Arthur Schopenhauer
Die Kunst, Recht zu behalten
Arthur Schopenhauer

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Kunstgriff 28

Dieser ist hauptsächlich anwendbar, wenn Gelehrte vor ungelehrten Zuhörern streiten. Wenn man kein argumentum ad rem hat und auch nicht einmal eines ad hominem, so macht man eines ad auditores, d. h. einen ungültigen Einwurf, dessen Ungültigkeit aber nur der Sachkundige einsieht; ein solcher ist der Gegner, aber die Hörer nicht: er wird also in ihren Augen geschlagen, zumal wenn der Einwurf seine Behauptung irgendwie in ein lächerliches Licht stellt: zum Lachen sind die Leute gleich bereit; und man hat die Lacher auf seiner Seite. Die Nichtigkeit des Einwurfs zu zeigen, müßte der Gegner eine lange Auseinandersetzung machen und auf die Prinzipien der Wissenschaft oder sonstige Angelegenheit zurückgehn: dazu findet er nicht leicht Gehör.

Exempel. Der Gegner sagt: bei der Bildung des Urgebirgs, war die Masse, aus welcher der Granit und alles übrige Urgebirg krystallisierte flüssig durch Wärme, also geschmolzen: die Wärme mußte etwa 200° R sein: die Masse kristallisierte unter der sie bedeckenden Meeresfläche. – Wir machen das argumentum ad auditores, daß bei jener Temperatur, ja schon lange vorher bei 80°, das Meer längst verkocht wäre und in der Luft schwebte als Dunst. – Die Zuhörer lachen. Um uns zu schlagen, hätte er zu zeigen, daß der Siedepunkt nicht allein von dem Wärmegrad, sondern eben so sehr vom Druck der Atmosphäre abhängt: und dieser, sobald etwa das halbe Meereswasser in Dunstgestalt schwebt, sosehr erhöht ist, daß auch bei 200° R noch kein Kochen stattfindet. – Aber dazu kommt er nicht, da es bei Nichtphysikern einer Abhandlung bedarf. –


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