William Shakespeare
Ende gut - Alles gut
William Shakespeare

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Vierter Aufzug

Erste Szene

Im florentinischen Lager: der erste französische Edelmann, fünf oder sechs Soldaten im Hinterhalt

Edelm. Er kann nirgend anders herkommen als an dieser Zaunecke. Wenn ihr auf ihn losstürzt, redet irgendeine fürchterliche Sprache, welche ihr wollt: wenn ihr sie auch selbst nicht versteht, gleichviel: denn wir müssen nicht tun als verständen wir ihn, ausser einem von uns den wir für unsern Dolmetscher ausgeben müssen.

1. Sol. Lieber Hauptmann, lasst mich der Dolmetscher sein.

Edelm. Bist du nicht mit ihm bekannt? Kennt er diese Stimme nicht?

1. Sol. Nein, Herr, gewiss nicht.

Edelm. Aber was für Kauderwelsch willst du uns erwidern?

1. Sol. Ebensolches als ihr mir sagen werdet.

Edelm. Er muss uns für einen Haufen Fremder halten die in feindlichem Solde stehn. Nun hat er von allen benachbarten Sprachen etwas aufgeschnappt, darum muss jeder so sprechen wie es ihm in den Mund kommt und nicht drauf achten was einer dem andern sagt, wenn wir nur das im Auge behalten was zu unsrer Absicht dient: töricht Gewäsch und Rotwelsch, alles ist gut genug. Ihr, Dolmetscher, müsst recht politisch tun. Aber sacht! duckt euch. Hier kommt er, um zwei Stunden zu verschlafen und dann zurückzukommen und auf die Lügen zu schwören die er schmiedet.

Parolles tritt auf

Par. Zehn Uhr! Nach drei Stunden wirds zeitig genug sein, nach Haus zu gehn. Was soll ich sagen dass ich getan habe? Ich muss schon etwas recht Glaubliches erfinden, wenn mirs durchhelfen soll. Sie fangen an mir in die Karten zu sehn, und das Unglück klopft seit kurzem zu oft an meine Tür. Ich finde, meine Zunge wird zu tolldreist, aber mein Herz hat die Furcht des Mars und seiner Kreaturen vor Augen und wagt nicht was meine Zunge prahlt.

Edelm. beiseit: Das ist die erste Wahrheit deren sich deine Zunge je schuldig gemacht.

Par. Was ins Teufels Namen hat mich nur dazu gebracht das Wiederschaffen dieser Trommel zu unternehmen? da ich doch klar einsehe wie unmöglich es ist und weiss dass ich niemals solche Absicht hatte! . . . Ich muss mir einige Wunden beibringen und sagen, ich erhielt sie in der Aktion. Aber leichte Wunden werdens nicht tun. Sie werden sagen: kamst du mit so wenigem davon? Und grosse mag ich mir nicht geben. Weshalb? Was war für ein Anlass? Zunge, ich muss dich in eines Butterweibs Mund stecken und eine andre von Bajazets Maultieren kaufen, wenn du mich in solche Gefahren plauderst!

Edelm. beiseit: Ists möglich dass er weiss was er ist und dennoch der ist der er ist?

Par. Ich wollte, ich käme damit ab, meine Montur zu zerschneiden oder meine spanische Klinge zu zerbrechen!

Edelm. beiseit: Damit können wir dich nicht absolvieren.

Par. Oder mir den Bart zu scheren und zu sagen, es sei eine Kriegslist gewesen!

Edelm. beiseit: Das würde dir nichts helfen!

Par. Oder meine Kleider ins Wasser zu werfen und zu sagen, man habe mich ausgezogen!

Edelm. beiseit: Hilft schwerlich.

Par. Wollt ich etwa schwören, ich wäre aus dem Fenster der Zitadelle gesprungen

Edelm. beiseit: Wie tief?

Par. Dreissig Klafter tief

Edelm. beiseit: Das würden dir drei grosse Schwüre nicht glauben machen.

Par. Hätte ich nur eine feindliche Trommel, ich wollte schwören, ich habe sie erobert.

Edelm. beiseit: Gleich sollst du eine hören.

Trommeln und Geschrei hinter der Szene

Par. Eine feindliche Trommel!

Edelm. Throcamovousus, cargo! cargo! cargo!

Alle. Cargo, cargo, vilianda par corbo!

Sie greifen ihn und verbinden ihm die Augen

Par. O, Pardon! Pardon! bindet mir nicht die Augen zu!

1. Sol. Barcos thromuldo boscos.

Par. Ich weiss, ihr seid von Muscos Regiment,
Und 's ist mein Tod dass mir die Sprache fremd.
Ist hier kein Deutscher, Niederländer, Däne,
Franzose, Italiener? Lasst ihn sprechen,
So sag ich alles was dem Florentiner
Verderben bringen kann.

1. Sol.                                     Boscos vouvado:
Ich rede deine Sprache und versteh dich.
Kerelybonto: Freund,
Schliess deine Rechnung ab, denn siebzehn Dolche
Stehn auf der Brust dir.

Par.                                       O!

1. Sol.                                         O, bete, bete.
Mancha revania dulche.

Edelm. Oscoribi dulchos volivorco.

1. Sol. Der Feldherr will dass man dich noch verschone,
Und du verkappt, so wie du bist, ihm folgst
Und Rede stehst: vielleicht berichtst du dann
Was dir das Leben rettet.

