Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Hochländer-Ehre

Erstes Kapitel

Meine Erzählung beginnt mit dem Tage nach dem Douner Jahrmarkt. Der Markt war sehr gut gewesen. Aus den nördlichen und mittleren Grafschaften Englands hatten sich allerhand Händler eingefunden, und das gute englische Geld hatte so flott kursiert, daß den Bauern im Hochlande das Herz im Leibe lachte.

Eine ganze Reihe stattlicher Herden zogen unter der Aufsicht von Händlern oder Obertreibern, denen das beschwerliche Geschäft obliegt, das auf den Märkten erstandene Vieh oft hunderte von Meilen auf die Triften oder in die Meierhöfe zu schaffen, wo es für die Fleischbänke gemästet werden soll. Außerordentlich kundig darin sind die Hochländer; sie scheinen diesem Geschäft ganz ebensoviel Sympathie entgegenzubringen wie dem Kriegshandwerk, wohl weil es an Ausdauer, Körperkraft und Rührigkeit die gleichen Ansprüche stellt.«

Ein solcher Viehtreiber muß die »Viehwege« im Lande genau kennen, die gewöhnlich durch die wildesten Gegenden führen, weil die großen Heerstraßen, die den Füßen der Tiere, und die Schlagbäume, die den Geldbeuteln der Händler stark zusetzen, gemieden werden müssen. Auf dem breiten, grünen oder grauen Pfade über das Moor zieht die Herde nicht allein bequem und abgabenfrei, sondern findet auch, wenn der Treiber sich einigermaßen auf die Sache versteht, unterwegs ihr Futter. Nachts schläft der Treiber unter seinem Vieh, ohne Rücksicht auf die Witterung, und gar manchem dieser wetterharten Gesellen passiert es, daß auf der langen Strecke von Lochaber bis Lincoln er kein einziges mal unter Dach kommt. Ein solcher Treiber bekommt sehr guten Lohn, denn das Kapital, das ihm anvertraut ist, macht eine stattliche Summe aus, und von seiner Umsicht, Wachsamkeit und Ehrlichkeit hängt es viel ab, daß das Vieh den Markt in gutem Zustande erreicht und den gehofften Vorteil abwirft.

Außer seinem Dolch oder Skene-dhu (schwarzes Messer), den er unter dem Arm oder in den Falten seines Plaid verborgen trägt, und dem Knüttel, den er für das Vieh braucht, führt solcher hochländische Treiber keine Waffen.

Nie fühlt sich der Hochländer wohler als auf solcher »Tour«, die ihm zufolge der mannigfaltigen Abwechslung, die sie bringt, Gelegenheit über Gelegenheit zur Befriedigung der jedem Kelten angeborenen Wißbegierde und Wanderlust bietet. Ort und Umgebung wechseln alle Augenblicke. Hierzu kommen die bei solchem Beruf unausbleiblichen kleinen Abenteuer, der Verkehr mit Bauern- und anderem Treibervolk, hin und wieder gewürzt durch einen frischen fröhlichen Trunk, der um so besser mundet, als er nichts kostet, denn jeder Treiber hat auf seiner »Tour«, gleichviel wohin sie führt, freie Zeche.

Von allen Treibern, die an dem Morgen auf ihre »Tour« gingen, an welchem diese Erzählung anhebt, setzte keiner die Mütze kecker auf das Ohr und schnallte keiner die Beinkleider fester am Knie, als Robin Oig M'Combich, gewöhnlich Robin Oig genannt, was soviel wie Robin der Jüngere oder Kleinere bedeutet.

Freilich war er klein, Robin Oig, aber so schnell und flink wie die flinkste Geiß auf seinen Bergen, und manch größerer und kräftigerer Mann neidete ihm den leichten Tritt, den er an sich hatte, und die flotte Weise, wie er sein Plaid umschlug und seine Mütze aufsetzte. Haltung und Wesen Robin Oigs verrieten deutlich, daß er recht gut wußte, wie es ein schmucker Hochländer anfangen muß, die Blicke der Dirnen im Unterland auf sich zu lenken. Sein gesundes, kraftstrotzendes Gesicht mit den vollen Wangen, den roten Lippen und weißen Zähnen, dem alle Witterungseinflüsse keinen Abbruch tun konnten, war ihm hierbei gewiß kein Hindernis. Wenn auch Robin Oig, nach dem Brauch seiner Landsleute, weder viel lachte noch häufig lächelte, so blitzten doch seine hellen Augen so lustig unter seiner Mütze, daß sich jeder zur Fröhlichkeit gestimmt fühlte, der ihn ansah.

Robin Oigs Aufbruch, war für die kleine Stadt kein geringfügiges, denn er besaß dort und in der Umgegend manchen Freund und auch manche Freundin. Angesehen in seinem Fach, machte er ziemlich große Geschäfte auf eigene Rechnung und genoß bei den reicheren Bauern im Hochlande mehr Vertrauen, als manch anderer seines Standes. Es wäre ihm ein leichtes gewesen, seinem Geschäft eine größere Ausdehnung zu geben, sobald er sich hätte entschließen können, fremde Leute bei sich zu beschäftigen. Aber Robin Oig mochte hiervon nichts wissen und beschränkte sich auf die Beihilfe einiger Söhne seiner Schwester. Es läßt sich wohl annehmen, daß er recht genau wußte, wie sehr sein Ruf auf seinem persönlichen Ansehen und seinem persönlichen Arbeiten beruhten; und darum ließ er sich an dem hohen Lohne genügen, der Leuten seines Standes bezahlt wurde, und tröstete sich mit der Hoffnung, daß ihn ein paar Reisen nach England in den Stand setzen würden, später auf eigene Rechnung zu arbeiten und in solcher Weise, wie sie sich mit seiner Geburt und seinen Anschauungen vertrug.

Robin Oig war aus vornehmem »Clan«, denn sein Vater M'Combich, mit dem Zunamen M'Gregar, führte diesen Namen von dem berühmten Rob Roy und hatte ihn bekommen auf Grund des innigen Freundschaftsbundes, der zwischen Robins Großvater und diesem berühmten Häuptling bestanden hatte. Manche wollen sogar wissen, Robin Oig führe seinen Vornamen nach einem Manne, der in den Wildnissen von Lochlomond ganz dieselbe Berühmtheit genossen habe wie sein Namensvetter Robin Hood in der Gegend des lustigen Scherwalds. »Welcher Mensch möchte,« wie Jakob Boswell sagt, »nicht stolz auf seine Ahnen sein?« Robin Oig war auch wirklich stolz, aber auf seinen häufigen Märschen nach England und ins Unterland hatte er die Einsicht gewonnen, daß er sich mit dem, was ihm in seinen abgelegenen Bergen noch ein bißchen Ansehen geben konnte, anderswo nur lächerlich machen oder in Mißkredit setzen konnte. Ihm war der Ahnenstolz dasselbe, was dem Geizhalse sein Geld ist: ein Ding, an dem er sich heimlich weidete, mit dem er sich aber Fremden gegenüber niemals großtat.

Viele Glückwünsche wurden Rubin Oig mit auf den Weg gegeben. Kenner lobten seine Herde, besonders den besseren und schöneren, Robin selber gehörigen Teil. Manche boten ihm eine Prise zum Abschied, andere einen Abschiedstrunk, und alle riefen: »Glückliche Ausfahrt und frohere Heimfahrt! Viel Glück auf dem sächsischen Markte! Bringt die Brieftasche recht dick mit Papiergeld und die Geldtasche bis zum Rande voll englischen Goldes mit nach dem Hochlande wieder!«

Von den Dirnen, die ihm ein sittsames Lebewohl sagten, war mehr als eine, die bei sich dachte, die beste Busennadel gebe sie hin, wenn sie wissen könnte, sie sei die letzte gewesen, die sein Auge gegrüßt habe, als er in die große Heerstraße bog.

