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Erster Aufzug.

Erste Scene.

Eine Strasse in Venedig.

Rodrigo und Jago treten auf.

Rodrigo. Stille, sage mir nichts mehr davon, ich nehm' es sehr übel, daß du, Jago, der du mit meinem Beutel schalten und walten durftest, als ob er dein eigen gewesen wäre, Nachricht von diesem – –

Jago. Ihr wollt mich ja nicht anhören: Wenn ich jemals von so was nur geträumt habe, so seht mich als ein Scheusal an.

Rodrigo. Du sagtest mir, du trügest einen unversöhnlichen Haß gegen ihn.

Jago. Speyt mir ins Gesicht, wenn's nicht so ist. Drey grosse Männer in dieser Stadt zogen, in eigner Person, die Müzen bis auf den Boden vor ihm ab, daß er mich zu seinem Lieutenant machen möchte: Und, so wahr ich ein ehrlicher Mann bin, ich kenne mich, ich weiß, daß ich keinen schlechtern Plaz werth bin. Aber er, dessen hochmüthiger Eigensinn andre Absichten hatte, entwischte ihnen mit einem Galimathias von Umständen, und rauhtönenden Kriegs-Kunst-Wörtern; und das Ende vom Liede war, daß er meine Gönner mit einer langen Nase abziehen ließ. Es ist mir leid, sagt er, aber ihr kommt zu spät; ich habe mir meinen Lieutenant schon ausersehen. Und wer ist denn der? Ein gewisser Michel Cassio, ein Bursche, der noch keinen Feldzug gethan hat, der von Anordnung eines Treffens gerade so viel versteht als eine Woll-Spinnerin – – nichts als was er aus Büchern gelernt, blosse Theorie, wovon unsre ehrsamen, friedliebenden Senatoren eben so gelehrt sprechen können als er; blosses Gewäsche, ohne Erfahrung – – Das ist alles, was er vom Krieg versteht – – Der hatte den Vorzug; und ich, von dem seine Augen in Rhodis, in Cypern, und in so vielen andern Orten, auf Christlichem und Heidnischem Boden, die Proben gesehen haben; ich muß mich mit Complimenten und Versprechungen abspeisen lassen – – ich bin euer Schuldner, mein Herr, habt Geduld, wir wollen schon Gelegenheit finden, mit einander abzurechnen, und dergleichen – – Kurz, er muß nun sein Lieutenant seyn, und ich, Dank sey den Göttern! seiner Mohrischen Excellenz demüthiger Fahnen-Junker.

Rodrigo. Beym Himmel, ich wollte lieber sein Profos seyn.

Jago. Dafür ist nun kein Kraut gewachsen Es geht im Dienste nicht anders; Befördrung geht heutigs Tags nach Gunst und Empfehlungs-Schreiben, und nicht nach der Zeit, die man im Dienste gewesen ist, wie vor Zeiten, da der zweyte allemal den erstern erbte. Nun, mein Herr, mach' ich euch selbst zum Richter, ob ich mit einigem Schein der Wahrheit beschuldiget werden kan, daß ich den Mohren liebe.

Rodrigo. Ich möchte nicht gerne haben, daß du ihn begleitest.

Jago. O mein Herr, das laßt euch keine Sorge machen; ich begleite ihn, um mir selbst auf seine Unkosten Dienste zu thun. Wir können nicht alle Befehlhaber seyn, und nicht alle Befehlhaber können getreue Diener haben. Ihr werdet in der Welt manchen Dienst-ergebenen, knie-biegenden Schurken sehen, der unter einer vieljährigen treu-eyfrigen Dienstbarkeit endlich so grau wird wie seines Herrn Esel, ohne etwas anders davon zu haben, als daß er gefüttert, und wenn er alt ist gar abgedankt wird. Peitscht mir solche gutherzige Schurken – – Dagegen giebt es andre, die zwar ihr Gesicht meisterlich in pflichtschuldige Falten zu legen wissen, aber ihr Herz hingegen vor aller fremden Zuneigung rein bewahren; die ihren Herren nichts als den äusserlichen Schein der Ergebenheit und eines erdichteten Eifers zeigen, aber eben dadurch ihre Sachen am besten machen, und wenn sie ihre Pfeiffen geschnitten haben, davon gehen, und ihre eigne Herren sind. Das sind noch Leute die einigen Verstand haben, und ich habe die Ehre einer von ihnen zu seyn. Es ist so gewiß als ihr Rodrigo seyd; wär' ich der Mohr, so möcht ich nicht Jago seyn: izt dien ich, das wissen die Götter! bloß um mir selbst zu dienen, und nicht aus Ergebenheit und Liebe – – ich stelle mich zwar so, aber das hat seine Absichten – – denn wahrhaftig, wenn mein Gesicht, und meine äusserlichen Handlungen die wahre innerliche Gestalt meines Herzens zeigten, so würde mein Herz in kurzem den Krähen zum Futter dienen – – Mein guter Freund, ich bin nicht, was ich scheine.

Rodrigo. Was für ein Glük macht der dik-maulichte Kerl, wenn er sie so davon tragen kan!

Jago. Ruft ihren Vater auf, wekt ihn auf, macht Lerm, versalzt ihm wenigstens seinen Spaß; ruft es in den Strassen aus, jagt ihre Verwandten in den Harnisch, und wenn ihr ihn aus dem Paradiese, worein er sich eingenistert hat, nicht vertreiben könnt, so plagt ihn doch mit Fliegen Eine Anspielung auf die Beobachtung, daß die schönsten und fruchtbarsten Gegenden des Erdbodens am meisten mit Ungeziefer gestraft sind. , so daß seine Freude, wenn sie gleich nicht völlig aufhört Freude zu seyn, doch wenigstens durch die Verdrießlichkeiten womit sie unterbrochen wird, etwas von ihrer Farbe verliere.

Rodrigo. Hier ist ihres Vaters Haus ich will ihm überlaut ruffen.

Jago. Thut es, und mit einem so gräßlichen Ton, und Zetter-Geschrey, als wie wenn bey Nacht durch Nachlässigkeit Feuer in einer volkreichen Stadt ausgekommen ist.

Rodrigo. He! holla! Brabantio! Signor Brabantio! he!

Jago. Wacht auf! he! holla! Brabantio! he! Diebe! Diebe! Seht zu euerm Haus, zu eurer Tochter, und zu euern Geld-Säken: Diebe! Diebe!

Zweyte Scene.

Brabantio zeigt sich oben an einem Fenster.

Brabantio. Was ist die Ursache dieser fürchterlichen Aufforderung? Was giebt's hier?

