr von Sinnen kommen wollt, da ihr seht daß sie glüklich ist! Troknet eure Thränen, umstekt diese schöne Leiche mit Rosmarin, und traget sie, wie es der Gebrauch ist, in ihrem besten Anzug in die Kirche.

Capulet. Alle Zurüstungen, die wir zu unserm Fest gemacht haben, verwandeln sich nun in ein trauervolles Leichen-Gepränge. Unsre musicalischen Instrumente in melancholische Todten-Gloken, unser hochzeitliches Gastmahl in ein schwermüthiges Leichen-Mahl, unsre festlichen Lobgesänge in bange Klaglieder, und unsre hochzeitlichen Blumen-Kränze dienen nun eine Todten-Baare zu schmüken – – O der kläglichen Verwandlung!

Bruder Lorenz. Gnädiger Herr, geht hinein, und ihr, Madam, geht mit ihm, und ihr, Signor Paris; ein jedes bereite sich, diese schöne Leiche zu ihrem Grabe zu begleiten; und hütet euch, durch murrende Ungeduld den über euch schwebenden Zorn des Himmels noch mehr zu reizen.

(Sie gehen ab.)

Sechste Scene.

Die Amme und die Musicanten bleiben, wie natürlich, zurük. Die leztern sind so fein, es von sich selbst zu merken, daß sie hier zu nichts mehr nuzen, und die weise Amme sagt es ihnen noch zum Ueberfluß; sie steken also ihre Pfeiffen ein, und wollen gehen. Aber zu grossem Vergnügen der Zuschauer in den obersten Gegenden kommt Peter, und verlangt, daß sie ihm ein lustiges Stükchen aufspielen sollen; dieses giebt dann den Anlaß zu einem kleinen Divertissement von Wortspielen und Spässen im Geschmak des Wiener-Harlequins; einer Abwechslung, die freylich, (wie der sinnreiche Herr von Voltaire weislich bemerkt,) dem Geschmak unsers Autors und seiner Zeitgenossen wenig Ehre macht, aber doch den Vortheil mit sich führt, daß die Zuschauer, (welche ans Ende doch in die Comödie gegangen sind, um sich einen Spaß zu machen,) durch die kläglichen Scenen nicht gar zu sehr gerührt werden.


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