William Shakespeare
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William Shakespeare

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Vierter Aufzug

Erste Szene

Der Wald: Rosalinde, Celia und Jacques

Jac. Ich bitte dich, artiger junger Mensch, lass uns besser miteinander bekannt werden.

Ros. Sie sagen, ihr wärt ein melancholischer Gesell.

Jac. Das bin ich: ich mag es lieber sein als lachen.

Ros. Die eins von beiden aufs äusserste treiben sind abscheuliche Bursche und geben sich jedem Tadel preis, ärger als Trunkenbolde.

Jac. Ei, es ist doch hübsch traurig zu sein und nichts zu sagen.

Ros. Ei, so ist es auch hübsch ein Türpfosten zu sein.

Jac. Ich habe weder des Gelehrten Melancholie, die Nacheiferung ist, noch des Musikers, die phantastisch ist, noch des Hofmanns, die hoffärtig ist, noch des Soldaten, die ehrgeizig ist, noch des Juristen, die politisch ist, noch der Frauen, die heikel ist, noch des Liebhabers, die das alles zusammen ist: sondern es ist eine Melancholie nach meiner Weise, aus mancherlei Ingredienzen bereitet, von mancherlei Gegenständen abgezogen, und eigentlich die gesamte Betrachtung meiner Reisen, deren öftere Überlegung mich in eine höchst launische Betrübnis einhüllt.

Ros. Ein Reisender! Meiner Treu, ihr habt grosse Ursache betrübt zu sein! Ich fürchte, ihr habt eure eignen Länder verkauft, um andrer Leute ihre zu sehn. Viel gesehn haben und nichts besitzen, das kommt auf reiche Augen und arme Hände hinaus.

Jac. Nun, ich habe Erfahrung gewonnen.

Orlando tritt auf

Ros. Und eure Erfahrung macht euch traurig. Ich möchte lieber einen Narren halten der mich lustig machte als Erfahrung die mich traurig machte. Und noch obendrein darum zu reisen!

Orl. Habt Gruss und Heil, geliebte Rosalinde.

Jac. Nein, dann Gott befohlen, wenn ihr gar in Versen sprecht. Ab.

Ros. Fahrt wohl, mein Herr Reisender! Seht zu dass ihr lispelt und fremde Kleidung tragt, macht alles Erspriessliche in eurem eignen Lande herunter, entzweit euch mit euren Sternen und scheltet schier den lieben Gott dass er euch kein andres Gesicht gab: sonst glaub ichs euch kaum dass ihr je in einer Gondel gefahren seid . . . Nun, Orlando, wo seid ihr die ganze Zeit her gewesen? Ihr ein Liebhaber? Spielt ihr mir noch einmal so einen Streich, so kommt mir nicht wieder vors Gesicht.

Orl. Meine schöne Rosalinde, es ist noch keine Stunde später als ich versprach.

Ros. Ein Versprechen in der Liebe um eine Stunde brechen? Wer tausend Teile aus einer Minute macht und nur ein Teilchen von dem tausendsten Teil einer Minute in Liebessachen versäumt von dem mag man wohl sagen, Kupido hat ihn auf die Schulter geklopft . . . aber ich stehe dafür, sein Herz ist unversehrt.

Orl. Verzeiht mir, liebe Rosalinde.

Ros. Nein, wenn ihr so saumselig seid, so kommt mir nicht mehr vors Gesicht: ich hätte es ebenso gern dass eine Schnecke um mich freite.

Orl. Eine Schnecke?

Ros. Ja, eine Schnecke! Denn kommt solch ein Liebhaber gleich langsam, so trägt er doch sein Haus auf dem Kopfe: ein besseres Leibgedinge, denk ich, als ihr einer Frau geben könnt. Ausserdem bringt er sein Schicksal mit sich.

Orl. Was ist das?

Ros. Ei, Hörner! wofür solche wie ihr gern ihren Weibern verpflichtet sind. Aber er kommt mit seinem Lose ausgerüstet und verhütet den üblen Ruf seiner Frau.

Orl. Tugend dreht keine Hörner, und meine Rosalinde ist tugendhaft.

Ros. Und ich bin eure Rosalinde.

Cel. Es beliebt ihm euch so zu nennen: aber er hat eine Rosalinde von zarterer Farbe als ihr.

