William Shakespeare
König Heinrich der Fünfte
William Shakespeare

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Siebente Szene

Ein andrer Teil des Schlachtfeldes

Getümmel. Fluellen und Gower treten auf

Fluellen.
Die Puben und den Troß umbringen, 's ist ausdrücklich gegen das Kriegsrecht, 's ist ein so ausgemachtes Stück Schelmerei, versteht Ihr mich, als in der Welt nur vorkommen kann. Ist es nicht so, auf Euer Gewissen?

Gower.
Es ist gewiß, sie haben keinen Buben am Leben gelassen, und eben die feigen Hunde, die aus der Schlacht wegliefen, haben diese Metzelei angerichtet; außerdem haben sie alles verbrannt und weggeschleppt, was in des Königs Zelt war, weswegen der König verdientermaßen jeden Soldaten seinem Gefangenen die Kehle hat abschneiden lassen. Oh, er ist ein wackrer König!

Fluellen.
Ja, er ist zu Monmouth gepohren. Wie benennt Ihr den Namen der Stadt, wo Alexander der Preite gepohren ist?

Gower.
Alexander der Große.

Fluellen.
Ei, ich bitte Euch, ist preit nicht groß? Der Preite, oder der Große, oder der Starke, oder der Gewaltige, oder der Heldenmütige, tun alle auf eins hinauslaufen, außer daß die Redensart ein wenig verändert sein.

Gower.
Ich denke, Alexander der Große ist in Mazedonien geboren; sein Vater ward Philipp von Mazedonien genannt, wo mir recht ist.

Fluellen.
Ja, ich denke, es ist in Mazedonien, wo Alexander gepohren ist. Ich sage Euch, Kapitän, wenn Ihr in die Karten der Welt hineinseht, so stehe ich dafür, Ihr werdet bei den Vergleichungen zwischen Mazedonien und Monmouth finden, daß die Lagen, versteht Ihr, von beiden gleich sein. Es befindet sich ein Fluß in Mazedonien, und es befindet sich gleichfalls außerdem ein Fluß zu Monmouth. Zu Monmouth heißt er Wye; aber es will mir nicht in den Kopf fallen, wie der Name des andern Flusses ist; aber es kommt auf eins heraus, es ist sich so gleich, wie diese meine Finger meinen Fingern, und es geben Lachse in beiden. Wenn Ihr Alexanders Leben wohl beachtet, so tut das Leben Heinrichs von Monmouth ziemlich gut hintendrein kommen: denn in allen Dingen sein Figuren. Alexander hat (wie Gott weiß und Ihr wißt) in seinem Zorn und seiner Wut und seinem Grimm und seiner Galle und seinen Launen und seinen Unwilligkeiten und Entrüstungen und auch, weil er ein wenig im Kopfe benebelt war, in seinen Biergelagen und seinem Ärger, seht Ihr, seinen pesten Freund Clytus umgebracht.

Gower.
Darin ist ihm unser König nicht ähnlich, er hat noch nie einen von seinen Freunden umgebracht.

Fluellen.
Es ist nicht wohl getan, versteht Ihr mich, einem die Geschichten aus dem Munde zu nehmen, ehe sie zu Ende gebracht und vollkommen sein. Ich rede nur in den Figuren und Vergleichungen desselbigen; wie Alexander seinen Freund Clytus umbrachte, während er bei seinen Biergelagen und seinen Krügen war: so ebenfalls Heinrich Monmouth, während er bei gutem Verstande und gesunden Sinnen war, tat er den fetten Ritter mit dem großen Bauchwamse abschaffen, er war voller Späße und Pfiffe und Kniffe und Possen; sein Name ist mir vergessen.

Gower.
Sir John Falstaff.

Fluellen.
Das ist er. Ich kann Euch sagen, es werden prafe Leute zu Monmouth gepohren.

Gower.
Da kommt Seine Majestät.

Getümmel. König Heinrich mit einem Teil der englischen Truppen, Warwick, Gloster, Exeter und andre treten auf.

