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Siebenundzwanzigstes Kapitel.

Wir hörten der Araber Kriegsgeschrei,
Womit den Himmel sie um Sieg angehn,
Mit lautem Schall beim Angriff in der Schlacht.

Belagerung von Damaskus.

Den folgenden Morgen wurde Richard von Philipp von Frankreich zu einer Unterredung eingeladen, worin der letztere unter vielen Betheuerungen von Hochachtung für seinen Bruder von England demselben die Mittheilung machte (in einer Sprache, die äußerst höflich war, aber zu bestimmt, um mißverstanden zu werden), daß er fest entschlossen sei, nach Europa und zu den Geschäften seines Königreichs zurückzukehren, weil er an dem Gelingen des Kreuzzugs bei den verringerten Streitkräften und der Zwietracht der Verbündeten vollkommen verzweifle. Richard machte Gegenvorstellungen, aber vergebens; und als die Unterredung geendigt war, empfing er ohne Befremden ein Manifest von dem Herzog von Oestreich und verschiedenen anderen Fürsten, das eine ähnliche Entschließung ankündigte, aber in unumwundenen Worten als Grund dieses Abfalls von der Sache des Kreuzes den ungebührlichen Ehrgeiz und die willkürliche Herrschgier Richards von England angab. Alle Hoffnung, den Krieg mit einiger Aussicht endlichen Gelingens fortzusetzen, war nun dahin, und Richard, der bittere Thränen weinte über seine verlornen Siegesträume, fühlte sich wenig getröstet durch die Erwägung, daß das Fehlschlagen des Kreuzzugs gewissermaßen den Vortheilen, welche er durch seine Heftigkeit und Unklugheit seinen Feinden gegeben habe, zugeschrieben werden müsse.

»Sie hätten es nicht gewagt, meinen Vater so im Stich zu lassen,« sagte er zu de Vaux in der Bitterkeit seines Aergers. »Alle Verläumdungen, die sie gegen einen so weisen König vorgebracht hätten, würden bei der Christenheit keinen Glauben gefunden haben; und ich – der Thor, der ich war! – ich habe ihnen nicht allein den Vorwand gegeben, mich im Stich zu lassen, sondern sogar einen gültigen Grund, ihren schändlichen Abfall meinen unseligen Schwachheiten zuzuschreiben.«

Diese Gedanken peinigten den König so sehr, daß de Vaux froh war, als die Ankunft eines Gesandten von Saladin ihnen eine andere Richtung gab.

Dieser neue Gesandte war ein bei dem Sultan in hohem Ansehen stehender Emir, der Abdallah el Hadschi hieß. Er leitete seine Abkunft von der Familie des Propheten her und dem Stamm Haschma, und trug zum Zeichen dieser Abstammung einen grünen Turban von großem Umfang. Er hatte dreimal die Wallfahrt nach Mecca gemacht, und davon seinen Beinamen el Hadschi, d. h. der Pilger, erhalten. Ungeachtet dieser verschiedenen Ansprüche auf Heiligkeit, war Abdallah (für einen Araber) ein guter Gesellschafter: eine lustige Erzählung erfreute ihn, und er vergaß seinen Ernst so weit, daß er eine gute Flasche austrank, wenn er es heimlich und ohne Aergerniß zu geben thun konnte. Ebenso war er ein Staatsmann, dessen Fähigkeiten von Saladin in verschiedenen Unterhandlungen mit den christlichen Fürsten und namentlich mit Richard, dem el Hadschi bekannt und beliebt war, benutzt worden waren. Erfreut durch die Willfährigkeit, womit der Gesandte Saladins einen Platz für den Kampf, ein sichres Geleite für alle dem Kampfe beiwohnenden Personen und sich selbst als Unterpfand für alles Versprochene anbot, vergaß Richard bald seine getäuschten Hoffnungen und die bevorstehende Auflösung des Christenbundes, da ihn die Erörterungen, welche dem Kampf vorangingen, ganz in Anspruch nahmen.

Der Ruheplatz, Diamant der Wüste genannt, war für den Kampf ausersehen worden, weil er fast gleichweit von dem Lager der Christen und dem der Saracenen entfernt war. Es wurde festgesetzt, daß Conrad von Montserrat, der Beklagte, mit seinen Zeugen, dem Erzherzog von Oestreich und dem Großmeister der Templer, an dem für den Kampf bestimmten Tag daselbst mit nicht mehr als hundert bewaffneten Begleitern erscheinen solle; daß Richard von England und sein Bruder Salisbury als Kläger mit einer gleichen Zahl von Begleitern sich einfänden, ihren Kämpen zu beschützen, und daß Saladin eine auserwählte Wache von fünfhundert Mann mitbringen solle, eine Zahl, welche den zweihundert Christenlanzen nur gleichgeschätzt wurde. Diejenigen Personen von Auszeichnung, welche von beiden Seiten sich einfinden möchten, um dem Kampfe beizuwohnen, sollten keine andere Waffen als ihre Schwerter tragen ohne alles Rüstzeug zur Vertheidigung. Der Sultan versprach, für die Errichtung der Schranken und für alle Bequemlichkeiten und Erfrischungen der dem Kampfe Beiwohnenden zu sorgen, und sein Schreiben drückte mit vieler Artigkeit das Vergnügen aus, welches er sich von einer persönlichen und friedlichen Zusammenkunft mit Melech Ric verspreche, und den heißen Wunsch, seinen Empfang so angenehm als möglich zu machen.

Als alle Voranstalten festgesetzt und dem Beklagten nebst seinen Zeugen mitgetheilt waren, wurde Abdallah el Hadschi in dem vertrauteren Kreise zugelassen, wo er mit Ergötzen das Spiel von Blondel hörte. Nachdem er zuvor sorgfältig seinen grünen Turban abgelegt, und dafür eine griechische Mütze aufgesetzt hatte, erwiderte er die Musik des normannischen Minstrels mit einem persischen Trinklied, und leerte eine tüchtige Flasche Cyperweins, um zu zeigen, daß sein Handeln mit seinen Grundsätzen übereinstimme. Den folgenden Tag beugte er ernst und nüchtern wie der Wassertrinker Mirglip seine Stirn vor dem Fußschemel Saladins zu Boden, und erstattete dem Sultan Bericht von seiner Gesandtschaft.