Ros. Kommt, freit um mich, freit um mich, denn ich bin jetzt in einer Festtagslaune und könnte wohl einwilligen. Was würdet ihr zu mir sagen, wenn ich eure rechte, rechte Rosalinde wäre?

Orl. Ich würde küssen, ehe ich spräche.

Ros. Nein, ihr tätet besser erst zu sprechen, und wenn ihr dann stocktet, weil ihr nichts mehr wüsstet, nähmt ihr Gelegenheit zu küssen. Gute Redner räuspern sich, wenn sie aus dem Text kommen, und wenn Liebhabern (was Gott verhüte!) der Stoff ausgeht, so ist der schicklichste Behelf zu küssen.

Orl. Wenn nun der Kuss verweigert wird?

Ros. So nötigt sie euch zum Bitten, und das gibt neuen Stoff.

Orl. Wer könnte wohl stocken, wenn er vor seiner Liebsten steht?

Ros. Wahrlich, das solltet ihr, wenn ich eure Liebste wäre, sonst müsste ich meine Tugend für stärker halten als meinen Witz. Bin ich nicht eure Rosalinde?

Orl. Es macht mir Freude euch so zu nennen, weil ich gern von ihr sprechen mag.

Ros. Gut, und in ihrer Person sage ich: ich will euch nicht.

Orl. So sterbe ich in meiner eignen Person.

Ros. Mitnichten, verrichtet es durch einen Anwalt. Die arme Welt ist fast sechstausend Jahr alt, und die ganze Zeit über ist noch kein Mensch in eigner Person gestorben, nämlich in Liebessachen. Dem Troilus wurde das Gehirn mit einer griechischen Keule zerschmettert. Doch tat er was er konnte, um vorher noch zu sterben, und er ist eins von den Mustern der Liebe. Leander, der hätte noch manches schöne Jahr gelebt, war Hero gleich Nonne geworden, wenn eine heisse Sommernacht es nicht getan hätte: denn der arme Junge, er ging nur hin, um sich im Hellespont zu baden, bekam den Krampf und ertrank, und die albernen Chronikenschreiber seiner Zeit befanden, es sei Hero von Sestos. Doch das sind lauter Lügen: die Menschen sind von Zeit zu Zeit gestorben, und die Würmer haben sie verzehrt, aber nicht aus Liebe.

Orl. Ich möchte meine rechte Rosalinde nicht so gesinnt wissen, denn ich beteure, ihr Stirnrunzeln könnte mich töten.

Ros. Bei dieser Hand! es tötet keine Fliege. Aber kommt, nun will ich eure Rosalinde in einer gutwilligeren Stimmung sein, und bittet von mir was ihr wollt, ich will es zugestehn.

Orl. So liebe mich, Rosalinde.

Ros. Ja, das will ich, Freitags, Sonnabends und so weiter.

Orl. Und willst du mich haben?

Ros. Ja, und zwanzig solcher.

Orl. Was sagst du?

Ros. Seid ihr nicht gut?

Orl. Ich hoff es.

Ros. Nun denn, kann man des Guten zuviel haben? . . . Kommt, Schwester, ihr sollt der Priester sein, um uns zu trauen . . . Gebt mir eure Hand, Orlando . . . Was sagt ihr, Schwester?

Orl. Bitte, trau uns.

Cel. Ich weiss die Worte nicht.

Ros. Ihr müsst anfangen: »Wollt ihr, Orlando«

Cel. Schon gut! Wollt ihr, Orlando, gegenwärtige Rosalinde zum Weibe haben?

Orl. Ja.

Ros. Gut, aber wann?

Orl. Nun, gleich, so schnell sie uns trauen kann.

Ros. So müsst ihr sagen: »Ich nehme dich, Rosalinde, zum Weibe.«

Orl. Ich nehme dich, Rosalinde, zum Weibe.

Ros. Ich könnte nach eurem Erlaubnisschein fragen, doch . . . Ich nehme dich, Orlando, zu meinem Manne. Ein braves Mädchen kommt dem Priester zuvor, und, wirklich, Weibergedanken eilen immer ihren Handlungen voraus.

Orl. Das tun alle Gedanken, sie sind beflügelt.