Rodrigo. Signor, ist eure ganze Familie zu Hause?

Jago. Sind alle eure Thüren verriegelt?

Brabantio. Was sollen diese Fragen?

Jago. Sakerlot! Herr, man bestiehlt euch; zieht doch wenigstens einen Rok an, und seht zu euern Sachen; man greift euch nach der Seele, euer bestes Kleinod ist verlohren; eben izt in diesem Augenblik, Herr, bespringt ein alter schwarzer Schaaf-Bok euer weisses Schaaf. Auf, auf, wekt die schnarchenden Bürger mit der Sturm-Gloke, oder der Teufel wird euch zum Großvater machen; auf, sag ich.

Brabantio. Wie? Habt ihr euern Verstand verlohren?

Rodrigo. Mein hochzuverehrender Herr und Gönner, kennt ihr meine Stimme nicht?

Brabantio. Wahrlich nicht; wer seyd ihr dann?

Rodrigo. Mein Nam' ist Rodrigo.

Brabantio. Desto schlimmer! Hab ich dir nicht verboten, um meine Thüren herum zu schwärmen? Hab ich dir nicht aufrichtig und ehrlich herausgesagt, meine Tochter sey nicht für dich gemacht? Und izt, nachdem du dich voll gefressen und gesoffen hast, kommst du in tollem Muthe boshafter Weise den Narren mit mir zu treiben, und mich in der Ruhe zu stören?

Rodrigo. Herr, Herr, Herr – –

Brabantio. Aber du darfst dich unfehlbar darauf verlassen, daß mein Unwille und mein Ansehen es in ihrer Gewalt haben, dich theuer davor bezahlen zu machen.

Rodrigo. Geduld, mein guter Herr.

Brabantio. Was sagst du mir von Dieben? Wir sind hier in Venedig; mein Haus ist keine Scheure.

Rodrigo. Sehr ehrwürdiger Brabantio, ich komm in der Einfalt meines Herzens, und in guter Meynung zu euch.

Jago. Sakerlot! Herr, ihr seyd, glaub ich, einer von denen die Gott den Dienst aufkünden würden, wenn's der Teufel so haben wollte. Weil wir kommen, und euch einen Dienst thun wollen, so meynt ihr wir seyen Spizbuben; ihr wollt also haben, daß eure Tochter von einem Barber-Hengst belegt werden soll; ihr wollt haben, daß eure Enkel euch anwiehern; ihr wollt Postklepper zu Vettern und kleine Andalusische Stutten zu Basen haben.

Brabantio. Was für ein heilloser Lotterbube bist du?

Jago. Ich bin einer, Herr, der ausdrüklich hieherkommt euch zu sagen, daß eure Tochter und der Mohr im Begriff sind das Thier mit zween Rüken zu machen.

Brabantio. Du bist ein Nichtswürdiger – –

Jago. Ihr seyd ein Senator.

Brabantio. Du sollst mir das bezahlen. Ich kenne dich, Rodrigo.

Rodrigo. Mein Herr, ich bin für alles gut. Aber ich bitte euch, hört mich nur an. Wenn es mit euerm guten Willen und hochweisen Beyfall geschehen ist, (wie ich fast vermuthen sollte) daß eure schöne Tochter, in dieser nehmlichen Nacht, in keiner bessern Begleitung als eines gemietheten Schurken, eines Gondoliers, den viehischen Umarmungen eines geilen Mohren zugeführt worden; wenn das, sag ich, mit eurer Begnehmigung geschehen ist, so haben wir euch allerdings gröblich beleidiget. Wißt ihr aber nichts hievon, so sind wir diejenigen, die sich über Unrecht zu beschweren haben; oder ich verstehe nicht was die gute Lebensart mit sich bringt. Glaubet nicht, daß ich von allem Gefühl der Anständigkeit so sehr verlassen sey, daß ich aus blossem Muthwillen hieher kommen und Eure Excellenz zum Besten haben sollte. Ich sag es noch ein mal, wenn ihr eurer Tochter nicht die Erlaubniß dazu gegeben habt, so hat sie sich sehr vergangen, indem sie ihre Pflicht, ihre Schönheit, ihren Verstand, und ihr Vermögen einem herumirrenden Ritter, einem Abentheurer, aufopfert, der hier und allenthalben ein Fremdling ist – – Verzieht nicht länger; sezt euch selbst ins Klare: Wenn sie in ihrem Zimmer oder in euerm Hause zu finden ist, so laßt mich die ganze Strenge der Justiz dafür erfahren, daß ich euch so mißhandelt habe.

Brabantio. Schlagt Feuer, he! bringt mir ein Licht – – Ruft meine Leute zusammen – – Dieser Zufall sieht meinem Traum nicht ungleich, und ich sterbe vor Furcht, daß es so seyn möchte. He! Licht, sag ich, Licht!

Jago. Lebt wohl, ich kan mich nicht länger aufhalten – – Es würde sich gar nicht wol für meinen Plaz schiken, und mir in keinerley Absicht gesund seyn, als ein Zeuge gegen den Mohren vorgeführt zu werden. Die Gründe, die ihn zum Heerführer in dem Cyprischen Kriege, worinn sie würklich begriffen sind, bestimmen, sind so dringend, daß sie, für ihre Seelen, keinen andern von seinem Gewicht finden können, dem sie dieses Geschäft mit Sicherheit anvertrauen dürften. Bey solchen Umständen muß ich, ob ich ihn gleich so herzlich hasse als die Pein der Hölle, doch äusserlich, meines eignen Vortheils wegen, dergleichen thun, als ob ich ihm gänzlich ergeben sey. Damit ihr ihn aber unfehlbar findet, so führet den Brabantio und seine Leute zum Schüzen, und dort werd' ich bey ihm seyn. Hiemit, gehabt euch wol.

(Jago geht ab.)

Dritte Scene.

Brabantio und einige Bediente mit Fakeln.

Brabantio. Mein Unglük ist nur allzugewiß. Sie ist weg; und Schmach und Bitterkeit ist nun der Antheil meines übrigen Lebens. Nun, Rodrigo, wo sahst du sie? O, das unglükselige Mädchen! Mit dem Mohren, sagst du? Wer wollte mehr ein Vater seyn wollen? – – Woher wußtest du, daß sie's war? O! das ist unbegreiflich, wie sehr ich mich an ihr betrogen habe! – – Was sagte sie zu euch? – – Noch mehr Fakeln her – – Ruft meine ganze Verwandtschaft zusammen – – meynt ihr, sie seyen schon verheurathet?