An dem Tag, der dem Kampf vorherging, brach Conrad mit seinen Freunden bei Tagesanbruch auf, um nach dem bezeichneten Ort zu reisen, und Richard verließ das Lager in der nämlichen Stunde und in der nämlichen Absicht; aber er nahm einen anderen Weg, eine Vorsichtsmaßregel, die man für nöthig erachtet hatte, um möglichen Streitigkeiten zwischen den bewaffneten Begleitern beider Parteien zu begegnen.

Der gute König selbst war nicht in der Laune, mit irgend Jemand Streit zu suchen. Nichts hätte ihm den Vorgenuß eines Kampfes in den Schranken vergrößern können, außer wenn er selbst einer der Kämpfenden gewesen wäre; und er war halb von Mitleid bewegt gegen Conrad von Montserrat. Leicht bewaffnet, reich gekleidet und fröhlich wie ein Bräutigam vor der Hochzeit, ritt Richard tänzelnd neben der Sänfte der Königin Berengaria, und zeigte ihr die verschiedenen Bilder der Gegend, oder erheiterte ihr durch Gespräch und Gesang den Weg durch die unwirthliche Wüste. Bei der früheren Reise, auf der Wallfahrt nach Engaddi, hatte die Königin den Weg jenseits des Gebirges genommen, so daß die Damen mit dieser Gegend der Wüste unbekannt waren; und obgleich Berengaria die Laune ihres Gemahls zu gut kannte, um für das, was er sagte und sang, unbekümmert scheinen zu wollen, so gab sie sich doch einer weiblichen Furcht hin, als sie sich in der fürchterlichen Wildniß sah mit einer Begleitung, die nur einem kleinen Punkte auf der ungeheuren Fläche glich, und als sie erwog, daß sie nur so weit vom Lager Saladins entfernt seien, um im Augenblick von einer zahlreicheren Schaar des Sultans überrascht und aufgehoben zu werden, falls der Heide treulos genug sein sollte, eine so verführerische Gelegenheit zu benutzen. Aber als sie Richard diesen Verdacht zeigte, wurde derselbe mit Mißfallen und Verachtung verworfen. »Es wäre mehr als Undankbarkeit,« sagte er, »an Treu und Glauben des edelmüthigen Sultans zu zweifeln.«

Jedoch die nämlichen Zweifel und Besorgnisse erneuerten sich mehr als einmal, nicht nur in dem furchtsamen Gemüth der Königin, sondern auch in der festeren und edleren Seele der Edith Plantagenet, die keinen so großen Glauben zu den Muselmännern hatte, um sich vollkommen sicher zu fühlen, während sie in der Macht derselben war; und ihr Erstaunen würde geringer gewesen sein als ihr Schrecken, wenn die Wüste ringsum von dem Geschrei ertönt hätte: »Allah hu!« und wenn eine Schaar arabischer Reiter gegen sie losgestürzt wäre wie Geier auf ihre Beute. Diese Besorgnisse verringerten sich nicht, als sie gegen die Abendzeit einen arabischen Reiter mit Turban und langem Speer bemerkten, der auf einer geringen Anhöhe lauerte wie ein in der Luft schwebender Falke, und der bei dem Erscheinen des königlichen Zuges plötzlich mit der Schnelligkeit davonschoß, mit welcher jener Vogel unter den Wind hinschießt und aus dem Gesichtskreis verschwindet.

»Wir müssen nah am Ziele sein,« sagte König Richard; »und jener Reiter ist einer von Saladins Vorposten – mich dünkt, ich höre das Getön der maurischen Hörner und Cymbeln. Stellt euch in Ordnung, Cameraden, und nehmt fest und männlich die Damen in die Mitte.«

Als er so gesprochen hatte, nahm jeder Ritter, Knappe und Bogenschütze schnell seine Stelle ein, und sie bewegten sich nun vorwärts in geschlossenen Reihen, was ihre Anzahl noch kleiner erscheinen ließ; und um die Wahrheit zu gestehen, obwohl sie ohne Furcht sein mochten, so war doch Aengstlichkeit und Besorgniß in der Gespanntheit zu erkennen, womit sie auf die wilden Töne der maurischen Musik horchten, die sich immer deutlicher von der Seite her vernehmen ließ, wo der arabische Reiter verschwunden war.

De Vaux sprach leise zu dem König: »Wäre es nicht gut, mein Fürst, einen Pagen auf jenen Sandhügel zu senden? oder gefiele es Euch, daß ich einen Vorsprung nehme? Mich dünkt, wenn diesem Kling und Klang nach zu urtheilen nicht mehr als fünfhundert Mann hinter jenen Sandhügeln stecken, so muß die Hälfte von des Sultans Gefolge aus Trommlern und Cymbelschlägern bestehen. – Soll ich hin?«

Der Baron hielt die Zügel an, und wollte seinem Pferde die Sporn geben, als der König ausrief: »Nicht um die Welt. Eine solche Vorsicht würde Argwohn verrathen, und uns wenig vor einem Ueberfall sichern, den ich jedoch nicht voraussehe.«

Sie zogen demnach in fester, geschlossener Ordnung weiter, bis sie die Kette niedriger Sandhügel überstiegen hatten, und die jenseitige Gegend sehen konnten, wo ein prächtiges und zugleich schreckliches Schauspiel sie erwartete.