Ros. Nun sagt mir, wie lange wollt ihr sie haben, nachdem ihr ihren Besitz erlangt?

Orl. Immerdar und einen Tag.

Ros. Sagt, einen Tag, und lasst immerdar weg. Nein, nein, Orlando! Männer sind Mai, wenn sie freien, und Dezember in der Ehe. Mädchen sind Frühling, solange sie Mädchen sind, aber der Himmel verändert sich, wenn sie Frauen werden. Ich will eifersüchtiger auf dich sein als ein Turteltauber auf sein Weibchen, schreiigter als ein Papagei wenn es regnen will, grillenhafter als ein Affe und ausgelassener in Gelüsten als eine Meerkatze. Ich will um nichts weinen, wie Diana am Springbrunnen, und das will ich tun, wenn du zur Lustigkeit gestimmt bist. Ich will lachen wie eine Hyäne, und zwar wenn du zu schlafen wünschest.

Orl. Aber wird meine Rosalinde das tun?

Ros. Bei meinem Leben, sie wird es machen wie ich.

Orl. O, sie ist aber klug.

Ros. Sonst hätte sie nicht den Witz dazu. Je klüger desto verkehrter. Versperrt dem Witz eines Weibes die Türen, so muss er zum Fenster hinaus. Macht das zu, so fährt er aus dem Schlüsselloch. Verstopft das, so fliegt er mit dem Rauch aus dem Schornstein.

Orl. Ein Mann der eine Frau mit soviel Witz hätte könnte fragen: »Witz, wo willst du mit der Frau hin?«

Ros. Nein, das könntet ihr versparen, bis ihr den Witz eurer Frau auf dem Wege zu eures Nachbars Bett anträft.

Orl. Welcher Witz hätte Witz genug das zu entschuldigen?

Ros. Nun, etwa: sie ginge hin, euch dort zu suchen. Ihr werdet sie nie ohne Antwort ertappen, ihr müsstet sie denn ohne Zunge ertappen. O, die Frau die ihre Fehler nicht ihrem Manne Schuld geben kann die lasst nie ihr Kind säugen: sie würde es albern grossziehn.

Orl. Auf die nächsten zwei Stunden, Rosalinde, verlasse ich dich.

Ros. Ach, geliebter Freund, ich kann dich nicht zwei Stunden entbehren.

Orl. Ich muss dem Herzoge beim Mittagessen aufwarten. Um zwei Uhr bin ich wieder bei dir.

Ros. Ja, geht nur, geht nur! Das sah ich wohl von euch voraus, meine Freunde sagten mirs, und ich dacht es ebenfalls . . . eure Schmeichelzunge gewann mich . . . was liegt an einer Verlassnen . . . und so komm, Tod! . . . Zwei Uhr ist eure Stunde?

Orl. Ja, süsse Rosalinde.

Ros. Bei Treu und Glauben, und in vollem Ernst, und so mich der Himmel schirme, und bei allen artigen Schwüren die keine Gefahr haben, brecht ihr ein Pünktchen eures Versprechens oder kommt nur eine Minute nach der Zeit, so will ich euch für den feierlichsten Wortbrecher halten, und für den falschesten Liebhaber, und den allerunwürdigsten deren die ihr Rosalinde nennt welcher nur aus dem grossen Haufen der Ungetreuen ausgesucht werden konnte. Darum hütet euch vor meinem Tadel und haltet euer Versprechen.

Orl. So heilig als wenn du wirklich meine Rosalinde wärst. Leb denn wohl!

Ros. Gut, die Zeit ist der alte Richter der solche Verbrecher ans Licht zieht, und die Zeit muss es ausweisen. Lebt wohl!

Orlando ab

Cel. Du hast unserm Geschlecht in deinem Liebesgeschwätz geradezu übel mitgespielt. Wir müssen dir Hosen und Wams über den Kopf ziehn, damit die Welt sieht was der Vogel gegen sein eignes Nest getan hat.

Ros. O Mühmchen! Mühmchen! Mühmchen! mein artiges kleines Mühmchen! wüsstest du wieviel Klafter tief ich in Liebe versenkt bin! Aber es kann nicht ergründet werden: meine Zuneigung ist grundlos wie die Bucht von Portugal.

Cel. Sag lieber, bodenlos: soviel Liebe du hineintust, sie läuft alle wieder heraus.