Par.                                         Lasst mich leben,
So sag ich was ich nur vom Heere weiss:
Der Truppen Zahl, den Kriegsplan – ja, ich meld euch
Was euch verwundern soll.

1. Sol.                                         Und ohne Falsch?

Par. Ja, sonst will ich verdammt sein.

1. Sol.                                                   Acorda linta.
Komm denn, man gönnt dir Aufschub.

Ab mit Parolles – Trommeln hinter der Szene

Edelm. zum 2. Sol.: Geh, sag Graf Roussillon und meinem Bruder,
Der Gimpel sei im Garn, und fest vermummt,
Bis sie Bescheid gesendet.

2.Sol.                                         Gleich, Herr Hauptmann.

Edelm. Und sag dem Herrn, er woll uns allzumal
Uns selbst verraten.

2. Sol.                             Wohl!

Edelm.                                       Doch bis dahin
Soll er im Finstern sitzen, wohl verwahrt. Ab.

 

Zweite Szene

Florenz – Im Hause der Witwe: Bertram und Diana

Ber. Man sagte mir, ihr heisset Fontibella.

Dia. Nein, Diana, gnädiger Herr.

Ber.                                             Erhabne Göttin,
Und wert noch mehr als dies! Doch, schönstes Wesen,
Hat deine Wunderform kein Teilchen Liebe?
Belebt nicht Jugendfeuer dein Gemüt,
Bist du kein Mädchen, nein, ein Marmorbild.
Nach deinem Tod erst solltest du das sein
Was du jetzt bist, so kalt und streng: doch jetzt
Solltest du sein wie deine Mutter war,
Als sie dein süsses Bild erschuf.

Dia. Da war sie tugendhaft.

Ber.                                     Das bist du!

Dia.                                                         Nein,
Sie tat nach ihrer Pflicht, wie euer Weib
Von euch sie fordert, Graf.

Ber.                                           Still, davon nichts!
Ich bitte, widerstreb nicht meinen Schwüren.
Sie ward mir aufgedrungen, doch dich lieb ich
Durch süssen Liebeszwang und weih auf ewig
Dir meinen treuen Dienst.

Dia.                                           So dient ihr uns,
Bis wir euch dienen. Bracht ihr unsre Rose,
Dann lasst ihr kahl uns unsre Dornen stechen
Und spottet unsrer Kahlheit.

Ber.                                             Wie ich schwor!

Dia. Nicht viele Eide sind Beweis von Treue,
Nein, nur ein einziger Schwur, wahrhaft gelobt.
Was ist wohl Heiliges, bei dem wir schwören,
Das uns der Höchste nicht bezeugen soll?
Doch nun sagt selbst, ich bitt euch:
Gelobt ich euch bei Jovis ewigen Kräften,
Ich lieb euch herzlich: glaubtet ihr dem Schwur,
Liebt ich, um euch zu schaden? Wärs nicht sinnlos,
Ihm, dem ich Liebe hoch beteure, schwören,
Ich sänn auf sein Verderben? Euer Eid
Ist drum nur Wort und Schein, schwach, ohne Siegel,
Mindstens nach meinem Sinn.

Ber.                                                 O, ändr ihn, ändr ihn!
Sei nicht so heilig grausam! Lieb ist heilig,
Und meine Lauterkeit kennt nicht die List
Der du die Männer zeihst. Nicht Ausflucht mehr!
Nein, gib dich meiner kranken Sehnsucht hin,
Die dann gesundet. Sage, du seist mein,
Und so wie heut soll stets mein Lieben sein.

Dia. Ich seh, ihr schlingt ein Seil zur steilsten Klippe,
Uns zu gefährden. Gebt mir diesen Ring.

Ber. Ich leih ihn dir, Geliebte: ihn verschenken
Steht nicht bei mir.

Dia.                               Ihr wollt nicht, gnädiger Herr?

Ber. Es ist ein Ehrenkleinod unsres Hauses,
Von vielen alten Ahnen mir vererbt,
Und mir der grösste Makel auf der Welt,
Verlör ichs.

Dia.                   Meine Ehr ist solch ein Ring:
Die Keuschheit ist das Kleinod unsres Hauses,
Von langer Ahnenreihe mir vererbt:
Und mir der grösste Makel auf der Welt,
Verlör ich sie. So führt mir eure Weisheit
Den Kämpfer Ehre her zu meinem Schirm
Vor eurem nichtigen Angriff.

Ber.                                             Nimm den Ring!
Stamm, Ehre, ja mein Leben selbst sei dein,
Und ich dein eigner Knecht.

Dia. Um Mitternacht klopft an mein Kammerfenster,
Ich sorge dass die Mutter euch nicht hört.
Jedoch versprecht mir, wie ihr wahrhaft seid:
Wenn ihr mein noch jungfräulich Bett erobert,
Bleibt eine Stunde nur und sprecht kein Wort.
Ich habe triftigen Grund und sag ihn euch,
Wenn ihr den Ring dereinst zurück erhaltet.
Und einen andern Ring steck ich heut nacht
An euren Finger, der zukünftigen Tagen
Ein Pfand sei was mit uns sich zugetragen.
Lebt wohl, bis dahin! Fehlt nicht . . . ich erwarb
Ein Weib euch, wenn auch so mein Hoffen starb.

Ber. Des Himmels Glück auf Erden dank ich dir! Ab.