Der Diamant der Wüste, vor Kurzem noch eine einsame Quelle, die sich durch eine kleine Palmbaumgruppe auf der weiten Fläche bemerkbar machte, war jetzt der Mittelpunkt eines Lagers geworden, dessen gestickte Flaggen und vergoldete Verzierungen weit und breit glitzerten, und in tausend reichen Farben in der untergehenden Sonne spielten. Die Decken der großen Gezelte waren von den lebhaftesten Farben, scharlachen, lichtgelb, himmelblau u. s. w., und die Spitzen der Säulen oder Zeltpfosten waren mit goldnen Granatäpfeln und kleinen seidenen Fahnen verziert. Aber außer diesen Prachtzelten sah man hier eine große Zahl der gewöhnlichen schwarzen, arabischen Zelte, die nach der Meinung von Thomas de Vaux hinreichend waren, ein Heer von fünftausend Mann auf morgenländische Art zu beherbergen. Eine der Ausdehnung des Lagers vollkommen entsprechende Anzahl von Arabern und Kurden versammelten sich in Eile; ein Jeder führte sein Pferd mit der Hand, und ihr Aufgebot war von dem betäubenden Getöse der Kriegsmusik begleitet, die zu allen Zeiten die Araber zum Kampf angefeuert hat.

Sie bildeten bald eine dichte und verwirrte Masse abgestiegener Reiter vor dem Lager, als auf einen gellenden Schrei, der den Klang der Musik weit überschallte, ein jeder Reiter auf seinen Sattel sprang. Eine Staubwolke, die sich bei dieser Bewegung erhob, verbarg Richard und seinen Begleitern das Lager, die Palmbäume und die ferne Gebirgskette sowohl als die Krieger selbst, deren plötzlicher Aufbruch den Staub erregt hatte, der, indem er sich über ihren Köpfen erhub, in seltsamen Gestaltungen bewegliche Säulen, Kuppeln und Minarets bildete. Ein zweiter gellender Schrei ward gehört aus der Mitte dieses Staubgezeltes. Es war für die Reiter das Zeichen, vorwärts zu eilen; dies geschah im vollen Galopp, indem sie sich zugleich anschickten, sich von vornen, von den Seiten und von hinten her an Richards Leibwache anzuschließen, die so umringt und fast erstickt wurde von der ringsum sich erhebenden dichten Staubwolke, durch welche man von Zeit zu Zeit die schrecklichen Gestalten und die wilden Gesichter der Saracenen erkannte, die mit betäubendem Geschrei ihre Speere nach allen Richtungen schwangen, und die ihre Pferde nur dann anhielten, wenn sie auf Speereswurf den Christen nahe gekommen waren, während die im Nachzug dichte Flüge von Pfeilen über die Köpfe der Vorderen sandten. Einer dieser Pfeile fiel auf die Sänfte der Königin, die laut aufschrie, und eine plötzliche Röthe bedeckte die Wange von Richard.

»Ha! St. Georg,« rief er aus, »wir müssen diesen ungläubigen Abschaum zur Ordnung bringen!«

Aber Edith, die in der nächsten Sänfte war, streckte den Kopf heraus, und mit der Hand einen Schaft haltend, rief sie aus: »König Richard, bedenkt, was Ihr thut! Seht, diese Pfeile sind ohne Spitze!«

»Edles, bedächtiges Weib!« rief Richard aus, »beim Himmel, deine Geistesgegenwart und dein richtiger Blick beschämt uns Alle. – Verhaltet euch ruhig, Landsleute,« rief er seinen Begleitern zu, »ihre Pfeile haben keine Spitze und ihre Speere ebenfalls. Es ist nur ein kriegerischer Willkomm nach ihrer wilden Art, und es würde ihnen Vergnügen machen, uns erschrocken und bestürzt zu sehen. Zieht langsam und ruhig vorwärts.«

Die kleine Kriegerschaar zog vorwärts, von allen Seiten von den Arabern umgeben, die gellendes und durchdringendes Geschrei ausstießen; die Bogenschützen zeigten ihre Geschicklichkeit, indem sie ihre Pfeile so nah als möglich nach den Helmen der Christen schossen, ohne sie zu treffen, und die Lanzenträger theilten sich unter einander so derbe Stöße aus mit ihren stämmigen Waffen, daß mehr als Einer bei dem groben Spiel den Sattel und fast das Leben verlor. Obgleich durch alles dies nur Willkomm ausgedrückt werden sollte, so hatte es doch in den Augen der Europäer einen zweideutigen Anschein.

Als sie halbwegs zum Lager gekommen waren, in dem König Richard und sein Gefolge den Kern bildete, um welchen die wilde Reiterschaar schrie, heulte, focht und galoppirte in einer unbeschreiblichen Verwirrung, wurde wieder ein gellender Schrei gehört, und alsbald machten Alle, welche vornen und zu beiden Seiten die kleine europäische Schaar umschwärmten, eine Schwenkung, und nachdem sie sich in breite und tiefe Reihen geordnet hatten, folgten sie im Nachzug mit ziemlicher Ordnung und Stille. Die Staubwolke, welche Richards Schaar im Gesichte hatte, fing nun an, sich zu legen, als sich ein anderer Reiterhaufen näherte von regelmäßigerm Ansehen, mit vollkommener Rüstung und Bewaffnung, der dem stolzesten Herrscher des Morgenlandes zur Leibwache hätte dienen können. Diese glänzende Schaar bestund aus fünfhundert Mann, und das Roß eines jeglichen Reiters war das Lösegeld eines Grafen werth. Die Reiter waren circassische und georgische Sclaven in der Blüthe der Jugend; ihre Helme und Harnische waren aus Stahlringen gemacht, die wie Silber glänzten; ihre Kleidung war von den lebhaftesten Farben, zum Theil aus Gold- und Silberstoff; ihre Gürtel waren aus Seide und Gold geflochten, ihre Turbane mit Federn und Edelsteinen verziert, und ihre Säbel und Dolche aus damascener Stahl an Griff und Scheide mit Gold und Juwelen geschmückt.