Zweites Kapitel

Robin Oig hatte eben mit dem ersten Huhu-Schrei die saumseligen Tiere seiner Herde angetrieben, als er hinter sich den Ruf hörte:

»Halt, Robin! Wart ein wenig! Hier ist Jannet von Tomahourich, die alte Jannet, deines Vaters Schwester!«

»Hol der Henker die alte Hochlandshexe!« rief ein Bauer aus Stirling, »sie bringt uns bloß Krankheit über das Vieh!«

»Das läßt sie wohl bleiben,« sagte ein anderer, »denn Robin Oig ist nicht der Mann, eins seiner Tiere mit auf den Marsch zu nehmen, dem er nicht den Mungos-Knoten in den Schweif gebunden hätte. Ein solcher Knoten kann die schlimmste Hexe abhalten, die je auf einem Besen über Dimajet geritten ist.«

Das Vieh im Hochlande ist, wie hier gesagt sein mag, dem Behexen in hunderterlei Fällen ausgesetzt. Kluge Leute wissen es dadurch zu verhindern, daß sie ihrem Vieh unten am Schweif eine besondere Art Knoten in das Haarbüschel knüpfen.

Aber das alte Weib, das den Bauern zu solchen Bemerkungen Anlaß gegeben hatte, schien sich um das Vieh nicht im geringsten zu bekümmern, sondern ihre Aufmerksamkeit allein dem Treiber zu schenken. Robin dagegen schien sie nicht gern hier zu sehen. »Muhme, was fällt Euch denn ein,« fragte er, »so früh am Morgen Eurem Kamin den Rücken zu wenden? Ich habe Euch doch gestern Lebewohl gesagt und Euren Glückwunsch mit auf den Weg genommen.«

»Ja, du Vogel meines Herzens,« antwortete die Sibylle, »hast mir ja auch Geld dagelassen mehr, weit mehr, als solch unnützes altes Weib brauchen kann. Aber wenig möchte mich die Speise, die mich nährt, und das Feuer, das mich wärmt, ja, auch Gottes Sonne kümmern, geschähe meines Vaters Enkel anders als Gutes! Also laß mich den Kreis um dich her ziehen, damit du wohlbehalten das ferne Land erreichst und wohlbehalten den Weg in deine Heimat zurückfindest.«

Halb verlegen, halb verdrießlich blieb Robin Oig stehen, dann lachte er und gab den anderen durch eine Gebärde zu verstehen, daß er es der alten Frau bloß zu Gefallen tue. Inzwischen zog sie unsicheren Schrittes den zauberischen Kreis um ihn, der nach einigen aus der Druidenzeit herstammen soll und auf die Weise gebildet wird, daß die Person, die den Kreis zieht, dreimal um die Person, der die feierliche Handlung gilt, herum schreitet, und zwar in der Richtung des Sonnenlaufs.

Auf einmal aber blieb sie stehen und schrie voll Entsetzen:

»Enkel meines Vaters! Du hast Blut auf der Hand!«

»Um Gotteswillen, Muhme, seid still!« rief Robin Oig; »mit diesen eingebildeten Ahnungen bereitet Ihr Euch mehr Unruhe, als Ihr in langer Zeit wieder loswerden könnt.«

Aber die Alte sah ihn an mit gräßlichem Blicke und schrie wieder:

»Blut hast du auf der Hand, Enkel meines Vaters, und zwar englisches Blut, denn das Blut eines Galen ist voller und röter. Laß sehen! Laß !«

Und ehe Robin es hindern konnte – was auch nur unter, Aufbietung von Gewalt möglich gewesen wäre, so energisch und schnell waren ihre Bewegungen hatte die Alte aus, den Falten seines Plaid den Dolch, hervorgezogen und hielt ihn in die Höhe. Obgleich der Stahl hell in der Sonne blitzte, rief sie:

»Blut Blut wieder Sachsenblut! Robin Oig M'Combich, heute zieh nicht nach England!« »Pah!« versetzte Robin Oig, »das geht nicht mehr, denn da könnte ich ebenso gut aus dem Lande gehen! Schämt Euch, Muhme, und gebt mir den Dolch! Ihr könnt nicht das Blut eines schwarzen vom Blut eines weißen Ochsen unterscheiden und wollt sächsisches Blut vom gälischen herauskennen? Muhme, alle Menschen haben ihr Blut von Adam. Gebt mir mein schwarzes Messer her, und dann gebt mir den Weg frei! Ich könnte schon halbwegs bis Stirling sein. Gebt mir den Dolch her und den Weg frei!«

»Ich gebe ihn dir nicht,« rief die Alte, »und laß auch, dein Plaid nicht eher los, als bis du mir versprichst, diese unselige Waffe nicht bei dir zu tragen.«

Da Robin sah, daß die Bauern vom Unterland dem Auftritt mit finsterer Miene zusahen, hielt er es für geraten, ihm ein Ende zu machen.

»Nun gut,« sagte er und reichte Hugo Morrison die Scheide des Dolches, »ihr Unterländer gebt auf solchen Kram nichts. Hebt mir den Dolch auf! Schenken kann ich ihn Euch nicht, denn er stammt von meinem Vater. Aber Eure Herde zieht mit der unsrigen und mir soll es recht sein, wenn Ihr ihn mir aufhebt. Seid Ihr es zufrieden, Muhme?«

»Das muß ich wohl,« antwortete die Alte, »das heißt, wenn der Mann töricht genug ist, dein schwarzes Messer zu nehmen!«

Der kräftige Westländer lachte laut auf und sagte:

»Liebe alte Frau! Ich bin Hugo Morrison von Glenä und stamme von den uralten Manly Morrisons, die nie in ihrem Leben eine kurze Waffe wider einen Mann führten. Sie hatten es ja auch nicht nötig, denn sie hatten ihre breiten Schwerter, während ich bloß solchen Spazierstock habe« bei diesen Worten schwenkte er einen furchtbaren Prügel durch die Luft »denn das Stechen über den Tisch, das überlasse ich meinem lieben John dem Hochländer! Schnaubt nur nicht, Ihr Burschen vom Hochland, besonders Ihr nicht, Robin Oig! Wenn Euch das Geschwätz der alten Hexe bange macht, Kamerad Robin, so will ich Euch gern das schwarze Ding aufheben und geb's Euch wieder, sobald Ihr's braucht.«

Robin paßte mancherlei in diesen Worten Hugo Morrisons nicht so recht, allein er hatte auf seinen Marschen und Zügen sich mehr Geduld angewöhnt, als einem Hochländergemüt von Haus aus eigen war. Deshalb nahm er das Angebot Morrisons an, ohne sich an die geringschätzige Art und Weise zu kehren, auf die es gemacht wurde.

»Hätte er nicht seinen Morgentrunk im Kopf, so würde dieses Dumfrieser Schwein ganz sicher so ungezogen nicht geschwatzt haben. Aber von einem Schwein läßt sich ja nichts Besseres erwarten, als daß es grunzt. Eine Schande ists aber doch, daß ein solcher Saukerl wie der meines Vaters Dolch tragen soll!«

Mit diesen Worten, die er aber auf gälisch sprach, trieb Robin sein Vieh an und winkte allen Zurückbleibenden ein Lebewohl zu. Dann eilte er um so schneller hinweg, als er in Falkirch einen Kameraden und Handwerksgenossen zu finden hoffte, mit dem er die Wanderung weiter zu machen gedachte.

Drittes Kapitel

Robin Oigs Freund war ein junger Englischer, Harry Wakefield mit Namen, auf allen nordischen Märkten wohlbekannt und in seinem Lande ebenso bekannt und angesehen, wie unser hochländischer Treiber. Er war sechs Fuß hoch und in Leibeskünsten, wie Rennen, Ringen und Boxen, wohlerfahren. In Doncaster beim Pferderennen setzte er immer seine Guinee und gewann sie in der Regel. In Yorkshire wurde kaum einmal ein Faustkampf ausgefochten, bei dem er nicht dabei gewesen wäre, wenn es ihm seine Geschäfte irgend erlaubten.

