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Erstes Kapitel.
Bis ins Grab

Der große Kirchhof der Hauptstadt war gedrängt voll Menschen. Obwohl die Seitenthore geschlossen und die Haupteingänge mit Wachen besetzt waren, wogten doch auf allen dahinführenden Zugängen immer neue Schaaren heran. Zwar versuchten es Manche, an den Häusern hin festen Fuß zu fassen, um so von einem sichern Platze aus das allgemein erwartete Schauspiel übersehen zu können, es war jedoch unmöglich; denn die Strömung war so stark, daß sie Alles mit sich fortriß, an der langgestreckten Kirchhofsmauer dahin, bis sich endlich das Gedränge auf die Wiesen und zwischen die kleinen Häuser entlud, in welchen dort die Stadt verlief. Am besten hatte es eine kleine Gesellschaft getroffen, welche von den erhöhten Stufen einer Schenke Besitz ergriffen hatte, die mit stumpfer Ecke ein paar an einander stoßende Straßen beherrschte und ziemlich hoch hinanstieg, sodaß sie, wie eine Art Terrasse, überdies von einem breiten, gestreiften Leinwanddache überspannt, ein ebenso bequemes als geschütztes Plätzchen abgab, von welchem aus der Ueberblick über die flutende Menge gegen den Kirchhof hin, sowie nach den rückwärts zur Stadt führenden Straßen vollkommen frei war. Es war eine gewöhnliche Schenke der niedern Art, in welcher meist nur Arbeiter, Gesellen oder Fuhrleute vom Lande einzukehren pflegten, welche, den Pflasterzoll und die theuren Zechen im Innern der Stadt scheuend, gern außerhalb der Mauern verblieben und ihre leichten Gestelle in einander schoben, daß sich daraus eine Art von Wagenburg bildete. Auch diese war von Kindern und schreienden Lehrjungen, mitunter auch von einem besonders neugierigen Erwachsenen erklettert worden, wie denn auch unter die Schurzfelle und Blousen auf der Terrasse einige besser gekleidete Gestalten sich gemischt hatten. Gegenüber stand ein ungewöhnlich großes Haus mit drei bis vier ansehnlichen Fensterreihen übereinander, deren Einförmigkeit es sofort als ein öffentliches Gebäude bezeichnet hätte, wenn, auch nicht mit schwarzen, massiven Eisenbuchstaben die Inschrift: Schulhaus daran angebracht gewesen wäre. Unter dieser Inschrift hing eine Tafel mit den Worten: Wahllokal des einundzwanzigsten Districts. Alle Fenster des Gebäudes, sowie die der andern Häuser waren dicht mit Köpfen von Schaulustigen besetzt, der Thorbogen aber, obwohl weit geöffnet, war vollkommen leer.

»Holla, wer rudert denn da mitten durch das Gedränge über die Gasse herüber?«, rief ein Bursche, dessen weiße Brustschürze nicht ganz unblutig war und dadurch den Kellner und Metzger der Wirtschaft zu erkennen gab. »Der muß tüchtig schwimmen und ausgreifen, wenn er da durchkommen will. Ha«, fuhr er fort, während die Gäste lachend nach der bezeichneten Richtung hinsahen, »jetzt erkenne ich ihn. Der kommt schon durch. Das ist der Drehermeister Gerbel. Der hat ein paar tüchtige Ellbogen am Leibe. Wer die in die Rippen bekommt, weicht ihm aus.«

»Richtig«, sagte ein daneben sitzender Bürger, an dessen zerstochenen Händen die Schneiderarbeit nicht zu verkennen war. »Es ist der Herr Gerbel. Ich erkenne ihn jetzt auch. Der gehört zum Wahlausschuß, der drüben im Schulzimmer seine Sitzungen hat. Er wird es wohl zu langweilig finden, da drüben Maulaffen feil zu halten; denn bevor nicht das Leichenbegängniß vorüber ist, denkt sicher Niemand daran, seine Stimme abzugeben.«