Rodrigo. Ich denke freylich, sie sind's.

Brabantio. O Himmel! wie ist's möglich, daß sie so aus der Art schlagen konnte! – – Väter, forthin trauet euern Kindern nicht weiter als ihr sie sehet. Giebt es nicht Zauber-Mittel, wodurch die Unschuld eines jungen unwissenden Mädchens verführt werden kan? Habt ihr nichts von dergleichen Dingen gelesen, Rodrigo?

Rodrigo. Ja mein Herr, das hab' ich, in der That.

Brabantio (zu einem Bedienten.)
Ruft meinen Bruder; oh, wie wollt' ich izt, ihr hättet sie gehabt, auf eine oder die andre Art – – Wißt ihr, wo wir sie und den Mohren antreffen können?

Rodrigo. Ich denke, ich werde sie entdeken können, wenn es euch gefällt, unter einer guten Bedekung mit mir zu gehen.

Brabantio. Ich bitte euch, geht voran. Ich will von Hause zu Hause ruffen; ich kan befehlen, wenn's nöthig ist; schafft Waffen her, holla! und holt einige Officiers, auf die man sich verlassen kan – – Geht, mein guter Rodrigo, ich will dankbar für eure Bemühung seyn.

(Sie gehen ab.)

Vierte Scene.

Verwandelt sich in eine andre Strasse vorm Schüzen.

Othello, Jago, und Gefolge mit Fakeln.

Jago. Ob ich gleich, seitdem ich das Kriegs-Handwerk treibe, manchen im Feld erschlagen habe, so mach' ich mir doch das grösseste Gewissen draus, einen vorsezlichen Mord zu begehen! Weniger Bedenklichkeit würde manchmal mein Vortheil seyn – – Ich dachte neun- oder zehn mal, ich müßte ihm nothwendig eins unter die Ribben geben.

Othello. Es ist besser, daß du's nicht gethan hast.

Jago. Nein, aber er plapperte, er gayferte so lotterbübisches Zeug, und in so empfindlichen Ausdrüken gegen eure Ehre, daß all mein Bißchen Sanftmuth kaum zureichend war, mich bey Geduld zu erhalten. Aber ich bitte euch, mein Herr, seyd ihr auch recht gültig verheurathet? Denn davon dürft ihr versichert seyn, daß der Magnifico sehr beliebt ist, und daß seine Stimme in der Republik zum wenigsten so viel zu bedeuten hat, als des Herzogs selbst: Er wird auf die Zerreissung euers Bandes dringen, und wenn sich seine Macht auch so weit nicht erstrekt, euch doch so viel Uebels thun, als das Gesez in seiner äussersten Strenge ihm Befugniß geben kan.

Othello. Er mag sein Aergstes thun; die Dienste, die ich der Regierung gethan habe, werden seine Klagen weit überschreyen. Es ist noch unbekannt, (ich werd es aber beweisen, wenn die Rettung meiner Ehre mich zu einem Schritt zwingt, den ich sonst als eine meiner unwürdige Pralerey ansehe,) daß mein Blut aus einer königlichen Quelle geflossen ist; und meine Verdienste allein sind, ohne Vergrösserung, zulänglich auf ein so stolzes Glük Anspruch zu machen, als dieses ist, dessen ich mich bemächtiget habe. Denn wisse, Jago, wär' es nicht, daß ich die reizende Desdemona liebe, der Werth des ganzen Oceans sollte mich nicht bewegen, meine Freyheit in die Fesseln des ehlichen Standes schliessen zu lassen. Aber siehe, was für Lichter kommen dort?

Fünfte Scene.

Cassio, mit Fakeln, zu den Vorigen.

Jago. Es werden der aufgebrachte Vater und seine Freunde seyn – – das beste wär', ihr giengt hinein.

Othello. Ich? gewiß nicht, ich muß gefunden werden. Meine Verdienste, mein Titel, und mein unerschrokner Muth sollen mich in meinem wahren Lichte zeigen. Sind sie's?

Jago. Beym Janus, ich denke, nein.

Othello. Es sind Leute vom Herzog und mein Lieutenant: guten Abend, meine Freunde; was bringt ihr Neues?

Cassio. Der Herzog entbeut euch seinen Gruß, Feldherr; und ersucht euch mit der eilfertigsten Behendigkeit, gleich diesen Augenblik, um eure Gegenwart.

Othello. Was meynt ihr, warum es zu thun sey?

Cassio. Etwas von Cypern, soviel ich errathen kan. Es muß eine dringende Anliegenheit seyn. Die Galeren haben in dieser nemlichen Nacht zwölf Expressen hinter einander hergeschikt, ein grosser Theil der Senatoren ist auf, und im Pallast des Herzogs versammelt. Man ließ euch sehr dringend ruffen, und da man euch nicht in euerm Quartier fand, schikte der Senat drey verschiedene Partheyen aus, euch überall aufzusuchen.

Othello. Es ist gut, daß ihr mich gefunden habt: Ich habe nur ein Wort in diesem Hause zu reden, und dann will ich mit euch gehen.

(Othello geht ab.)

Cassio. Fähndrich, was thut er hier?

Jago. Meiner Treue, er hat heute Nacht eine reiche Land-Caraque Eigner Name der ehmaligen grossen Portugiesischen Kauf-Fardey-Schiffe. aufgebracht; wenn sie für gute Prise erklärt wird, so ist sein Glük gemacht.

Cassio. Ich weiß nicht, was ihr sagen wollt.

Jago. Er hat sich verheurathet.

Cassio. Mit wem?

Jago. Bey G***, mit – – he! Herr General, wollt ihr gehen?

Othello zu den Vorigen.

Othello. Hier bin ich – –

Cassio. Da kommt eine andre Parthey, die euch sucht.

Sechste Scene.

Brabantio, und Rodrigo, mit Officieren, Bedienten und Fakeln.

Jago. Es ist Brabantio; General, nehmt euch in Acht; er hat nichts Gutes im Sinn.

Othello. Holla! Steht, ihr dort!

Rodrigo. Signor, es ist der Mohr.

Brabantio. Zu Boden mit ihm, dem Räuber!

(Sie ziehen auf beyden Seiten.)

Jago. Wie, ihr, Rodrigo? – – Kommt, mein Herr, ich bin auf eurer Seite – – (Zu Othello.)

Othello. Stekt eure Degen ein, der Thau möchte sie rostig machen. Werther Signor, euer Alter wird euch mehr Gewalt geben, als eure Waffen.

