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Dritter Aufzug.

Erste Scene.

Vor Othello's Pallast.

Cassio, mit Musicanten, tritt auf.

Cassio. Meine Herren, hier spielt eins, (ich will eure Mühe vergelten,) etwas das nicht zu lange währt, und dann wünscht dem General einen guten Morgen.

(Die Musik fängt an; Hans Wurst kommt aus dem Hause heraus.)

Hans Wurst. Wie, ihr Herren, sind eure Instrumente in Neapel gewesen, daß sie so durch die Nase reden? Hier ist Geld für euch; eure Musik gefällt dem General so wol, daß er wünscht, ihr möchtet ihm den Gefallen thun, und nicht gar zu laut damit seyn.

Musicant. Gut, Herr, wir wollen's leiser machen.

Hans Wurst. Wenn ihr eine Musik habt, die man nicht hört, so macht immer fort: Aber was man heißt, Musik zu hören, davon ist der General kein sonderlicher Liebhaber.

Musicant. Eine Musik, die man nicht hört? Wir können eine solche, Herr.

Hans Wurst. So stekt eure Pfeiffen wieder in euern Sak, und zieht ab. Geht, zerfließt in Luft, fort.

(Die Musicanten gehen ab.)

Cassio. Hörst du, guter Freund?

Hans Wurst. Mit beyden Ohren.

Cassio. Hier ist ein kleines Goldstük für dich; wenn die Kammer-Frau der Generalin auf ist, so sag' ihr, es sey ein gewisser Cassio da, der sich die Erlaubniß ausbitte, ein paar Worte mit ihr zu reden. Willt du?

Hans Wurst. Sie ist auf, Herr; wenn sie mir in den Wurf kommt, so will ich nicht ermangeln, es ihr zu notificieren.

(Er geht.)

Cassio. Thu das, guter Freund Da kommt Jago eben recht.

Jago (zu ihm.)

Jago. Ihr seyd also nicht zu Bette gegangen?

Cassio. Nein, gewiß nicht; der Tag brach ja schon an, eh wir schieden. Ich bin so frey gewesen, und habe eure Frau hieher bitten lassen; ich will sie ersuchen, sie möchte mir Zutritt bey Desdemona verschaffen.

Jago. Ich will sie augenbliklich hieher schiken, und indeß ein Mittel ausfindig machen, um den Mohren auf die Seite zu bringen, damit ihr ungehindert mit Desdemonen sprechen könnt.

(Er geht ab.)

Cassio. Ich dank euch gehorsamst davor In meinem Leben hab' ich keinen gutherzigern und ehrlichern Florentiner gesehen!

Aemilia zu Cassio.

Aemilia. Guten Morgen, Herr Lieutenant. Es ist mir leid, daß ihr Verdruß gehabt habt; aber ich hoffe, es wird alles wieder gut werden. Der General und seine Gemahlin reden mit einander davon, und sie nimmt eure Parthey sehr lebhaft. Der Mohr hält ihr entgegen, derjenige, den ihr verwundet hättet, sey ein Mann von grossem Namen in Cypern, und von einer ansehnlichen Familie; er könne aus politischen Ursachen nicht anders, als euch von sich entfernen. Jedoch versichert er zu gleicher Zeit, er liebe euch, und habe keine andre Fürbitter nöthig, um euch wieder bey ihm in Gunst zu sezen, als seine eigne Zuneigung.

Cassio. Ich bitte euch dem ungeachtet, wenn ihr anders glaubt daß es schiklich sey, und wenn es sich thun läßt, mir Gelegenheit zu verschaffen, daß ich ein paar Worte mit Desdemonen allein sprechen könnte.

Aemilia. Ich bitte euch, kommt herein; ich will euch an einen Ort führen, wo ihr Gelegenheit haben sollt, ihr alles zu sagen was ihr auf dem Herzen habt.

Cassio. Ich bin euch sehr dafür verbunden.

(Sie gehen ab.)

Zweyte Scene.

Othello, Jago, und etliche Cyprische Edelleute.

Othello. Diese Briefe, Jago, gieb dem Schiffs-Patron, und bitte ihn, dem Senat meine Schuldigkeit zu bezeugen. Ich will indessen einen Gang in die Vestungs-Werker thun, mache, daß du dort wieder zu mir kommst.

Jago. Ich werde nicht ermangeln, gnädiger Herr.

Othello. Wollen wir gehen, meine Herren, und die Vestung besehen?

Edelleute. Wir werden die Ehre haben, Eu. Gnaden zu begleiten.

(Sie gehen ab.)

Dritte Scene.

Verwandelt sich in das Zimmer im Pallast.

Desdemona, Cassio, und Aemilia.

Desdemona. Sey versichert, mein guter Cassio, ich will alle meine Vermögenheit zu deinem Besten anwenden.

Aemilia. Thut es, liebste Madam; ich weiß, es bekümmert meinen Mann, als ob es seine eigne Sache wäre.

Desdemona. Ich glaub' es, er ist ein guter Mensch; zweifelt nicht, Cassio, ich will meinen Herrn und euch wieder zu so guten Freunden machen, als ihr gewesen seyd.

Cassio. Meine großmüthigste Gebieterin, was auch aus Cassio werden mag, so wird er nie was anders als euer getreuer Diener seyn.

Desdemona. Ich weiß es; ich danke euch; ihr liebet meinen Gemahl; ihr kennt ihn schon lange; und seyd vollkommen versichert, er wird in dieser Entfernung von euch nicht weiter gehen, als er durch politische Ursachen sich genöthigt sehen wird.

Cassio. Sehr wohl, Gnädige Frau; aber diese politische Freundschaft kan so lange währen, und indeß mit einer so leichten und wäßrichten Nahrung unterhalten werden, daß, indem ich abwesend bin, und ein andrer meine Stelle inne hat, mein General meiner Ergebenheit und meiner Dienste endlich gänzlich vergessen wird.

Desdemona. Macht euch keine solche Gedanken; hier in Aemiliens Gegenwart verbürg' ich mich selbst für deine Stelle. Versichre dich, wenn ich meine Freundschaft verspreche, so darf man sich darauf verlassen, daß ich ihre Pflichten bis auf den äussersten Punkt erfüllen werde. Mein Gemahl soll keine Ruhe haben, bis er sich ergeben wird; er soll Tag und Nacht nichts anders hören, ich will ihn bis in sein Bette damit verfolgen, und er soll nichts sagen noch thun können, wovon ich nicht den Anlas nehme, ihn an Cassio's Gesuch zu erinnern; sey also ruhig, Cassio; deine Sachwalterin soll eher das Leben lassen, ehe sie deine Sache aufgeben soll.

Vierte Scene.

Othello und Jago treten von der Seite, in einiger Entfernung auf.

Aemilia. Gnädige Frau, dort kommt euer Gemahl.

Cassio. So will ich meinen Abschied nehmen, Gnädige Frau.