Der rüstige Dränger, Meister Gerbel, hatte inzwischen die Flut glücklich hinter sich und setzte, aufathmend wie ein Schwimmer, der einen Strudel überwunden hat, den Fuß auf die Treppe. Ehe er aber noch hinaufkam, schickte er vorsorglich schon die Stimme voraus, um für seinen lechzenden Gaumen einen Krug des verlockenden Bieres zu bestellen, das die Andern frisch und schäumend vor sich stehen hatten. »Das halte der Teufel aus!« rief er, nachdem er einen tiefen Zug gethan hatte, und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich bin herzlich gern dabei, meine Schuldigkeit als Bürger zu thun, aber die Geschichte ist doch gar zu dumm. Das kann kein Mensch verlangen, daß man sich in die leeren Stuben hinsetzt.«

Ein behäbig aussehender und fein gekleideter Mann, der etwas seitwärts gedrängt in der Ecke saß, wendete sich, wie von diesen Worten sympathisch berührt, nach dem Redenden um und zeigte ein Gesicht, in das dieser verwundert blickte, den Mund wie zum raschen Gruße schnell öffnete, dann aber enttäuscht ebenso schnell wieder schloß.

»Also ist die Betheiligung an der Wahl so gering?« fragte der Mann. »Es ist also nicht blos der augenblickliche Spectakel, welcher das Volk abhält, zur Wahlurne zu kommen? Ich habe es ja immer gesagt: unser Volk ist nicht reif für derlei tief verborgene Weisheit! Da können sich die neuen Beglücker von dem Werth ihrer Erfindungen fürs Volk am besten überzeugen.«

»Davon habe ich eben nichts gespürt«, erwiderte Gerbel, indem er sich den Andern seitwärts näher besah. »Ich meine im Gegentheil, es werden nicht viele Wahlberechtigte sein, die ihre Stimme nicht abgeben. Wozu braucht es da besondere Reife, um das zu verstehen? Die ganze Weisheit liegt darin, daß das Volk bisher stumm und dumm hat thun müssen, was die Andern sagten, und daß es jetzt auch dreinreden darf, und glauben Sie, Herr, nichts begreift das Volk leichter als das. Aber wie geschieht mir denn?« fuhr er nach wiederholter kurzer Betrachtung fort. »Der Herr kommt mir so bekannt vor; wenn Sie nicht die blauen Brillengläser vor den Augen und den Backenbart hätten, so würde ich sagen: es ist der Herr Gerichtsrath Weber.«

»Der bin ich auch in der That«, antwortete der Behäbige, indem er sich vollends nach dem Drechsler herumwendete. »Nur habe ich den Gerichtsrath an den Nagel gehängt. Ich habe mich wegen Augenleiden in den Ruhestand begeben, und das ist auch die Ursache, weshalb ich eine blaue Brille tragen muß.«

»Hm, das ist ja recht schade«, sagte Gerbel. »Dann nimmt's mich freilich nicht wunder, wenn Sie die Dinge in einem besondern Lichte sehen. Wenn Sie kranke Augen haben und überdies durch gefärbte Gläser schauen, ist es wohl nicht anders möglich. Es fällt mir jetzt auch ein, daß ich von Ihrer Inruhestandversetzung gehört habe; aber es hat ja geheißen, Sie seien nicht wegen Ihrer kranken Augen gegangen, sondern weil Sie mit dem neuen Schwurgerichte nicht einverstanden sind, das wir bekommen sollen.«

»Thörichtes Geschwätz!« brummte der Gerichtsrath. »Was sollte ich dagegen haben? Und selbst wenn ich gegen solche Einrichtungen meine Bedenken erheben müßte, würde ich sie doch für mich behalten, wenn Seine Durchlaucht einmal die Einführung eines neuen Gesetzes für ersprießlich halten und befohlen haben. Ich habe nichts dagegen! Meinetwegen mögen sie die ganze Welt umkehren und die Spitzbuben selbst zu Richtern machen. Man wird ja sehen, was die Rechtspflege dabei gewinnt und ob die Verbrechen sich mindern. Wir haben ja bald Gelegenheit dazu. Schon in den nächsten Tagen sollen die ersten Assisen, wie die neumodische Einrichtung heißt, abgehalten werden.«

