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Gneisenau an Feldmarschall Fürst Schwarzenberg

Mehrere Jahrzehnte sind bereits seit den napoleonischen Riesenkämpfen verflossen, und die meisten Persönlichkeiten, welche in denselben vorgeleuchtet, sind geschieden aus unserer Mitte, hinabgestiegen in das Schattenreich, und ihre Namen gehören nur noch der Geschichte an. Diese aber muß ihre Data aus den Stimmen der Gegenwart suchen, und es ist Pflicht der Zeitgenossen, diese, nach Maßgabe als Leidenschaften und persönliche Rücksichten verhallen, soviel als möglich zu berichtigen. Dies geschieht oft spät, auch dann nur großenteils unvollkommen und ist oft erst der Nachwelt, welche nur später an das Tageslicht kommende Quellen entdeckt und benützt, vorbehalten. Insbesondere bei Feldherren ist dies der Fall. Über Tilly und Wallenstein – über den großen Eugen und den Helden Daun, den man ob seines Zauderns verhöhnte und dem man doch die Tage von Kollin und Hochkirch zuschreiben muß – stellen sich erst jetzt geläuterte Beurteilungen fest; – über den genialen Suwarow, den Sieger von Novi und Erstürmer des St. Gotthard, ist noch lange nicht alles Rühmliche gesagt, was seinen Heldentaten zukommt.

Der Feldmarschall Fürst Schwarzenberg, der Leiter der verbündeten Heere im napoleonischen Kampf, teilt dasselbe Los. Obzwar der Erfolg sein Beginnen mit den glücklichsten und glänzendsten Resultaten krönte, blieb er doch dem Tadel preisgegeben. Vor der Schlacht von Leipzig erwartete man nur mit größter Bangigkeit den Ausgang eines großen allgemeinen Zusammenstoßes mit der gesamten Napoleonischen Heeresmacht. Nach deren glücklichem Erfolg sah man wieder ängstlich dem Übergang über den Rhein – und endlich nach demselben dem schweren Kampf in Frankreich, wo der Kriegerkaiser mit seinen alten, kriegsgeübten, einst so sieggewohnten Banden wie ein anderer Antäus auf kraftgebendem, sicherm Boden stand, entgegen; als aber zuletzt, und zwar unter des Feldmarschalls Fürsten Schwarzenberg unmittelbarer oberster Leitung, der Krieg beendigt und der Friede in Paris geschlossen war, fanden sich viele, die behaupteten: man hätte das Ganze füglich viel besser führen und leichter sowohl als schneller zu Ende bringen können. Man riß und zupfte an den Lorbeeren des Feldmarschalls, jeder pflückte sich beliebig ein Blatt desselben ab, bis davon nichts übrigblieb als ein dürrer Zweig. Der Marsch auf Paris, der Übergang über den Rhein, die Leitung der Schlacht von Leipzig selbst wurden anfangs nur leise als nicht von ihm ausgehend, später als direkt gegen seinen Willen zum Glück und Frommen des Ganzen durchgesetzt, dargestellt; und Jomini, Butturlin u. a. m. bemühten sich, den Namen des Fürsten entweder zu verschweigen oder auch denselben eben nur mit den ungünstigen Ereignissen in Verbindung, bei den glänzenden Erfolgen aber andere in den Vordergrund zu bringen. Solange die Waffengefährten selbst, der hochherzige Kaiser Alexander, der biedere ritterliche Feldmarschall Blücher lebten, sprachen sich diese Meinungen vorsichtiger und zurückhaltender aus. Diese Persönlichkeiten bedurften keines erborgten Glanzes – sie hatten am eigenen genug, und Schmeichelei wäre ihnen als Hohn erschienen. Als aber auch diese Zeugen und Mitkämpfer hinabgestiegen waren, gab es keine Rücksicht mehr zu beobachten. Das Streben, die Mitwirkung Österreichs und somit auch die eines von dort ausgegangenen Feldherrn zu verkleinern und in den Hintergrund zu stellen, trat von allen Seiten hervor und hat sich vornehmlich in dem zahllose Unrichtigkeiten enthaltenden und von irrigen Ansichten strotzenden Werke Danilewskis kundgegeben. Daß nicht anfänglich viele, jetzt schon als Tatsachen anerkannte irrige Ansichten und Behauptungen berichtigt und auf den wahren Tatbestand zurückgeführt worden sind, lag, nebst mehreren andern Ursachen, in der Gleichgültigkeit, mit welcher der Feldmarschall auf seinen Anteil an der Ruhmeskrone verzichtete. Zufrieden mit seinem Bewußtsein, erschöpft von der physischen und geistigen Anstrengung, ging er heim zu seiner Gattin und seinen Kindern und »pflanzte und pflegte seine Bäume«, wie Prokesch sehr richtig sagt – und endlich hinab in das Grab, unbekümmert um Lob oder Tadel nach getaner guter Arbeit. Ob es aber uns, seinen Landsleuten, Waffengenossen, vornehmlich aber seinen Söhnen erlaubt sei, diese Gleichgültigkeit zu teilen, ist eine andere Frage.