Brabantio. O du schändlicher Räuber! Wo hast du meine Tochter hin verborgen? Verdammlicher Bube! Du hast sie bezaubert; denn ich will alles was Vernunft hat den Ausspruch thun lassen, ob ein Mädchen, so jung, so schön, so zärtlich als sie war, von ihrem Stand und Glük, und so abgeneigt vom Heurathen, daß sie den Augen der auserlesensten und reichsten von unsrer edelsten Jugend sich entzog – – ob ein solches Mädchen, ohne die fesselnde Gewalt zaubrischer Künste fähig gewesen wäre, dem allgemeinen Spott Troz zu bieten, und aus dem väterlichen Haus zu entlauffen, um in die russichten Arme eines solchen Dings wie du, das geschikter ist Schreken zu erweken, als Liebe, sich hinein zu stürzen? Die ganze Welt sey Richter, ob es nicht handgreiflich ist, daß du vermittelst schnöder Zauber-Mittel oder Liebes-Tränke die das Hirn verrüken, ihre schuldlose Jugend mißbraucht und verleitet hast – – Ich will es untersucht haben: Es ist wahrscheinlich, man kan sich nichts anders vorstellen. Ich arrestiere dich also hier, als einen Verführer und der hiezu verbotne Künste treibt – – Bemächtigt euch seiner; und wenn er sich wehrt, so entwaffnet ihn auf seine Gefahr.

Othello. Haltet ein, zu beyden Seiten; wenn es hier meine Scene zum Fechten wäre, so würd' ich's ohne einen Einsager gewußt haben. Wohin wollt ihr, daß ich mit euch gehen soll, mich auf diese Anklage zu verantworten?

Brabantio. Ins Gefängniß, bis zur gehörigen Zeit, wo du vor der Gerichts-Bank erscheinen sollst.

Othello. Aber wenn ich euch gehorche, wie soll indeß der Herzog zufrieden gestellt werden, dessen Abgeordnete hier zu meiner Seite und im Begriff sind, mich in einer dringenden Angelegenheit des Staats zu ihm zu führen?

Officier. Diß verhält sich würklich so, sehr edler Herr; der Herzog ist im Staats-Rath; und ich bin sicher, daß ihr gleichfalls dahin beruffen worden seyd.

Brabantio. Wie? der Herzog im Staats-Rath? In dieser späten Nacht? Führt ihn dahin; meine Sache ist keine Kleinigkeit. Der Herzog selbst und jeder von meinen Brüdern im Staat kan nicht anders als diese Beleidigung so empfinden, als ob sie ihnen selbst angethan worden wäre. Wenn solche Frefel-Thaten ungestraft verübt werden dürften, so würden bald Sclaven und Banditen unsre Befehlshaber seyn.

(Sie gehen ab.)

Siebende Scene.

Verwandelt sich in das Rath-Haus.

Der Herzog und die Senatoren, an einer Tafel mit Lichtern sizend, und einige Officianten etc.

Herzog. Es ist zu wenig Uebereinstimmung in diesen Zeitungen, als daß sie Glauben verdienen könnten.

1. Senator. In der That, sie gehen weit von einander ab; meine Briefe sagen hundert und sieben Galeren.

Herzog. Und meine hundert und vierzig.

2. Senator. Und die meinen zwoohundert; allein ob sie gleich in der Zahl nicht zusammentreffen, (welches in Fällen, wo der Bericht nach blosser Muthmassung gemacht werden muß, nicht zu verwundern ist,) so stimmen doch alle darinn überein, daß eine türkische Flotte in der See ist, und daß es auf Cypern abgesehen sey.

Herzog. Es ist möglich, und wenn ich mich auch irren sollte, so werd' ich doch alle Maaßnehmungen einer klugen Furcht, die allezeit die Mutter der Sicherheit ist, bey diesen Umständen gut heissen.

Matrosen (hinter der Scene.)
Holla! ho! he! aufgemacht!

Die Matrosen kommen herein.

Officiers. Eine Bottschaft von den Galeeren.

Herzog. Nun! – – was ist euer Anbringen?

1. Matrose. Ich habe Befehl der Regierung anzuzeigen, daß die Türkischen Kriegs-Zurüstungen der Insel Rhodis gelten.

(Die Matrosen gehen ab.)

Herzog. Was sagt ihr zu diesem Wechsel?

1. Senator. Es kan nicht seyn, es ist ganz und gar nicht glaublich. Es ist ein blosser Kunstgriff, unsre Augen von der Seite abzuhalten, wo die Gefahr würklich ist. Wenn wir bedenken, wie wichtig Cypern den Türken ist – – wie viel gelegner es ihnen ist als Rhodis – – und daß sie die Eroberung desselben weit eher hoffen können, da es weniger befestigt, und in allen Absichten in schwächerm Vertheidigungs-Stand ist – – Wenn wir dieses in gehörige Betrachtung ziehen, so werden wir uns schwerlich einbilden können, daß der Türk so unbesonnen seyn werde, eine reiche und leicht zu gewinnende Beute fahren zu lassen, um sich an eine gefährliche und wenig vortheilhafte Unternehmung zu wagen, von der er sich mit keiner Wahrscheinlichkeit einen guten Erfolg versprechen kan.

Herzog. In der That, allen Umständen nach ist es nicht auf Rhodis abgezielt.

Officiers. Hier kommt wieder eine Zeitung.

Ein Expresser tritt auf.

Expresser. Erlauchte und Gnädige Herren, die Ottomannen, die in geradem Lauf gegen die Insel Rhodis gesegelt hatten, haben sich dort mit einem kleinern Geschwader vereinbart – –

1. Senator. Das dacht' ich ja; wie stark haltet ihr sie?

Expresser. Dreyßig Segel; und nun steuern sie ihren Lauf, ohne ihre wahre Absichten länger zu verheelen, nach Cypern. Signor Montano, euer getreuer und tapfrer Befehlshaber auf dieser Insel, erstattet Euch, unter Versicherung seiner pflichtvollen Ergebenheit, diesen Bericht, und bittet ihm vollen Glauben beyzumessen.

Herzog. Wir sind also nun gewiß, daß es um Cypern zu thun ist; ist Marcus Luccicos nicht in der Stadt?

1. Senator. Er ist würklich in Florenz.

Herzog. Schreibet unverzüglich in unserm Namen an ihn, daß er sich mit der äussersten Eilfertigkeit hieher begebe.

1. Senator. Hier kommt Brabantio und der tapfre Mohr.

Achte Scene.

Brabantio, Othello, Cassio, Jago, Rodrigo und Officiers, zu den Vorigen.

