William Shakespeare
König Heinrich der Sechste
William Shakespeare

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweiter Aufzug.

Erste Scene.

Ebendaselbst. (Ein französischer Sergeant und zwei Schuldwachen kommen durch das Thor.)

Sergeant. Nehmt eure Plätze, und seid wachsam, Leute;
Bemerkt ihr Lärm, und daß Soldaten nah
Den Mauern sind, an irgend einem Zeichen,
So gebt im Wachthaus Nachricht uns davon.

Erste Schildwache. Schon gut, Sergeant. (Sergeant ab.) So müssen arme Diener,
Wenn andre schlafen auf bequemem Bett,
In Finsternis, in Kält' und Regen wachen.

(Talbot, Bedford, Burgund und ihre Truppen mit Sturmleitern, die Trommeln schlagen einen Totenmarsch.)

Talbot. Mein Herr Regent, und mächtiger Burgund,
Durch deren Ankunft das Gebiet von Artois,
Wallon und Picardie uns sind befreundet:
In dieser Glücksnacht sind die Franken sorglos,
Da sie den ganzen Tag geschmaust, gezecht.
Ergreifen wir denn die Gelegenheit,
Sie schickt sich zur Vergeltung ihres Trugs,
Den Kunst ersann und arge Zauberei.

Bedford. Memme von Frankreich! Wie er sich entehrt,
An seines Armes Tapferkeit verzweifelnd,
Mit Hexen und der Höll' in Bund zu treten.

Burgund. Verräter sind in der Gesellschaft stets.
Doch die Pucelle, für so rein gepriesen,
Wer ist sie?

Talbot. Ein Mädchen, sagt man.

Bedford. Ein Mädchen, und so kriegerisch!

Burgund. Geb' Gott, daß sie nicht männlich bald erscheint,
Wenn unter dem Panier der Franken sie
Die Rüstung führt, wie sie begonnen hat.

Talbot. Wohl, laßt sie klügeln und mit Geistern handeln,
Gott unsre Burg! In seinem Siegernamen
Laßt uns ihr Felsenbollwerk kühn erklimmen.

Bedford. Stürm', braver Talbot, und wir folgen dir.

Talbot. Nicht alle hier mit eins: weit besser dünkt mir's
Hineinzudringen auf verschiednen Wegen,
Daß, wenn es einem unter uns mißlingt,
Der andre wider ihre Macht kann stehn.

Bedford. So sei's: ich will zu jener Ecke hin.

Burgund. Und ich zu dieser.

Talbot. Und hier stürmt Talbot, oder schafft sein Grab.
Nun, Salisbury, für dich und für das Recht
Heinrichs von England soll die Nacht sich zeigen,
Wie meine Pflicht euch beiden ist geweiht.

(Die Englischen ersteigen die Mauern mit Sturmleitern, indem sie: Sankt Georg! und Talbot hoch! rufen, und dringen alle in die Stadt.)

Schildwache (drinnen). Auf, zu den Waffen, auf! Die Feinde stürmen!

(Die Franzosen springen im Hemde über die Mauern. Hierauf kommen von verschiedenen Seiten der Bastard, Alençon, Reignier, halb angekleidet, halb nicht.)

Alençon. Wie nun, ihr Herrn? Was? So unangekleidet?

Bastard. Unangekleidet? Ja, und froh dazu,
Daß wir so gut davongekommen sind.

Reignier. Traun, es war Zeit sich aus dem Bett zu machen,
Der Lärm war schon an unsrer Kammerthür.

Alençon. Seit ich die Waffen übte, hört' ich nie
Von einem kriegerischen Unternehmen,
Das tollkühn und verzweifelt war wie dies.

Bastard. Der Talbot, denk' ich, ist ein Geist der Hölle.

Reignier. Wo nicht die Höll', ist ihm der Himmel günstig.

Alençon. Da kommt der Prinz, mich wundert, wie's ihm ging.

(Karl und die Pucelle treten auf.)

Bastard. Pah! War Sankt Jeanne doch sein Schirm und Schutz.