Diese glänzende Schaar näherte sich unter dem Schall kriegerischer Musik, und als sie mit der Schaar der Christen zusammentraf, öffnete sie sich also, daß sie dieselbe in ihre Mitte aufnahm. Richard stellte sich nun an die Spitze seiner Landsleute, da er bemerkte, daß Saladin selbst herannahe. Es dauerte nicht lang, so sah man in der Mitte der Leibwache, umgeben von den Dienern des Serails und den häßlichen Schwarzen, welche den Harem bewachen, und deren Mißgestalt durch den Reichthum ihrer Kleidung noch schrecklicher wird, den Sultan erscheinen mit dem Ansehen und der Haltung eines Mannes, auf dessen Stirn die Natur selber geschrieben hat – das ist ein König! In seinem Turban, Kleide und seinen weiten Hosen von schneeweißer Farbe, mit seinem Gürtel von scharlachener Seide, ohne alle andere Auszeichnung, hätte Saladin unter seiner Leibwache als der am einfachsten gekleidete angesehen werden können. Aber bei näherer Beobachtung bemerkte man an seinem Turban jenen unschätzbaren Edelstein, welcher von den Dichtern »das Meer des Lichtes« genannt wurde; der Diamantring, auf dem sein Siegel eingegraben war, und den er am Finger trug, war vermuthlich alle Juwelen der englischen Krone werth, und ein Saphir auf dem Griff seines Cangiar war von keinem geringeren Werthe. Es muß noch bemerkt werden, daß der Sultan, um sich vor dem Staub zu schützen, welcher in der Nähe des todten Meeres der feinsten Asche gleicht, oder vielleicht auch aus morgenländischem Stolz eine Art Schleier an seinem Turban trug, was seine edlen Züge zum Theil verhüllte. Er ritt einen milchweißen Araber, der ihn trug, als wenn er seine edle Bürde kenne, und stolz darauf sei.

Hier waren keine weiteren Einführungen nöthig. Die beiden heldenmüthigen Herrscher, denn das waren beide, stiegen zugleich vom Pferde, und während die Truppen hielten und die Musik plötzlich schwieg, gingen sie einander unter tiefem Schweigen entgegen, und nach einer höflichen Verbeugung von beiden Seiten umarmten sie sich als Brüder und Gleiche. Der Glanz und der Aufwand von beiden Seiten wurde nicht mehr beachtet; man sah nur Richard und Saladin, und auch sie hatten nur Einer für den Andern Augen. Die Blicke, womit Richard den Sultan betrachtete, drückten jedoch eine größere Neugier aus, als die, welche Saladin auf Richard heftete. Der Sultan unterbrach zuerst das Schweigen.

»Der Melech Ric ist Saladin willkommen, wie es das Wasser der Wüste ist! Ich hoffe, daß dieses zahlreiche Gefolge ihm keinen Argwohn gegeben hat. Die bewaffneten Sklaven meines Serails ausgenommen, sind alle Andern, die Euch mit Blicken des Staunens und des Willkomms umringen, selbst die Geringsten unter ihnen, die edelsten Häupter meiner tausend Stämme, denn wer, der irgend einen Anspruch machen konnte, dieser Zusammenkunft beizuwohnen, wäre gerne zu Hause geblieben, und hätte nicht gerne einen Fürsten wie Richard gesehen, mit dessen schrecklichem Namen bis zu den Sandwüsten von Yemen die Amme ihr Kind beschwichtigt, und der freie Araber sein stätiges Roß bezwingt!«

»Und alle diese sind arabische Edelleute?« sagte Richard und betrachtete die mit ihren Haicks bedeckten wilden Gestalten, die Gesichter von der Sonne verbrannt, die Zähne weiß wie Elfenbein, die unter dem Turban wild und feurig hervorglänzenden schwarzen Augen und die im Allgemeinen einfache, fast geringe Kleidung.

»Sie nehmen diesen Rang in Anspruch,« sagte Saladin; »aber obgleich sie zahlreich sind, so sind sie doch dem Vertrage unterworfen, und tragen keine Waffen außer ihren Säbeln – sogar das Eisen ihrer Lanzen haben sie zurückgelassen.«

»Ich fürchte,« sagte de Vaux leise auf Englisch, »sie haben es an einem Ort gelassen, wo sie es bald finden können. – Eine recht blühende Pairskammer ist das, ich gesteh's, und Westminster-Hall wäre für sie ein wenig zu eng.«

»Still, de Vaux,« sagte Richard, »ich befehl' es dir. – Edler Saladin,« sagte er, »du und Argwohn gedeihen nicht auf demselben Boden. – Siehst du,« er deutete nach den Sänften – »auch ich habe gegen den Vertrag einige bewaffnete Begleiterinnen mitgebracht: denn glänzende Augen und schöne Züge sind Waffen, die man nicht zurücklassen kann.«

Der Sultan, nach den Sänften blickend, machte eine so tiefe Verbeugung, als sähe er gen Mecca, und küßte den Sand zum Beweis seiner Ehrfurcht.

»O,« sagte Richard, »sie fürchten keine Begrüßung aus der Nähe, Bruder; willst du nicht zu den Sänften reiten? die Vorhänge werden alsbald zurückgezogen werden.«

»Allah behüte mich davor!« sagte Saladin; »denn jeder Araber, der es sähe, würde es als eine Schande für diese edlen Damen ansehen, wenn sie sich mit unbedecktem Gesicht betrachten ließen.«

»Dann sollst du sie im Geheimen sehen, mein königlicher Bruder,« antwortete Richard.

»Zu welchem Zweck?« antwortete Saladin traurig. »Dein letzter Brief war für die Hoffnungen, die ich hegte, was Wasser dem Feuer ist; und zu was sollte ich wieder eine Flamme anfachen, die mich nur verzehren, aber nicht wärmen kann? – Aber will sich mein Bruder nicht zu dem Zelte begeben, das sein Diener für ihn bereitet hat? Der oberste meiner schwarzen Sclaven hat Befehl, die Prinzessinnen zu empfangen; die Diener meines Pallastes werden deinem Gefolge aufwarten, und wir selbst wollen der Kämmerer des königlichen Richards sein.«

Hierauf führte er ihn zu einem prachtvollen Zelt, worin Alles war, was königliche Verschwendung erdenken konnte. De Vaux, der gefolgt war, nahm den langen Reitermantel ab, welchen sein König trug, und Richard stund nun vor Saladin in seiner engen Kleidung, welche die Kraft und das Ebenmaß seiner Glieder völlig zeigte, und mit den weiten Gewändern, die die schlanke Gestalt des morgenländischen Herrschers umwallten, einen schneidenden Gegensatz bildeten. Es war vorzüglich Richards zweihändiges Schwert, was die Aufmerksamkeit des Saracenen auf sich zog: die Klinge war gerade und breit, und die scheinbar unbehülfliche Länge derselben reichte vom Boden fast bis zur Schulter des Trägers.