Harry Wakefield war aber nicht bloß ein lustiger Bursche, der gern mal »was mitmachte«, sondern auch ein Bursche, der was auf sich hielt, der auch gesetzt sein konnte, wenn es am Platze war, und Robin Oig M'Combich, bei aller ihm eigenen Vorsicht, konnte wirklich nicht besser ankommen. Wenn Harry Wakefield auf Feiertage hielt, so war er an Werktagen auch tüchtig hinterher. Da rechnete er mit der Minute.

Von Aussehen und Gemüt war Harry Wakefield das Muster eines altenglischen Bauern, deren Spieße in so vielen hundert Schlachten anderen Völkern Englands den Sieg abgewannen und deren gutes Schwert auch zu unserer Zeit noch Englands wohlfeilster und sicherster Schutz ist.

Es brauchte nicht viel, so ging sein fröhlicher Sinn mit ihm durch. Kräftigen Körpers und ziemlich wohlhabend, fand er sich leicht mit allen Situationen ab und sah Schwierigkeiten mit keckem Blick und frischem Selbstvertrauen ins Auge. Indessen war er bei allem sanguinischen Temperament keineswegs ohne Fehler. Leicht zum Zorn geneigt, nicht selten zänkisch, liebte er es, jeden Zwist mit einem Faustkampf zu schlichten, weil er selten einen Gegner fand, der es im Boxerkampfe mit ihm aufnehmen konnte.

Es läßt sich schwer sagen, auf welche Weise Harry Wakefield und Robin Oig miteinander bekannt wurden. Aber fest steht, daß ein kameradschaftliches Verhältnis zwischen ihnen bestand, wenn es auch dem Anschein nach nur wenig Dinge gab, die sie gemeinsam interessierten und gemeinsam besprechen konnten, sobald es sich um andere Dinge als um ihr Vieh handelte.

Robin Oig sprach nur unvollkommen Englisch, im Grunde ging sein Wortschatz in dieser Sprache nicht über die Ausdrücke hinaus, die sein Stand und Geschäft notwendig machten; wohingegen Harry Wakefield seine breite yorkische Zunge nie dazu bringen konnte, ein einziges gälisches Wort zu sprechen. Umsonst bemühte sich Harry auf einer Wanderung über das Minch-Moor ganze vier Wochen lang, das gälische Wort für Kalb, Lluh, richtig auszusprechen. Es war für ihn das richtige Schiboleth. Von Traquair bis nach Murder-Cairn hallte das Gebirge von den Versuchen des Sachsen, den schweren Einsilber zu radebrechen, und von dem herzlichen Gelächter, mit welchem jede dieser vergeblichen Anstrengungen von den Engländern und Schotten begleitet wurde, wider.

Indessen kannten sie auch bequemere und bessere Mittel, dies Echo zu wecken. Wakefield hatte manches Liebeslied zum Lob und Preise von Molly, Suschen oder Eilchen im Gedächtnis, und Robin Oig war die Gabe zu eigen, alte Heldengesänge in Menge zu pfeifen und, was dem Ohre des Südländers noch genehmer klang, gar manches nordisches Lied, wozu Wakefield den Baß pfeifen lernte.

Mochten auch für Robin Erzählungen von Wettrennen, Hahnenkämpfen und Fuchsjagden, wie sie sein Kamerad zum besten gab, kaum viel Interesse haben, anderseits von Wakefield die Sagen von den Kämpfen der schottischen Clans oder Sippen, vermischt mit den Märchen von Kobolden und Feen, vielleicht kaum richtig verstanden werden, so fanden sie doch gelegentlich an ihrer Gesellschaft ein Vergnügen, das sie nun schon drei Jahre lang bestimmt hatte, ihre Wanderungen miteinander zu machen, sobald sich ihr Wegziel in gleicher Richtung befand.

Einer fand im Umgang des anderen seinen Vorteil, denn wo hätte der Engländer einen besseren Führer durch das westliche Hochland finden können als Robin Oig, und wenn sie, wie Harry Wakefield sich ausdrückte, sich »rechts von der Grenze« befanden, wo hatte dann Robin Oig einen besseren Gefährten finden können als diesen »Südländer« mit seinem ausgebreiteten Ansehen und der wohlgefüllten Börse, die dem schottischen Freunde allezeit zu Gebote gestanden hätte?

Viertes Kapitel

Die beiden Freunde hatten zusammen die grasreichen Halden von Liddesdale durchwandert und befanden sich nun in dem gegenüberliegenden Teile von Cumberland, der in der Regel mit dem Namen »die Wüste« bezeichnet wird.

In diesen abgelegenen, wenig bevölkerten Strichen ließ sich das Vieh mit geringen Mitteln unterhalten; es fand sein Futter bald am Wege, bald auf den angrenzenden Weiden, zu denen ein munterer Seitensprung es brachte.

Nun aber veränderte sich die Szenerie. Sie gelangten in eine fruchtbare, gutbestellte Gegend, wo man das Vieh nicht weiden lassen durfte, ohne daß man sich zuvor mit den Eigentümern verständigt hatte.

Das galt zumal jetzt, da im Norden ein großer Viehmarkt gehalten werden sollte, auf welchem Schotten sowohl als Engländer Vieh zu verkaufen rechneten, und deshalb darauf sehen mußten, es gut genährt, wenigstens nicht abstrapaziert, auf den Markt zu bringen. Kein Wunder also, daß Weiden nur schwer erhältlich waren und viel Geld kosteten.

Dieser Umstand legte den beiden Freunden zeitweilige Trennung auf, indem jeder für seine Herde sich nach Unterkunft umsehen mußte. Unglücklicherweise fügte es sich nun, daß beide, ohne daß einer vom andern wußte, den gleichen Weideboden suchten, den ein in der Nähe wohnhafter Gutsbesitzer zu verpachten hatte.

Der englische Treiber wandte sich an den Verwalter, der ihm von früher her bekannt war. Nun hatte aber der cumbrische Squire, Mr. Ireby, der feit einiger Zeit Ursache zum Mißtrauen in die Ehrlichkeit seines Verwalters gefunden zu haben meinte, demselben untersagt, Weideboden ohne sein Wissen an Viehhändler abzugeben. Tags zuvor hatte jedoch Mr. Ireby eine Reise nach dem Norden unternommen, die ihn mehrere Meilen von seinem Besitztum entfernte, und so meinte der Verwalter, den Abschluß mit Harry Wakefield auf eigene Faust machen zu dürfen.

Mittlerweile wurde Robin Oig, ohne Kenntnis von dem, was sein Kamerad vorhatte, von einem stattlichen Herrn in langen engen Beinkleidern, kurzer Jacke, mit langen Sporen an den Hacken, eingeholt, der auf einem nach damaliger Mode an Schweif und Ohren gestutzten Klepper angeritten kam.

Der Herr begann ein Gespräch mit Robin und erkundigte sich über den Stand des Viehpreises, über die noch fälligen Märkte usw. Robin kam er als ein verständiger artiger Herr vor, er nahm sich deshalb die Freiheit, die Frage an ihn zu stellen, ob ihm vielleicht in der Gegend ein gutes Stück Weideland bekannt sei, auf das er sein Vieh eine Zeitlang treiben dürfe.

Seine Frage hätte kein willigeres Ohr finden können, denn der Herr war Gutsbesitzer und war ebenderselbe, mit dessen Verwalter Harry Wakefield bereits abgeschlossen hatte oder eben abschließen wollte.

»Du hast Glück, Schotte,« antwortete Mr. Ireby, »bei mir anzufragen, ich sehe ja, dein Vieh ist müde, und im Umkreise von drei Meilen habe ich das einzige Feld, das zu vermieten ist.«

»Hm, ein paar Meilen hält mein Vieh schon noch aus«, antwortete der verschmitzte Hochländer. »Indessen was begehrt Ihr für das Feld, wenn ich mein Vieh zwei bis drei Tage lang darauf weiden lasse?«

»Wir wollen nicht lange feilschen, schmucker Jungmann,« entgegnete der Gutsherr, »ich bin einverstanden mit deinem Vorschlag, wenn du mir ein halbes Dutzend Stiere für die Stallfütterung ablassen willst. Das ist gewiß nicht viel.«

»Und welche Tiere wünschen Euer Gnaden?« fragte Robin Oig.