Desdemona. Warum dann? Bleibt da, und hört mich reden.

Cassio. Izt nicht, Gnädige Frau; ich bin so übel aufgeräumt, daß ich meiner Sache keinen guten Schwung geben würde.

(Cassio geht ab.)

Desdemona. Gut, nach euerm Belieben.

Jago (leise.)
Ha! Das gefällt mir nicht zum Besten

Othello (zu Jago.)
Was sagst du?

Jago. Nichts, Gnädiger Herr; oder wenn ich weiß selbst nicht was.

Othello. Gieng nicht diesen Augenblick Cassio von meiner Frauen weg?

Jago. Cassio, Gnädiger Herr? Nein, versichert, ich kan mir nicht vorstellen, daß er sich, sobald er euch kommen sieht, so eilfertig davon schleichen würde, als ob er kein gutes Gewissen hätte.

Othello. Ich glaube nicht anders als er war's.

Desdemona. Wie steht's, mein Gemahl? Ich sprach eben izt mit einem Supplicanten, einem Mann, den eure Ungnade sehr unglüklich macht.

Othello. Und wer ist dieser Mann?

Desdemona. Wer sollt es seyn als euer Lieutenant, Cassio? Liebster Gemahl, wenn ich nur das mindeste Vermögen über euer Herz habe, so söhnt euch auf der Stelle wieder mit ihm aus. Wenn er nicht ein Mann ist, der euch aufrichtig liebt, und der aus blosser Uebereilung und nicht mit Vorsaz gefehlt hat, so versteh ich nichts davon was ein ehrliches Gesicht ist.

Othello. War er's, der nur eben weggieng?

Desdemona. Und so niedergeschlagen, daß er meinem mitleidigen Herzen einen Theil seines Kummers zurükgelassen hat. Ich bitte euch, mein Schaz, laßt ihn zurükruffen.

Othello. Noch nicht, liebste Desdemona, ein andermal.

Desdemona. Aber doch bald?

Othello. Bald genug, mein Herz, für dich.

Desdemona. Heute, Abends, zum Nacht-Essen?

Othello. Das nicht.

Desdemona. Also doch morgen auf den Mittag?

Othello. Ich esse morgen mit einigen Officiers in der Citadelle zu Mittag.

Desdemona. Nun, also doch Morgen Nachts, oder Dienstag Morgens oder Nachts, oder Mittwoch Morgens, ich bitte dich, bestimme die Zeit; aber laß es nicht länger als drey Tage seyn; bey meiner Treue, er ist bußfertig; und doch ist sein Verbrechen, nach der gemeinen Art davon zu urtheilen und bey Seite gesezt, daß in Kriegszeiten von einem Officier das beste Exempel gefordert wird, eine kleine Uebereilung, die kaum einen Privat-Verweis verdient Wenn soll er kommen? Sag mir's, Othello! Mich nimmt in der Seele Wunder, was ihr mich bitten könntet, das ich euch abschlagen würde, oder wobey ich so verdrieslich dastühnde! Wie? Michael Cassio! Der eurer Liebe zu mir so gute Dienste leistete; der so oft, wenn ich nicht sehr vortheilhaft von euch sprach, eure Parthey nahm und ich soll soviel Mühe haben, ihn wieder bey euch in Gunst zu sezen? Glaubt mir auf mein Wort, ich wollte wohl mehr

Othello. Ich bitte dich, laß es genug seyn; er kan kommen, wenn er will; ich will dir nichts abschlagen.

Desdemona. Wie, das ist keine Gefälligkeit, die ich für mich bitte; es ist als ob ich euch bitte eure Kleider zu tragen oder von einer gesunden Speise zu essen, oder euch warm zu halten; kurz, als ob ich bey euch darum anhielte, daß ihr euch selbst etwas zu gut thun möchtet. Nein, wenn ich eine Bitte habe, wodurch ich eure Liebe in der That auf die Probe zu stellen gedenke, so soll es etwas schweres und grosses seyn, etwas das Herz erfordert, um bewilliget zu werden.

Othello. Ich werde dir nichts abschlagen, und alles was ich mir dagegen von dir ausbitte, ist, daß du mich izt ein wenig allein lassen wollest.

Desdemona. Sollt' ich euch's abschlagen? Nein; lebt wohl, mein Gemahl.

Othello. Lebe wohl, meine Desdemona, ich will gleich folgen.

Desdemona. Aemilia, komm; seyd wie es euch eure Laune eingiebt, ihr mögt seyn wie ihr wollt, so bin ich gehorsam.

(Sie gehen ab.)

Fünfte Scene.

Othello und Jago bleiben.

Othello. Anmuthsvolle Spizbübin! Verderben erhasche meine Seele, wenn ich dich nicht liebe und wenn ich dich nicht mehr liebe, so ist die Welt wieder zum Chaos worden.

Jago. Mein Gebietender Herr

Othello. Was willt du sagen, Jago?

Jago. Wie ihr euch um eure Gemahlin bewarbet, wußte Michael Cassio etwas von eurer Liebe?

Othello. Allerdings, vom Anfang bis zum Ende: Warum fragst du?

Jago. Bloß zu meiner eignen Befriedigung; es hat gar nichts böses zu bedeuten.

Othello. Warum zu deiner eignen Befriedigung?

Jago. Ich glaubte nicht, daß er etwas davon gewußt habe.

Othello. Oh, ja, das hat er, und er war oft die Mittels-Person zwischen uns beyden.

Jago. In der That!

Othello. In der That? Ja, in der That! Siehst du was hierinn? Ist er nicht ein rechtschaffner Mann?

Jago. Rechtschaffen, Gnädiger Herr?

Othello. Rechtschaffen? Ja, rechtschaffen!

Jago. Gnädiger Herr, so viel ich weiß.

Othello. Was denkst du?

Jago. Denken, Gnädiger Herr!

Othello. Denken, Gnädiger Herr! Wie, beym Himmel! Was meynst du damit, daß du mir immer nachhallest, gleich als ob irgend ein Ungeheuer, zu gräßlich um gezeigt zu werden, in deinen Gedanken verborgen läge? Du meynst etwas damit; vor einer kleinen Weile hört' ich dich sagen, das gefalle dir nicht wie Cassio von meinem Weibe weggieng. Was gefiel dir nicht? Und wie ich dir sagte, er sey während dem ganzen Lauf meiner Bewerbung um Desdemona mein Vertrauter gewesen, riefst du, in der That? und zogst deine Augbraunen auf eine Art zusammen, als ob du in selbem Augenblik irgend einem scheußlichen Gedanken in deinem Gehirn den Ausgang versperren wolltest: Wenn du mein Freund bist, so sage mir was du denkst.

Jago. Gnädiger Herr, ihr wißt, daß ich euer Freund bin.