»Hätte ich,« sagte Saladin, »dies Schwert im Vordertreffen nicht blitzen sehen gleich dem Schwerte Azraels, so würde ich es kaum glauben, daß ein Menschenarm es schwingen kann. Darf ich den Melech Ric bitten, jetzt im Frieden und zu bloßer Prüfung der Stärke einen Streich damit zu thun?«

»Mit Freuden, edler Saladin,« antwortete Richard, und da er umherblickte, um etwas zu entdecken, woran er seine Stärke zeigen könne, bemerkte er eine stählerne Axt, die einer der Begleiter hielt, und die einen Stiel von demselben Metall hatte, von einem und einem halben Zoll im Durchmesser – er legte dieselbe auf einen Holzblock.

Die Besorgniß, welche de Vaux für die Ehre seines Herrn hatte, verleitete ihn, demselben auf Englisch zuzuflüstern: »Bei der heiligen Jungfrau, seht Euch vor, was Ihr beginnet, mein Fürst! Ihr habt Eure ganze Stärke noch nicht wieder – bereitet dem Ungläubigen keinen Triumph.«

»Ruhig, Thor!« sagte Richard, fest auf den Boden sich stemmend und einen feurigen Blick umherwerfend – »glaubst du, daß mir's in seiner Gegenwart an Stärke gebricht?«

Das breite Schwert, mit beiden Händen geführt, hob sich blitzend zur linken Schulter des Königs; dann umflog es sein Haupt, stürzte wie von einer Sturmmaschine geschleudert herab, und die Eisenstange rollte auf dem Boden in zwei Stücke getheilt, dem Bäumchen gleich, das ein Förster mit dem Hagemesser zerschneidet.

»Bei dem Haupte des Propheten, ein höchst wunderbarer Streich!« sagte der Sultan, indem er die zerschnittene Eisenstange genau untersuchte; und die Klinge des Schwertes war so wohl gehärtet, daß nicht das geringste Merkmal von dem Streiche auf ihr zu entdecken war. Darauf ergriff er die Hand des Königs, und indem er ihre Form und Muskelkraft betrachtete, lächelte er, als er sie mit seiner eigenen schlanken, mageren und weniger fleischigen und nervenreichen Hand verglich.

»Ja, schau' nur,« sagte de Vaux auf Englisch, »es wird lang dauern, bis deine langen Affenfinger einen solchen Streich thun mit deiner fein vergoldeten Sichel da.«

»Schweig', de Vaux,« sagte Richard; »bei der heiligen Jungfrau, er versteht oder erräth dich – sei nicht so vorlaut, ich bitte dich.«

In der That sagte der Sultan gleich darauf: »Ich möchte nun auch Etwas zeigen – doch wozu sollte der Schwache seine geringere Kraft vor dem Starken zeigen? Indeß ein jedes Land hat seine eigene Uebungen, und dies mag für den Melech Ric was Neues sein.« – So sagend, nahm er ein seidnes Flaumfederkissen vom Boden und stellte es aufrecht. »Kann dein Schwert, mein Bruder, dies Kissen zertheilen?« sagte er zu König Richard.

»In Wahrheit nein,« versetzte der König; »kein Schwert in der Welt, und wäre es der Excalibur von König Arthur, kann das, was dem Streich keinen Widerstand entgegensetzt, zertheilen.«

»Gib denn Acht,« sagte Saladin; und nachdem er den Aermel seines Kleides zurückgeschlagen, zeigte er einen schmalen und mageren, aber durch beständige Uebung abgehärteten Arm, der nichts als Bein, Fleisch und Nerven hatte. Er zog seinen Säbel, eine krumme und schmale Klinge, die nicht wie das Schwert des Franken glänzte, sondern von einer dunkelbraunen Farbe war und mit einer Unzahl sich durchkreuzender Linien bedeckt, die verriethen, mit welcher Sorgfalt der Waffenschmied dies Metall geschweißt habe. Als der Sultan diese im Vergleich zu Richards Schwert so schwache Waffe erhob, ruhte er mit seiner ganzen Schwere auf seinem vorgestreckten linken Fuß; er blieb eine Zeit lang in dieser Stellung, wie um sein Ziel zu ersehen; darauf schritt er plötzlich vorwärts, und that mit seinem Säbel einen Streich quer durch das Kissen, indem er die Schneide mit einer Geschicklichkeit und Leichtigkeit wirken ließ, daß das Kissen eher auseinander zu fallen, als gewaltsam getrennt zu werden schien.

»Es ist Taschenspielerei,« sagte de Vaux, indem er vorwärts sprang, und den abgeschnittenen Theil des Kissens aufraffte, um sich von der Wahrheit des Geschehenen zu überzeugen – »da hat der Teufel sein Spiel.«

Der Sultan schien ihn zu verstehen: denn er nahm den Schleier ab, den er bisher getragen, legte ihn doppeltgefaltet auf die Schneide seines Säbels, streckte so die Waffe grad aus von sich, und indem er plötzlich die Klinge durch den Schleier zog, der lose um dieselbe hing, theilte er denselben in zwei Theile, die nach verschiedenen Seiten des Zeltes flogen, und zeigte dadurch die außerordentliche Härte und Schärfe seiner Waffe und seine ausgezeichnete Geschicklichkeit in Handhabung derselben.