»Ja, am nächsten Montag«, rief der Metzger herüber, indem er einige volle Krüge auf den Tisch stellte. »Einer von den Gerichtsboten ist heute vor dem Essen vorbeigekommen und hat uns die Nachricht gebracht, und der muß es doch wissen.«

»So bald schon!« nickte der Gerichtsrath mit vornehm geringschätzigem Lächeln. »Der Herr Drechslermeister stehen wohl auch auf der Liste der Geschworenen? Ah gewiß, das kann ich mir denken! In Ihrem Leben und in Ihrem Geschäfte haben Sie ja genug Gelegenheit gehabt, die sonderbaren Drehungen und den Kreislauf des Lebens zu beobachten. Warum sollten Sie nicht auch darüber zu Gericht sitzen können?«

Der Drechsler war eben im Begriffe, den Krug an den Mund zu bringen, setzte ihn aber etwas derb nieder und vergaß sogar den Deckel zu schließen. »Das soll doch nicht gar gestichelt sein?« sagte er. »Aber darauf gebe ich gar keine andere Antwort, als daß, wie Sie ja wissen werden, nach dem Gesetze Jeder Geschworener ist, der seine dreißig Jahre zählt, eine Steuer entrichtet und kein Verbrechen begangen hat. Daß ich Steuern zahle, werden Sie mir aufs Wort glauben, wie Sie mir auch ohne Taufschein ansehen, daß ich über den Schneider hinaus bin. Also müßte ich mir schon eine Erklärung erbitten, was mit der sonderbaren Frage gemeint sein soll.«

Der Rath befand sich sichtbar in einiger Verlegenheit und schien zu schwanken, was er dem derben Meister erwidern sollte, dessen ganzes Gebaren zeigte, daß er jeden Augenblick bereit war, seinen Worten allenfalls auch thätlichen Nachdruck zu geben. Es war ihm daher sehr willkommen, daß ein junger Mann, der anscheinend theilnahmlos in der Nähe gesessen, plötzlich in die Ferne gegen die Stadt zu deutete und ausrief: »Ich glaube, da vorn entsteht eine starke Bewegung, der Zug kommt.«

»Warum nicht gar«, sagte der Dreher, nachdem er sich flüchtig umgeblickt hatte. »Wenn Sie das für Soldaten halten, so dürfen Sie sich auch nach einer blauen Brille umsehen. Das ist gar nichts als die Menge, die sich durcheinander schiebt. Wenn es Militär wäre, müßte man ja doch die Gewehre sehen.«

Der Zweck der Finte war indessen erreicht, denn dem Gerichtsrath war es gelungen, sich auf einige Schritte aus der bedenklichen Nähe zu entfernen.

Währenddessen hatte zwischen dem Metzgerburschen und einem Schlossergesellen ein ähnliches Gespräch stattgefunden wie zwischen dem Gerichtsrath und dem Dreher. Der Geselle hatte ebenfalls den Metzger eine Weile gemustert, winkte ihn dann zu sich und sagte ihm mit halblauter Stimme: »Sag' einmal, Kerl, steckst Du schon lange in der Metzgerjacke?«

»Warum fragst Du?« entgegnete der Angeredete, indem er den lauernden Blick des Fragenden mit kecker Stirn aushielt. »Was soll ich sonst tragen als den Metzgerkittel?«

»Nun, es könnte ja auch ein Fuhrmannskittel sein«, erwiderte der Schlosser, »so ein blaues Staubhemd etwa.« Der Geselle hielt einen Augenblick inne, sah vorsichtig um sich her und fuhr, indem er dem Metzger die Hand vertraulich auf den Arm legte, in noch gedämpfterem Tone fort: »Weißt Du, mir ist, als hätte ich Dich schon einmal gesehen. Heißt Du nicht Hahn und hast mit von den Balken heruntergekräht? Du weißt ja wohl, was ich meine. Es wird sich jetzt bald jähren. Dazumal war's, wie der auch seinen Theil bekommen hat, den sie da heute begraben.«