Karl. Ist dieses deine List, du falsche Schöne?
Du ließest uns zuerst, um uns zu schmeicheln,
Teilnehmer sein an wenigem Gewinn,
Daß der Verlust nun zehnmal größer wär'?

Pucelle. Warum schilt Karl die Freundin ungeduldig?
Muß allzeit meine Macht die gleiche sein?
Schlafend und wachend, muß ich stets gewinnen,
Wenn ihr nicht schmähn und Schuld mir geben sollt?
Bei guter Wache, unvorsicht'ge Krieger,
Wär' dieser schnelle Unfall nie begegnet.

Karl. Herzog von Alençon, eu'r Fehler war's,
Daß, als der Wache Hauptmann diese Nacht,
Ihr besser nicht den wicht'gen Dienst versehn.

Alençon. War jegliches Quartier so wohl bewahrt,
Als das, worin ich den Befehl gehabt,
Wir wären nicht so schmählich überfallen.

Bastard. Meins war in Sicherheit.

Reignier.                                           Auch meines, Herr.

Karl. Was mich betrifft, den größten Teil der Nacht
Hab' ich zum Auf- und Abgehn angewandt,
In ihrem Viertel, und durch mein Revier,
Um immerfort die Wachen abzulösen.
Wie oder wo sind sie denn eingebrochen?

Pucelle. Fragt, Herrn, nicht weiter über diesen Fall,
Wie oder wo; genug, sie fanden Stellen,
Nur schwach besetzt, wo sie den Einbruch thaten,
Und übrig bleibt uns nun kein andrer Rat,
Als die umher versprengten Leute sammeln
Und neue Schanzen bau'n zu ihrem Schaden.

(Getümmel. Ein englischer Soldat kommt und ruft: Talbot hoch! Talbot hoch! Sie fliehen, indem sie ihre Kleider zurücklassen.)

Soldat. Ich will nur dreist, was sie verlassen, nehmen.
Der Ausruf Talbot dient mir statt des Degens,
Denn ich belud mit vieler Beute mich,
Und braucht' als Waffe seinen Namen bloß. (Ab.)


Zweite Scene.

Orleans. Innerhalb der Stadt. (Talbot, Bedford, Burgund, ein Hauptmann und andere.)

Bedford. Der Tag bricht an, und es entflieht die Nacht,
Die um die Erde warf den Rabenmantel.
Blast nun zum Rückzug, hemmt die heiße Jagd.

Talbot. Die Leiche bringt vom alten Salisbury
Und stellet auf dem Marktplatz hier sie aus,
Dem Mittelpunkte der verfluchten Stadt. –
Nun zahlt' ich mein Gelübde seiner Seele:
Fünf Franken starben mind'stens diese Nacht
Für jeden ihm entwandten Tropfen Bluts.
Und, daß hinfort die Zeiten mögen sehn,
Was für Verheerung ihm zur Rach' erfolgt,
Bau' ich in ihrer Hauptkirch' eine Gruft,
Worin sein Körper soll bestattet werden;
Darauf soll, daß es jeder lesen kann,
Die Plündrung Orleans gegraben sein,
Die falsche Weise seines traur'gen Todes,
Und welch ein Schrecken er für Frankreich war.
Doch, Herrn, bei all dem Blutbad, wundert's mich,
Daß wir des Dauphins Hoheit nicht begegnet,
Der tugendsamen Heldin Jeanne d'Arc,
Noch irgend wem der falschen Bundsgenossen.

Bedford. Man sagt, Lord Talbot, als der Kampf begann,
Sei'n, plötzlich aufgeschreckt vom faulen Bett,
Sie unter Haufen des Soldatenvolks
Die Mau'r hinüber in das Feld entsprungen.

Burgund. Ich selbst, so viel ich unterscheiden konnte
Im Rauch und Nebeldunst der Nacht, verscheuchte
Den Dauphin sicherlich und seine Trulle,
Als Arm in Arm sie hurtig laufend kamen,
So wie ein Paar verliebter Turteltauben,
Die sich nicht trennen konnten Tag und Nacht.
Wenn erst die Dinge hier in Ordnung sind,
So woll'n wir sie mit aller Macht verfolgen.