Dia. Lebt lang! und dankts dem Himmel einst und mir!
Vielleicht geschiehts dereinst.
Ganz schilderte sein Werben mir die Mutter,
Als säss sie ihm im Herzen. Gleiche Eide
Hat, sprach sie, jeder Mann. Ist tot sein Weib,
So schwört er mich zu frein. Drum, bin ich tot,
Sei er mein Mann. Wenn so Franzosen werben,
Mag frein wer will, ich werd als Mädchen sterben:
Doch dünkt mich keine Sünde den betrügen
Der als ein falscher Spieler hofft zu siegen. Ab.

 

Dritte Szene

Im florentinischen Lager: die beiden französischen Edelleute und einige Soldaten

1. Edelm. Ihr habt ihm den Brief seiner Mutter noch nicht gegeben?

2. Edelm. Ich gab ihn ihm vor einer Stunde: es muss etwas darin stehn das ihn schmerzlich trifft, denn als er ihn las, ward er fast in ein andres Wesen verwandelt.

1. Edelm. Er verdient den schärfsten Tadel dass er eine so würdige Gemahlin und holde Dame verstossen hat.

2. Edelm. Besonders hat er sich des Königs Ungnade für ewige Zeiten zugezogen, der eben seine Huld dazu gestimmt hatte, ihm Glück zu singen . . . Ich will euch etwas sagen, aber es muss in tiefem Dunkel bei euch verborgen bleiben.

1. Edelm. Wenn ihrs ausgesprochen habt, ist es tot, und es liegt in mir begraben.

2. Edelm. Er hat hier in Florenz ein junges Fräulein vom sittsamsten Ruf verführt, und diese Nacht sättigt er seine Lust mit dem Raube ihrer Ehre. Er hat ihr seinen Familienring geschenkt und hält sich für überglücklich in dieser unkeuschen Verbindung.

1. Edelm. Nun, Gott erbarme sich unsres Abfalls! Was sind wir für Geschöpfe, wenn wir unsern eignen Weg gehn!

2. Edelm. Nur unsre eignen Verräter. Und wie, nach dem gewöhnlichen Lauf aller Verrätereien, sie sich immer selbst aufdecken, ehe sie ihr ruchloses Ziel erreicht haben, so tritt auch er, der in dieser Tat sich selbst gegen seinen Adel vergeht, mit seinem eignen Strom über seine Ufer.

1. Edelm. Ist es denn nicht eine höchst strafwürdige Gesinnung, selbst die Verkünder unsrer verbotnen Absichten zu sein? . . . Wir werden ihn also nicht heut abend in unsrer Gesellschaft sehn?

2. Edelm. Nicht bis nach Mitternacht, denn das ist die ihm bestimmte Stunde.

1. Edelm. Die ist nicht mehr fern. Ich möchte gern dass er seinen Freund anatomiert sähe, damit er sein eignes Urteil würdigen lerne, in welches er diesen falschen Demant so künstlich eingefasst hatte.

2. Edelm. Wir wollen uns mit jenem nicht abgeben, bis der Graf kommt: denn seine Gegenwart muss die Geissel des Gesellen werden.

1. Edelm. Sagt mir derweil, was hört ihr von diesem Krieg?

2. Edelm. Ich höre, man spricht von Friedensunterhandlungen.

1. Edelm. Nein, ich versichre euch, der Friede ist schon geschlossen.

2. Edelm. Was wird Graf Roussillon dann beginnen? Wird er weiterreisen oder nach Frankreich zurückkehren?

1. Edelm. Ich schliesse aus dieser Frage dass ihr nicht ganz in sein Geheimnis eingeweiht seid.

2. Edelm. Dafür behüte mich Gott, Herr! Dann hätte ich auch grossen Teil an seinem Tun.

1. Edelm. Seine Gemahlin, Herr, entfloh vor zwei Monaten aus seinem Hause: zum Vorwand nahm sie eine Pilgerfahrt zu Sankt Jakob dem Ältern und vollbrachte dies heilige Unternehmen mit der strengsten Andacht. Während sie dort noch verweilte, ward die Zartheit ihrer Natur ihrem Kummer zur Beute. Endlich seufzte sie ihren letzten Atem aus und betet jetzt im Himmel.

2. Edelm. Wie weiss man das mit Gewissheit?

1. Edelm. Grösstenteils aus ihren eignen Briefen, diese bestätigen ihre Geschichte bis auf den Punkt ihres Todes. Ihr Tod selbst, den sie nicht berichten konnte, ward zuverlässig durch den Pfarrer des Orts beglaubigt.

2. Edelm. Ist das alles dem Grafen zugekommen?

1. Edelm. Ja, und die besonderen Belege, Punkt für Punkt, zur völligen Bekräftigung der Wahrheit.

2. Edelm. Es tut mir herzlich leid dass er darüber froh sein wird.

1. Edelm. Wie wunderbar finden wir oft einen Trost in unserm Verlust!

2. Edelm. Und wie wunderbar benetzen wir oft unsern Gewinn mit Tränen! Die grosse Auszeichnung die seine Tapferkeit ihm hier erworben wird in seinem Vaterlande einer ebenso tiefen Schande begegnen.