»Warum redest Du denn so heimlich?« erwiderte der Metzger. »Der Herzog hat öffentlich bekannt geben lassen, daß Alles straflos und vergessen sein soll, was damals geschehen ist. Man braucht also kein Hehl daraus zu machen, wenn man dabei gewesen ist. Sie können einem kein Haar krümmen deswegen.«

Der Metzger sah dabei recht sicher in der Gesellschaft umher und fand kein Arg darin, daß der junge Mensch neben dem Gerichtsrath den Blick auf ihn geheftet hatte, als er sich aber beobachtet sah, ihn mit gleicher Schnelligkeit wieder abwendete.

Der Schlosser schien diese Zuversicht nicht zu theilen. »Weiß nicht«, fuhr er fort, »traue dem Landfrieden doch nicht recht. Ich scheue mich immer noch, wenn ich an die Geschichte denke, und weiß nicht, was ich gäbe, wenn ich nicht dabei gewesen wäre. Es muß Andern auch so gehen. Seit dem Tage, wie wir zusammen auf der Barrikade gestanden sind, hab' ich schon gar Manchen, der mir sonst täglich in den Weg gelaufen ist, mit keinem Auge mehr gesehen. Da ist der alte Ulanenkorporal – Windreuter, glaub' ich, heißt er. Weißt Du noch, der grobe, graubärtige Invalide, der damals unser Commandant gewesen ist?«

»Ei freilich weiß ich das«, erwiderte der Metzger. »Er ist mir wohl im Gedächtniß geblieben. Was ist's mit ihm?«

»Wenn ich das wüßte! Kein Mensch hat ihn mehr gesehen; er ist seitdem so gut wie verschollen, und auch der schwarze Huber, mein Kamerad, ist nicht mehr in die Werkstatt gekommen, und kein Mensch kann ihn erfragen.«

»Huber«, sagte der Metzger, »daß ich mich des Huber nicht erinnern kann! Es waren ihrer auch gar zu Viele; wie soll man sich da die Einzelnen merken!«

»Doch, doch«, sagte der Schlosser wieder; »es war ein Schlossergeselle, mit dem wir öfter nebenan im rothen Stern zusammengewesen sind. Fällt's Dir nicht mehr ein, beim Wirth Moser, wo er die Tochter gern sah, das blasse, mondsüchtige Ding, das immer mit dem einen Auge in die andere Welt hinübersah?«

»Freilich, jetzt fällt's mir ein«, rief der Metzger. »Das ist der Wirth, neben dem wir die Barrikade aufgebaut hatten und bei dem es unlängst erst gebrannt hat.«

»Ja«, nickte der Schlosser. »Der gottverdammte Schleicher! Jetzt wird's ihm aber wohl an den Kragen gehen; jetzt sitzt er, weil es heißt, er habe sein Haus selber angezündet, und wenn das neue Schwurgericht in Gang kommt, soll er einer der ersten sein, die zu kosten bekommen, wie das schmeckt.«

»Ja, richtig, das neue Schwurgericht!« sagte der Metzger und rieb sich die Hände. »Wie ich mich auf das freue! Da muß ich auch hin. Ich hab' es meinem Herrn schon gesagt, daß er mich gehen lassen muß.«

»Wenn er es nur thut«, rief der Schlosser lachend. »Da wird's gar viele Leute geben, die vom Land hereinkommen; da wird er ein saures Gesicht machen, wenn er den Metzger entbehren soll.«

»Meinetwegen«, sagte dieser; »wenn er nicht will, so soll er sich nach einem andern umschauen. Meint er etwa, ich bin deswegen zu meiner Profession zurückgekehrt, damit ich einem Andern den gehorsamen Diener mache? Hab's nur gethan, weil ich eingesehen hab', daß das Herumfahren mit der Zeit doch nicht gut thut. Aber so ist's nicht gemeint gewesen, daß ich nicht mein eigener Herr sein sollte.«