»Hm laß sehen die zwei schwarzen hier dann den braunen den falben den dort mit dem gewundenen Horn, und den mit dem schwarzen Fleck was gilt das Stück?«

»Ei, ei,« machte Robin Oig, »Euer Gnaden sind Kenner, echter Kenner ich hätte mir selber keine besseren aussuchen können und kenne meine Tiere so genau, als wenn es meine eigenen Kinder wären.«

»Nun, Jungmann, was gilt das Stück?« fragte Mr. Irbey.

»In Doune und in Falkirch sind diesmal hohe Preise gezahlt worden«, versetzte Robin.

So ging das Gespräch weiter, bis sie zu einem bestimmten Preis für die Ochsen gelangt waren. Der Squire nahm dafür, daß er die Weide für Robins Herde hergab, die sechs Stiere in Kauf, und Robin schloß seiner Meinung nach einen ganz guten Handel ab, wenn auch das Gras nur mittlerer Güte war. Der Squire ritt neben dem Vieh her, weil er Robin nicht allein den Weg zeigen, sondern zugleich zusehen wollte, wie sich derselbe auf der Weide einrichten würde, auch wohl, weil er neugierig war, zu hören, wie es auf den letzten Märkten im Norden zugegangen war.

Man kam auf der Wiese an. Robin fand die Weide vortrefflich.

Nicht wenig erstaunt waren die beiden Männer aber, als sie dort den Verwalter des Squire antrafen, der gerade die Herden von Robins Kameraden, Harry Wakefield, auf denselben Weideboden eintreiben wollte, über den sein Herr soeben mit Robin Oig sich geeinigt hatte.

Mr. Ireby setzte seinem Pferde die Sporen in die Seiten und sprengte zu seinem Verwalter.

Nun erfuhr er, was zwischen den beiden Parteien vorgegangen war. Ohne weiteres erklärte er Harry Wakefield, dem englischen Treiber, sein Verwalter habe die Wiesen ohne sein Vorwissen und wider seine Instruktion verpachtet; Harry Wakefield müsse also anderswo sich Gras für sein Vieh suchen, denn hier könne er keins bekommen. Zugleich bekam der Verwalter einen derben Denkzettel für sein selbständiges Vorgehen und der Squire wies ihn an, das müde und ausgehungerte Vieh des Engländers, das sich gerade das lang entbehrte Futter wohl schmecken zu lassen anfing, von der Wiese zu treiben, um für das Vieh des schottischen Treibers, mit welchem das allein gültige Abkommen getroffen worden sei, Weideplatz zu schaffen.

Recht wohl erklärlich, daß der englische Viehhändler den schottischen, trotzdem es sein alter Kamerad war, mit schelen Augen ansehen lernte. Nicht minder erklärlich war, daß er sich im ersten Moment stark versucht fühlte, sich der Entscheidung des cumbrischen Squire zu widersetzen. Da jedoch jedem Engländer ein ziemlich scharfes Gefühl für Recht und Gerechtigkeit innewohnt, und da John Fleecebumpkin, der Verwalter, eingestehen mußte, seine Gewalt überschritten zu haben, blieb Wakefield zuletzt doch nichts weiter übrig, als mit seinem hungrigen Vieh anderswo Unterkunft zu suchen.

Robin Oig sah mit Verdruß, was sich zugetragen hatte und suchte eilends den Freund auf in der Absicht, ihm Teilung der Weide vorzuschlagen. Aber Harry Wakefield fühlte sich in seinem Stolz gekränkt und antwortete verächtlich:

»Nimm es nur ganz! Nimm es ganz! Wer beißt denn eine Kirsche in zwei Hälften? Du hast es eben heraus, die Leute zu beschwatzen und kannst einem alten ehrlichen Bauern auch wohl ein X für ein U vormachen! Schäme dich was, Kerl! Ich danke dafür, einem anderen die dreckigen Hände zu lecken um der Erlaubnis willen, bei ihm backen zu dürfen.«

Robin Oig tat der Verdruß, den der Freund litt, von Herzen leid, er ließ es sich aber nicht merken. Dagegen bat er denselben, sich doch nur eine Stunde zu gedulden, bis er sich von dem Squire das Geld für die verkauften Stiere geholt habe; dünn wolle er ihm helfen, sein Vieh auf einen guten Platz zu bringen, und ihm über das leidige Mißverständnis Aufklärung geben.

Aber der Engländer rief mit wachsendem Zorn:

»So? Verkauft hast du auch schon? Sieh da! Du verstehst es ja brillant, die Zeit abzupassen, wo sich ein Handel machen läßt. Es kommt dir auch dabei nicht drauf an, anderen vorzugreifen! Scher dich zum Kuckuck! Mir ist deine Galgenfratze zuwider, schon lange zuwider. Schämen solltest du dich, einem ehrlichen Kameraden in die Augen zu sehen!«

»Ich brauche mich nicht zu schämen, jemand vor die Augen zu treten,« versetzte Robin Oig, dem nun auch der Zorn aufzusteigen begann, »auch dir nicht, Wakefield! Das laß dir gesagt sein, und wenn du im Wirtshaus auf mich warten willst, will ich's dir vor den Leuten zeigen, daß ich mich dessen nicht schäme.«

»Es wäre am Ende gerade so gut, wenn du wegbliebst«, antwortete der Kamerad und kehrte Robin den Rücken.

Dann trieb er mit Hilfe des Verwalters mühsam sein Vieh zusammen und suchte anderswo unterzukommen. Der Verwalter ließ es sich eifrig angelegen sein, mit den Bauern in der Nachbarschaft zu verhandeln. Aber es konnte oder wollte keiner von ihnen Weideland abtreten. Schließlich wandte sich Wakefield an den Schenkwirt, bei dem er sich mit Robin Oig für die Nacht hatte quartieren wollen, ehe sie in solchen Zwiespalt gerieten.

Der Schenkwirt erklärte sich bereit, sein Vieh auf ein paar Tage auf dürres Heideland zu treiben, stellte aber hierfür keine niedrigere Forderung, als vordem der Verwalter des cumbrischen Squire gestellt hatte für das ihm durch Robin Oig vorgepachtete Gehege. Das steigerte bei Wakefield den Groll gegen den, wie er den Fall ansah, wortbrüchigen Freund noch weiter. Der Verwalter, ebenfalls gegen Robin Oig ergrimmt wegen des von seinem Gutsherrn bekommenen Verweises, trug auch nichts dazu bei, ihn zu beruhigen, sorgte im Gegenteil im Verein mit dem Schenkwirt und einigen anwesenden Gästen, die teils aus Schadenfreude, den Menschen, Gott seis geklagt, in allen Ständen eigen, teils aus dem auf der Grenze noch immer glimmenden Haß wider alle Schotten und alles, was schottisch ist durch allerhand Stichelreden dafür, Harry Wakefield noch stärker aufzubringen. Auch das starke englische Bier, bekanntlich immer ein Förderer der Leidenschaften, und zwar der schlimmen ebensowohl als der guten, tat in dem Falle auch seine Wirkung, und mit einer Kanne nach der anderen wurde der Trinkspruch »Verderben den falschen Freunden und harten Herren« begossen.

In der Zwischenzeit fand Mr. Ireby seine Freude daran, den »schmucken Schotten«, der ihm gefiel, in seinem alten Herrensaale zu bewirten. Er ließ ein tüchtiges Stück Ochsenfleisch auftragen, dazu eine Kanne schäumenden Hausbiers, und ergötzte sich an dem kräftigen Appetit, den Robin Oig entwickelte, um diese ihm ungewohnten Leckerbissen zu verschlingen.

Der Squire steckte sich eine Pfeife an und spazierte mit edelherrlicher Würde, ohne aber den Bauer verleugnen zu können, in seinem Herrensaale auf und ab während er sich mit seinem Gaste, von herablassender Höflichkeit überschäumend, unterhielt.