Herzog. Tapfrer Othello, wir sind im Begriff Eurer gegen unsern allgemeinen Feind Ottoman vonnöthen zu haben. (Zu Brabantio.) Ich sah euch nicht gleich; willkommen, werther Signor; wir mangelten euern Rath und eure Hülfe diese Nacht.

Brabantio. Und ich die eurige; vergebet mir, Durchlauchtigster; weder mein Plaz, noch was mir von einem vorschwebenden Staats-Geschäfte gesagt wurde, hat mich aus meinem Bette aufgewekt; das gemeine Wesen ficht mich izt wenig an; mein Privat-Schmerz ist von einer so wüthenden und ungestümen Art, daß er alle andre Sorgen verschlingt, und mich nichts anders fühlen läßt.

Herzog. Wie? Was kan die Ursach seyn?

Brabantio. Meine Tochter! O! meine Tochter! – –

Senator. Gestorben?

Brabantio. Für mich wenigstens; sie ist verführt, von mir weggestohlen, mißbraucht worden, durch Zauber-Mittel und Liebes-Tränke, den Kram von Markt-Schreyern, zu Grunde gerichtet worden – – Denn auf eine so widernatürliche Art konnte die Natur (da sie weder dumm, noch blind, noch schwach von Sinnen ist,) nicht ausschweiffen – – Zauberey allein konnte sie dahin bringen – –

Herzog. Wer der auch seyn mag, der durch so schändliche Mittel eure Tochter, sich selbst, und euch entführt hat, dessen Urtheil sollt ihr selbst in dem blutigen Gesez-Buch lesen, und selbst der Ausleger des strengen Buchstabens seyn; ja, und wenn unser eigner Sohn der Thäter wäre.

Brabantio. Ich danke Eu. Durchlaucht unterthänig. Hier ist der Mann, dieser Mohr, den nun eben, wie es scheint, euer Befehl, in Geschäften des Staats hieher gebracht hat.

Alle. Das thut uns herzlich leid.

Herzog (zu Othello.)
Und was könnt ihr, eurer Seits, hierauf antworten?

Brabantio. Nichts, als daß es so ist.

Othello. Erlauchte und Großmächtigste Herren, meine sehr edle, geliebte und gnädige Gebieter; daß ich dieses alten Mannes Tochter entführt habe, ist wahr; und wahr ist's, daß ich mit ihr vermählt bin – – So weit erstrekt sich die äusserste Linie meines Verbrechens, und weiter nicht – – Ich bin kein Redner, und wenig geübt in der friedsamen Kunst, die Zuhörer durch Worte zu gewinnen – – Seitdem diese meine Arme siebenjähriges Mark hatten, bis izt, die leztverfloßnen neun oder zehen Monate ausgenommen, sind die Arbeiten des Kriegs meine einzige Beschäftigung gewesen – – in diesen Kreis ist alle meine Wissenschaft eingeschlossen, und das ist alles, wovon ich reden kan. Ich werde also, indem ich für mich selbst rede, meiner Sache wenig Vortheil verschaffen. Und doch will ich, mit eurer Erlaubniß, eine aufrichtige ungeschminkte Erzählung von dem ganzen Hergang meiner Liebes-Geschichte machen; damit ihr sehet, durch was für Tränke, Zauber-Formeln, Beschwörungen und übernatürliche Künste, (weil ich doch solche Mittel gebraucht zu haben beschuldiget werde,) ich seine Tochter gewonnen habe.

Brabantio. Ein unschuldiges junges Mädchen, die immer das zärtlichste, schüchternste Kind von der Welt war; eine so sanfte und ruhige Seele, das jede ihrer Bewegungen über sich selbst zu erröthen schien – – und sie sollte, troz Natur, Jugend, Geburt, Ehre, allem in der Welt, in einen Mann verliebt werden, den sie zu furchtsam war nur anzusehen – – Was für eine Art zu schliessen muß der haben, der sich vorstellen kan, daß die Natur so weit von ihren eignen Gesezen abweichen sollte – – Es ist unmöglich; aus der Hölle mußten die verdammten Künste hergeholt werden, die das zuwegebringen konnten. Ich behaupte also noch einmal, daß er sie durch Tränke, die das Blut in gewaltsame Unordnung sezen, oder durch irgend ein andres übernatürliches Mittel mißbraucht und zu Falle gebracht habe.

Herzog. Behaupten ist nicht Beweisen – – es gehören stärkere Beweisthümer hiezu als die blossen nakten Vermuthungen, die ihr, in ein dünnes Gewand einer schaalen Wahrscheinlichkeit gekleidet, gegen ihn aufzustellen vermeynt.

1. Senator. Redet dann, Othello; brauchtet ihr krumme und gewaltsame Kunstmittel, die Neigungen dieser jungen Tochter zu erzwingen; oder erhieltet ihr sie durch Bitten, und auf diejenige Weise, wie eine Seele die andre anzuziehen pflegt?

Othello. Ich bitte euch, laßt die junge Dame aus dem Schüzen herholen, und sich selbst in Gegenwart ihres Vaters erklären; findet ihr, daß ihre Erzählung seine Anklage rechtfertiget, so entsezet mich nicht nur aller Ehren und Würden, die ich von euch empfangen habe, sondern laßt mein Leben selbst der strengen Gerechtigkeit verfallen seyn.

Herzog. Holet Desdemona hieher.

(Zween oder drey gehen ab.)

Othello (zu Jago.)
Fähndrich, weiset ihnen den Weg, ihr kennt den Ort am besten – – (Jago geht ab.) – – Und indessen bis sie kommt, will ich, so aufrichtig als ich dem Himmel selbst die Vergehungen meines Blutes bekenne, dieser ehrwürdigen Versammlung anzeigen, wie ich das Herz der schönen Desdemona gewonnen habe.

Herzog. Redet, Othello.