Othello. Ich denke, du bist's: Und weil ich weiß, daß du ein gutherziger, ehrlicher Mann bist, und deine Worte wiegst, eh du ihnen Athem giebst, so schreken mich diese Pausen an dir; denn wenn es an einem falschen unredlichen Spizbuben ein Kunstgriff oder auch oft bloß ein angewöhntes Wesen ist, das nichts zu bedeuten hat; so ist es hingegen an einem rechtschaffnen Mann ein Zeichen, daß er sich Mühe giebt etwas in seinem Herzen zurück zu halten, dessen Entdekung schlimme Folgen habe könnte.

Jago. Was Michael Cassio betrift, so darf ich schwören, daß ich ihn für einen ehrlichen Mann halte.

Othello. Dafür halt' ich ihn auch.

Jago. Die Leute sollten seyn, was sie scheinen; oder die es nicht sind, von denen wäre zu wünschen, daß sie auch so aussähen, wie Schelmen.

Othello. Es ist wahr, die Leute sollten seyn, was sie scheinen.

Jago. Nun, ich denke also, Cassio ist ein ehrlicher Mann.

Othello. Nein, du willt mehr damit sagen; ich bitte dich, rede mit mir, wie mit deiner eignen Seele, und gieb deinem ärgsten Gedanken auch den ärgsten Ausdruk.

Jago. Mein liebster General, verschonet mich. Ob ich euch gleich einen vollkommnen Gehorsam schuldig bin, so bin ich doch dazu nicht verbunden, worinn alle Sclaven frey sind euch meine Gedanken zu sagen Wie? gesezt, sie seyen einmal falsch, schändlich; wo ist der Pallast, in den sich nicht zuweilen garstige Dinge eindrängen? Wer hat ein so reines Herz, das nicht manchmal unziemliche Vorstellungen sich unter seine guten Gedanken einmischen sollten?

Othello. Du bist ein Verräther an deinem Freund, Jago, wenn du glaubst, er werde betrogen, und ihm doch nicht entdekest was du denkst.

Jago. Ich denke, daß ich mich vielleicht in meiner Muthmassung betrüge; (wie ich dann bekennen muß, daß es ein unglüklicher Fehler meines Temperaments ist, zum Mißtrauen geneigt zu seyn, und mir eine Sache manchmal schlimmer einzubilden als sie ist,) ich bitte euch also, Gnädiger Herr, euch selbst aus den ungefehren und unsichern Bemerkungen eines Menschen, den sein Argwohn so leicht betrügen kan, keine Ursachen zur Unruhe zu ziehen: Es wäre nicht gut für euch, und nicht ehrlich und vernünftig an mir, wenn ich euch meine Gedanken wollte wissen lassen.

Othello. Was meynst du damit?

Jago. Der gute Name, mein liebster gnädiger Herr, ist bey Manns- und Weibsleuten ein Kleinod das ihnen so theuer seyn soll als ihre Seele. Wer mir mein Geld stiehlt, stiehlt Quark; es ist etwas und ist nichts; es war mein, nun ists sein, und ist schon ein Sclave von Tausenden gewesen; aber wer mir meinen guten Namen nimmt, beraubt mich eines Schazes, der ihn nicht reicher und mich in der That arm macht.

Othello. Ich will wissen, was du denkst

Jago. Ihr könntet das nicht, wenn ihr gleich mein Herz in eurer Hand hättet; und sollt es nicht, so lang es in meiner Verwahrung ist.

Othello. Ha!

Jago. Oh, Gnädiger Herr, nehmt euch vor der Eifersucht in Acht; sie ist ein grün-äugiges Ungeheuer, das sich toller Weise von demjenigen nährt was es am meisten verabscheut. Mancher betrogne Ehemann ist seines Schiksals gewiß, ohne desto unglüklicher zu seyn, weil ihm seine Ungetreue gleichgültig ist Aber, owas für unselige Minuten zählt derjenige über, der vor Liebe schmachtet und doch zweifelt; der argwöhnet, und nur desto heftiger liebt!

Othello. Ein elender Zustand, beym Himmel!

Jago. Arm und zufrieden, ist reich und reich genug; aber ein unermeßlicher Reichthum ist so arm als der Winter für denjenigen, der immer besorgt, es werde ihm ausgehen. Gütiger Himmel! bewahre alle menschlichen Herzen vor Eifersucht!

Othello. Wie? Was meynst du damit? Denkst du, ich wollte jemals mein Leben in Eifersucht zubringen? Die Monds-Veränderungen unverwandt mit argwöhnischen Augen begleiten? Nein, einmal zweifeln heißt bey mir entschlossen seyn. Tausche mich gegen eine Ziege aus, wenn ich jemals fähig bin meine Seele so mißgeschaffnen Gespenstern einer kranken Phantasie Preiß zu geben, als du dir einbildest. Das kan mich nicht eifersüchtig machen, wenn jemand sagt, mein Weib ist schön, ißt mit gutem Appetit, liebt Gesellschaft, ist munter, gesprächig, singt, spielt und tanzt gut; an einer tugendhaften Person werden diese Dinge selbst zu Tugenden. Eben so wenig werd' ich jemals von meinen eignen Unvollkommenheiten Anlas zum kleinsten Zweifel oder Verdacht einer Untreue von ihrer Seite nehmen; denn sie hatte Augen und wählte mich. Nein, Jago; ich will sehen eh ich zweifle; wenn ich zweifle, so will ich Beweise; und sobald ich diese habe, weg auf einmal mit Liebe und Eifersucht!

Jago. Das hör' ich sehr gerne; dann nun darf ich mir also kein Bedenken mehr machen, euch die Freundschaft und Ergebenheit sehen zu lassen, die ich zu euch trage. Nehmt also was ich sagen werde so auf, wie es gemeynt ist. Ich rede noch nicht von Beweisen; gebt auf eure Gemahlin Acht, habt ein aufmerksames Auge auf sie und Cassio, das ist alles was ich sagen kan: Nicht eifersüchtig, aber auch nicht sicher; ich möchte nicht gerne, daß ein so edles Gemüthe wie das eurige, aus einem Uebermaaß von angebohrner Gutherzigkeit betrogen würde; seht euch also vor. Ich kenne die Venetianische Landes-Art; in Venedig bekümmern sie sich wenig, ob der Himmel ein Zeuge ihrer Streiche ist, wenn nur ihre Männer nichts davon gewahr werden; ihre gröste Gewissenhaftigkeit geht insgemein nicht weiter, als daß sie niemand zusehen lassen, wenn sie sündigen.

Othello. Sagst du das?

Jago. Sie betrog ihren Vater, wie sie sich euch ergab; und zu eben der Zeit, da sie euch am heftigsten liebte, stellte sie sich, als ob sie sich vor euch fürchte.

Othello. Das machte sie würklich so.

Jago. Macht also den Schluß; konnte sie, so jung, so unschuldig als sie war, sich so gut verstellen, daß ihr eigner Vater von allem was in ihrem Herzen vorgieng, nichts gewahr werden konnte Er dachte, es müsse nothwendig Zauberey dabey gebraucht worden seyn Doch ich bin sehr zu tadeln: Ich bitte euch recht demüthig um Vergebung, daß ich mich von meiner Liebe zu euch so weit verleiten lasse.