1. Edelm. Das Gewebe unsres Lebens besteht aus gemischtem Garn, gut und schlecht durcheinander. Unsre Tugenden würden stolz sein, wenn unsre Fehler sie nicht geisselten, und unsre Laster würden verzweifeln, wenn sie nicht von unsern Tugenden ermuntert würden.
    Ein Diener tritt auf
Nun, wo ist dein Herr?

Dien. Er begegnete dem Herzog auf der Strasse, Herr, und beurlaubte sich feierlich bei ihm. Seine Gnaden wollen morgen nach Frankreich . . . der Herzog hat ihm Empfehlungsschreiben an den König angeboten.

2. Edelm. Die werden ihm dort nicht mehr als nötig sein, sagten sie auch mehr zu seinem Lobe als sie können.

Bertram tritt auf

1. Edelm. Sie können nicht süss genug für des Königs herbe Stimmung sein . . . Da kommt der Graf . . . Nun, gnädiger Herr, ists nicht schon nach Mitternacht?

Ber. Ich habe diesen Abend sechzehn Geschäfte abgetan, jedes allein einen Monat lang: so kurz habe ich mich gefasst. Ich habe vom Herzog Abschied genommen, mich seiner Umgebung empfohlen, ein Weib begraben, Trauer getragen, meiner Mutter geschrieben ich käme zurück, meine Reise eingerichtet, und ausser diesen Hauptobliegenheiten noch allerlei kleine Dinge ausgerichtet. Das letzte war das wichtigste, aber mit dem bin ich noch nicht zu Ende.

2. Edelm. Wenn die Sache einige Schwierigkeit hat, und ihr diesen Morgen abreisen wollt, muss euer Gnaden sich beeilen.

Ber. Ich meine, die Sache ist nicht zu Ende, weil ich fürchte noch in der Folge davon zu hören . . . Aber sollen wir nicht die Szene zwischen dem Narrn und dem Soldaten aufführen? Kommt, bringt uns dies falsche Muster her, er hat mich betrogen wie ein doppelzüngiger Prophet.

2. Edelm. Führt ihn her! Soldaten ab Er hat die ganze Nacht im Stock gesessen, der arme tapfre Wicht.

Ber. Tut nichts. Seine Fersen habens verdient, weil sie sich so lange der Sporen angemasst. Wie ist denn seine Fassung?

2. Edelm. Wie ich euer Gnaden sagte, seine Einfassung ist der Block. Aber um euch zu antworten wie ihr verstanden sein wollt, er weint wie eine Dirne die ihre Milch verschüttet hat. Er hat dem Morgan gebeichtet, den er für einen Mönch hält, von der Zeit seiner frühesten Erinnerung an bis zu diesem gegenwärtigen Unglück seines Stocksitzens. Was meint ihr wohl dass er gebeichtet hat?

Ber. Nichts von mir, hoff ich?

2. Edelm. Seine Beichte ist zu Protokoll gebracht und soll in seiner Gegenwart abgelesen werden. Wenn euer Gnaden darin vorkommen, wie ich fast glaube, so müsst ihr die Geduld haben es anzuhören.

Die Soldaten kommen zurück mit Parolles

Ber. Hol ihn der Henker, den vermummten Kerl! Er kann nichts von mir sagen. Still! Still!

1. Edelm. Da kommt die Blindekuh! Porto Tartarossa.

1. Sol. Er ruft nach der Tortur: wollt ihr nicht ohne das bekennen?

Par. Ich will ohne Zwang sagen was ich weiss. Wenn ihr mich kerbt wie einen Pastetendeckel, ich kann nicht mehr sagen.

1. Sol. Bosco chimurcho.

2. Edelm. Boblibindo chicurmurco.

1. Sol. Ihr seid ein gnädiger General. Unser General befiehlt euch auf die Fragen zu antworten die ich von meinem Zettel vorlesen werde.

Par. Und so wahrhaft als ich zu leben hoffe.

1. Sol. »Zuerst fragt ihn wie stark des Herzogs Reiterei ist.« Was sagt ihr dazu?

Par. Fünf bis sechstausend, aber sehr schwach und schlecht exerziert, die Truppen sind alle verstreut, und die Hauptleute arme Teufel: auf meine Ehre und Reputation, so wahr ich zu leben hoffe!

1. Sol. Soll ich eure Antwort so niederschreiben?

Par. Tut das. Ich will das Sakrament darauf nehmen, wie und wo ihr wollt.

Ber. Dem ist alles eins. Der Schurke ist ohne Gnade verloren!

1. Edelm. Ihr irrt euch, gnädiger Herr: es ist Monsieur Parolles, der ausbündige Günstling des Mars (das war seine eigne Phrase) der die ganze Theorie der Kriegskunst in dem Knoten seiner Schärpe trägt und die Praxis im Gehenk seines Seitengewehrs.

2. Edelm. Ich will nie wieder jemand trauen, weil er seine Klinge blank hält, noch glauben dass er der höchste der Menschen sei, weil sein Anzug sauber ist.

1. Sol. Gut, das ist geschrieben.

Par. Fünf oder sechstausend Pferde, sagte ich – ich will aufrichtig sein – oder so ungefähr, schreibt hin . . . denn ich will die Wahrheit sagen.

1. Edelm. Hierin ist er der Wahrheit sehr nahe.

Ber. Aber ich weiss ihm keinen Dank für die Art und Weise wie er sie aussagt.

Par. Arme Teufel . . . das schreibt doch ja!

1. Sol. Gut, da stehts!

Par. Untertänigsten Dank, Herr . . . wahr bleibt wahr . . . es sind recht miserable Teufel.