König Heinrich.
Seit ich nach Frankreich kam, war ich nicht zornig
Bis eben jetzt. – Nimm die Trompete, Herold!
Jag zu den Reitern auf dem Hügel dort!
Wofern sie mit uns fechten wollen, heiß
Herab sie ziehn, wo nicht, das Schlachtfeld räumen;
Sie sind mit ihrem Anblick uns zur Last.
Tun sie von beiden keins, so kommen wir
Und stäuben sie da weg, so rasch wie Steine,
Geschnellt aus den assyr'schen alten Schleudern.
Auch wollen wir erwürgen, die wir haben,
Und nicht ein Mann, der in die Händ uns fällt,
Soll Gnad erfahren. – Geht, sagt ihnen das!

Montjoye tritt auf.

Exeter.
Hier kommt der Herold der Franzosen, Herr.

Gloster.
Sein Blick ist demutsvoller, als er pflegte.

König Heinrich.
Nun, was will dieser Herold? Weißt du nicht,
Daß ich dies mein Gebein zur Lösung bot?
Kommst du um Lösung noch?

Montjoye.
Nein, großer König.
Ich komm zu dir um milde Zulassung,
Daß wir dies blutge Feld durchwandern dürfen,
Die Toten zu verzeichnen und begraben,
Die Edlen vom gemeinen Volk zu sondern,
Denn (o des Wehs!) viel' unsrer Prinzen liegen
Ersäuft und eingeweicht in Söldnerblut;
So taucht auch unser Pöbel rohe Glieder
In Prinzenblut, und ihre wunden Rosse,
Die Fersenbüschel tief im Blute, toben
Und schmeißen wütend mit bewehrten Hufen
Auf ihre toten Herrn, zum zweitenmal
Sie tötend. O vergönnt uns, großer König,
Daß wir das Feld in Ruh beschaun und ordnen
Die Leichen an.

König Heinrich.
Ich weiß in Wahrheit, Herold,
Nicht recht, ob unser oder nicht der Sieg,
Denn eurer Reiter zeigen sich noch viel
Und sprengen durch das Feld.

Montjoye.
Der Sieg ist Euer.

König Heinrich.
Gelobt sei Gott, nicht unsre Kraft dafür!
Wie heißt die Burg, die dicht hier neben steht?

Montjoye.
Man nennt sie Azincourt.

König Heinrich.
So heiße dies die Schlacht bei Azincourt,
Am Tag Crispinus-Krispians gefochten.

Fluellen.
Euer Großvater perühmten Andenkens, mit Euer Majestät Erlaubnis, und Euer Großoheim Eduard, der Schwarze Prinz von Wales, wie ich in den Chroniken gelesen habe, fochten hier in Frankreich eine sehr prafe Schlacht.

König Heinrich.
Das taten sie, Fluellen.

Fluellen.
Eure Majestät sagt sehr wahr; wenn Eure Majestäten dessen erinnerlich sein, die Welschen taten guten Dienst in einem Garten, wo Lauch wuchs, und trugen Lauch auf ihren Monmouther Mützen, welches, wie Eure Majestät weiß, bis auf diese Stunde ein ehrenvolles Feldzeichen ist, und ich glaube, Eure Majestät verschmähn es nicht, das Lauch auf Sankt Davidstag zu tragen.

König Heinrich.
Ich trag es als denkwürdiges Ehrenzeichen: Denn ich bin welsch, Ihr wißt es, guter Landsmann.

Fluellen.
Alles Wasser im Flusse Wye kann Euer Majestät welsches Blut nicht aus Eurem Leibe waschen, das kann ich Euch sagen. Gott segne es und erhalte es, solange als es Seiner Gnaden beliebt und Seiner Majestät obendrein!

König Heinrich.
Hab Dank, mein guter Landsmann!

Fluellen.
Bei Jessus, ich bin Euer Majestät Landsmann, ich frage nicht darnach, ob es jemand weiß; ich will es der sämtlichen Welt bekennen, ich brauche mich Euer Majestät nicht zu schämen, Gott sei gepriesen, solange Eure Majestät ein ehrlicher Mann sein.

König Heinrich.
Erhalte Gott mich so! – zurückbegleiten
Laßt unsre Herold' ihn, und bringt mir dann
Genaue Nachricht von der Toten Zahl
Auf beiden Seiten! – Ruft den Kerl dort her!

(Er zeigt auf Williams. Montjoye und andre ab.)

Exeter.
Soldat, du mußt zum König kommen.

Williams tritt auf.

König Heinrich.
Soldat, warum trägst du den Handschuh an der Mütze?