Othello. Ich bin euch auf immer dafür verbunden.

Jago. Ich sehe doch, es hat eure Lebensgeister ein wenig in Unordnung gebracht.

Othello. Im mindsten nicht, im mindsten nicht!

Jago. Glaubt mir, ich besorge, es ist so etwas; ich hoffe wenigstens, ihr werdet überzeugt seyn, daß, was ich sagte aus Freundschaft zu euch geflossen ist. Aber, ich seh' es, ihr seyd beunruhigt Ich bitte euch recht inständig, meinen Reden keine schlimmere Auslegung zu geben, als meine Meynung ist.

Othello. Das will ich auch nicht.

Jago. Thätet ihr's, Gnädiger Herr, so könntet ihr Folgen daraus ziehen, an die ich in der That nie gedacht habe. Cassio ist mein Freund und ein Mann der Verdienste hat Gnädiger Herr, ich sehe, ihr seyd unruhig

Othello. Nein, nicht sonderlich unruhig ich denke nichts anders, als Desdemona ist tugendhaft.

Jago. Lange lebe sie so! Und lange möget ihr leben, so zu denken!

Othello. Und doch, wenn die Natur einmal aus ihrem Geleis getreten ist

Jago. Das ist eben der Punct Daß sie (wenn ich so frey seyn darf, es herauszusagen) so viele Partheyen, die ihr natürlicher Weise hätten angemeßner scheinen sollen, abgewiesen hat, um sich einem Liebhaber zu ergeben, dessen Landesart, Farbe und Alter dem ihrigen so entgegen gesezt war. In der That, das scheint etwas ausschweiffendes in ihrem Gemüth, eine gewisse Ueppigkeit und Unordnung ihrer Einbildung und ihrer Neigungen anzuzeigen. Doch ich bitte euch um Vergebung, ich rede eigentlich nicht von ihr ins besondere; ob ich gleich nicht ohne alle Sorge bin, so könnte, bey kühlerm Blut, darauf fallen, eure Gestalt mit derjenigen von ihren Landsleuten zu vergleichen, und sich vielleicht ihre Wahl gereuen zu lassen.

Othello. Leb wohl, leb wohl; wenn du etwas weiters merkest, so laß mich's wissen: Trag es deiner Frau auf, sie genau zu beobachten. Verlaß mich, Jago.

Jago. Ich beurlaube mich, gnädiger Herr.

(Er geht.)

Othello. O warum heurathete ich! Dieser ehrliche Mann sieht und weiß ohne Zweifel mehr, weit mehr, als er sagt.

Jago (wieder zurükkommend.)
Gnädiger Herr, ich wollt' ich dürfte Eu. Gnaden bitten, dieser Sache nicht weiter nachzuhängen; überlaßt es der Zeit; ob es gleich ganz gut wäre, daß Cassio wieder seine Stelle hätte, (denn in der That, bekleidete er sie mit grosser Geschiklichkeit,) so würdet ihr doch, wenn es euch gefiele ihn noch eine Zeitlang in der Ungewißheit zu lassen, dabey Anlaß finden, ihn und sein Betragen besser kennen zu lernen. Gebt auch acht, ob eure Gemahlin seine Wiedereinsezung mit Merkmalen von Ungestüm und Heftigkeit betreiben wird; daraus würde sich vieles abnehmen lassen. Mittlerweile glaubet lieber, ich treibe meine Besorgnisse zu weit, und begegnet ihr so, daß sie keine Veränderung spüren könne; ich bitte Eu. Gnaden sehr darum.

Othello. Verlaß dich hierüber auf meine Klugheit.

Jago. Ich empfehle mich nochmals.

(Er geht ab.)

Sechste Scene.

Othello allein.

Othello. Dieser Bursche ist der ehrlichste Mensch von der Welt, und kennt die Menschen und den Lauf der Welt meisterlich: Find' ich sie unkeusch, so soll alle meine Liebe sie nicht vor meinem Grimm retten Vielleicht weil ich schwarz bin, und keine von den einschmeichelnden Eigenschaften im Umgang habe, die das ganze Verdienst dieser Jungfern-Knechte ausmachen; oder weil ich schon im herabsteigenden Alter bin Doch, das will nicht viel sagen Sie ist hin, ich bin betrogen, und mein Trost muß seyn, einen Ekel vor ihr zu fassen. Oder Fluch des Ehestandes! Daß wir diese reizenden Geschöpfe unser nennen können, und nicht ihre Neigungen! Ich wollte lieber eine Kröte seyn, und von den Ausdünstungen einer Mistgrube leben, als in dem was ich liebe, einen Winkel für eines andern Gebrauch zu wissen. Und doch ist das die gewöhnliche Plage der Grossen, die hierinn unglüklicher als die Geringen sind; es ist ein unvermeidliches Schiksal wie der Tod Hier kommt sie ja!

Desdemona und Aemilia treten auf.

Wenn sie ungetreu ist, so spottet der Himmel seiner selbst. Ich kan es nicht glauben!

Desdemona. Wie geht's, mein liebster Othello? Euer Mittag-Essen, und die edeln Insulaner, die ihr dazu eingeladen habt, warten auf eure Gegenwart.

Othello. Ich bin zu tadeln.

Desdemona. Warum redet ihr so schwach? Fehlt euch was?

Othello. Ich hab' einen Schmerz hier an meiner Stirne.

Desdemona. Das kommt nur, weil ihr zu viel gewacht habt, es wird bald wieder vergehen. Erlaubt mir nur, daß ich euch die Stirne hart verbinde, so wird es in einer Stunde wieder besser seyn. (Sie zieht ihr Schnupftuch heraus, um es ihm umzubinden.)

Othello. Euer Schnupftuch ist zu klein: laßt es gut seyn: Kommt, ich will mit euch gehen.

(Das Schnupftuch entfällt ihr, indem sie es einsteken will.)

Desdemona. Es ist mir recht leid, daß ihr nicht wohl seyd.

(Sie gehen ab.)

Siebende Scene.

Aemilia bleibt zurük.

Aemilia (indem sie das Schnupftuch aufließt.)
Ich bin froh, daß ich dieses Schnupftuch gefunden habe; das war das erste Geschenk, das sie von dem Mohren empfieng. Mein wunderlicher Mann hat mir schon hundertmal gute Worte gegeben, daß ich es stehlen sollte. Allein sie liebt es so sehr, (denn er beschwor sie, es immer zu seinem Andenken zu behalten,) daß sie es immer mit sich herum trägt, um es zu küssen und damit zu schwazen. Ich will den Riß von der Stikerey abzeichnen, und es dann dem Jago geben; was er damit machen will, weiß der Himmel, nicht ich: Ich habe nichts dabey, als seine Grille zu befriedigen.

Jago tritt auf.