1. Sol. »Fragt ihn, wie stark ihr Fussvolk ist.« Was sagt ihr dazu?

Par. Auf meine Ehre, Herr – hätt ich nur noch diese Stunde zu leben: ich will die Wahrheit sagen. Lasst sehn: Spurio, einhundertundfünfzig . . . Sebastian, ebensoviel . . . Corambus, ebensoviel . . . Jaques, ebensoviel . . . Guiltian, Cosmo, Lodovico und Grazii, jeder zweihundertundfünfzig . . . meine eigne Kompagnie, Chitopher, Vaumond, Benzii, jeder zweihundertundfünfzig: so dass die Musterrolle, Gesunde und Kranke, sich bei meiner Ehre nicht auf fünfzehntausend Köpfe beläuft . . . und von denen wagt die Hälfte nicht den Schnee von ihren Wämsern abzuschütteln, damit sie nicht auseinanderfallen.

Ber. Was soll man mit ihm anfangen?

1. Edelm. Nichts, als sich bei ihm bedanken. Fragt ihn doch nach meinen Umständen, und wie ich beim Herzog angeschrieben bin.

1. Sol. Gut, das steht geschrieben . . . »Ihr sollt ihn fragen ob ein gewisser Hauptmann Dumain im Lager ist, ein Franzose, in welchem Ruf er beim Herzog steht, wie es mit seiner Tapferkeit, Rechtschaffenheit und Kriegskenntnis beschaffen ist, und ob ers nicht für möglich hält ihn mit einer vollwichtigen Summe zur Desertion zu bestechen.« Was sagt ihr dazu? Wisst ihr etwas davon?

Par. Bitt euch, lasst mich diese Fragstücke einzeln beantworten, fragt jedes besonders.

1. Sol. Kennt ihr diesen Hauptmann Dumain?

Par. Ich kenne ihn! Er war bei einem Kleiderflicker in Paris in der Lehre, von dort wurde er weggepeitscht, weil er des Landrichters blödsinnige Magd geschwängert hatte – ein einfältiges stummes Ding, die nicht nein sagen konnte.

Dumain hebt im Zorn seine Hand auf

Ber. Nein, ich bitte euch, lasst eure Hand in Ruhe. Sein Schädel gehört dem ersten Ziegel der vom Dach fällt.

1. Sol. Nun, und ist dieser Hauptmann im Lager des Herzogs von Florenz?

Par. Soviel ich weiss, steckt er da, und voller Läuse.

1. Edelm. O, seht mich nicht so an, gnädiger Herr . . . nun wird gleich die Reihe an euch kommen.

1. Sol. In welchem Ruf steht er beim Herzog?

Par. Der Herzog kennt ihn nur als einen armen Offizier von meiner Kompagnie und schrieb mir vor ein paar Tagen, ich sollte ihn fortjagen. Ich glaube, ich habe seinen Brief noch in der Tasche.

1. Sol. Kommt, wir wollen nachsuchen.

Par. In vollem Ernst, ich weiss doch nicht, entweder ist er da, oder er hängt mit des Herzogs andern Briefen auf dem Faden in meinem Zelte.

1. Sol. Hier ist er . . . hier ist ein Papier: soll ichs euch vorlesen?

Par. Ich weiss nicht ob ers ist oder nicht.

Ber. Unser Dolmetscher macht es gut!

1. Edelm. Vortrefflich!

1. Sol. liest: »Diana, der Graf ist ein Narr, und schwer von Gold«

Par. Das ist nicht des Herzogs Brief, Herr . . . das ist eine Warnung für ein artiges Mädchen in Florenz, eine gewisse Diana, sich vor den Lockungen eines gewissen Grafen von Roussillon in acht zu nehmen, eines albernen, müssigen jungen Menschen, der aber bei alledem sehr verliebt ist. Ich bitte euch, Herr, steckt ihn wieder ein.

1. Sol. Nein, ich will ihn erst lesen, wenn ihr erlaubt.

Par. Meine Absicht dabei war bei meiner Ehre sehr redlich, zum Besten des Mädchens. Denn ich kenne diesen jungen Grafen als einen gefährlichen und liederlichen Burschen, einen rechten Walfisch aller Jungferschaft, der jede Beute verschlingt die ihm in den Wurf kommt.

Ber. Verdammter Kerl! Auf beiden Seiten ein Schurke!

1. Sol. liest:
»Schwört er, so fordre Gold, und halt es klüglich.
Sonst zahlt er nie die Zeche nach dem Zechen.
Wer halb gewinnt kauft gut: drum sag ich füglich,
Weil er nicht nachzahlt, lass vorher ihn blechen.
Und, Diana, ein Soldat tut dir zu wissen:
Mit Männern halts, nicht Knaben lass dich küssen.
Dem Braven trau, dem Grafen nimmermehr:
Zahlt er voraus nicht, prellt er hinterher.
Der Deine, wie er dir ins Ohr gelobt,
                                                Parolles«.

Ber. Er soll durchs ganze Lager gepeitscht werden, mit diesem Reim an seiner Stirn.

2. Edelm. Das ist euer treuergebner Freund, Herr, der vielbewanderte Sprachkenner und waffenkundige Soldat.

Ber. Ich habe von jeher alles ertragen können, nur keine Katze, und nun ist er eine Katze für mich.