»Ich bin noch an einer anderen Herde vorbeigekommen, Schotte,« sagte der Squire, »die auch von einem Landsmann von dir getrieben wurde. Die Tiere waren aber schwächer und geringer als unsere. Es war ein langer Mensch da, der aber keinen Schurz trug wie Ihr, sondern ein hübsches Beinkleid. Ist er dir bekannt?«

»Gewiß, das muss Hughie Morrison gewesen sein! Ich hätte nicht gedacht, dass er schon wieder auf den Beinen sei. Er war einen Tag bei uns. War er weit hinten?«

»Ich schätze, etwa ein halbes Dutzend Meilen,« versetzte der Squire, »denn ich habe ihn beim Christenbury-Cragg getroffen und dich beim Hollan-Busch eingeholt. Wenn sein Vieh läuft, verkauft er vielleicht.«

»Nem, nein! Hughie Morrison ist keiner, der was verkaufen kann! Aber ich muss Euch nun gute Nacht wünschen, Squire, denn ich muss nach der Schenke, um zu sehen, ob sich Harrys Zorn inzwischen gelegt hat.«

Fünftes Kapitel.

Im Wirtshaus saß alles in voller Unterhaltung über die von Robin Oig an seinem Freunde Wakefield begangene Falschheit. Wie es bei solchen Anlässen zu sein pflegt, so trat auch hier, als Robin Oig eintrat, plötzlich Stille ein. Das Gespräch, das sich um ihn gedreht hatte, wurde abgebrochen. Es herrschte jene Stille in der Schenkstube, die dem Eintretenden deutlicher als Tausende von Worten sagt, dass man ihn lieber gehen als kommen sieht.

Verwundert und gekränkt, aber nicht verlegen über solchen Willkommen, im Gegenteil unverzagt und stolz, setzte sich Robin Oig, in einiger Entfernung von dem Tische, an welchem außer Harry Wakefield noch John Fleecebumpkin, der Verwalter und zwei andere Männer saßen. Freilich war die Schenkstube groß genug, dass er sich weitab hätte setzen können; und besser wäre es schließlich wohl auch gewesen, er hätte sich mit einem Gruße, wenn auch einem kurzen, hingesetzt, statt darauf zu pochen, daß ihm kein Wort des Grußes vergönnt würde.

Er steckte sich die Pfeife an und forderte einen Krug Bier von der Sorte zu zwei Penny.

»Zwei Penny-Bier führe ich keins,« versetzte Ralph Huskett, der Wirt, »da du aber deinen eigenen Tabak führst, bringst du dir wahrscheinlich auch eigenes Getränk mit. Bei Euch ist es wohl, glaube ich, Brauch so im Lande.«

»Pfui doch, Mann! Schäme dich!« rief die Wirtin, eine dralle rührige Hausfrau, indem sie sich beeilte, dem Gaste vorzusetzen, was er begehrte; »du weißt recht gut, was der Fremde will, und als Wirt ist es doch Wohl deine Pflicht, höflich zu sein. Wenn der Schotte eine kleine Flasche lieber hat als eine große, so geht daraus noch nicht hervor, daß er seine Zeche nicht bezahlen wird!«

Ohne auf diese Unterhaltung der Eheleute zu achten, nahm der Hochländer den ihm von der Wirtin gereichten Krug und trank der Gesellschaft zu mit dem Spruche: »Auf guten Markt!«

»Besser möchten sie schon sein, unsere Märkte,« meinte einer von den Pächtern, »wenn uns nicht gar so viel Wind von Norden her bliese und ein paar Viehherden weniger aus dem Hochlande herunterkämen, uns das Gras von den Wiesen zu fressen.«

»Ich meine, Freund, damit habt Ihr nicht recht«, erwiderte Robin gelassen; »wer frißt denn unser armes schottisches Vieh anders als ihr fetten Engländer?«

»Mir wäre es schon lieber, es fände sich was ein, das alle Viehtreiber fräße!« meinte ein anderer; »denn kein ehrlicher Engländer mehr kann den Bissen Brot schlucken, der ihm im Munde steckt, sobald er solches Subjekt bloß von weitem sieht.«

»Und kein ehrlicher Diener mehr rechnen, sich bei seinem Herrn in Gunst zu halten, so stehlen sich diese Kerle zwischen den Herrn und das Sonnenlicht«, rief der Verwalter.

»Wenn das Späße sein sollen,« sagte Robin Oig noch immer mit Ruhe, »so sind es ihrer wohl zuviel für einen!«

»Von Spaß ist keine Rede,« rief der Verwalter, »was ich sage und was hier gesprochen wird, ist voller Ernst. Denn wir sind der Meinung, Robin Oig oder wie Ihr sonst heißen mögt, wohlverstanden, alle die wir hier sitzen der Meinung Robin Oig, daß Ihr Euch gegen unseren Freund, Mr. Harry Wakefield hier, benommen habt, wie sich kein Kamerad elender und erbärmlicher benehmen kann.«

»Ganz sicher, ganz sicher,« entgegnete Robin mit großer Gelassenheit, »und für Richter in solcher Sache wie euch wohlverstanden euch alle zusammen hier gebe ich keine Prise Tabak! Wenn Mr. Wakefield weiß, wer ihn beleidigt hat, dann weiß er auch, an wen er sich zu wenden hat!«

»Recht hat er gehabt, wenn er das sagte!« rief nun Wakefield, der im Widerstreite zwischen seinem Unmut über Robins kürzliches Benehmen und der wiederauflebenden früheren Freundschaft dem Wortwechsel zugehört hatte.

Mit diesen Worten stand er auf und trat zu Robin, der seinerseits aufstand und ihm die Hand hinhielt.

»Recht so, Harry!« erklang es von allen Seiten; »gib es ihm tüchtig!«

»Haltet euer Maul und schert euch zum Teufel!« rief Wakefield.

Dann drehte er sich zu seinem Kameraden herum und nahm mit einer Miene, in der Trotz und Achtung zugleich lagen, seine Hand.

»Robin,« sprach er, »du bist heute schlecht mit mir verfahren, aber wenn du mir als ehrlicher Kerl die Hand geben und einen Gang mit mir auf dem Rasen draußen machen willst, so will ich dir dein Benehmen nicht nachtragen, und wir wollen bessere Freunde sein als je.«

»Wäre es nicht aber besser, Harry,« wandte Robin ein, »wir würden die alten wieder ohne solchen Umweg? Ich sollte meinen, die neue Freundschaft müßte besser halten, wenn wir sie mit ganzen Knochen schlössen, statt daß wir uns vorher die Knochen zerschlügen?«

Harry Wakefield stieß die Hand des Freundes von sich.

»Daß ich drei Jahre mit einer Memme umgegangen bin, habe ich doch nicht gedacht«, sagte er.

»Memme lasse ich mich nicht heißen«, rief Robin mit blitzenden Augen, ohne aber sich aus der Fassung bringen zu lassen. »Als du vom schwarzen Felsen abgestürzt warst und die Fische im Schlunde unten sich schon auf die leckere Beute deines Fleisches freuten, da waren es keiner Memme Beine oder Hände, Harry, die dich aus den Fluten des Frew in die Höhe arbeiteten.

»Das ist freilich wahr, Robin, das ist nur allzuwahr!« sagte der Engländer, des ernsten Ereignisses jetzt auch wieder eingedenk.