Jago. Wie steht's? Was macht ihr hier allein?

Aemilia. Schmählt mich nicht; ich hab etwas für euch.

Jago. Ihr habt etwas für mich? Es ist etwas gemeines

Aemilia. Wie?

Jago. Ein närrisches Weib zu haben.

Aemilia. O, ist das alles? Was gebt ihr mir für dieses Schnupftuch?

Jago. Was für ein Schnupftuch?

Aemilia. Was für ein Schnupftuch? Wie, das so der Mohr Desdemonen gab; das nemliche, wo ihr mich so lange schon stehlen hiesset.

Jago. Hast du ihr's gestohlen?

Aemilia. Nein; aber sie ließ es aus Versehen entfallen, und da ich zu allem Glük dabey war, so hub ich's auf; sieh, da ist es.

Jago. Du bist ein braves Mensch; gieb mir's.

Aemilia. Was wollt ihr damit machen, daß ihr so ernstlich haben wolltet, daß ich's stehlen sollte?

Jago. Wie, was geht das dich an?

Aemilia. Wenn es nicht zu irgend einem Vorhaben von Wichtigkeit ist, so gebt mir's wieder. Die arme Frau! Sie wird närrisch werden, wenn sie es missen wird.

Jago. Thut nicht, als ob ihr was davon wißt. Ich hab es nöthig. Geh, laß mich allein (Aemilia geht ab.) Izt will ich dieses Schnupftuch in Cassio's Quartier verliehren, und es ihn finden lassen. Die ärmsten Kleinigkeiten sind für eifersüchtige Leute so starke Bekräftigungen, als Beweise aus der Bibel. Dieses Ding kan zu was gut sein. Das Gift das ich dem Mohren beygebracht habe, fangt schon an bey ihm zu würken: Argwöhnische Einbildungen haben in der That die Natur des Gifts, welches man anfangs am Geschmak kaum erkennen kan: aber sobald es ins Blut übergeht, wie eine Schwefel-Mine brennt Das sagt ich!

Achte Scene.

Jago. Seht, da kommt er! Weder Mohn-Saamen, noch Mandragora, noch alle einschläfernde Säfte in der Welt zusammen genommen werden dir jemals diesen süssen Schlaf wiedergeben, den du gestern noch hattest

Othello (vor sich.)
Ha! Sie soll mir untreu seyn!

Jago. Wie, wie stehts, General? Nichts solches mehr!

Othello. Hinweg! fort! Du spannst mich auf die Folter: Ich schwör' es, es ist besser mit seinen Augen sehen, daß man betrogen wird, als nur besorgen müssen, daß man's sey.

Jago. Wie, Gnädiger Herr?

Othello. Was wußt' ich von ihren verstohlnen Ausschweiffungen? Ich sah sie nicht, ich dachte nicht daran, sie thaten mir kein Leid; ich schlief die Nacht darauf wohl; war ruhig und froh; ich fand Cassio's Küsse nicht auf ihren Lippen. Laßt den der bestohlen ward und das Gestohlne nicht vermißt, laßt ihn nichts davon wissen, und es ist soviel als ob er gar nicht bestohlen worden wäre.

Jago. Ich bedaure, daß ich solche Dinge hören muß.

Othello. Und hätte das ganze Lager bis auf die Troßbuben herab, ihren holden Leib gekostet, und ich wüßte nur nichts davon, so wär' ich glüklich. Aber, o! nun auf ewig fahr wohl, Ruhe des Gemüths! Fahr wohl, Zufriedenheit! Fahret wohl, ihr mit Federbüschen geschmükten Schaaren; und du, stolzer Krieg, der die schwellende Seele mit edler Ruhmbegierde füllt: Ofahret wohl! Fahret wohl wiehernde Stuten, schmetternde Trompete, Muth-erwekende Trummel, und du muntre Queer-Pfeiffe, königliches Panner, und der ganze Prunk und Pomp des glorreichen Kriegs! Und, o! ihr tödtlichen Werkzeuge, deren eherner Rachen Jupiters furchtbaren Donner nachahmt, fahret wohl! Othello's Arbeit ist gethan!

Jago. Ist's möglich, Gnädiger Herr?

Othello. Nichtswürdiger, sey gewiß, daß du mir beweisen kanst, daß meine Liebe eine Hure ist; sey dessen gewiß, gieb mir eine sichtbare Probe (Er faßt ihn wüthend an.) Oder, beym Werth der unsterblichen Seele des Menschen! es wäre dir besser, wenn du ein Hund gebohren worden wärest, als meinem aufgeschrekten Grimm zu begegnen.

Jago. Ist es dazu gekommen?

Othello. Laß mich's sehen; oder beweis es wenigstens so, daß kein Schatten eines Zweifels übrig bleibe: Oder weh deinem Leben!

Jago. Mein edler Gebieter

Othello. Wenn du sie unschuldig angeklagt, und mich auf diese Folterbank geschraubt hast, so bete nicht mehr, erstik dein Gewissen, häuffe Greuel auf Greuel, begeh Sünden, daß der Himmel weinen und die Erde sich entsezen muß; du kanst nichts ärgers thun, um das Maaß deiner Verdammniß voll zu machen als du schon gethan hast.

Jago. O! Barmherzigkeit! Der Himmel steh mir bey! Seyd ihr ein Mann? Habt ihr eine Seele? oder ein menschliches Gefühl? Gott sey bey euch; nehmt mir mein Amt, und wenn ihr wollt, mein Leben dazu Oich unglüklicher Thor, daß ich erleben soll daß meine Ehrlichkeit zum Verbrechen gemacht wird! OWelt! Welt! Das ist dein Lauff; ehrlich und aufrichtig, ist sein eigner Feind seyn. Ich dank' euch für diesen Unterricht; von nun will ich der Freundschaft gute Nacht geben, und niemand mehr lieben als mich selbst.

Othello. Nein, warte Du solltest ehrlich seyn

Jago. Ich sollte klug seyn; Ehrlichkeit ist ein Narr, der jedermann gutes thut, und nur sich selbst schadet.

Othello. Bey allem was in der Welt ist, ich denke mein Weib ist unschuldig, und denke sie ists nicht; ich denke du bist rechtschaffen, und denke du bist's nicht; ich will Beweis haben. Ihr Name, der so frisch war wie Dianens Antliz, ist nun so schwarz als mein eignes. Nein, wenn noch Strike, noch Dolche, noch Gift, Feuer oder Wasser in der Welt sind, so will ich diese Pein nicht länger ausstehen Ich wollt' ich wäre meines Schiksals gewiß!

Jago. Ich sehe, Gnädiger Herr, ihr werdet von eurer Leidenschaft aufgerieben. Es reut mich, daß ich Anlas dazu gegeben habe. Ihr wollt eures Schiksals gewiß seyn?

Othello. Ja, das will ich.