(Ein Bote tritt auf.)

Bote. Heil euch, ihr hohen Lords! Wen nennet ihr
Von dieser fürstlichen Genossenschaft
Den kriegerischen Talbot, dessen Thaten
Im Frankenreich so hoch gepriesen werden?

Talbot. Ich bin der Talbot, wer will mit ihm reden?

Bote. Die tugendsame Gräfin von Auvergne,
Bescheidentlich bewundernd deinen Ruhm,
Ersucht dich, großer Lord, du wollst geruhn,
Zur armen Burg, worauf sie sitzt, zu kommen,
Damit sie rühmen mag, sie sah den Mann,
Von dessen Herrlichkeit die Welt erschallt.

Burgund. Im Ernst? Ei ja, dann seh ich, unsre Kriege
Verwandeln sich in friedlich Possenspiel,
Wenn Frau'n begehren, daß wir sie bestehn. –
Ihr dürft die art'ge Bitte nicht verschmähn.

Talbot. Nein, glaubt mir; denn, wenn eine Welt von Männern
Mit aller Rednerkunst nichts ausgerichtet,
Hat eines Weibes Güte übermeistert. –
Und darum sagt ihr, daß ich herzlich danke,
Und unterthänig sie besuchen will. –
Gehn Eure Edlen zur Gesellschaft mit?

Bedford. Nein, wahrlich; das ist mehr als Sitt' erlaubt.
Ich hörte sagen, ungeladne Gäste
Sind nicht willkommner meist, als wenn sie gehn.

Talbot. Nun wohl, allein, weil denn kein andrer Rat,
Versuch' ich dieser Dame Höflichkeit.
Hieher kommt, Hauptmann. (Er spricht leise mit ihm.)
                                                Ihr versteht die Meinung?

Hauptmann. Ja, gnäd'ger Herr, und meine dem gemäß.

(Alle ab.)


Dritte Scene.

Auvergne. Schloßhof. (Die Gräfin und ihr Thorwärter treten auf.)

Gräfin. Thorwärter, merkt euch, was ich aufgetragen,
Und wenn ihr es gethan, bringt mir die Schlüssel.

Thorwärter. Das will ich, gnäd'ge Frau. (Ab.)

Gräfin. Der Anschlag ist gemacht: geht alles gut,
So macht dies Abenteu'r mich so berühmt,
Als Cyrus Tod die Scythin Tomyris.
Groß ist der Ruf von diesem furchtbar'n Ritter,
Und seine Thaten von nicht minderm Wert.
Gern wär' mein Auge Zeuge mit dem Ohr,
Zum Ausspruch über diese Wunderdinge.

(Der Bote kommt mit Talbot.)

Bote. Gräfin! Wie Eure Gnaden es begehrt,
Auf meine Botschaft kommt Lord Talbot hier.

Gräfin. Er ist willkommen. Wie? Ist dies der Mann?

Bote. Ja, gnäd'ge Frau.

Gräfin.                             Ist dies die Geißel Frankreichs?
Ist dies der Talbot, auswärts so gefürchtet,
Daß man die Kinder stillt mit seinem Namen?
Ich seh', der Ruf ist fabelhaft und falsch.
Ich dacht', es würd' ein Herkules erscheinen,
Ein zweiter Hektor, nach dem grimmen Ansehn
Und der gedrungnen Glieder großem Maß.
Ach, dies ist ja ein Kind, ein blöder Zwerg;
Es kann der schwache, eingezog'ne Knirps
Unmöglich so die Feind' in Schrecken jagen.

Talbot. Ich war so dreist zur Last zu fallen, Gräfin;
Doch da Eu'r Gnaden nicht bei Muße sind,
So find' ich andre Zeit wohl zum Besuch.

Gräfin. Was hat er vor? Geh, frag, wohin er geht.