Ros. Nein, der boshafte Bastard der Venus der vom Gedanken erzeugt, von der Grille empfangen und von der Tollheit geboren wurde, der blinde schelmische Bube der jedermanns Augen betört, weil er selbst keine mehr hat, der mag richten wie tief ich in der Liebe stecke. – Ich sage dir, Aliena, ich kann nicht ohne Orlandos Anblick sein, ich will Schatten suchen und seufzen bis er kommt.

Cel. Und ich will schlafen. Ab.

 

Zweite Szene

Ein anderer Teil des Waldes: Jacques, und Edelleute des Herzogs in Jägerkleidung

Jac. Wer ists der den Hirsch erlegt?

1. Edelm. Ich tat es, Herr.

Jac. Lasst uns ihn dem Herzog vorstellen, wie einen römischen Eroberer, und es schickte sich wohl ihm das Hirschgeweih wie einen Siegeskranz aufzusetzen. Habt ihr kein Lied, Jäger, auf diese Gelegenheit?

2. Edelm. O ja, Herr.

Jac. Singt es. Es ist gleichviel ob ihr Ton haltet, wenn es nur Lärm genug macht.

Lied:

1. Stimme. Was kriegt er, der den Hirsch erlegt?

2. Stimme. Sein ledern Kleid und Horn er trägt.

1. Stimme. Drum singt ihn heim:
Ohn allen Zorn trag du das Horn,
Ein Helmschmuck wars, eh du geborn.

Dieser Zuruf wird im Chor von den Übrigen wiederholt

1. Stimme. Deines Vaters Vater führt' es.

2. Stimme. Und deinen Vater ziert' es.

Alle. Das Horn, das Horn, das wackre Horn
Ist nicht ein Ding zu Spott und Zorn. Ab.

 

Dritte Szene

Rosalinde und Celia

Ros. Was sagt ihr nun? Ist nicht zwei Uhr vorbei? Und kein Orlando zu sehen!

Cel. Ich stehe dir dafür, mit reiner Liebe und verwirrtem Gehirn hat er seinen Bogen und Pfeile genommen und ist ausgegangen – zu schlafen. Seht, wer kommt da?

Silvius tritt auf

Silv. An euch geht meine Botschaft, schöner Jüngling.
Dies hiess mich meine Phöbe übergeben.
Ich weiss den Inhalt nicht: doch wie ich riet
Aus finstrer Stirn und zorniger Gebärde,
Die sie gemacht hat, während sie es schrieb,
So muss es zornig lauten. Mir verzeiht,
Denn ich bin schuldlos Bote nur dabei.

Ros. Selbst die Geduld führ auf bei diesem Brief
Und schlüge Lärm. Wer dies trägt der trägt alles.
Sie sagt, ich sei nicht schön, sei ungezogen,
Sie nennt mich stolz und könne mich nicht lieben,
Wenn Männer selten wie der Phönix wären.
Ihr Herz ist nicht der Hase den ich jage.
Potz alle Welt! was schreibt sie so an mich?
Hört, Schäfer, diesen Brief habt ihr erdacht.

Silv. Nein, ich beteur, ich weiss vom Inhalt nicht.
Sie schrieb ihn selbst.

Ros.                                   Geht, geht! ihr seid ein Narr
Den Liebe bis aufs Äusserste gebracht.
Ich sah wohl ihre Hand: sie ist wie Leder,
'ne sandsteinfarbne Hand. Ich glaubte in der Tat,
Sie hätte ihre alten Handschuh an,
Doch warens ihre Hände – sie hat Hände
Wie eine Bäurin . . . doch das macht nichts aus.
Ich sage, nie erfand sie diesen Brief:
Hand und Erfindung ist von einem Mann.

Silv. Gewiss, er ist von ihr.

Ros. Es ist ein tobender und wilder Stil,
Ein Stil für Raufer. Wie ein Türk dem Christen,
So trotzt sie mir. Ein weibliches Gehirn
Kann nicht so riesenhafte Dinge zeugen,
So äthiopische Worte, schwärzern Sinns
Als wie sie aussehn . . . Wollt ihr selber hören?

Silv. Wenns euch beliebt. Noch hört ich nicht den Brief,
Doch schon zuviel von Phöbes Grausamkeit.