»In Wahrheit, mein Bruder,« sagte Richard, »du bist unerreichbar in deinem Schwertstreich, und es wäre gefährlich, sich mit dir zu messen! Dennoch vertraue ich immer noch auf einen derben englischen Hieb, und was wir durch Kunst nicht vermögen, das ersetzen wir durch Kraft. Aber, bei meiner Treu, du bist so erfahren, Wunden zu schlagen, wie dein weiser Hakim, sie zu heilen. Ich hoffe, ich werde diesen gelehrten Arzt sehen – ich bin ihm großen Dank schuldig, und habe ihm ein kleines Geschenk mitgebracht.«

Als er dies gesagt hatte, vertauschte Saladin seinen Turban gegen eine Tartarmütze. Kaum hatte er dies gethan, so riß de Vaux Mund und Augen auf, und Richard war nicht weniger überrascht, als der Sultan mit einer verstellten und ernsten Stimme sagte: »Der Kranke, sagt der Dichter, kennt, so lange er krank ist, den Tritt seines Arztes; ist er aber genesen, so kennt er nicht einmal das Gesicht desselben.«

»Ein Wunder! – ein Wunder!« rief Richard aus.

»Teufelswerk, ohne Zweifel!« sagte Thomas de Vaux.

»Daß ich meinen gelehrten Hakim nicht kannte,« sagte Richard, »blos weil ihm Mütze und Kleid fehlten! und daß ich ihn nun in meinem königlichen Bruder Saladin wieder erkenne!«

»Das ist der gewöhnliche Weltlauf,« antwortete der Sultan; »der zerlumpte Rock macht nicht immer den Derwisch.«

»Und es war durch deine Vermittelung,« sagte Richard, »daß jener Ritter vom Leoparden vom Tode gerettet wurde – und durch deine Kunst, daß er in das Lager verkleidet zurückkam?«

»So ist es,« versetzte Saladin, »ich war als Arzt überzeugt, daß wenn nicht die Wunde seiner blutenden Ehre gestillt würde, der Tage seines Lebens nur wenige sein könnten. Seine Verkleidung wurde leichter durchschaut, als ich nach dem Gelingen meiner eigenen erwarten konnte.«

»Ein Zufall,« sagte König Richard (vermuthlich spielte er auf den Umstand an, als er seine Lippen auf die Wunde des vermeinten Nubiers brachte), »ließ mich zuerst bemerken, daß seine Haut künstlich gefärbt war; und nach diesem Fingerzeig war die Entdeckung leicht: denn sein Gesicht und seine Gestalt sind nicht leicht zu vergessen. Ich hege die Hoffnung, daß er morgen als Kämpfer sich stellen wird.«

»Er ist dazu bereit und voll Hoffnung,« sagte der Sultan. »Ich habe ihn mit Waffen und einem Pferde versehen, da ich viel auf ihn halte nach dem, was ich unter verschiedenen Verkleidungen gesehen habe.«

»Weiß er nun,« sagte Richard, »wem er so viel Dank schuldig ist?«

»Er weiß es,« versetzte der Saracen. – »Ich mußte mich ihm zu erkennen geben, als ich ihm meinen Plan mittheilte.«

»Und hat er sich dir auch entdeckt?« sagte der König von England.

»Nicht gänzlich,« versetzte der Sultan, »aber nach Allem was zwischen uns vorging, folgere ich, daß seine Liebe zu hoch steht, als daß er einen glücklichen Erfolg erwarten darf.«

»Und du weißt, daß seine kecke und vermessene Neigung deine eigenen Wünsche durchkreuzt?« sagte Richard.

»Ich vermuthe so,« sagte Saladin, »aber seine Neigung ist älter als meine Wünsche – und, ich muß es hinzufügen, scheint dieselben auch überleben zu wollen. Ich kann mich mit Ehren für meine Zurücksetzung an dem nicht rächen, der die Hand dabei nicht im Spiel hatte. Und wenn diese hochgeborne Dame ihn mehr liebt als mich, wer müßte dann nicht gestehen, daß sie diesem Ritter, der von ihrer eigenen Religion und voll Adel ist, nicht Gerechtigkeit erzeige?«

»Doch er ist von zu geringer Familie, um sich mit dem Blut der Plantagenets zu vermählen,« sagte Richard stolz.

»Das mögen Eure Ansichten in Frangistan sein,« versetzte der Sultan. »Doch die Dichter des Morgenlandes sagen, daß ein wackerer Kameeltreiber würdig ist, die Lippen der schönsten Königin zu küssen, während ein schlechter Prinz nicht würdig ist, nur den Saum ihres Gewandes zu berühren. – Doch erlaube mir, edler Bruder, daß ich mich jetzt bei dir beurlaube, um den Herzog von Oestreich und jenen nazarenischen Ritter zu empfangen, die zwar der Gastfreundschaft weniger würdig sind, die aber dennoch anständig behandelt werden müssen nicht um ihretwillen, sondern zu meiner eigenen Ehre – denn was sagt Lokman? Sage nicht, daß die Speise, die du dem Fremden reichst, für dich verloren ist: denn wenn sein Leib dadurch gestärkt und gesättigt wird – so wird dein Ruhm und guter Name dadurch vergrößert und verherrlicht

Der saracenische Monarch verließ das Zelt von König Richard, und nachdem er ihm mehr mit Winken als mit Worten den Ort bezeichnet hatte, wo das Zelt der Königin und ihres Gefolges aufgerichtet war, ging er, den Marquis von Montserrat und Gefolge zu empfangen, für welchen der Sultan mit weniger Lust aber mit gleicher Pracht Zurüstungen gemacht hatte. Die reichlichsten Erfrischungen nach morgenländischem und europäischem Geschmack wurden an die königlichen und fürstlichen Gäste Saladins in den verschiedenen Zelten gespendet; und der Sultan war so sehr auf den Geschmack und die Gewohnheit seiner Gäste bedacht, daß er griechische Sklaven bestellt hatte, welche denselben den Weinbecher – den Abscheu der Mahommedaner – darreichen mußten. Ehe Richard sein Mahl beendigt hatte, trat der alte Emir, welcher des Sultans Brief in das Christenlager gebracht hatte, mit einem Plan herein, der das bei dem morgenden Kampf zu beobachtende Ceremoniell enthielt. Richard, der den Geschmack dieses alten Bekannten kannte, lud ihn ein, mit einer Flasche Schirazwein Bescheid zu thun; aber Abdallah gab ihm mit einer jämmerlichen Miene zu verstehen, daß Selbstverleugnung ihm in diesem Augenblicke so lieb als sein Leben sein müsse: denn Saladin, der in anderer Rücksicht so duldsam sei, beobachte selbst die Gesetze des Propheten, und erzwinge deren Beobachtung von Anderen durch schwere Strafen.