1. Sol. Ich schliesse aus des Feldherrn Blicken, Herr, dass wir wohl nicht werden umhin können euch aufzuhängen.

Par. O Herr, nur mein Leben, auf jeden Fall. Nicht dass ich mich vor dem Tode fürchte, sondern weil meiner Sünden so viel sind, dass ich sie gern in dieser Zeitlichkeit abbüssen möchte. Lasst mich leben, Herr, in einem Kerker, im Block, wo es auch sei, wenn ich nur lebe.

1. Sol. Wir wollen sehn was sich tun lässt, wenn ihr aufrichtig bekennt. Also – um nochmals auf diesen Hauptmann Dumain zu kommen – über sein Ansehn beim Herzog und über seine Tapferkeit habt ihr geantwortet. Wie stehts um seine Rechtschaffenheit?

Par. Er wird euch ein Ei aus einem Kloster stehlen, an Gewalttätigkeiten und Entführungen kommt er dem Nessus gleich. Er gibt sich nie damit ab seine Eide zu halten. Sie zu brechen, darin ist er stärker als Herkules. Lügen kann er mit solcher Geläufigkeit, dass ihr die Wahrheit für eine Närrin halten solltet. Trunkenheit ist seine beste Tugend, denn er säuft euch wie ein Vieh, und in seinem Schlaf tut er niemand was zuleide als seinen Bettüchern. Aber man kennt seine Unarten schon und legt ihn auf Stroh. Sonst weiss ich nicht viel mehr von seiner Rechtschaffenheit zu sagen, Herr: er hat alles was ein rechtschaffner Mann nicht haben sollte, und was ein rechtschaffner Mann haben sollte davon hat er nichts.

1. Edelm. Ich fange an ihm dafür gut zu werden.

Ber. Für diese Beschreibung deiner Rechtschaffenheit? Ich meinesteils wünsche ihn zum Henker: er wird mir immer mehr und mehr zur Katze.

1. Sol. Was sagt ihr von seiner Kriegskenntnis?

Par. Meiner Treu, er hat die Trommel vor den englischen Komödianten her geschlagen. Belügen möchte ich ihn eben nicht, und mehr weiss ich nicht von seiner Soldatenschaft, ausser dass er in England die Ehre hatte Dienste an einem Orte zu tun den sie dort Mile-End nennen, und da hat er die Leute exerziert zwei Mann hoch zu stehn. Ich möchte dem Menschen gern alle mögliche Ehre antun, aber dieser Sache bin ich nicht recht gewiss.

1. Edelm. Er hat den Schuft so überschuftet, dass die Seltenheit ihn freispricht.

Ber. Zum Henker mit ihm! Er bleibt immer eine Katze.

1. Sol. Da seine Eigenschaften so wenig wert sind, so brauche ich euch wohl nicht zu fragen ob Gold ihn wohl zur Desertion verführen könnte.

Par. Für einen Quart d'Ecu verkauft er euch das Freilehn seiner Seligkeit, sein Erbrecht dran, und prellt alle seine Agnaten um ihre Anwartschaft und Sukzession auf ewige Zeiten.

1. Sol. Was sagt ihr denn von seinem Bruder, dem andern Hauptmann Dumain?

2. Edelm. Warum fragt er ihn nach mir?

1. Sol. Wie ists mit dem?

Par. Auch eine Krähe aus demselben Nest: nicht ganz so gross als der ältste im Guten, aber ein grosses Teil grösser im Bösen. Er übertrifft seinen Bruder als Memme, und doch gilt sein Bruder für eine der vorzüglichsten in der Welt. Auf der Flucht überrennt er jeden Läufer, und wenns zum Angriff geht, hat er den Krampf.

1. Sol. Wenn euch das Leben geschenkt wird, wollt ihr dann versprechen den Herzog von Florenz zu verraten?

Par. Ja, und den Anführer seiner Reiterei, den Grafen Roussillon, obendrein.

1. Sol. Ich will heimlich mit dem General reden, und hören was sein Wille ist.

Par. beiseit: Ich will keine Trommeln mehr. Hol die Pest alle Trommeln! Nur um den Schein des Verdiensts zu haben und den Argwohn dieses liederlichen jungen Grafen zu hintergehn, habe ich mich in solche Gefahr begeben. Wer hätte aber auch einen Hinterhalt vermutet, wo ich gefangen ward?

1. Sol. Es ist keine Hilfe, Freund, ihr müsst sterben. Der General sagt wer so verräterisch die Geheimnisse seines Heeres entdeckt und so giftige Berichte über höchst ehrenwerte Männer aussagt könne der Welt nicht redlich nützen. Darum müsst ihr sterben. Kommt, Scharfrichter, herunter mit seinem Kopf!

Par. O Gott, Herr, lasst mich leben, oder lasst mich meinen Tod sehn!

1. Sol. Das sollt ihr, und Abschied nehmen von allen euren Freunden, Er nimmt ihm die Binde ab So, seht euch um: kennt ihr jemand hier?

Ber. Guten Morgen, edler Hauptmann!