»Wie?« rief der Verwalter, »Harry Wakefield, der stärkste Kerl von Carlisle Sands und Stagshaw-Bank, wird sich doch nichts vormachen lassen? Aber so geht es jedem, der lange mit den Kerlen in Kilts und Mützen umgeht. Darüber vergessen wir Männer den Gebrauch unserer Hände.«

»Ich könnte Euch bald zeigen, Mr. Fleecebumpkin,« sagte Harry Wakefield, »daß mir der Gebrauch der Hände noch nicht abhanden gekommen ist!« Dann wandte er sich aber zu Robin! »Wir müssen einen Gang miteinander machen, wenn wir nicht zum Gerede im Lande werden wollen. Des Teufels will ich sein, wenn ich dir die Knochen zerschlage, und meinetwegen ziehe ich schließlich auch Handschuhe an! Aber laß dir's nicht noch einmal sagen, sondern komm und stell dich als ein Mann!«

»Um mich prügeln zu lassen wie einen Hund?« antwortete Robin; »liegt darin Verstand? Wenn du der Meinung bist, unrecht von mir erlitten zu haben, so will ich mit dir vor den Richter, wenngleich es mir an Verständnis gebricht für sein Gesetz wie seine Sprache.«

»Nein, nein!« schrien jetzt alle drei wie aus einem Munde, »kein Gesetz, keinen Richter! Einen Buckel voll Prügel, und ihr seid wieder Freunde.«

»Aber ich verstehe mich nicht darauf,« wandte Robin ein, »mit Fäusten und Nägeln zu balgen.«

»Wie denkst du dir denn die Sache sonst?« fragte sein Gegner; »es wäre doch Grobheit, wollte ich dir eine Schramme aufzeichnen!«

»Mit dem Schwerte will ich mich schlagen und fallen beim ersten Hiebe, der Blut gibt wie es sich geziemt für Edelleute!«

Helles Gelächter folgte auf diesen Vorschlag, den Robin Oig weniger sein Verstand als sein aufsteigender Grimm eingegeben hatte.

»Edelleute!« hallte es von allen Seiten wider »Viehtreiber und Edelmann!« Und das Gelächter wollte kein Ende nehmen. »Schockschwerenot! ein stattlicher Herr, das muß wahr sein! Heda, Ralph Huskett, kannst du nicht ein paar Schwerter auftreiben für Mr. Robin Oig, Edelmann von Ochskopfs Gnaden« alles brüllte vor Lachen »daß er sich mit dir duelliert?«

»Nein,« antwortete Ralph Huskett, »das geht nicht an! Aber zum Waffenschmied nach Carlisle kann ich schicken oder einstweilen mit einem Paar Gabelzinken aushelfen.«

»Ei,« sagte wieder ein anderer, »es heißt ja immer, in Schottland kommen die Menschen mit der blauen Mütze auf dem Kopfe und mit Dolch und Pistol im Leibgurt auf die Welt?«

»Am besten wird es sein,« meinte Mr. Fleecebumpkin, der Verwalter, »man schickt zum Squire von Schloß Corby, daß er sich herbemüht und für unseren Viehtreiber-Edelmann den Sekundanten macht!«

Instinktiv griff der Hochländer, umtobt von diesem Gelächter und Spott, unter sein Plaid.

»Nein,« sagte er, aber in seiner Muttersprache, »besser nicht! Hundert Flüche lieber gegen diese Ferkelfresser, von denen keiner weiß, was Anstand und Höflichkeit ist.«

»Platz da, Gesindel!« rief er trotzig und schritt auf die Tür zu.

Aber sein einstiger Freund vertrat ihm den Weg und wollte ihn nicht weglassen. Als Robin die Tür mit Gewalt zu gewinnen suchte, warf ihn Wakefield zu Boden, und zwar so leicht, wie ein Junge einen Kegel.

»Einen Kreis! Einen Kreis!« rief es von allen Seiten, und so laut, daß die Balken mitsamt den dran hängenden Schinken zu wackeln und die Teller auf dem Küchenbrett zu klirren anfingen; »gut gemacht, Harry! Zahl's ihm heim, Harry! Jetzt faß ihn aufs Korn, Harry! Er sieht Blut!«

So schrien die Engländer um den Hochländer her, dessen Kaltblütigkeit und Ruhe sich jetzt in Grimm und Zorn verwandelten. Er sprang vom Boden auf und stürzte mit der Wut und Rachgier einer gereizten Wildkatze auf den Gegner los.

Aber Grimm und Raserei sind schlechter Einsatz gegen Gewandtheit, wenn sie sich mit Bedacht und Ruhe paart. Robin Oig unterlag von neuem. Ein schrecklicher Faustschlag streckte ihn zu Boden.

Die Wirtin lief herbei, um dem Gefallenen zu helfen. Aber der Verwalter wehrte ihr und ließ sie nicht zu Robin heran.

»Laßt den Kerl liegen,« sagte er, »der rappelt sich schon allein wieder auf. Es geht doch noch einmal los, denn der hat doch noch nicht genug.«

»Er hat nun weg, was ich ihm zugedacht habe,« sagte Harry Wakefield, dessen alte Freundschaft für Robin nun wieder zum Vorschein kam, »den Rest möchte ich am liebsten Euch geben, Fleecebumpkin, denn Ihr tut, als wenn Ihr alles am Schnürchen hättet. Der dumme Kerl von Robin war nicht einmal so gewitzt, daß er sich vorher das Plaid abtat, sondern hat mit dem Lappen über der Schulter gekämpft. Steh auf, Robin! Hörst du? Nun sind wir wieder die alten. Es soll nun einer kommen, der noch ein Wort redet wider dich oder dein Land!«

Robin Oig erhob sich. Aber erbitterter wie vordem und bereit, den Kampf von neuem zu beginnen. Die Wirtsfrau jedoch mischte sich ein und zog ihn zurück, und da er zudem sah, daß Harry keine Lust hatte, noch einmal zu kämpfen, so wandelte seine Wut sich in finsteren Trotz.

»Ach geh doch!« redete Wakefield ihm wieder zu mit der seinem Volke eigentümlichen Versöhnlichkeit, »so etwas mußt du dir nicht so zu Herzen nehmen!« und mit den Worten: »Komm, schlag ein, wir sind jetzt bessere Freunde als je.«

»Freunde?« rief Robin mit seltsamer Betonung »wir Freunde? Nimmermehr! Sei auf der Hut, Harry Wakefield!«

»Dann fahre dir Cromwells Fluch in den stolzen Schottenmagen! wie der Held im Schauspiel sagt tu mir dein Schlimmstes an und fahr zum Teufel! Mehr als nach dem Kampfe sagen, daß es einem leid sei, kann kein Mann.«

Hiermit trennten sich die Freunde.

Robin Oig sprach nicht mehr, sondern langte ein Geldstück aus der Tasche, warf es auf den Tisch und ging aus der Schenke. Aber unter der Tür blieb er stehen und schüttelte, zum Zeichen der Drohung oder der Warnung, die Hand gegen Wakefield.

Dann verschwand er im Mondeslicht.

Sechstes Kapitel.

Als Robin Oig aus der Schenke war, entspann sich zwischen dem Verwalter, der sich gern als Eisenfresser aufspielte, und Harry Wakefield, der jetzt, in wunderlichem Widerspruch, starke Lust verspürte, einen neuen Strauß zu wagen zur Verteidigung von Robin Oigs Ehre, »dem er es nicht weiter anrechnen wolle, daß er die Fäuste nicht so gut zu gebrauchen verstehe wie ein Engländer, denn es sei ihm nun einmal nicht angeboren.«

Aber Frau Huskett, die Wirtin, verhinderte diesen zweiten Zank. In ihrem Hause, sagte sie solle keine Schlägerei mehr vorfallen; es sei nun schon arg hergegangen »und Ihr, Mr. Wakefield,« setzte sie, zu dem Engländer gewandt, hinzu, »Ihr könnt es Euch hinter die Ohren schreiben, was es heißt, sich aus einem guten Freunde einen Todfeind zu schaffen.«

»Ach, reden Sie doch nicht, Frau Huskett! Robin Oig ist ein guter Kerl und wird mir die paar Faustschläge nicht nachtragen.«

»Rechnet nicht so stark darauf, Mr. Wakefield! Ihr kennt den Schotten nicht, wenn Ihr auch, noch so oft mit ihm zu schaffen hattet. Aber ich kenne ihn, kenne ihn gut, denn meine Mutter war auch eine Schottin.«

»Man siehts an ihrer Tochter«, sagte Ralph Huskett spöttisch.