»Nun,« sagte Richard, »wenn er den Wein nicht liebt, diesen Tröster des Menschenherzens, dann ist's mit seiner Bekehrung auch nichts, und die Weissagung des verrückten Pfaffen von Engaddi verfliegt wie Spreu vor dem Winde.«

Hierauf setzte der König die Bestimmungen des Kampfes fest, was viele Zeit kostete, da wegen einiger Punkte die Gegenpartei sowohl als der Sultan befragt werden mußten.

Endlich war man zu einer schließlichen Uebereinkunft gekommen, und ein Protokoll wurde auf Französisch und Arabisch abgefaßt mit der Unterschrift von Saladin als Oberkampfrichter und denen von Richard und Leopold als Gewährleistern der zwei Kämpfer. Als der Emir für den Abend von König Richard Abschied genommen hatte, trat de Vaux herein.

»Der gute Ritter,« sagte er, »der morgen kämpfen wird, verlangt zu wissen, ob er nicht diesen Abend seinem königlichen Gevatter seine Huldigung darbringen darf?«

»Hast du ihn gesehen, de Vaux?« sagte der König lächelnd, »und hast du einen alten Bekannten in ihm erkannt?«

»Bei Unserer Frau von Lanercost,« antworte de Vaux, »in diesem Lande begegnet man so vielen Ueberraschungen und Verwandlungen, daß mir der Kopf schwindelt. Ich erkannte kaum Sir Kenneth von Schottland, bis sein guter Hund, der einige Zeit unter meiner Pflege war, wedelnd auf mich zukam, und selbst den kannte ich nur an der Breite seiner Brust, der Rundung seiner Pfoten und an seinem Bellen: denn der arme Windhund war gemalt wie eine venetianische Buhlerin.«

»Du verstehst dich besser auf Vieh als auf Menschen, de Vaux,« sagte der König.

»Ich leugne es nicht,« sagte de Vaux, »unter jenen habe ich zuweilen bessere Geschöpfe gefunden als unter diesen. Darum gefällt es auch manchmal Eurer Majestät, mich selbst ein Vieh zu nennen; überdies diene ich dem Löwen, den man als König der Thiere betrachtet.«

»Bei St. Georg, du hast deine Lanze brav an meiner Stirn zerbrochen,« sagte der König. »Ich hab's immer gesagt, daß du einen gewissen Witz hast, de Vaux – närrisch, daß man mit einem Schmiedehammer auf dich schlagen muß, ehe er Funken sprühet. Aber zur Sache – ist der gute Ritter wohl bewaffnet und gerüstet?«

»Vollkommen, mein Fürst, und anständig,« antwortete de Vaux; »ich kenne die Rüstung wohl – es ist die nämliche, die der venetianische Abgeordnete Eurer Hoheit, grade vor Eurer Krankheit, für fünfhundert Byzantiner anbot.«

»Und er hat sie dem ungläubigen Sultan verkauft, scheint's, für ein paar Dukaten mehr und gegen baare Bezahlung. Diese Venetianer wären im Stande, das heilige Grab zu verhandeln!«

»Die Rüstung kann nie zu einem besseren Kampfe dienen,« sagte de Vaux.

»Dem Edelmuth des Saracenen sei's gedankt,« sagte der König, »nicht der Habsucht dieser Venetianer.«

»Ich wünschte, daß Eure Majestät vorsichtiger wäre,« sagte de Vaux voll Besorgniß. – »Wir sind jetzt von allen unsern Verbündeten verlassen für Beleidigungen, die wir denselben zugefügt haben; wir können nicht hoffen, daß es uns hier zu Lande gelingt, und wir hätten nur noch mit dieser Amphibienrepublik zu hadern, um den Rückzug zur See zu verlieren.«

»Ich will dafür sorgen,« sagte Richard ungeduldig; »aber predige mir nicht weiter. Sage mir lieber – denn das ist von Belang – hat der Ritter einen Beichtvater?«

»Ja,« antwortete de Vaux, »der Einsiedler von Engaddi, der ihm kürzlich diesen Dienst erzeigte bei seiner Vorbereitung zum Tode, stehet ihm auch bei dieser Gelegenheit bei; das Gerücht von dem Zweikampf hat den Einsiedler hergezogen.«

»Gut,« sagte Richard, »und nun zum Gesuch des Ritters. Sag' ihm, Richard werde ihn empfangen, sobald seine Pflichterfüllung am Diamant der Wüste seine Pflichtverletzung auf dem St. Georgsberge gut gemacht haben wird; und bei deinem Gang durch's Lager laß die Königin wissen, daß ich ihr Zelt besuchen will, und sage Blondel, daß er mich dort treffe.«

De Vaux ging, und etwa eine Stunde darauf hüllte sich Richard in seinen Mantel, nahm seine Zither in die Hand, und wandelte zum Gezelte der Königin. Mehrere Araber begegneten ihm, aber sie wandten das Gesicht weg, und schlugen die Augen zur Erde; er bemerkte jedoch, daß ihm Alle scharf nachsahen, sobald er vorbei war. Er folgerte hieraus, daß er ihnen bekannt sei, aber daß der Befehl des Sultans oder ihre morgenländische Höflichkeit ihnen verböte, einen Fürsten, der unbekannt sein wolle, zu bemerken.