2. Edelm. Gott segn euch, Hauptmann Parolles!

1. Edelm. Gott schütz euch, edler Hauptmann!

2. Edelm. Hauptmann, habt ihr einen Gruss für Herrn Lafeu? Ich will nach Frankreich.

1. Edelm. Lieber Hauptmann, wollt ihr mir nicht eine Abschrift von dem Sonett geben das ihr an Diana geschickt, um ihr den Grafen von Roussillon zu empfehlen? Wenn ich nicht eine Erzmemme wäre, so zwänge ich sie euch ab: aber so lebt wohl! Bertram und die Edelleute ab

1. Sol. Ihr seid verloren, Hauptmann, ganz aufgelöst . . . nur eure Schärpe ist es nicht, die hat noch einen Knoten.

Par. Wen zertrümmerte wohl nicht ein solches Komplott?

1. Sol. Könntet ihr ein Land auffinden wo die Weiber nicht mehr Scham hätten als ihr, ihr würdet dort ein recht unverschämtes Volk stiften. Gehabt euch wohl, Herr. Ich will auch nach Frankreich, wir werden dort von euch erzählen. Ab.

Par. Doch bin ich dankbar. Wäre gross mein Herz,
Jetzt bräch es! Mit der Hauptmannschaft ists aus.
Doch soll mir Speis und Trank und Schlaf gedeihn,
Als wär ich Hauptmann. Nähren muss mich nun
Mein nacktes Selbst. Wer sich erkennt als Prahler
Der nehm ein Beispiel dran; es kann nicht fehlen,
Kein Grossmaul weiss sein Eselsohr zu hehlen.
Schwert, roste! Scham, verkühle! Sicher sei,
Parolles, durch Schmach! . . . Durch Narrheit, Narr, gedeih!
Es stehen Raum und Mittel jedem frei.
Ich geh mit ihnen. Ab.

 

Vierte Szene

Florenz – im Hause der Witwe: Helena, die Witwe und Diana

Hel. Damit ihr klar erkennt, ich täuscht euch nicht,
Sei meine Bürgschaft einer von den Grössten
Der Christenheit: vor dessen Thron notwendig
Ich knien muss, eh ich meinen Zweck erreicht.
Ich hab ihm einst erwünschten Dienst getan,
Kostbar wie fast sein Leben: solche Wohltat,
Dass selbst des harten Skythen Herz gerührt
Ihm Dank nachriefe. Sichre Kunde ward mir
Dass in Marseille der König sei. Dorthin
Reis ich mit schicklichem Geleit. Ihr wisst,
Man glaubt mich tot. Der Graf, nachdem das Heer
Sich aufgelöst, wird nach der Heimat ziehn,
Und mit des Himmels Beistand und des Königs
Vergunst hoff ich noch vor ihm dort zu sein.

Wit. Ihr hattet nimmer eine Dienerin,
Verehrte Frau, der eur Geschick so nah
Am Herzen lag.

Hel.                         Noch eine Freundin ihr
Die mit so treuem Eifer eurer Güte
Zu lohnen strebte. Zweifelt nicht, der Himmel
Schickt mich, eur junges Fräulein auszustatten,
Und wählte sie als Mittlerin, den Gatten
Mir zuzuwenden. O seltsame Männer!
So süss könnt ihr behandeln was ihr hasst,
Wenn der betrognen Sinne lüstern Wähnen
Die schwarze Nacht beschämt. So spielt die Lust
Mit dem was sie verabscheut, unbewusst.
Doch mehr hievon ein andermal. Ihr, Diana,
Müsst unter meiner armen Leitung manches
Für mich noch dulden.

Dia.                                     Folgt auch Tod in Ehren
Mit dem was ihr mir auflegt, ich bin euer
Und trage was ihr fordert.

Hel.                                           Nur Geduld!
Eh wir uns umsehn, bringt die Zeit den Sommer,
Dann trägt die Rose Blüten sowie Dornen,
So süss als scharf. Wir müssen jetzt von hier,
Der Wagen steht bereit, die Zukunft winkt:
Ende gut, alles gut: das Ziel beut Kronen . . .
Wie auch der Lauf, das Ende wird ihn lohnen. Ab.

 

Fünfte Szene

Roussillon: die Gräfin, Lafeu und der Narr

Laf. Nein, nein, nein, euer Sohn ward von dem verdammten taftgeschnitzten Kerl dort verführt, dessen niederträchtiger Safran wohl die ganze ungebackne und teigige Jugend einer Nation hätte färben können. Eure Schwiegertochter lebte sonst noch diese Stunde, euer Sohn wäre hier in Frankreich, und der König hätte ihn weiter gefördert als jene rotgeschwänzte Hummel von der ich rede.

Gräf. Ich wollte, ich hätte ihn nie gekannt. Er gab den Tod dem tugendhaftesten Mädchen mit deren Schöpfung sich die Natur jemals Ehre erwarb. Wäre sie aus meinem Blut und kostete mir die tiefsten Seufzer einer Mutter, meine Liebe zu ihr könnte nicht tiefer gewurzelt sein.

Laf. Es war ein gutes Mädchen, ein gutes Mädchen. Wir können tausendmal Salat pflücken, eh wir wieder solch ein Kraut antreffen.

Narr. Ja wahrhaftig, sie war das Tausendschönchen im Salat, oder vielmehr der echte Ehrenpreis.

Laf. Das sind ja keine Salatkräuter, du Schelm, das sind ja Gartenblumen.

Narr. Ich bin kein grosser Nebukadnezar, Herr: ich verstehe mich nicht sonderlich auf Gras.

Laf. Für was gibst du dich eigentlich, für einen Schelm oder einen Narren?