Durch diese Reden nahm die Unterhaltung eine andere Wendung. Neue Gäste traten in die Schenke, während andere sie verließen. Man unterhielt sich von den Märkten, die in die nächste Zeit fielen, kam auf die Preise, die erzielt werden dürften, und auf die Abschlüsse zwischen Schotten und Engländern zu sprechen. Es wurden auch neue Abschlüsse gemacht, und Harry Wakefield fand für einen beträchtlichen Teil seiner Herde einen Großkäufer und erzielte ein hübsches Stück Geld als Gewinn.

Bald dachte infolgedessen keiner der Anwesenden mehr an den ärgerlichen Auftritt, der sich eben zugetragen hatte. Einer indessen war noch immer da, einer, dem der Besitz alles Viehs zwischen Esk und Eden den Auftritt nicht aus dem Gedächtnis hätte bringen können.

Dieser eine war Robin Oig M'Combich.

»Daß ich keine Waffe bei mir trug!«sprach er vor sich hin; »zum erstenmal in meinem Leben! Verflucht sei die Zunge, die dem Hochländer befiehlt, sich von seinem Dolche zu trennen! Der Dolch! Ha, das englische Blut an meiner Hand! Ha, was die Muhme sagte! Wann hat sich ihr Wort je als nichtig erwiesen?!« Die Erinnerung an die unselige Prophezeiung vor seinem Aufbruche bestärkte ihn noch mehr in dem Vorsatz, der in seiner Seele keimte.

»Ha! Weit kann doch der Morrison von hier nicht mehr sein! Und mag er hundert Meilen noch fern sein was tut's?«

Sein ungestümer Geist hatte jetzt ein sicheres Ziel erhalten, und mit einer Schnelligkeit ohnegleichen stürmte Robin Oig zurück nach den wilden Einöden, durch die, nach Mr. Irebys Reden, Hughie Morrison gezogen kommen mußte.

Das Gefühl, unrecht gelitten zu haben, unrecht von einem Freunde, schmerzte ihn tief. Es dürstete ihn nach Rache an einem, den er jetzt für seinen bittersten Feind hielt. Seine Vorurteile von Geburt und Ahnenstolz standen ihm um so höher, als er diese eingebildeten Vorrechte nicht mehr verwerten konnte. Sein Schatz war geplündert worden, geplündert von Freundeshand; die Götzen, die er im stillen angebetet hatte, waren entheiligt und entweiht. Beschimpft, geschmäht und geschlagen, hielt er sich des Namens, den er trug, nicht mehr für wert, des Stammes nicht mehr für ebenbürtig, dem er angehörte. Nichts blieb ihm mehr nichts als die Rache!

Dieser Gedanke reizte seinen Zorn bei jedem Schritt mehr. Die Rache sollte dem Schimpfe gleichwertig sein – die Rache sollte dem Schimpf auf dem Fuße folgen.

Sieben bis acht Meilen betrug die Strecke zwischen dem Wirtshause und dem dermaligen Aufenthalte Morrisons wenigstens, denn Morrison konnte des Viehs wegen, das er trieb, nur langsam vorwärts kommen. Über Stoppelfeld und Baumhecken, über Felsen und finstere Halden, über Raine und über Wiesen rannte Robin Oig und alles war in dem Mondlicht einer Novembernacht vom starren Reif beglänzt. Sechs Meilen lief er in der Stunde, und endlich drang aus der Ferne Gebrüll von Vieh an sein Ohr Morrisons Vieh und endlich sah er es, klein wie Maulwürfe und langsam wie Schnecken, über die weite Heide kriechen und endlich, endlich erreicht er die vordersten Reihen und stürzt, einem Rasenden gleich, durch die Herde hindurch zu ihrem Treiber.

»Was ist denn los?« rief der Südländer »bist du es, Robin M'Combich, oder ist es dein Geist?«

»Es ist Robin Oig M'Combich,« versetzte der Hochländer, »und nicht sein Geist. Aber laß das und gib mir meinen Skene-dhu!«

»Dein schwarzes Messer? Was? Willst also ins Hochland zurück? Sackerment! Hast du alles verkauft schon vor dem Markte? Das gäbe ja für alle Märkte des Jahres einen schlimmen Preisdruck!«

»Rede nicht so viel! Ich habe noch kein Stück meiner Herde verkauft, außer was mich das Weideland gekostet hat. Ich geh auch nicht nach Norden. Ich geh vielleicht überhaupt nicht mehr nach Norden. Meinen Dolch gib mir, Morrison, und schnell oder du sollst es mir büßen!«

»Ich kenne dich zu gut, Robin Oig, als daß ich dir den Dolch geben dürfte denk an die Worte deiner Muhme, die noch keine Ahnungen hatte, die sie trogen! Der Skenedhu ist eine schlimme Waffe in Hochländers Hand du hast gewiß wieder was Schlimmes vor!«

»Rede nicht so viel!« rief Robin Oig, von Ungeduld übermannt, »sondern gib mir meinen Dolch!«

»Halt ein, Kamerad, und besinne dich!« sagte wohlmeinend der Freund; »ich will dir sagen, was besser ist als diese Dolchaffären. Ich weiß, Hoch- und Unterländer und Grenzvolk sind alle eines Mannes Kinder, wenn du über dem Schottenkanal bist. Sieh, die Jungen von Eksdale und Charlie von Liddesdale, der Raufer, und die Buben von Lockerby und die vier Dandies von Lustruther und noch andere Grauröcke in Menge kommen hinten und wenn mir unrecht von jemand widerfuhr, nun, so hat doch der mannhafte Morrison noch eine Faust und, bei Gott und dem Teufel! Ich will dir beistehen, will zusehen, daß ich dir Recht schaffe, wenn Carlisle und Stanwix mir beide standhalten wollen!«

»Was soll ich noch länger hinter dem Berge halten, Morrison,« versetzte Robin Oig, um den Verdacht des Freundes zu beseitigen »ich habe mich zu einer Abteilung vom schwarzen Korps anwerben lassen und muß morgen in aller Frühe mit auf den Marsch.«

»Du dich anwerben lassen? Bist du toll gewesen oder betrunken? Kauf dich wieder los, Robin! Das mußt du, unbedingt! Ich kann dir zwanzig Kassenscheine geben zu je hundert und zwanzig andere noch, sobald ich mein Vieh los bin!«

»Vielen Dank, Hughie, vielen Dank! Aber ich geh den Weg, den ich gehe, aus freien Stücken. Also den Skene-dhu her! Den Skene-dhu her!«

»Na, dann hast du ihn, wenn alles Reden nichts helfen mag. Aber denk an meine Worte, Robin, denk dran! Ach, schlimme Kunde wird es sein auf den Märkten von Balquidder, wenn verlauten sollte, Robin Oig von M'Combich sei auf schlimme Bahn geraten und habe sich anwerben lassen, anwerben lassen bei den Rotröcken!«

»Schlimme Kunde für Balquidder und seine Märkte, ganz recht, Morrison!« wiederholte der arme Robin; »aber Gott geleite dich, Hughie ich wünsche dir guten Markt. Mit Robin Oig triffst du auf keinem Viehmarkt mehr zusammen.«

Mit diesen Worten schüttelte Robin Oig seinem Kameraden die Hand und rannte mit der gleichen Schnelligkeit wie er gekommen war, den gleichen Weg zurück.

»Der Robin hat doch wieder Händel«, brummte Hughie Morrison vor sich hin. »Nun, morgen werden wir ja besser wissen, wie es hierum steht.«

Siebentes Kapitel.

Aber lange noch, bevor der Morgen graute, war unsere Geschichte zu ihrem Ende gelangt.

Zwei Stunden waren seit der Schlägerei verstrichen, und kaum dachte noch jemand daran, als Robin Oig in Ralph Husketts Schenke zurückkehrte.

Die Stube war mit Leuten verschiedener Art gefüllt und alles redete oder lärmte durcheinander, jeder nach seiner Art: diejenigen, die ein Geschäft zusammen vorhatten, ernst und leise; andere, die sich bloß vergnügen wollten, lachten, schrien und sangen oder gaben sich allerhand Jux und Witz hin.