Othello. Ihr Vater liebte mich, lud mich oft ein, fragte mich immer nach der Geschichte meines Lebens, von Jahr zu Jahr, und ließ mich alle Schlachten, Belagerungen und Abentheuer, durch die ich passiert bin, erzählen. Das that ich nun, und durchlief mein ganzes Leben, von meinen kindischen Tagen an bis auf den nemlichen Augenblik, worinn er mich erzählen hieß: Und da sprach ich ihm also von den verschiedenen seltsamen Glüks-Wechseln, die ich erfahren, von hunderterley tragischen und herzbrechenden Unfällen, die mir zu Wasser und Land aufgestossen, und wie oft ich kaum noch auf der Breite eines Haars dem eindringenden Tod entgangen; und wie ich in die Hände grausamer Feinde gefallen, und zum Sclaven verkauft worden; und wie ich wieder in Freyheit gekommen, und dann die ganze Geschichte meiner irrenden Ritterschaft – – als von ungeheuern Grotten, und unterirdischen Gewölben, einöden Inseln, Steinbrüchen, Felsen und Gebürgen, die mit dem Kopf am Himmel anstossen, und von Cannibalen die einander aufessen und von Anthropophagen, und von Leuten, die die Köpfe unter den Schultern tragen, – – und was der Dinge mehr war, womit ich ihn zu unterhalten pflegte. Allem diesem hörte dann Desdemona mit grosser Aufmerksamkeit zu; und obgleich die Hausgeschäfte sie von Zeit zu Zeit wegrieffen, so machte sie sich doch so schnell als sie konnte, davon los, kam wieder zurük und verschlang meine Erzählung mit gierigem Ohr: Ich bemerkte dieses, und da sich einst eine günstige Stunde anbot, wußte ich bald Anlas zu machen, daß sie mich recht von Herzen bat, ihr die ganze Geschichte meiner Reisen, wovon sie nur einzelne, zerrißne Stüke gehört hatte, vollständig und im Zusammenhang zu erzählen: Ich willigte ein, und lokte manche Thräne aus ihren schönen Augen, wenn ich auf die verschiednen Trübsalen und Unfälle kam, die meine Jugend ausgestanden. Wie ich mit meiner Geschichte fertig war, belohnte sie meine Mühe mit einer Welt voll Seufzer Es hieß »Küsse« in einigen Ausgaben; und das war freylich in mehr als einer Betrachtung sehr ungereimt. Pope hat die ächte Lesart wieder hergestellt. Das junge Fräulein, meynt er, wäre gar zu freygebig gewesen, wenn sie für die blosse Erzählung einer Historie eine Welt voll Küsse gegeben hätte – – und er hat allerdings recht. – – sie schwur bey ihrer Treu, es sey ausserordentlich, über die Maassen ausserordentlich – – es sey rührend, zum Verwundern rührend – – Sie wünschte, sie hätte nichts davon gehört – – und doch wünschte sie, der Himmel hätte einen solchen Mann für sie gemacht – – und endlich dankte sie mir, und sagte, wenn ich einen Freund hätte, der in sie verliebt wäre, so möcht' ich ihn nur meine Geschichte erzählen lehren, und er würde sie damit gewinnen. Auf diesen Wink fieng' ich dann an zu reden, – – und so verlohren wir beyde unsre Herzen – – Sie liebte mich aus Mitleiden mit den Gefahren die ich ausgestanden, und ich liebte sie um dieses Mitleidens willen: Das ist die ganze Zauberey die ich gebraucht habe. Aber hier kommt sie selbst, laßt sie Zeugniß geben.

Neunte Scene.

Herzog. Ich denke, in vollem Ernst, eine solche Erzählung würde meine eigne Tochter noch oben drein behexen – – Guter Brabantio, seht diese Sache, da sie nun nicht mehr zu ändern ist, von der besten Seite an. Die Leute brauchen im Nothfall immer lieber ihre zerbrochne Waffen, als die blosse Hand.

Brabantio. Ich bitte euch, laßt sie reden. Bekennt sie, daß sie seinen Liebes-Bewerbungen auf halben Weg entgegen gegangen sey, so falle Verderben auf mein Haupt, wenn ich ihn einen Augenblik länger tadle. Kommt näher, angenehmes Frauenzimmer; empfindet ihr, wem in dieser ganzen edeln Versammlung ihr am meisten Gehorsam schuldig seyd?

Desdemona. Mein edler Vater, ich empfinde daß meine Pflicht hier getheilt ist: Euch bin ich für mein Leben und für meine Erziehung verbunden, und beydes lehrt mich die Ehrfurcht die ich euch schuldig bin. Ihr seyd Herr über meinen Gehorsam, in so fern ich eure Tochter bin. Aber hier ist mein Gemahl; und soviel Ergebenheit, als meine Mutter gegen euch zeigte, da sie ihren Vater verließ um euch anzuhängen, so viel bin ich hoffentlich befugt zu bekennen, daß ich dem Mohren, meinem Gemahl, schuldig sey.

Brabantio. Gott gesegne dir's; ich habe nichts mehr zu sagen. Gefällt's eurer Durchlaucht, so wollen wir nun von den Staats-Angelegenheiten reden. Ich wollte lieber ein Kind angenommen als gezeugt haben. Komm hieher, Mohr; hier geb ich dir von ganzem Herzen, was ich, wenn du's nicht schon hättest, von ganzem Herzen vor dir verwahren wollte. Um euertwillen, Kleinod, bin ich in der Seele froh daß ich keine andre Kinder habe – – Denn der Streich, den du mir gespielt hast, würde mich tyrannisch genug machen, ihnen Klöze anzuhängen. Ich bin fertig, Gnädigster Herr.

Herzog. Laßt mich nun in meinem eignen Character, in der Person eines allgemeinen Vaters reden, und ein Urtheil fällen, das diesen Liebenden zu einer Stuffe diene, sie wieder in eure Gunst zu heben. Von hier an spricht der Herzog im Original in Reimen, und wird von Brabantio in gleicher Münze bezahlt. Sobald nicht mehr zu helfen ist, so hat man das Aergste gesehen, und Klagen sind nicht nur fruchtlos, sondern der nächste Weg ein geschehenes Unglük mit einem neuen zu häuffen. Wenn die Klugheit die Streiche des Glüks nicht allemal verhindern kan, so kan doch Geduld einen Scherz aus seinen Beleidigungen machen. Der Beraubte, der dazu lächelt, stiehlt dem Räuber etwas, und der beraubt sich selbst, der sich in vergeblichem Kummer verzehrt.

Brabantio. Wenn das ist, so laßt die Türken uns immer Cypern wegnehmen; wir verliehren's nicht, so lange wir dazu lachen können – – Ich erkenne, Gnädigster Herr, die Weisheit euers Raths – – Aber Worte sind doch nur Worte, und ein verwundetes Herz ist noch nie durch die Ohren geheilt worden – – Ich bitte euch, zu den Staats-Geschäften.

Herzog. Die Türken machen furchtbare Zurüstungen, Cypern anzugreiffen: Othello, dir ist am besten bekannt, in was für einem Vertheidigungs-Stand der Plaz ist. Wir haben zwar einen Befehlshaber von bekannter Tüchtigkeit daselbst: Allein die allgemeine Meynung, die unumschränkte Königin der Welt, verspricht sich von euch eine noch grössere Sicherheit; laßt's euch also gefallen, über die Glasur euers neuen Glüks hinweg zu schlüpfen, und die Freuden der Liebe mit den Beschwerden dieser hartnäkigen und Gefahr-vollen Unternehmung zu vertauschen.