Narr. Für einen Narren, Herr, im Dienst einer Frau, und für einen Schelm im Dienst eines Mannes.

Laf. Wie das?

Narr. Den Mann würd ich um seine Frau prellen und seinen Dienst tun.

Laf. Dann wärst du freilich ein Schelm in seinem Dienst!

Narr. Und seiner Frau liehe ich meine Pritsche und böte ihr meinen Dienst.

Laf. Ich will für dich gut sagen dass du beides, ein Schelm und ein Narr bist.

Narr. Zu eurem Dienst.

Laf. Nein, nein, nein!

Narr. Nun, Herr, wenn ich euch nicht dienen kann, so nehme ich Dienste bei einem Prinzen der ein ebenso grosser Herr ist als ihr seid.

Laf. Bei wem denn? Einem Franzosen?

Narr. Mein Seel, er hat einen englischen Namen, aber seine Physiognomie hat mehr Feuer in Frankreich als in England.

Laf. Welchen Prinzen meinst du?

Narr. Den schwarzen Prinzen, alias den Fürsten der Finsternis, alias den Teufel.

Laf. Halt, da ist meine Börse. Ich gebe dir das nicht, um dich deinem Herrn, von dem du sprichst, abspenstig zu machen: diene ihm nur immerhin.

Narr. Ich bin aus einem Holzlande, Herr, und war von jeher ein Liebhaber von grossem Feuer, und die Herrschaft von der ich sage hat immer ein gutes Feuer gehalten. Aber da er einmal der Fürst dieser Welt ist, mag sein Adel an seinem Hof bleiben. Ich bin für das Haus mit der engen Pforte, die wohl zu klein für die Magnaten ist. Wer sich eben bücken will kommt wohl durch: aber die meisten werden zu frostig und zu verwöhnt sein, und wandeln auf dem blumigen Pfade der zur breiten Pforte und zum grossen Feuer führt.

Laf. Geh deiner Wege. Ich fange an dich satt zu haben, und ich sage dirs bei Zeiten, denn ich möchte nicht dass wir in Unfrieden gerieten. Geh deiner Wege, lass nach meinen Pferden sehn . . . aber ohne Schelmenstreiche.

Narr. Wenn ich ihnen mit Streichen komme, Herr, so sollens Peitschenstreiche sein, die gebühren ihnen nach dem Gesetz der Natur. Ab.

Laf. Ein durchtriebener, boshafter Schelm!

Gräf. Das ist er. Mein seliger Graf machte sich vielen Spass mit ihm. Nach seinem Willen darf er hierbleiben, und das hält er für einen Freibrief für seine Unverschämtheiten. Und in der Tat, er bleibt nie auf der Bahn und rennt wohin es ihm gefällt.

Laf. Ich habe ihn gern. Der Bursch ist nicht uneben . . . Ich war vorhin im Begriff euch zu sagen dass ich, als ich den Tod der armen jungen Gräfin vernommen, und weil euer Sohn auf der Heimreise ist, den König, meinen Herrn, ersucht habe sich für meine Tochter zu verwenden: ein Vorschlag den seine Majestät, als beide noch Kinder waren, aus eignem Allerhöchsten Antriebe zuerst getan. Seine Hoheit hat mirs zugesagt, und es gibt kein bessres Mittel die Ungnade abzuwenden die er gegen euren Sohn gefasst hat. Was sagt ihr dazu, gnädige Frau?

Gräf. Ich bin ganz mit euch einverstanden, mein Herr, und hoffe, ihr führt es glücklich aus.

Laf. Seine Hoheit kommt in Eil von Marseille, so frisch und rüstig, als zählte er dreissig. Er wird morgen hier sein, oder ein Freund der in solchen Dingen gewöhnlich gut unterrichtet ist müsste mich getäuscht haben.

Gräf. Es freut mich dass ich hoffen darf ihn vor meinem Ende wiederzusehn. Ich habe Briefe dass mein Sohn heut abend hier sein wird, und bitte euch, gnädiger Herr, bei mir zu verweilen, bis sie hier zusammentreffen.

Laf. Eben überlegte ich mir, gnädige Frau, auf welche Weise ich am besten Zutritt erhalten könnte.

Gräf. Ihr braucht nur das ehrenwerte Vorrecht eures Namens geltend zu machen.

Laf. Das habe ich nur allzuoft als zuverlässiges Geleit benutzt, und dem Himmel sei Dank, noch gilt es wohl.

Der Narr kommt zurück

Narr. O gnädige Frau, draussen ist der junge Graf, euer Sohn, mit einem Sammtpflaster auf dem Gesicht. Ob eine Schmarre drunter ist oder nicht mag der Sammt wissen, aber es ist ein stattliches Sammtpflaster. Sein linker Backen ist ein Backen von drittehalb Haaren. Aber sein rechter Backen ist kahl getragen.

Laf. Eine rühmlich erhaltene Schmarre ist ein edles Abzeichen der Ehre: das wird auch diese wohl sein.

Narr. Aber sein Gesicht sieht aus wie eine Karbonade.

Laf. Lasst uns eurem Sohn entgegengehn, ich bitte euch. Ich sehne mich den edlen jungen Krieger zu sprechen.

Narr. Meiner Treu, draussen steht ein ganzes Dutzend von ihnen, mit allerliebsten feinen Hüten und überaus höflichen Federn, die sich verneigen und jedermann zunicken. Ab.

 


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