»Ja«, sagte der Schlosser, »ich werde wohl auch blau machen müssen an dem Montag. Das muß wahr sein: seit wir die neue Freiheit haben, löst eine Lustigkeit die andere ab. Bald heißt es wählen, bald gibt's ein neues öffentliches Gericht, bald ein Leichenbegängniß, wie das heutige ist. Das ist ein Leben wie beim lieben Gott in Frankreich.«

Der Dreher Gerbel hatte inzwischen, vom Rathe abgewendet, ein auf dem Tische liegendes Zeitungsblättchen ergriffen und flüchtig darin gelesen. Er hatte dabei einen Theil des Gesprächs der beiden Burschen vernommen und mischte sich nun darein, indem er das Blatt wieder auf den Tisch legte. »Allerdings«, sagte er, »das Schwurgericht wird uns merkwürdige Dinge bringen. Da lese ich gerade in dem neuen Blatt, in der Bremse, daß schon wieder eine neue Geschichte vorgekommen ist und ein hiesiger Bürger vor das Schwurgericht kommen soll. Ich traue meinen Augen kaum.«

»Wer ist es denn?« fragte der Metzger neugierig. Auch der Gerichtsrath machte eine Viertelswendung nach ihm, welche Neugierde kundgab.

»Ihr kennt ihn gewiß alle«, antwortete Gerbel; »er wohnt draußen vor dem Jakobsthor in dem Thurm, der an der Stadtmauer steht –«

»Was?« rief der Schlossergeselle. »Der Herr Rempelmann, der Schuster? Der thut ja keinem Kind was zu Leide. Was soll denn der verbrochen haben?«

»Ich kann mir's selber nicht denken«, sagte Gerbel achselzuckend, »aber da steht's schwarz auf weiß und groß und breit gedruckt.« Er nahm das Blatt wieder auf und las daraus vor: »›Die Kunde einer neuen beträchtlichen Sicherheitsstörung macht so eben die Runde durch die Stadt und erregt wegen der dabei betheiligten Persönlichkeiten allgemeines Aufsehen. In dem schönen Landhause und Waarenmagazin des Herrn Sparberger vor dem Jakobsthor hat vor einigen Tagen ein nächtlicher Einbruch stattgefunden, bei welchem eine bedeutende Geldsumme entwendet wurde. Der Thäter ist durch eine Oeffnung, die durch eine lockergewordene Eisenstange im Gartengitter entstanden, gestiegen und in das Landhaus eingebrochen, bis zu welchem seine Fußspuren in den vom Regen erweichten Gartenwegen deutlich zu verfolgen waren. Die Keckheit, mit welcher das Verbrechen verübt wurde, wird noch auffallender durch die Person des Thäters, welcher kein Anderer ist als der Schuhmachermeister Rempelmann, ein bis dahin ganz unbescholtener und allgemein geachteter Bürger. Sicherem Vernehmen nach stellt derselbe die That durchaus in Abrede, soll aber leider kein anderes Vertheidigungsmittel besitzen, als das in solchen Fällen gewöhnlichste, aber auch schwächste, daß er von einem Unbekannten ein ansehnliches Geldgeschenk erhalten habe. Dagegen sollen Anzeichen der schwersten Art für seine Schuld sprechen, namentlich der Besitz einer beträchtlichen Geldsumme und eines Stiefelpaars, dessen Spuren in den Gartenwegen ganz genau abgedrückt gefunden wurden. Ueble häusliche Verhältnisse sollen den Mann zu der verhängnißvollen That veranlaßt haben.‹ – Das ist ja schrecklich«, setzte Gerbel hinzu, indem er das Blatt unwillig auf den Tisch warf. »Heutzutage weiß man wirklich nicht mehr, auf wen man sich verlassen kann! Auf den Rempelmann hätte ich Häuser gebaut und der soll nun auf einmal ein Dieb geworden sein. Das mag ein Anderer begreifen, ich nicht.«

»Ein Jeder ist tugendhaft bis zu der Stunde der Versuchung!« sagte der Gerichtsrath mit Salbung. »Darum heißt es auch in der Schrift –«