Othello. Die tyrannische Gewohnheit, erlauchte Senatoren, hat das steinharte und stählerne Lager des Kriegs mir längst zum weichsten Pflaum-Bette gemacht. Die rauhe Arbeit des Kriegs ist für mich ein Lustspiel, dem meine Seele mit angebohrner, flatternder Freudigkeit entgegen eilt. Ich unterziehe mich also dem gegenwärtigen Krieg mit den Ottomannen; und alles, warum ich die Durchlauchtigste Republik mit gebognen Knien bitte, ist, meine Gemahlin in ihren unmittelbaren Schuz zu nehmen, und darauf bedacht zu seyn, daß sie an einem anständigen Ort, und mit allem dem Glanz und Ansehen, so sich für ihre Geburt schikt, unterhalten werde.

Herzog. Also, in ihres Vaters Hause.

Brabantio. Das will ich nicht.

Othello. Ich noch weniger.

Desdemona. Auch ich wollte nicht dort wohnen, und meinen Vater zu ungeduldigen Gedanken reizen, wenn ich immer in seinen Augen wäre. Gnädigster Herr, leihet meiner Bitte ein geneigtes Ohr, und unterstüzet sie mit eurer Stimme.

Herzog. Was verlangt ihr, Desdemona?

Desdemona. Daß ich den Mohren liebte, um mit ihm zu leben, mag die Entschlossenheit, womit ich so vielen Vorurtheilen Gewalt angethan habe, durch die ganze Welt austrompeten. Mein Herz und meine Person sind von meinem Gemahl unzertrennlich. Ich sah Othello's Gesicht in der Schönheit seines Gemüthes, und seinen Verdiensten und heldenmässigen Eigenschaften hab ich meine Seele und mein ganzes Glük gewiedmet. So daß, theureste Herren, wenn ich zurükgelassen werde, und er in den Krieg geht, ich des Rechts, seine Gefahren mit ihm zu theilen, des Rechts, um deswillen ich ihn liebe, verlustig, und in seiner schmerzlichen Abwesenheit zu einem verdrießlichen Interim verurtheilt wäre. Laßt mich also mit ihm gehen.

Othello. Eure Genehmigung, Gnädige Herren! Ich bitte euch, laßt sie ihren Willen haben. Ich bitt' es nicht aus Rüksicht auf den Vortheil meines eignen Vergnügens, nicht aus Gefälligkeit gegen die Hize junger Begierden, die der erste Genuß mehr gereizt als befriedigt hat; – – sondern dem Edelmuth ihres Herzens seinen freyen Lauff zu lassen. Der Himmel verhüte, daß ihr mich fähig haltet, eure ernsthaften und grossen Angelegenheiten zu vernachläßigen, wenn sie bey mir ist – – Nein! Wenn jemals die kindischen Puppen-Spiele des befiederten Cupido die Werkzeuge meines Verstands und meiner Thätigkeit in üppige Trägheit senken, und meine Ergözungen meinen Arbeiten schädlich sind; dann laßt Haus-Weiber eine Brey-Pfanne aus meinem Helm machen, und die unwürdigsten, schmählichsten Wiederwärtigkeiten sich zum Untergang meines Ruhms verschwören.

Herzog. Ihr Gehen oder Bleiben soll eurer eignen Willkühr überlassen seyn – – Die Geschäfte fordern die hastigste Eilfertigkeit. Ihr müßt diese Nacht noch fort.

Desdemona. Diese Nacht, gnädigster Herr?

Herzog. Diese Nacht.

Othello. Von Herzen gerne.

Herzog. Morgen um neun Uhr wollen wir hier wieder zusammen kommen. Othello, laßt einen Officier zurük, durch den wir euch euer Patent, und eure Instruction nachschiken können.

Othello. Wenn es Eu. Durchlaucht nicht entgegen ist, so ist hier mein Fähndrich, ein Mann von Ehre und Redlichkeit, dem ich die Begleitung meines Weibs anvertrauen will, und durch den mir zugleich alles andre nachgeschikt werden kan, was Eu. Durchlaucht für nöthig hält.

Herzog. Ich bin's zufrieden. Gute Nacht allerseits – – (Zu Brabantio.) Und, edler Signor, wenn Tugend die glänzendste Schönheit ist, so ist euer Tochtermann mehr weiß als schwarz.

Senator. Adieu, tapfrer Mohr, begegne Desdemonen wol.

Brabantio. Sieh fleissig zu ihr, Mohr, wenn du Augen hast; sie hat ihren Vater betrogen, und wird dir's vielleicht nicht besser machen.

(Der Herzog und die Senatoren gehen ab.)

Othello. Ich stehe mit meinem Leben für ihre Treue – – Ehrlicher Jago, dir muß ich meine Desdemona hinterlassen; ich bitte dich, gieb ihr deine Frau zur Gesellschaft, und bringe sie mit der besten Gelegenheit nach. Komm, Desdemona, ich habe nur eine Stunde, die ich der Liebe und unsern Angelegenheiten schenken kan. Wir müssen der Zeit gehorchen.

(Sie gehen ab.)

Zehnte Scene.

Rodrigo und Jago bleiben.

Rodrigo. Jago – –

Jago. Was willst du mir sagen, tapfres Herz?

Rodrigo. Was denkst du, daß ich thun will?

Jago. Was? Zu Bette gehen und schlaffen.

Rodrigo. Ich will auf der Stelle gehn, und mich ins Wasser stürzen.

Jago. Wenn du das thust, so werd' ich dich in meinem Leben nicht mehr lieb haben. Wie, du bist ein recht alberner Edelmann!

Rodrigo. Es ist etwas albernes, leben, wenn Leben eine Qual ist; und dann, so sterben wir ja nach den Regeln, wenn der Tod unser Arzt ist.

Jago. O wie niederträchtig das gedacht ist! Es ist schon viermal sieben Jahre, daß ich mich auf der Welt umsehe, und seitdem ich einen Unterscheid zwischen einer Wohlthat und einer Beleidigung machen kan, hab' ich noch keinen Menschen gesehen, der den Verstand hätte sich selbst zu lieben. Eh ich sagen wollte, ich wolle mich einer Guineischen Henne zulieb ersäuffen, eh wollt' ich meine Menschheit mit einem Wald-Teufel vertauschen.