Bote. Lord Talbot, haltet: meine gnäd'ge Frau
Wünscht eures raschen Abschieds Grund zu wissen.

Talbot. Ei nun, weil sie in falschem Glauben ist,
Geh ich ihr zu beweisen, Talbot sei's.

Gräfin. Wenn du es bist, so bist du ein Gefangner.

Talbot. Gefangner? Wess'?

Gräfin.                                   Blutdürst'ger Lord, der meine.
Und aus dem Grund zog ich dich in mein Haus.
Dein Schatte war schon längst in meinen Banden;
Dein Bildnis hängt in meiner Galerie.
Doch nun soll auch dein Wesen gleiches dulden,
Und diese Arm' und Beine fessl' ich dir,
Der du mit Tyrannei seit so viel Jahren
Das Land verheertest, unsre Bürger schlugst,
Und Sohn' und Gatten zu Gefangnen machtest.

Talbot. Hahaha!

Gräfin. Du lachst, Elender! Jammern wirst du bald.

Talbot. Ich lache über Euer Gnaden Einbildung,
Als hättet ihr was mehr als Talbots Schatten,
Woran ihr eure Strenge üben mögt.

Gräfin. Wie, bist du es nicht selbst?

Talbot.                                                 Ich bin es wirklich.

Gräfin. So hab' ich auch sein Wesen.

Talbot. Nein, nein, ich bin mein eigner Schatten nur,
Ihr seid getäuscht, mein Wesen ist nicht hier;
Denn, was ihr seht, ist der geringste Teil
Von meiner Menschheit, und das kleinste Maß.
Ich sag' euch, wär' mein ganz Gebilde hier,
Es ist von so gewalt'gem hohem Wuchs,
Eu'r Dach genügte nicht, es zu umfassen.

Gräfin. Das ist ein Rätselkrämer, wie sich's ziemt:
Hier will er sein, und ist denn doch nicht hier;
Wie können diese Widersprüche passen?

Talbot. Sogleich will ich's euch zeigen.

(Er stößt in ein Hifthorn. Man hört Trommeln, hierauf eine Salve von großem Geschütz. Die Thore werden gesprengt und Soldaten kommen.)

Was sagt ihr, Gräfin, seid ihr überzeugt,
Daß Talbot nur sein eigner Schatten ist?
Die sind sein Wesen, Sehnen, Arm und Stärke,
Womit er euch empörte Nacken beugt,
Die Städte schleift und eure Festen stürzt,
Und wüst in einem Augenblick sie macht.

Gräfin. Verzeih, siegreicher Talbot, mein Vergehn.
Ich seh', du bist nicht kleiner als dein Ruf,
Und mehr als die Gestalt erraten läßt.
Laß meine Kühnheit deinen Zorn nicht reizen,
Es ist mir leid, daß ich mit Ehrerbietung
Dich nicht so aufgenommen, wie du bist.

Talbot. Nicht bange, schöne Frau! Mißdeutet nicht
Den Sinn des Talbot, wie ihr euch geirrt
In seines Körpers äußerlichem Bau.
Was ihr gethan, das hat mich nicht beleidigt,
Auch fordr' ich zur Genugthuung nichts weiter,
Als daß, mit eurer Gunst, wir kosten dürfen
Von eurem Wein, und sehn, wie man hier kocht;
Denn immer rüstig sind Soldatenmagen.

Gräfin. Von ganzem Herzen; und es ehrt mich sehr,
Bei mir solch' großen Krieger zu bewirten.

(Alle ab.)


Vierte Scene.

London. Der Garten des Tempels. (Die Grafen von Somerset, Suffolk und Warwick; Richard Plantagenet, Vernon und ein anderer Rechtsgelehrter treten auf.)

Plantagenet. Ihr großen Lords und Herrn, was soll dies Schweigen?
Will niemand reden in der Wahrheit Sache?

Suffolk. Wir waren allzu laut im Tempelsaal,
Der Garten hier ist schicklicher dazu.