Williams.
Mit Euer Majestät Erlaubnis, 's ist das Pfand von einem, mit dem ich mich schlagen sollte, wenn er noch am Leben ist.

König Heinrich.
Ein Engländer?

Williams.
Mit Euer Majestät Erlaubnis, ein Schelm, der mir letzte Nacht was vorschwadronierte, dem ich, wenn er noch lebt und jemals das Herz hat, seinen Handschuh zu fordern, geschworen habe, ich wollte ihm eine Ohrfeige geben; oder wenn ich meinen Handschuh an seiner Mütze zu sehen kriege (und er schwur, so wahr er ein Soldat wäre, er wollte ihn tragen, wenn er am Leben bliebe), so will ich ihn ihm tüchtig herunterschlagen.

König Heinrich.
Was denkt Ihr, Kapitän Fluellen? Schickts sich, daß ein Soldat seinen Schwur hält?

Fluellen.
Nach meinem Gewissen ist er sonst eine Memme und ein Hundsfott, mit Euer Majestät Erlaubnis.

König Heinrich.
Es könnte aber sein, daß sein Feind ein vornehmer Edelmann wäre, ganz darüber hinaus, sich mit einem seines Standes einzulassen.

Fluellen.
Wenn er auch ein so guter Edelmann wie der Teifel ist, wie Luzifer und Beelzebub selbst, so ist es doch notwendig, schauen Euer Gnaden, daß er seinen Schwur und seinen Eid hält. Wenn er wortbrüchig ist, seht nur an, so ist seine Reputation ein so ausgemachter Hundsfott und Hanswurst, als jemand mit seinen schwarzen Schuhen auf Gottes Grund und Boden getreten hat: nach meinem Gewissen, seht Ihr.

König Heinrich.
So halte deinen Schwur, Bursche, wenn du den Kerl antriffst.

Williams.
Das will ich, gnädigster Herr, wo ich das Leben behalte.

König Heinrich.
Unter wem dienst du?

Williams.
Unter Kapitän Gower, gnädigster Herr.

Fluellen.
Gower sein ein guter Kapitän und von guter Wissenschaft und Literatur in dem Kriegswesen.

König Heinrich.
Ruf ihn her zu mir, Soldat.

Williams.
Das will ich, gnädigster Herr. (Ab.)

König Heinrich.
Hier, Fluellen, trage du dies Ehrenzeichen von mir und steck es an deine Mütze. Als Alençon und ich zusammen am Boden lagen, riß ich diesen Handschuh von seinem Helm; wenn irgend jemand ihn zurückfordert, so ist er ein Freund Alençons und ein Feind unserer Person; wenn du so einem begegnest, so greife ihn, wo du mich liebst.

Fluellen.
Eure Gnaden tun mir so große Ehre an, als in dem Herzen seiner Untertanen begehrt werden kann. Ich möchte gern den Menschen sehn, der nur zwei Beine hat, der sich durch diesen Handschuh beleidigt finden wird, das ist alles; aber ich möchte es gern einmal sehen, und es gefalle Gott in seiner Gnade, daß ich es doch sehen möchte.

König Heinrich.
Kennst du Gower?

Fluellen.
Zu Eurem Befehl, er ist mein werter Freund.

König Heinrich.
Ich bitte dich, geh ihn suchen und bring ihn zu meinem Zelte.

Fluellen.
Ich will ihn holen. (Ab.)

König Heinrich.
Mylord von Warwick und mein Bruder Gloster,
Folgt dem Fluellen auf den Fersen nach;
Der Handschuh, den ich ihm als Ehrenzeichen
Gegeben, trägt vielleicht ihm eine Maulschell ein;
Er ist von dem Soldaten. Nach dem Handel
Sollt ich ihn selber tragen. Folgt ihm, Vetter;
Wenn der Soldat ihn schlägt – und, wie ich schließe
Nach seinem derben Wesen, hält er Wort –
So könnt ein plötzlich Unheil draus entstehn;
Denn den Fluellen kenn ich als beherzt,
Wenn man die Gall ihm reizt, wie Pulver hitzig,
Und schnell, Beleidigungen zu erwidern.
Folgt ihm und seht, daß sie kein Leid sich tun! –
Ihr geht mit mir, mein Oheim Exeter. (Alle ab.)


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