Es dürfte uns nicht schwer fallen, aus authentischen Quellen manche die Ereignisse der Kriegsjahre 1812 bis 1815 betreffende Ansichten und Meinungen zu berichtigen und in einem ganz verschiedenen Licht darzustellen, als dies bis jetzt geschehen ist, wenn nicht die Abneigung gegen jeden Federkrieg und noch andere mannigfaltige Rücksichten uns bis jetzt noch die Hände und Feder gebunden hielten. Wir können aber nicht leugnen, daß wir durch die vielen, offenbar ungünstigen Stimmen, welche sich gegen den Sieger von Leipzig und dessen Wirksamkeit in den Jahren 1813 und 1814, und zwar insbesondere in Deutschland erhoben haben, oft schmerzlich berührt und verletzt worden sind. Namentlich ist dies noch kürzlich, als uns Rottecks und Welckers Staatslexikon, Supplement, zehnte Lieferung, Leipzig 1847, S. 637, zu Händen gekommen ist, der Fall gewesen. Es sei uns daher erlaubt, wenigstens in diesem Fall den Worten, mit welchen in diesem Werke des Feldmarschalls erwähnt wird, eine andere, und wir zweifeln nicht, wenigstens ebenso gewichtige und anerkannte Stimme entgegenzusetzen; der unparteiische Beurteiler mag alsdann mit sich selbst zu Rate gehen, welchen von beiden er ein entscheidenderes Gewicht über die Persönlichkeit des Feldmarschalls Fürsten Carl Schwarzenberg und dessen Wirksamkeit in dem Kampf gegen Napoleon beimessen will.

 

Schreiben des Generalleutnants von Gneisenau an den Feldmarschall Fürsten Carl zu Schwarzenberg:

Durchlauchtigster Fürst! Gnädigster Fürst und Herr! Bei Ew. Durchlaucht beschleunigter Abreise von Paris mußte ich des Glückes entbehren, mich von Ew. Durchlaucht beurlauben und Höchstdenenselben noch meine Verehrung bezeugen zu können, sowie Höchstihnen für die huldvolle Behandlung zu danken, womit Ew. Durchlaucht mich stets haben beglücken wollen. Das dankbare Andenken daran wird nie in mir erlöschen. Was Ew. Durchlaucht in dem heftigsten aller Kriege, deren die Geschichte gedenkt, geleistet haben, mit welchen unnennbaren, unzähligen Schwierigkeiten Sie zu kämpfen hatten, wie sehr Ew. Durchlaucht durch Ihr liebreiches, sanftes Betragen den Neid, die Mißgunst, die Scheelsucht, den unruhigen Ehrgeiz, die stolze Unwissenheit, die verwegene Anmaßlichkeit besänftigt, gebändigt und entwaffnet, und wie Sie die widerstrebenden Elemente zum gemeinschaftlichen Ziel geleitet haben, davon wird die späte Nachwelt noch dereinst mit Ruhm reden, und ich werde unter den Zeitgenossen keiner der Letzten sein, diese Ew. Durchlaucht gebührende Huldigung darzubringen. Möge das erhabene, nun durch Ew. Durchlaucht wieder in sein Erbe eingesetzte Erzhaus und die nun wieder befestigte Monarchie die Schwierigkeit der Rolle, die Ew. Durchlaucht übernommen und mit so viel Weisheit durchgeführt haben, ebenso dankbar anerkennen, als es diejenigen tun, die mit dem Zusammenhange der Dinge und mit dem Charakter der einwirkenden Personen vertraut, diese Schwierigkeit anerkannt und erwogen haben, und möge Ew. Durchlaucht ruhige Besonnenheit und starker Arm die österreichische Monarchie, deren Glanz dem Gleichgewichte und der Ruhe Europas unentbehrlich ist, bei der neuen Glorie derselben noch in späten Jahren schützen und erhalten. Geruhen Ew. Durchlaucht die Versicherung der reinen Verehrung huldreich aufzunehmen, womit ich bin Höchstihr untertäniger Diener, der Generalleutnant Graf Gneisenau.

Eilsen bei Bückeburg, den 26. Juni 1814.


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