Plantagenet. So sagt mir eins, ob Wahrheit ich behauptet,
Ob nicht der Zänker Somerset geirrt?

Suffolk Traun, ich war Müßiggänger in den Rechten:
Ich konnte nie darnach den Willen fügen,
Und füge drum das Recht nach meinem Willen.

Somerset. So richtet ihr, Lord Warwick, zwischen uns.

Warwick. Von zweien Falken, welcher höher steigt,
Von zweien Hunden, welcher tiefer bellt,
Von zweien Klingen, welche bessrer Stahl,
Von zweien Pferden, wessen Haltung besser,
Von zweien Mädchen, welche muntrer äugelt,
Hab' ich wohl einen flachen Sinn des Urteils:
Doch von des Rechts Praktik und spitzen Kniffen
Hat wahrlich eine Dohle mehr begriffen.

Plantagenet. Pah, welche höfliche Zurückhaltung!
Die Wahrheit steht so nackt auf meiner Seite,
Daß selbst das blödste Aug' sie finden kann.

Somerset. Auf meiner Seit' ist sie so wohl geklettet,
So klar, so strahlend und so offenbar,
Daß sie durch eines Blinden Auge schimmert.

Plantagenet. Weil Redescheu die Zungen denn euch bindet,
Erklärt in stummen Zeichen die Gedanken,
Es pflücke, wer ein echter Edelmann,
Und auf der Ehre seines Bluts besteht,
Wenn er vermeint, ich bringe Wahrheit vor,
Mit mir von diesem Strauch 'ne weiße Rose.

Somerset. So pflücke, wer kein Feiger ist, noch Schmeichler,
Und die Partei der Wahrheit halten darf,
Mit mir von diesem Dorn 'ne rote Rose.

Warwick. Ich liebe Schminke nicht; ohn' alle Schminke
Der kriechenden gewandten Schmeichelei,
Pflück' ich die weiße Rose mit Plantagenet.

Suffolk Mit Somerset pflück' ich die rote Rose,
Und sag', ich halte recht, was er behauptet.

Vernon. Noch haltet, Lords und Herrn, und pflückt nicht mehr,
Bis ihr beschließt, daß der, auf dessen Seite
Vom Baume wen'ger Rosen sind gepflückt,
Des andern rechte Meinung soll erkennen.

Somerset. Mein guter Meister Vernon, wohl bemerkt!
Still geb ich nach, hab' ich die mindre Zahl.

Plantagenet. Ich auch.

Vernon. Dann, für der Sache Recht und Wahrheit, pflücke
Ich die jungfräulich blasse Blüte hier,
Den Ausspruch gebend für die weiße Rose.

Somerset. Stecht nicht den Finger, wie ihr ab sie pflückt,
Sonst färbt ihr, blutend, rot die weiße Rose,
Und fallt auf meine Seite wider willen.

Vernon. Mylord, wenn ich für meine Meinung blute,
So wird die Meinung auch den Schaden heilen,
Und mich bewahren auf der jetz'gen Seite.

Somerset. Gut, gut! nur zu! Wer sonst?

Rechtsgelehrter (zu Somerset). Wofern nicht meine Kunst und Bücher lügen,
So habt ihr unrecht euren Satz geführt:
Zum Zeichen dess' pflück' ich die weiße Rose.

Plantagenet. Nun, Somerset, wo ist nun euer Satz?

Somerset. Hier in der Scheide; dies Erwägen wird
Die weiße Rose blutig rot euch färben.

Plantagenet. Indes äfft eure Wange unsre Rosen,
Denn sie ist blaß vor Furcht, als zeugte sie
Für unsre Wahrheit.

Somerset.                       Nein, Plantagenet,
's ist nicht aus Furcht, aus Zorn, daß deine Wangen,
Vor Scham errötend, unsre Rosen äffen,
Und deine Zunge doch dein Irren leugnet.

Plantagenet. Stach dir kein Wurm die Rose, Somerset?

Somerset. Hat deine keinen Dorn, Plantagenet?