Jago. Und könnt; aber wie? wie gewiß seyn, Gnädiger Herr? wolltet ihr ein Augenzeuge seyn mit weitoffnen Augen zusehen? Sehen wie sie

Othello. Tod und Verdammniß! oh!

Jago. Ich denk' es würde schwer halten, sie so vertraulich zu machen: Bey solchen Spielen liebt man keine fremde Augen zu Zuschauern. Was dann? Wie dann? Was soll ich sagen? Was nennt ihr Gewißheit? Es ist unmöglich, daß ihr's mit Augen sehen könnt; und wenn sie so unverschämt wären wie Geissen, so hizig wie die Wald-Teufels, und so unbesonnen wie ein Dummkopf, den man mit Wein angefüllt hat. Und doch sag ich, wenn Wahrscheinlichkeiten, wenn Umstände die geradeswegs bis vor die Thüre der Wahrheit führen, euch Gewißheit geben können, so könnt' ihr sie haben.

Othello. Gieb mir einen überführenden Beweis, daß sie ungetreu ist.

Jago. Ihr legt mir eine unangenehme Pflicht auf; aber da ich mich nun einmal, aus unüberlegter Aufrichtigkeit und Freundschaft, so weit in diese Sache eingelassen habe, so will ich weiter gehen. Ich lag lezthin mit Cassio in einem Bette; ein rasender Zahn machte daß ich nicht schlafen konnte Es giebt eine Art von Leuten, deren Seele so schlapp ist, daß ihnen ihre geheimsten Gedanken im Schlaf entgehen. Von dieser Art ist Cassio. Er redte im Schlaf. Liebste Desdemona, hört' ich ihn sagen, laß uns vorsichtig seyn. Laß uns unser Liebes-Verständniß dem schärfsten Aug' unerforschlich machen! Und dann, gnädiger Herr, tappte er um sich, und drükte mir die Hand, rief Obezauberndes Geschöpf! und küßte mich dann nicht anders, als ob er Küsse, die auf meinen Lippen wüchsen, mit den Wurzeln ausziehen wollte, legte dann sein Bein über meinen Schenkel, und seufte und küßte mich, und rief, verfluchtes Schiksal, das dich dem Mohren gab!

Othello. O Scheusal! Scheusal!

Jago. Nein, das war nur ein Traum.

Othello. Aber ein Traum, der ganz deutlich anzeigt, was geschehen ist.

Jago. Das ist ein verdammter Zweifel, ob es gleich nur ein Traum ist. Es kan doch immer dazu dienen, andre, an sich selbst zu schwache Anzeigen zu verstärken.

Othello. Ich will sie von Glied zu Glied in Stüke reissen.

Jago. Nicht so heftig! Fasset euch; noch sehen wir nichts, sie kan noch unschuldig seyn Sagt mir nur das, habt ihr niemals ein Schnupftuch, mit Erdbeeren überstikt, in eurer Gemahlin Hand gesehen?

Othello. Ich gab ihr so eines, es war mein erstes Geschenk.

Jago. Davon weiß ich nichts; aber mit einem solchen Schnupftuch (und ich bin gewiß, es war eurer Gemahlin ihres,) sah ich Cassio heute seinen Bart wischen.

Othello. Wenn's das nemliche wäre

Jago. Es mag dieses oder ein anders seyn, so war es doch von ihr, und, zu den andern Proben genommen, spricht es nicht zu ihrem Vortheil.

Othello. O daß die Elende tausend Leben hätte! Eines ist zu wenig für meine Rache. Nun seh ich endlich Schau, Jago, so blase ich alle meine Liebe dem Himmel zu: Sie ist weg; erhebe dich, schwarze Rache, aus deiner unseligen Gruft! und du, Liebe, tritt dem tyrannischen Haß deinen Thron und deine Krone ab! Wie mein Herz mir schwillt, als ob es mit lauter Natter-Zungen angefüllt wäre!

Jago. Gebt euch noch zufrieden.

Othello. O Blut, Blut, Blut!

Jago. Geduld, sag ich; ihr könnt vielleicht anders Sinnes werden.

Othello. Niemals, Jago niemals sollen meine blutige Gedanken, in ungestümer Fluth sich daherwälzend, zu sanfter Liebe zurük fliessen, bis eine weite hinlängliche Rache sie verschlungen haben wird Das schwör' ich, (er kniet,) höre Himmel das schrekliche, unwiederrufliche Gelübd! Bey deiner unzerstörbaren Veste schwör' ich Rache!

Jago (kniend.)
Stehet noch nicht auf Seyd Zeugen, ihr ewigbrennenden Lampen dort oben, und ihr Elemente, die uns rings umfassen; seyd Zeugen, daß Jago hier alles was sein Verstand, seine Hand und sein Herz vermag, zum Dienste des beleidigten Othello wiedmet! Er befehle! Und ich will gehorchen, ohne Zaudern gehorchen, so blutig auch der Befehl seyn mag!

Othello. Ich bewillkomme deine Freundschaft nicht mit eiteln Danksagungen, sondern mit gutwilliger Annahm; und im gleichen Augenblik will ich dir sagen, wozu ich sie nöthig habe. In den nächsten dreyen Tagen, laß mich von dir hören, daß Cassio nicht mehr ist.

Jago. Mein Freund ist todt; ihr wollt es, es ist gethan. Aber sie sie laßt leben!

Othello. Verderben über sie, die unzüchtige Gleißnerin! oh! Verderben, Verderben über sie! Komm, geh mit mir auf die Seite, ich muß auf irgend ein schnelles Mittel denken, den schönen Teufel aus der Welt zu schaffen. Nunmehr bist du mein Lieutenant

Jago. Ich bin auf ewig der eurige.

(Sie gehen ab.)

Neunte Scene.

Ein andrer Theil des Pallasts.

Desdemona, Aemilia, und Hans Wurst.

Desdemona. Guter Freund, wißt ihr, wo der Lieutenant Cassio ligt?

Hans Wurst. Das unterstühnd' ich mich wol nicht zu sagen, daß er irgendwo lüge.

Desdemona. Warum?

Hans Wurst. Er ist ein Soldat; und wenn unser einer sagte, ein Soldat lüge, das wäre Hals-Arbeit.

Desdemona. Keine Possen! Wo ist sein Quartier?

Hans Wurst. Da würd' ich selbst lügen, wenn ich euch das sagen wollte.

Desdemona. Auf diese Art werd' ich von dir keine Antwort kriegen.

Hans Wurst. Ich weiß sein Quartier nicht; und wenn ich folglich ein Quartier erdenken wollte, und sagen, er lige da, oder er lige da im Quartier, so würd ich's in meinen Hals hinein lügen.

Desdemona. Du kanst ihn doch erfragen?

Hans Wurst. Ich will die ganze Welt catechisieren; ich will so lange nach ihm fragen, bis mir jemand antwortet, wo er ist.

Desdemona. Such ihn auf, und heiß ihn hieher kommen; sag ihm, ich habe meinen Herrn auf gute Gedanken für ihn gebracht, und ich hoffe, es werde alles gut gehen.