Ros. Sie phöbt mich: hör wie die Tyrannin schreibt. liest:
        »Bist du Gott im Hirtenstand
        Der ein Mädchenherz entbrannt?«
Kann ein Weib so höhnen?

Silv. Nennt ihr das höhnen?

Ros.       »Dess verborgne Götterschaft
        Qual in Weiberherzen schafft?«
Hörtet ihr je solches Höhnen?
        »Menschen mochten um mich werben,
        Nimmer bracht es mir Verderben.«
        Als wenn ich ein Tier wäre!
        »Wenn deiner lichten Augen Hohn
        Erregte solche Liebe schon:
        Ach, wie müsst ihr milder Schein
        Wunderwirkend in mir sein!
        Da du schaltest, liebt ich dich:
        Bätest du, was täte ich?
        Der mein Lieben bringt zu dir
        Kennt dies Lieben nicht in mir.
        Gib ihm denn versiegelt hin,
        Ob dein jugendlicher Sinn
        Nimmt das treue Opfer an
        Von mir und allem was ich kann.
        Sonst schlag durch ihn mein Bitten ab,
        Und dann begehr ich nur ein Grab.«

Silv. Nennt ihr das schelten?

Cel. Ach, armer Schäfer!

Ros. Habt ihr Mitleid mit ihm? Nein, er verdient kein Mitleid . . . Willst du solch ein Weib lieben? Was? dich zum Instrument zu machen worauf man falsche Töne spielt? Nicht auszustehn! – Gut, geht eures Weges zu ihr (denn ich sehe, die Liebe hat einen zahmen Wurm aus dir gemacht) und sagt ihr dies: wenn sie mich liebt, befehle ich ihr an dich zu lieben. Wenn sie nicht will, so habe ich nichts mit ihr zu tun, es sei denn dass du für sie bittest. Wenn ihr wahrhaft liebt, fort und keine Silbe mehr, denn hier kommt jemand. Silvius ab

Oliver tritt auf

Oliv. Guten Morgen, schöne Kinder! Wisst ihr nicht
Wo hier im Wald herum 'ne Schäferei
Beschattet von Olivenbäumen steht?

Cel. Westwärts von hier, den nahen Grund hinunter,
Bringt euch die Reih von Weiden längs dem Bach,
Lasst ihr sie rechter Hand, zum Orte hin.
Allein um diese Stunde hütet sich
Die Wohnung selber, es ist niemand drin.

Oliv. Wenn eine Zung ein Auge kann belehren,
Müsst ich euch kennen, der Beschreibung nach:
Die Tracht, die Jahre so. »Der Knab ist blond,
Von Ansehn weiblich, und er nimmt sich aus
Wie eine reife Schwester, doch das Mädchen
Ist klein und brauner als ihr Bruder.« Seid ihr
Des Hauses Eigner nicht das ich erfragt?

Cel. Weil ihr uns fragt: ja, ohne Prahlerei.

Oliv. Orlando grüsst euch beide, und er schickt
Dem Jüngling, den er seine Rosalinde
Zu nennen pflegt, dies blutige Tuch. Seid ihrs?

Ros. Ich bins. Was will er uns damit bedeuten?

Oliv. Zu meiner Schand etwas, erfahrt ihr erst
Was für ein Mensch ich bin, und wo und wie
Dies Tuch befleckt ward.

Cel.                                         Sagt, ich bitt euch drum.

Oliv. Da jüngst Orlando sich von euch getrennt,
Gab er sein Wort in einer Stunde wieder
Zurück zu sein, und schreitend durch den Wald,
Käut er die Kost der süss und bittern Liebe.
Seht, was geschah! Er warf sein Auge seitwärts,
Und denkt was für ein Gegenstand sich zeigt!
Am grauen Eichbaum mit bemoosten Zweigen,
Den hohen Gipfel kahl von dürrem Alter,
Lag ein zerlumpter Mann, ganz überhaart,
Auf seinem Rücken schlafend: um den Hals
Wand eine grün und goldne Schlange sich,
Die mit dem Kopf, zu Drohungen behend,
Dem offnen Munde nahte, aber schnell,
Orlando sehend, wickelt sie sich los
Und schlüpft im Zickzack gleitend in den Busch.
In dessen Schatten hatte eine Löwin,
Die Euter ausgesogen, sich gelagert,
Den Kopf am Boden, katzenartig lauernd,
Bis sich der Schläfer rührte . . . denn es ist
Die königliche Weise dieses Tiers
Auf nichts zu fallen was als tot erscheint.
Dies sehend, naht' Orlando sich dem Mann
Und fand, sein Bruder wars, sein ältster Bruder.