Zu den letzteren zählte auch Harry Wakefield, der zwischen Weiberröcken und fidelen Gesichtern saß und eben das alte Volkslied trällerte:

»Roger heiß ich bei den Leuten, Führe Pflug und Wagen «

Da ward er unterbrochen von einer ihm wohlbekannten Stimme, die ihm in hohem, ernsten Tone, mit dem scharfen Akzent des Hochländers zurief: »Harry Wakefield! Sofern du ein Mann bist, so stehe auf!«

»Was ist denn los? Was ist denn los?« schrien die Gäste durcheinander.

»Was denn sonst, als daß sich ein Hund von Schotte,« lallte Fleecebumpkin, der jetzt total betrunken war, »dem vorhin Wakefield das Fell tüchtig geschoren hat, nach einer zweiten Tracht umsieht?«

»Harry Wakefield,« rief zum andernmale die gleiche unheimlich drohende Stimme »sofern du ein Mann bist, so stehe auf!«

In der Sprache jener tiefsten Leidenschaftlichkeit, die alles, was Empfindung im Menschen heißt, in sich zusammenballt, liegt etwas von Grauen. Schon der Tonfall verursacht Schauder. Die Gäste fuhren auf allen Seiten zurück und starrten den Hochländer an, der zürnend wie der Rachegott mit zusammengezogenen Brauen, aufeinandergepreßten Lippen, mit all der kalten, starren Entschlossenheit des Menschen, der für das Leben abzurechnen vorhat, zwischen ihnen stand.

»Lieber Robin, ich stehe herzlich gern auf warum auch nicht?« sagte Harry Wakefield »aber bloß, um dir die Hand zu reichen und allen Groll, der etwa noch zwischen uns besteht, hinunterzutrinken. An deinem Herzen liegt es ja doch nicht, daß du die Faust nicht zu ballen verstehst.«

»Laß dir sagen, Freund Robin,« sagte Harry Wakefield, »daß es doch deine Schuld wahrlich nicht ist, nicht als Engländer geboren zu sein, und daß es doch dann auch kein Wunder ist, wenn du nicht besser zu kämpfen verstehst als ein Schulmädel.«

»Kämpfen kann ich, Wakefield und du sollst es erfahren!« versetzte mit finsterer Ruhe Robin Oig; »Wakefield, du hast mir heute gezeigt, wie sächsische Flegel kämpfen ich will dir jetzt zeigen, wie der Dunniewassle Name des eingeborenen Bergschotten in Schottland. (Anm. d. Ü.) des Hochlandes kämpft!«

Mit diesen grausigen Worten stieß er dem englischen Landmann seinen Skene-dhu in die breite Brust mit so tödlicher Kraft und Sicherheit, daß das Heft dröhnend gegen das Brustbein stieß und die doppelschneidige Spitze dem Unglücklichen das Herz spaltete.

Harry Wakefield fiel mit einem Röcheln um und war tot. Sein Mörder packte nun den Verwalter am Kragen und hielt ihm den blutigen Dolch an die Kehle. Schrecken und Bestürzung raubten dem Manne alle Kraft zur Verteidigung.

»Recht und billig wäre es, wenn ich dich ihm zur Seite legte«, sagte er; »aber auf meines Vaters Dolch soll sich kein Fuchsschwänzerblut mit dem Blute eines braven Mannes mischen.«

Mit diesen Worten schleuderte er den Mann mit einem einzigen Fußstoß bis an die andere Zimmerecke und die tödliche Waffe in das lodernde Feuer.

»Da!« sprach er; »greife mich, wer mag das Feuer mag das Blut lecken, wenn es das Feuer vermag!«

Noch stand alles, von Entsetzen übermannt, in Todesschweigen da, als Robin Oig nach einem Konstabler rief. Ein solcher trat aus der Menge und ihm übergab sich der Mörder.

»Eine blutige Tat ist's, die Ihr begangen habt!« sprach der Konstabler.

»Mit Eurer Schuld!« versetzte der Hochländer; »denn hättet Ihr vor zwei Stunden seine Hände von mir gehalten, so wäre er noch so gesund und munter wie vor zwei Minuten.«

»Eine schwere Verantwortung ist's, die Ihr vor Euch habt«, sagte der Konstabler wieder.

»Laßt Euch solches nicht kümmern! Der Tod tilgt alle Schuld und wird auch diese tilgen!«

Achtes Kapitel.

Das Entsetzen, das über allen, die diesem Auftritt beigewohnt hatten, lagerte, fing nun langsam an, sich in Empörung und Zorn zu verwandeln, und wenig fehlte, so hätten sie den Tod eines beliebten Kameraden der um einer Beleidigung willen, mit der solche Rache, ihrem Empfinden nach, im grellsten Widerspruch stand, in ihrer Mitte ermordet worden war an dem Täter auf der Stelle gerächt. Aber der Konstabler erfüllte seine Pflicht in diesem Falle aufs gewissenhafteste und brachte, unterstützt von einigen vernünftiger denkenden Männern, Pferde herbei, um den Mörder nach Carlisle ins Gefängnis zu überführen, wo er bis zum nächsten Gerichtstag in Verwahrsam bleiben sollte.

Der Mörder verhielt sich während dieser Vorbereitungen teilnahmslos und sprach kein Wort.

Aber als man ihn aus dem Zimmer führen wollte, äußerte er den Wunsch, die Leiche zu sehen, die vom Estrich aufgehoben und auf den langen Schenktisch gelegt worden war, denselben, an welchem Harry Wakefield noch vor wenigen Minuten in der Vollkraft und Ausgelassenheit seiner Jugend den Vorsitz geführt hatte denselben, auf welchem ihn jetzt die Ärzte untersuchen sollten, um den Tod festzustellen.

Das Gesicht der Leiche war mit einem Tuche verdeckt.

Zum Erstaunen und Entsetzen aller Anwesenden hob Robin Oig das Tuch auf und betrachtete das starre Gesicht, das noch vor wenigen Augenblicken so voll Leben gewesen war, daß die freudige Zuversicht in seine Körperstärke, das verächtliche und doch mitleidige Lächeln über das Ansinnen seines Feindes noch seine Lippen kräuselte, mit wehmütigem, aber festem Blicke.

Während die Umstehenden meinten, die Wunde, die das ganze Zimmer mit Blut getränkt hatte, werde von neuem zu bluten anfangen zufolge dieser Berührung durch Mörderhand, legte Robin Oig das Tuch wieder auf das Gesicht und sprach die wenigen Worte:

»Schade! Es war ein hübscher Mensch und ein netter Kerl! «

Neuntes Kapitel

Die kurze Geschichte ist zu Ende. Der Hochländer wurde zu Carlisle prozessiert. Anfangs war Gericht und Publikum gegen den Verbrecher, der den Freund aus Rache ermordet hatte, stark eingenommen. Bald aber machte sich die Rücksicht auf die eingewurzelten Vorurteile des hochländischen Bergvolkes geltend, die jede körperliche Mißhandlung als unauslöschlichen Schandfleck hinstellen, und als man die Langmut und Mäßigung in Erwägung zog, die der Mörder bei der Entwickelung des Vorfalles an den Tag gelegt hatte, da fühlten sich die Richter gedrungen, das Verbrechen als eine Verirrung aus falschem Ehrbegriff, nicht als die Tat eines von Natur rohen oder durch Laster verhärteten Gemüts aufzufassen. Die Geschworenen fällten, ihrer Pflicht und Instruktion gemäß, das Urteil. Es lautete auf schuldig des Mordes, begangen mit Vorsatz und Überlegung. Zufolge dieses Spruches wurde der Stab über Robin Oig M'Combich, sonst als Mac Gregor bekannt, gebrochen und der Mörder zum Tode geführt.

Er ertrug sein Schicksal mit musterhafter Standhaftigkeit und erkannte das Urteil als gerecht an. Aber mit Unwillen wies er Bemerkungen zurück, durch die ihm zum Vorwurf gemacht wurde, einen unbewaffneten Menschen angefallen zu haben.

»Ich gebe mein Leben für jenes Leben, das ich genommen habe,« sagte er »was kann ich mehr tun?«

Ende.


 << zurück weiter >>