Hans Wurst. Das ist endlich eine Verrichtung, die innert den Grenzen von eines ehrlichen Kerls Wiz ligt; und also will ich sehen, ob ich damit zu Stande kommen kan.

(Er geht.)

Desdemona. Wo mag ich doch das Schnupftuch verlohren haben?

Aemilia. Ich weiß es nicht, gnädige Frau.

Desdemona. Ich versichre dich, ich wollte lieber einen Beutel voll Crusado's verlohren haben. Wenn mein edler Mohr nicht zu vernünftig und zu großmüthig gesinnt wäre, um eifersüchtig zu seyn, so brauchte es nicht mehr, um ihn auf schlimme Gedanken zu bringen.

Aemilia. Ist er nicht eifersüchtig?

Desdemona. Wer, er? Ich denke, die Sonne, unter der er gebohren ward, zog alle groben Dünste von dieser Art aus ihm.

Aemilia. Seht, da kommt er.

Desdemona. Ich will izt nicht von ihm ablassen, bis er den Cassio zu sich ruffen läßt Wie stehts mit euch, mein lieber Gemahl?

Zehnte Scene.

Othello zu den Vorigen.

Othello. Wohl, meine liebe Gemahlin Himmel! wie werd ich an mich halten können! wie gehts euch, Desdemona? Gebt mir eure Hand; diese Hand ist feucht, Madam. Heiß, heiß, und feucht eine solche Hand erfordert Eingezogenheit; fasten und beten, viel Casteyung, und geistliche Uebungen; denn es ist ein feuriger, schwizender Teufel hier, der oft rebellisch wird; es ist eine gute Hand, eine freygebige Hand.

Desdemona. Ihr könnt in der That wohl so sagen; denn es war die Hand die mein Herz weggab.

Othello. Eine freygebige Hand. In vorigen Zeiten gaben die Hände Herzen; aber unsre neue Heraldik ist Hände ohne Herz. Eine satyrische Anspielung auf die vielen Baronets, welche König Jacob der Erste machte, und die unter andern Vorrechten eine rothe Hand in einem silbernen Feld in den Wappen-Schild ihrer Vorfahren bekamen.

Desdemona. Ich verstehe mich nichts hierauf; kommt, wir wollen nun von euerm Versprechen reden.

Othello. Was für ein Versprechen, mein Däubchen?

Desdemona. Ich habe zu Cassio geschikt, daß er kommen und mit euch reden solle.

Othello. Ich bin mit einem beschwerlichen Schnuppen geplagt; leih mir dein Schnupftuch!

Desdemona. Hier, mein Gemahl.

Othello. Das, so ihr von mir bekommen habt.

Desdemona. Ich hab es nicht bey mir.

Othello. Nicht?

Desdemona. In der That, nicht.

Othello. Das ist ein Fehler. Das nemliche Schnupftuch hatte meine Mutter von einer Zigäunerin, die sich auf die Zauberey verstuhnd, und den Leuten so gar sagen konnte, was sie dachten. Sie sagte ihr, so lange sie es behalten würde, würd' es sie liebenswürdig und ihr das Herz meines Vaters gänzlich eigen machen; wenn sie es aber verlöhre, oder verschenkte, würde sie auf einmal allen Reiz in seinen Augen verliehren, und ihm verhaßt und unerträglich werden. Meine Mutter gab mir's da sie starb und bat mich, wenn ich jemals heurathete, es meinem Weibe zu geben. Ich that es, und ich sag euch, habt Acht darauf. Bewahrt es, wie euern Augapfel: Es verliehren oder weggeben, wär' ein Unglük, dem kein anders zu vergleichen wäre.

Desdemona. Ists möglich?

Othello. Es ist würklich so; es ist etwas zauberisches in dem Gewebe davon. Eine Fee, welche den Lauf der Sonne zweyhundert mal anfangen und enden gesehen hatte, machte die Stikerey daran: Die Würmer waren geweyht, welche die Seide dazu spannen, und es wurde mit Mumien von einbalsamierten Jungfern-Herzen gefärbt.

Desdemona. In der That! Ist das wahr?

Othello. Sehr wahr; ihr könnt also nur Sorge dazu tragen.

Desdemona. Wenn es so ist, so wollt' ich zu Gott, ich hätt' es nie gesehen!

Othello. Ha! Warum?

Desdemona. Warum sprecht ihr so hastig und auffahrend?

Othello. Ist's verlohren? Ist's hin? Sagt, ist es fort?

Desdemona. Gott sey bey uns!

Othello. Was sagt ihr?

Desdemona. Es ist nicht verlohren; aber gesezt, es wäre verlohren?

Othello. Ha!

Desdemona. Ich sag, es ist nicht verlohren.

Othello. Holt es, ich will es sehen.

Desdemona. Gut, das kan ich, mein Herr; aber ich will izt nicht: Das ist ein kleiner Streich, wodurch ihr mich von meiner Bitte abbringen wollt. Ich bitte euch, laßt euer Haus dem Cassio wieder offen seyn.

Othello. Holt mir das Schnupftuch ich will nicht hoffen

Desdemona. Kommt, ihr werdet niemals einen bravern Mann an seinen Plaz bekommen.

Othello. Das Schnupftuch

Desdemona. Ein Mann, der bisher sein ganzes Glük auf eure Freundschaft gebaut hat; der Gefahren mit euch getheilt hat

Othello. Das Schnupftuch.

Desdemona. Wahrhaftig, ihr seyd zu tadeln

Othello. Hinweg!

(Er geht ab.)

Eilfte Scene.

Aemilia. Wie? Ich glaube der Mann ist eifersüchtig?

Desdemona. So hab' ich ihn noch nie gesehen. O ganz gewiß ist etwas ausserordentliches in diesem Schnupftuch. Ich bin höchst unglüklich es verlohren zu haben.

Aemilia. Man lernt weder in einem noch in zweyen Jahren was ein Mann ist; sie sind alle lauter Magen, und wir Arme sind ihr Futter; sie schlingen uns gierig hinein; und wenn sie sich überfüllt haben, so rülpsen sie uns wieder aus. Dieses Gleichniß ist freylich unanständig genug; allein darum bekümmert unser Autor sich nicht; genug für ihn, daß es wahr ist. Seht, da kommt Cassio und mein Mann.

Jago und Cassio treten auf.

Jago. Es ist kein andres Mittel übrig; das muß sie thun Wie glüklich! hier ist sie schon; geht und bittet sie so sehr ihr könnt.

Desdemona. Wie steht's, guter Cassio? wie gehn eure Sachen?