Plantagenet. Ja, einen scharfen, wahr sich zu behaupten,
Indes dein Wurm an seiner Falschheit nagt.

Somerset. Wohl, Freunde find' ich für mein Rosenblut,
Die da behaupten, daß ich wahr gesagt,
Wo sich Plantagenet nicht sehn darf lassen.

Plantagenet. Bei dieser reinen Blüt' in meiner Hand,
Ich spotte, Knabe, dein und deiner Tracht.

Suffolk. Kehr' sonst wohin den Spott, Plantagenet.

Plantagenet. Nein, stolzer Poole, ich spotte sein und dein.

Suffolk. Mein Teil davon werf ich in deinen Hals.

Somerset. Fort, guter William de la Poole! Wir thun
Dem Bauern zu viel Ehr', mit ihm zu reden.

Warwick. Bei Gott, du thust ihm unrecht, Somerset.
Sein Urgroßvater war ja Lionel,
Herzog von Clarence, und der dritte Sohn
Des dritten Eduard, Königes von England.
Treibt solche Wurzel wappenlose Bauern?

Plantagenet. Er macht des Platzes Vorrecht sich zu Nutz,
Sein zaghaft Herz ließ ihn das sonst nicht sagen.

Somerset. Bei dem, der mich erschuf, ich will mein Wort
Auf jedem Fleck der Christenheit behaupten.
Ward nicht dein Vater, Richard Graf von Cambridge,
Zur Zeit des vor'gen Königs um Verrat gerichtet?
Und hat nicht sein Verrat dich angesteckt,
Geschändet und entsetzt vom alten Adel?
In deinem Blut lebt seine Missethat,
Und bis zur Herstellung bist du ein Bauer.

Plantagenet. Mein Vater war beklagt, nicht überwiesen;
Starb, um Verrat verdammt, doch kein Verräter:
Und das beweis' ich Höhern noch als Somerset,
Reift meinem Willen erst die Zeit heran.
Was euren Helfer Poole und euch betrifft,
So zeichn' ich euch in mein Gedächtnisbuch,
Um euch zu züchtigen für diese Rüge.
Seht euch denn vor, und sagt, daß ich euch warnte.

Somerset. Nun wohl, du sollst bereit uns immer finden,
Und uns an dieser Farb als Feind' erkennen,
Die meine Freunde tragen dir zum Trotz.

Plantagenet. Und diese bleiche und erzürnte Rose,
Als Sinnbild meines blutbedürft'gen Hasses,
Will ich, bei meiner Seele! künftig tragen,
Ich selber und mein Anhang immerdar,
Bis sie mit mir zu meinem Grabe welkt,
Oder zur Höhe meines Rangs erblüht.

Suffolk. Geh vorwärts, und ersticke dich dein Ehrgeiz.
Und so leb wohl, bis ich dich wieder treffe. (Ab.)

Somerset. Ich folge, Poole. – Leb wohl, ehrgeiz'ger Richard. (Ab.)

Plantagenet. Wie man mir trotzt, und doch muß ich es dulden.

Warwick. Der Fleck, den sie an eurem Hause rügen,
Wird ausgelöscht im nächsten Parlament,
Das Winchester und Gloster soll vergleichen;
Und wenn man dann dich nicht zum York ernennt,
So will ich länger nicht für Warwick gelten.
Indes, zum Pfand, daß ich dich vorgezogen
Dem stolzen Somerset und William Poole,
Trag' ich auf deiner Seite diese Rose,
Und prophezeie hier: der heut'ge Zank,
Der zur Parteiung ward im Tempelgarten,
Wird zwischen roter Rose und der weißen
In Tod und Todsnacht tausend Seelen reißen.

Plantagenet. Euch, guter Meister Vernon, sag' ich Dank,
Daß ihr die Blume mir zu lieb gepflückt.

Vernon. Beständig will ich, euch zu lieb, sie tragen.

Rechtsgelehrter. Das will ich ebenfalls.

Plantagenet. Kommt, gehn wir vier zur Mahlzeit; ich darf sagen:
Blut trinkt noch dieser Streit in andern Tagen.