Cel. O, von dem Bruder hört ich wohl ihn sprechen,
Und als den unnatürlichsten der lebte
Stellt' er ihn vor.

Oliv.                           Und könnt es auch mit Recht,
Denn gar wohl weiss ich, er war unnatürlich.

Ros. Orlando aber? Liess er ihn zum Raub
Der hungrigen und ausgesognen Löwin?

Oliv. Zweimal wandt er den Rücken und gedacht es.
Doch Milde, edler als die Rache stets,
Und die Natur, der Lockung überlegen,
Vermochten ihn die Löwin zu bekämpfen,
Die baldigst vor ihm fiel. Bei diesem Strauss
Erwacht ich von dem unglückseligen Schlummer.

Cel. Seid ihr sein Bruder?

Ros.                                   Hat er euch gerettet?

Cel. Ihr wart es, der so oft ihn töten wollte?

Oliv. Ich wars, doch bin ichs nicht: ich scheue nicht
Zu sagen wer ich war, da die Bekehrung
So süss mich dünkt, seit ich ein andrer bin.

Ros. Allein das blutige Tuch?

Oliv.                                         Im Augenblick.
Da zwischen uns, vom ersten bis zum letzten,
Nun Tränen die Berichte mild gebadet,
Wie ich gelangt an jenen wüsten Platz,
Kurz, führte er mich zu dem edlen Herzog,
Der frische Kleidung mir und Speise gab,
Der Liebe meines Bruders mich empfehlend,
Der mich sogleich in seine Höhle führte.
Er zog sich aus, da hatt ihm hier am Arm
Die Löwin etwas Fleisch hinweggerissen,
Das unterdes geblutet. Er fiel in Ohnmacht
Und rief nach Rosalinden, wie er fiel.
Ich bracht ihn zu sich selbst, verband die Wunde.
Und da er bald darauf sich stärker fühlte,
Hat er mich hergesandt, fremd wie ich bin,
Dies zu berichten, dass ihr ihm den Wortbruch
Verzeiht . . . dies Tuch, mit seinem Blut gefärbt,
Soll ich dem jungen Schäfer bringen den
Er scherzhaft seine Rosalinde nennt.

Cel. Was gibt es, Ganymed? mein Ganymed?

Rosalinde fällt in Ohnmacht

Oliv. Wenn manche Blut sehn, fallen sie in Ohnmacht.

Cel. Ach, dies bedeutet mehr! – Mein Ganymed!

Oliv. Seht, er kommt wieder zu sich.

Ros. Ich wollt, ich wär zu Haus.

Cel.                                             Wir führen dich dahin . . .
Ich bitt euch, wollt ihr unterm Arm ihn fassen?

Oliv. Fasst nur Mut, junger Mensch! Ihr ein Mann? Euch fehlt ein männlich Herz.

Ros. Das tut es, ich gestehs. Ach, Herr, jemand könnte denken, das hiesse sich recht verstellen. Ich bitte euch, sagt eurem Bruder wie gut ich mich verstellt habe. Ah! ha!

Oliv. Das war keine Verstellung: eure Farbe legt ein zu starkes Zeugnis ab dass es eine ernstliche Gemütsbewegung war.

Ros. Verstellung, ich versichre euch.

Oliv. Gut also, fasst ein Herz und stellt euch wie ein Mann.

Ros. Das tu ich, aber von Rechts wegen hätte ich ein Weib werden sollen.

Cel. Kommt, ihr seht immer blässer und blässer. Ich bitte euch, nach Hause . . . Lieber Herr, geht mit uns.

Oliv. Gern, denn ich muss ja meinem Bruder melden
Wie weit ihr ihn entschuldigt, Rosalinde.

Ros. Ich will etwas ausdenken. Aber ich bitte euch, rühmt ihm meine Verstellung . . . Wollt ihr gehn? Ab.

 


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