Cassio. Gnädige Frau, ich habe noch immer meine vorige Bitte. Auf eurer Großmuth beruht alle meine Hofnung zu meiner Wiederherstellung in die Freundschaft euers Gemahls, den ich mit so gänzlicher Ergebenheit des Herzens ehre und liebe. Ich möchte nicht noch länger aufgezogen werden. Ist mein Vergehen so groß, daß weder meine Reue noch meine ehmaligen Dienste, noch diejenigen die ich künftig zu leisten wünsche, mich loskauffen und wieder in seine Gunst einsezen können, so ist wenigstens das eine Wohlthat, wenn ich weiß daß es so ist; damit ich in diesem Fall, in eine erzwungene Zufriedenheit eingehüllt, einen andern Weg suchen kan, um vom Allmosen des Glüks zu leben.

Desdemona. Ach, mein lieber guter Cassio, meine Fürsprache ist dermalen sehr unvermögend; mein Gemahl ist nicht mein Gemahl; ich würde ihn nicht mehr kennen, wenn er sich an Gestalt so sehr wie am Humor, verändert hätte. So stehe jeder gute Engel mir bey, wie ich nach meinem äussersten Vermögen für euch gesprochen habe. Aber alles was ich durch meine Freymüthigkeit erhielt, war, daß ich mir seinen Unwillen zuzog. Ihr müßt euch noch ein wenig gedulden; was ich thun kan, das will ich: Und ich will mehr als ich Herz hätte für mich selbst zu thun. Laßt euch das genug seyn.

Jago. Ist der General zornig?

Aemilia. Er gieng nur erst von hier fort, und, versichert, er ist in einer seltsamen Gemüths-Unruhe.

Jago. Kan er zornig seyn? Ich war dabey, wie die Canone seine Linien in die Luft zerstiebte, und so schnell und gewaltsam wie der Teufel, seinen Bruder unmittelbar an seiner Seite wegrafte; und kan er zornig seyn? So muß etwas wichtiges daran Ursache seyn; ich will gehn und ihn aufsuchen; in der That, das bedeutet was, wenn er zornig ist.

(Er geht ab.)

Zwölfte Scene.

Desdemona, Aemilia und Cassio bleiben.

Desdemona. Ich bitte dich, thu das Ganz gewiß muß etwas das den Staat betrift, entweder von Venedig, oder irgend ein unausgebrütetes Complot hier in Cypern, wovon er die Entdekung gemacht hat, seinen sonst immer heitern Geist verfinstert haben; und in solchen Fällen ist es die Art der Menschen, daß sie ihren Unmuth an geringern Dingen auslassen, wenn gleich grosse ihr Gegenstand sind. Es ist nicht anders. Es darf uns nur ein Finger weh thun, so verbreitet sich auch über unsre übrigen gesunden Gliedmassen ein Gefühl von Schmerz. Nein, wir müssen denken, daß unsre Männer keine Götter sind; wir können nicht von ihnen fordern, daß sie immer so zärtlich mit uns umgehen, als sie vor der Hochzeit thun. Schilt mich nur recht sehr aus, Aemilia; ich unartiges Ding, ich war schon im Begriff seiner Unfreundlichkeit in meinem Herzen den Proceß zu machen; aber nun find' ich, daß meine Eigenliebe den Zeugen bestochen hat, und daß er ungerechter Weise angeklagt worden ist.

Aemilia. Gebe der Himmel, daß es Staats-Sachen seyen, wie ihr glaubt, und keine eifersüchtige Grillen, die euch angehen.

Desdemona. Das wäre gar zu unglüklich! Ich gab ihm niemals Ursache dazu.

Aemilia. Eifersüchtige Gemüther lassen sich damit nicht beruhigen; sie sind nicht allezeit eifersüchtig, weil sie eine Ursache dazu haben, sondern oft nur, weil sie eifersüchtig sind. Die Eifersucht ist ein Ungeheuer, daß keinen andern Vater und keine andre Mutter hat als sich selbst.

Desdemona. Der Himmel bewahre Othello's Herz vor diesem Ungeheuer!

Aemilia. Dazu sag ich Amen, Gnädige Frau.

Desdemona. Ich will sehen, wo er ist. Cassio, entfernt euch nicht zu weit; wenn ich ihn in einer bessern Laune finde, so will ich euer Anligen wieder in Bewegung bringen, und das äusserste versuchen, um glüklich damit zu seyn.

Cassio. Ich danke Eu. Gnaden demüthig.

(Sie gehen auf verschiedenen Seiten ab.)

Dreyzehnte Scene.

Eine Strasse vor dem Pallast.

Cassio, tritt wieder auf, und begegnet der Bianca.

Bianca. Guten Tag, Freund Cassio.

Cassio. Was führt euch hieher? Wie steht's mit euch, meine schönste Bianca? In der That, mein Herzchen, ich war im Begriff bey euch anzusprechen.

Bianca. Und ich war im Begriff euch einen Besuch in euerm Quartier abzustatten, Cassio. Wie? eine ganze Woche wegbleiben? Sieben Tag' und Nächte? Hundert und acht und sechszig Stunden? Und eines Liebhabers Abwesenheits-Stunden, die hundert und sechszig mal langweiliger sind als der Stunden-Zeiger. O! eine verdrießliche Rechnung!

Cassio. Vergieb mir, Bianca; ich war diese Zeit über von bleyernen Gedanken zu Boden gedrükt; aber ich werde in einer glüklichern Zeit diese lange Rechnung von Abwesenheit zu tilgen wissen. Liebste Bianca, zeichne mir diesen Riß ab (Er giebt ihr Desdemonens Schnupftuch.)

Bianca. O Cassio, woher habt ihr das? Das hat mir die Mine von einem Liebes-Pfand irgend einer neuern Freundin: Nun merk' ich die Ursache deiner Abwesenheit die mir so schmerzlich war: Ist es dazu gekommen? Wohl, wohl!

Cassio. Geh, Mädchen, und wirf deine häßlichen Muthmassungen dem Teufel in die Zähne, von dem du sie hast. Du bildest dir also ein, das sey ein Andenken von einer Liebste? Nein, Bianca, in ganzem Ernst.

Bianca. Wie, von wem ist es dann?

Cassio. Das weiß ich selbst nicht; ich fand es in meinem Zimmer; die Arbeit daran gefällt mir ungemein, und eh man es wieder begehrt, (welches vermuthlich geschehen wird) möcht' ich einen Abriß davon haben. Nimm es, mein Herz, und zeichn' es ab, und laß mich izt allein.

Bianca. Euch allein lassen? Warum?

Cassio. Ich warte hier auf den General, und denke, es würde mir eben keine grosse Dienste bey ihm thun, wenn er mich beweibt sehen würde.

Bianca. Wie ist das zu verstehen?

Cassio. Nicht als liebt' ich euch nicht.

Bianca. Sondern nur daß ihr mich nicht liebet. Ich bitte euch, macht mir das ein wenig deutlicher und sagt mir, ob ich euch diese Nacht nicht sehen soll?

Cassio. Wenigstens will ich euch sehen, sobald ich kan.

Bianca. Nun wohl dann, ich muß es also drauf ankommen lassen.

(Sie gehen ab.)


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