(Alle ab.)


Fünfte Scene.

Ebendaselbst. Ein Zimmer im Turm. (Mortimer wird von zwei Gefangenwärtern in einem Armstuhl hereingetragen.)

Mortimer. Sorgsame Wärter meines schwachen Alters,
Laßt sterbend ausruhn hier den Mortimer.
So wie ein Mann, der Folter erst entrissen,
Fühl' ich die Länge der Gefangenschaft
In meinen Gliedern; diese grauen Locken,
Des Todes Boten, Nestor-gleich bejahrt
In Jahren voller Sorgen, zeigen an,
Es ende nun mit Edmund Mortimer.
Die Augen, Lampen, die ihr Oel verspendet,
Verdunkeln sich, zum Ausgang schon gewendet.
Die Schultern schwach, erdrückt von Grames Last,
Die Arme marklos, wie verdorrte Reben,
Saftlose Ranken auf den Boden senkend. –
Doch diese Füße von kraftlosem Stand,
Unfähig diesen Erdenkloß zu stützen,
Sind leicht beschwingt vom Wunsch nach einem Grabe,
Wohl wissend, daß ich andern Trost nicht habe. –
Doch sagt mir, Wärter, will mein Neffe kommen?

Erster Gefangenwärter. Richard Plantagenet will kommen, Herr;
Zu seinem Zimmer sandten wir im Tempel,
Und Antwort ward erteilt, er wolle kommen.

Mortimer. Genug! So wird noch mein Gemüt befriedigt.
Der arme Mann! Er ist gekränkt wie ich.
Seit Heinrich Monmouth erst begann zu herrschen,
Vor dessen Ruhm ich groß in Waffen war,
Lebt' ich in ekler Eingeschlossenheit;
Und auch seitdem ward Richard weggedrängt,
Beraubt der Ehr' und Erbschaft; aber nun,
Da mich, der jegliche Verzweiflung schlichtet,
Der Tod, der milde Schiedsmann alles Elends,
Mit süßer Freilassung von hinnen läßt,
Wollt' ich, auch seine Drangsal wär' vorbei,
Und das Verlor'ne würd' ihm hergestellt.

(Richard Plantagenet tritt auf.)

Erster Gefangenwärter. Herr, euer lieber Neff' ist nun gekommen.

Mortimer. Richard Plantagenet, mein Freund? Ist er da?

Plantagenet. Ja, edler Oheim, schmählich so behandelt,
Eu'r Neffe kommt, der jüngst entehrte Richard.

Mortimer. Führt meine Arme, daß ich ihn umhalse,
Den letzten Hauch in seinen Busen keuche;
O, sagt mir, wann mein Mund die Wang' ihm rührt,
Daß ich ihn grüße mit ohnmächt'gem Kuß.
Nun, süßer Sprößling von Yorks großem Stamm,
Erklär, warum du »jüngst entehrt« dich nanntest.

Plantagenet. Erst lehn' auf meinen Arm den alten Rücken,
Und, so erleichtert, höre die Beschwer.
Heut, bei dem Streiten über einen Fall,
Kam's zwischen mir und Somerset zu Worten,
Wobei er ohne Maß die Zunge brauchte,
Und rückte meines Vaters Tod mir vor.
Der Vorwurf stieß mir Riegel vor die Zunge,
Sonst hätt' ich's ihm auf gleiche Art vergolten.
Drum, bester Ohm, um meines Vaters willen,
Bei deiner Ehr' als ein Plantagenet,
Und Bundes halb, erklär' den Grund, warum
Mein Vater, Graf von Cambridge, ward enthauptet.

Mortimer. Der Grund, der mich verhaftet, holder Neffe,
Und all' die blüh'nde Jugend fest mich hielt
In einem eklen Kerker, da zu schmachten,
War das verfluchte Werkzeug seines Todes.

Plantagenet. Entdecke näher, welch ein Grund das war,
Denn ich bin unbelehrt und rat' es nicht.