Rodrigo. Wie soll ich mir aber anders helfen? Ich bekenn', es macht mir schlechte Ehre, daß ich so vernarrt in sie bin; aber meine Tugend ist nicht stark genug, dem Uebel abzuhelfen.

Jago. Tugend? Pfifferling. Auf uns kommt es an, ob wir so oder so seyn wollen. Unsre Leiber sind unsre Gärten, und unser Wille ist der Gärtner darinn. Ob wir Nesseln oder Lattich drein säen wollen, ob wir ihn mit Ysop oder Thymian, mit einer einzigen Art von Gewächsen, oder mit vielerley Gattungen besezen, aus Faulheit verwildern und unfruchtbar werden lassen, oder durch fleissige Wartung in guten Stand sezen wollen: Das hängt alles lediglich von unsrer Willkühr ab. Hätten wir nicht in der Waage unsers Lebens eine Schaale voll Vernunft, um die Sinnlichkeit in der andern im Gleichgewicht zu halten, zu was für tollen Ausschweiffungen würde uns die Hize des Bluts und der thierische Trieb dahinreissen? Aber wir haben die Vernunft dazu, daß sie unsre rasenden Bewegungen, unsre fleischliche Triebe und zügellose Lüste bändigen soll – – Was nennt ihr Liebe? Meynt ihr, daß es eine so feyrliche Sache sey, als ihr euch einbildet? Ein blosser Trieb des Blutes ist's, dem der Wille den Zügel verhängt – – Komm, sey ein Mann! dich selbst ersäuffen? Ersäuffe mir Kazen und junge blinde Hunde! Ich habe dir meine Freundschaft zugesagt, und ich mache mich groß, mit Seilen, die unser beyder Leben ausdauern sollen, zu deinen Diensten gebunden zu seyn. Izt ist die Gelegenheit, da ich dir nüzlich seyn kan. Einen wolgespikten Beutel, und fort in diesen Krieg! Verbräme dein glattes Gesichtchen mit einem falschen Bart; Geld in deinen Beutel, sag ich. Es ist unmöglich, daß Desdemona den Mohren in die Länge lieben könnte, – – nur Geld in deinen Beutel – – noch der Mohr sie. Alle Sachen, die mit solcher Heftigkeit anfangen, pflegen auch schnell wieder aufzuhören – – Spik du nur deinen Beutel – – Diese Mohren sind veränderlich in ihren Neigungen; – – füll deinen Beutel mit Geld – – Der Lekerbissen, der ihm izt so süß daucht wie Syrop, wird ihm bald genug bittrer als Coloquinten schmeken; und wenn sie, an ihrem Theil, sich einmal an ihm ersättiget hat, so werden ihr die Augen über ihre ungereimte Wahl auf einmal aufgehen. Sie muß sich ändern, sie muß! Also füll du nur deinen Beutel. Wenn du ja zum T** fahren willst, so thu es wenigstens auf einem angenehmern Weg als Ersäuffen. Mach alles zu Gelde was du kanst. Wenn Tugend und ein armes zerbrechliches Gelübde zwischen diesem Landstreicher aus der Barbarey und einer super-feinen verschmizten Venetianerin, nicht stärker sind als mein Wiz und die ganze Zunft der Hölle, so sollst du sie in deine Arme kriegen. Also Geld in deinen Sekel, sag ich! Laß du dich lieber dafür hängen, daß du deine Lust gebüßt hast, als dich zu ersäuffen, und nichts dafür genossen zu haben.

Rodrigo. Stehst du mir gut für meine Hoffnungen, wenn ich's wage?

Jago. Verlaß dich auf mich – – Geh, mach Geld zusammen – – Ich habe dirs oft gesagt, und sage dirs wieder und wieder, ich hasse den Mohren. Meine Ursach stekt mir tief im Herzen; dein Haß hat keinen schlechtern Grund. Laß uns gemeine Sache machen, um unsre Rache an ihm zu nehmen. Wenn du ihn zum Hahnrey machen kanst, so machst du dir selbst ein Vergnügen, und mir einen Spaß. Die Zukunft geht mit allerley Begebenheiten schwanger, von denen sie zu gehöriger Zeit entbunden werden wird. Geh du izt, und sorge für Geld; morgen mehr von dieser Materie. Adieu.

Rodrigo. Wo sehen wir einander morgen?

Jago. In meinem Quartier.

Rodrigo. Ich will bey Zeiten kommen.

Jago. Gut, geht nur, lebt wohl. Hört ihr, Rodrigo?

Rodrigo. Was soll ich hören?

Jago. Nichts mehr vom Ersäuffen, hört ihr's?

Rodrigo. Es ist mir anders gekommen: Ich will gehen und alle meine Güter zu Geld machen.

(Er geht ab.)

Eilfte Scene.

Jago bleibt zurük.

Jago (allein.)
Geht nur, lebt wohl, nur einen wohlgespikten Beutel, – – Bin ich nicht ein gescheidter Kerl? So mach' ich aus meinem Narren meinen Schazmeister – – Denn das hiesse wol meine erworbne Geschiklichkeit übel anwenden, wenn ich die Zeit mit einem solchen kleinen Schneppen verderben wollte, ohne daß ich Spaß und Vortheil davon hätte. Ich hasse den Mohren, und das Publicum thut mir die Ehre an, und glaubt, er habe zwischen meinen Bett-Laken meine Stelle vertreten. Ich weiß nicht, ob es so ist – – aber mir ist eine blosse Vermuthung von dieser Art genug, um so zu handeln, als ob ich's mit Augen gesehen hätte. Er mag mich wol leiden – – Desto beßre Gelegenheit hab ich, ihm beyzukommen; Cassio ist ein Mann, der zu meinem Vorhaben taugt: Laßt einmal sehen – – seine Stelle zu kriegen und meinen Haß zu ersättigen – – Wie, wie kommt das? Laßt sehen – – Nach einiger Zeit dem Othello mit einer guten Art in's Ohr raunen, daß er zu vertraulich mit seiner Frau ist – – Seine Figur und sein ganzes Betragen, werden den Verdacht rechtfertigen; er ist der Mann dazu, die Weiber ungetreu zu machen. Der Mohr ist von der offnen treuherzigen Art Leuten, welche die Leute für ehrlich hält, wenn sie so aussehen; er wird sich so gutwillig an der Nase herumführen lassen wie ein Esel – – Ich hab es – – Mein Entwurf ist gezeugt – – und Rach und Hölle sollen die scheußliche Mißgeburt ans Taglicht bringen!

(ab.)


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