Als der König das Zelt der Königin erreicht hatte, fand er es von jenen unglücklichen Sklaven umringt, mit welchen morgenländische Eifersucht den Zenana umstellt. Blondel wandelte vor dem Eingang, und griff von Zeit zu Zeit in sein Saitenspiel, was die Afrikaner vermochte, das Elfenbein ihrer Zähne zu zeigen, und mit seltsamen Bewegungen und kreischenden Stimmen Chorus zu machen.

»Was treibst du mit dieser schwarzen Viehherde, Blondel?« sagte der König; »warum gehst du nicht in das Zelt?«

»Weil ich zu meiner Kunst des Kopfes und der Finger bedarf,« sagte Blondel; »und diese ehrlichen Mohren drohten, mir Glied für Glied abzuhauen, wenn ich vorwärts schritte.«

»Gut, gehe dann mit hinein,« sagte der König, »ich will dein Beschützer sein.«

Die Schwarzen neigten ihre Speere und Schwerter vor König Richard, und hefteten ihre Augen zu Boden, als wenn sie unwürdig wären, ihn anzuschauen. In dem Zelte fanden sie Thomas de Vaux bei der Königin. Während Berengaria Blondel empfing, sprach König Richard heimlich mit seiner schönen Verwandtin.

Endlich sagte er flüsternd zu ihr: »Sind wir immer noch Feinde, schöne Edith?«

»Nein, mein Fürst,« sagte Edith mit einer Stimme, die gerade leise genug war, um die Musik nicht zu unterbrechen – »wer könnte König Richard Feind sein, wenn sich derselbe zeigt, wie er ist, großmüthig und edel, tapfer und ehrenhaft.«

So sprechend, reichte sie ihm die Hand. Der König küßte dieselbe zum Zeichen der Versöhnung, und fuhr dann fort: »Du glaubst, schöne Base, daß mein Zorn in dieser Sache verstellt gewesen sei; aber du irrst dich. Die Strafe, womit ich diesen Ritter belegte, war gerecht: denn er hatte das Vertrauen getäuscht, das ich ihm geschenkt hatte, mag die Verführung dazu auch noch so groß sein, schöne Base. Doch freut es mich und vielleicht so sehr als dich, daß er morgen eine Gelegenheit hat, das Feld zu gewinnen, und den Flecken, der eine Zeit lang ihm anklebte, auf den wirklichen Dieb und Verräther zu werfen. Nein! – die Zukunft mag Richards thörichte Hitze tadeln; aber sie soll von ihm sagen, daß er als Richter gerecht war, wenn er es sollte, und gnädig, wenn er konnte.«

»Lobe dich nicht selbst, königlicher Vetter,« sagte Edith. »Die Zukunft könnte deine Gerechtigkeit Grausamkeit nennen und deine Gnade Laune.«

»Und du sei nicht so stolz,« sagte der König, »als wenn der Ritter, der seine Rüstung noch nicht angeschnallt hat, sie schon siegreich abgelegt hätte. Conrad von Montserrat gilt für eine gute Lanze. Wenn nun der Schotte den Tag verlöre?«

»Das ist unmöglich!« sagte Edith bestimmt. »Mit meinen eignen Augen hab' ich den Conrad gleich einem gemeinen Dieb zittern und die Farbe wechseln gesehen. Er ist schuldig – und die Kampfprobe ist eine Anrufung der Gerechtigkeit Gottes – ich selbst würde mich in dieser Sache gegen ihn zum Kampf stellen ohne Furcht.«

»Bei der Messe, ich glaube, daß du es möchtest, Kind,« sagte der König; »und du würdest ihn oben drein schlagen: denn nie hat eine ächtere Plantagenet gelebt, als du bist.«

Er hielt inne und fügte in einem sehr ernsten Tone hinzu: »Fahre fort, dich immer daran zu erinnern, was du deiner Abkunft schuldig bist.«

»Was soll dieser ernste Rath in diesem Augenblick?« sagte Edith. »Bin ich ein so leichtsinniges Geschöpf, um meinen Namen und Stand zu vergessen?«

»Ich will offen sprechen, Edith,« antwortete der König, »und wie zu einem Freunde. Was wird dir dieser Ritter sein, wenn er als Sieger aus den Schranken kehrt?«

»Mir?« sagte Edith vor Scham und Unwillen erröthend. »Kann er mir mehr sein als ein ehrenhafter Ritter, der so viel Gunst verdient, als die Königin Berengaria selbst gewähren könnte, wenn er sie zu seiner Dame ausersehen hätte, statt eine schlechtere Wahl getroffen zu haben? Der geringste Ritter kann einer Kaiserin seinen Dienst weihen; aber der Ruhm seiner Wahl,« sagte sie mit Stolz, »muß sein Lohn sein.«

»Doch er hat um deinetwillen viel gethan und erduldet,« sagte der König.

»Ich habe seine Thaten mit Ehre und Lob bezahlt und seine Leiden mit Thränen,« antwortete Edith. »Hätte er andern Lohn gewollt, so hätte er klug gehandelt, seine Liebe in den Schranken seines Standes zu halten.«

»Du möchtest also nicht das blutige Nachtkleid wegen seiner tragen?« sagte König Richard.

»Eben so wenig,« antwortete Edith, »als ich von ihm verlangt haben würde, sein Leben auf eine Art, wobei mehr Tollkühnheit als Tapferkeit zu zeigen war, auf's Spiel zu setzen.«

»So sprechen die Mädchen immer,« sagte der König; »aber wenn der Liebhaber dringend wird, so sagen sie mit einem Seufzer, daß es die Sterne anders beschlossen hätten.«

»Eure Majestät hat mich nun zum zweiten Male mit meinem Horoskop bedroht,« versetzte Edith mit Würde. »Glaubt mir, mein Fürst, welches auch der Einfluß der Sterne sein mag; eure arme Verwandtin wird sich weder mit einem Ungläubigen noch mit einem fremden Abentheurer vermählen. – Erlaubt mir, auf Blondels Spiel zu horchen: denn Eure königlichen Ermahnungen sind kaum so ergötzlich für das Ohr.«

Der übrige Abend bot weiter nichts Bemerkenswerthes dar.


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