Mortimer. Das will ich, wenn der Odem mir nicht schwindet,
Und mich der Tod läßt enden den Bericht.
Heinrich der Vierte, Großvater dieses Königs,
Entsetzte seinen Vetter Richard, Eduards Sohn,
Des Erstgebornen und rechtmäß'gen Erben
Von König Eduard, drittem jener Reih.
Zu seiner Herrschaft Zeit bestrebten sich
Die Percys aus dem Norden, als sie fanden,
Höchst ungerecht sei seine Anmaßung,
Statt seiner mich zu fördern auf den Thron.
Was diese kriegerischen Lords bewog,
War, daß nach Wegräumung des jungen Richard
Ich von Geburt und Sippschaft war der nächste.
Denn mütterlicher Seite stamm' ich ab
Von Lionel von Clarence, drittem Sohn
König Eduard des Dritten; mittlerweil
Er von Johann von Gaunt den Stammbaum leitet,
Dem vierten nur in jenem Heldenhaus.
Doch merkt: als sie mit hochgemutem Anschlag
Den rechten Erben einzusetzen rangen,
Verlor die Freiheit ich, und sie das Leben.
Viel später, als Heinrich der Fünfte herrschte
Nach seinem Vater Bolingbroke, geschah's,
Daß, mitleidsvoll mit meiner harten Trübsal,
Dein Vater, Graf von Cambridge, abgestammt
Vom großen Edmund Langley, Herzog York,
Vermählt mit meiner Schwester, deiner Mutter,
Nochmals ein Heer warb, wähnend mich zu lösen
Und zu bekleiden mit dem Diadem;
Doch wie die andern fiel der edle Graf
Und ward enthauptet. So sind die Mortimers,
Worauf der Anspruch ruhte, unterdrückt.

Plantagenet. Und deren letzter, edler Lord, seid ihr.

Mortimer. Ja, und du siehst, ich habe kein Geschlecht,
Und meine matten Worte melden Tod.
Du bist mein Erbe; rate selbst das andre,
Doch übe Vorsicht bei der fleiß'gen Sorge.

Plantagenet. Die ernste Warnung präget sich mir ein;
Doch dünkt mich meines Vaters Hinrichtung
Geringres nicht als blut'ge Tyrannei.

Mortimer. Mit Schweigen, Neffe, treibe Politik,
Das Haus der Lancaster ist festgegründet,
Und, einem Felsen gleich, nicht wegzurücken.
Nun aber rückt dein Oheim weg von hier,
Wie Prinzen ihren Hof verlegen, müde
Des langen Weilens am bestimmten Platz.

Plantagenet. O, kauft' ein Teil von meinen jungen Jahren
Die Laufbahn eures Alters doch zurück!

Mortimer. Du thätest mir zu nah, dem Mörder gleich,
Der viele Wunden gibt, wo eine tötet;
Wo nicht mein Wohl dir leid ist, traure nicht,
Nur ordne du mir die Bestattung an.
Und so fahr' wohl, dir lache jede Hoffnung,
Dein Leben sei beglückt in Fried und Krieg! (Stirbt.)

Plantagenet. Fried' und nicht Krieg mit deiner fliehnden Seele!
Im Kerker schlossest du die Pilgerschaft,
Als Klausner überlebend deine Tage. –
Wohl, seinen Rat verschließ' ich in der Brust,
Und was ich sinne, sei nur mir bewußt. –
Wärter, tragt ihn hinweg! Ich sorge selbst
Ihn besser zu bestatten als er lebte.
        (Die Gefangenwärter tragen Mortimer hinaus.)
Hier lischt die trübe Fackel Mortimers,
Gedämpft vom Ehrgeiz derer unter ihm;
Und für das Unrecht, für die bittre Kränkung,
Die meinem Hause Somerset gethan,
Bau' ich auf ehrenvolle Herstellung.
Und deshalb eil ich zu dem Parlament:
Man soll zurück mich geben meinem Blut,
Sonst mach' ich bald mein Uebel mir zum Gut.

 


 


 << zurück weiter >>