»Bleiben Sie mir mit der Schrift vom Halse!« rief Gerbel, indem er nach seiner Gewohnheit mit der Faust auf den Tisch schlug »Ich kann's freilich nicht beweisen, aber es ist etwas in mir, was mir sagt: der Rempelmann ist sein Lebtage ein ehrlicher Kerl gewesen, der kann nicht über Nacht ein Schuft geworden sein und vollends wegen ein paar lumpiger Gulden. Und dem Sparberger soll er sie genommen haben! Das kommt mir noch verdächtiger vor. Der ist ihm ja von jeher spinnefeind gewesen. Ich fürchte, ich fürchte, das ist am Ende gar ein Streich, den der ihm gespielt hat.«

Der Gerichtsrath hatte sich erhoben. »Sie sind in Ihren einmal gefaßten guten Meinungen, wie es scheint, sehr beständig«, sagte er dann. »Ich ehre und erkenne das vollkommen an, mein lieber Meister, aber desto unbedenklicher scheinen Sie mit Ehre und gutem Namen derjenigen umzugehen, welche nicht so glücklich sind, bei Ihnen in Gnade zu stehen. Erlauben Sie daher, Ihnen zu erwidern, daß das, wessen Sie Herrn Sparberger zu beschuldigen nicht anstehen, ein sehr schweres Verbrechen wäre, daß es Calumnie und Meineid involviren würde, und wenn Sie für die Unschuld Ihres Schusters eintreten, werden Sie auch mir erlauben, den Herrn Agenten in Schutz zu nehmen und zu sagen: Herr Sparberger war von jeher ein Ehrenmann und noch dazu ein frommer Mann.«

»Ja, da liegt eben der Hase im Pfeffer«, sagte Gerbel lachend. »Vertheidigen Sie den Herrn nach Herzenslust, Herr Gerichtsrath! Ich bin Ihnen um die Arbeit nicht neidig. Aber ich und die ganze Stadt weiß, daß der Herr Sparberger immer Wucher und schändlichen Zwischenhandel getrieben hat, und mir für meine Person wär' es lieber, wenn er ein bischen weniger fromm wäre. Ich denke noch daran wie heute, es war an dem Tage, wo es abends zum Krachen kam, weil die neue Verbrauchssteuer eingeführt worden war, da hat es Rempelmann dem Sparberger offen vor allen Leuten ins Gesicht gesagt und vorgeworfen, daß er von der Steuer schon Wind gehabt habe und daß er, um sich mit dem Blutgeld seiner Mitbürger zu bereichern, sein Magazin vor dem Thore mit Waaren vollgestopft habe. Es sieht mir gerade so aus, als wäre das die Antwort, die ihm Sparberger damals schuldig geblieben ist. Der hat sich eben den unbequemen Aufpasser vom Halse geschafft. Man müßte ja wahrhaftig keine Augen haben, um das nicht zu sehen.«

»Jetzt wird es aber Ernst«, sagte der Metzger; »jetzt sieht man dort Bajonette und Helme und Säbel blitzen, jetzt kommen sie.«

»Richtig«, sagte der Schlosser, »und wenn ich nicht irre, kommt etwas Großes hinterher, ein schwarzes Gerüst; das wird wohl der Wagen mit dem Sarge sein.«

»Wasch' Dir den Ruß aus Deinen Augen, Schlosser«, rief der Metzger, »damit Du nicht einen Herrschaftswagen für den Gerüstwagen ansiehst! Es kommt ja nicht mehr als ein Detachement von allen Regimentern, um dem Lieutenant Bergdorf die letzte Ehre anzuthun. Er selber liegt ja schon lange im Leichenhause draußen wie alle andern Todten.«

»Die letzte Ehre!« begann der Schlosser wieder, während der Zug der Soldaten näher kam. »Weiß auch nicht, warum sie mit dem Lieutenant so viel Aufhebens machen! Es heißt ja, daß die ganze Generalität und alle Minister und Beamten mitgehen. Er ist doch auch nur ein Mensch wie ein anderer.«

»Das ist freilich wahr«, sagte Gerbel, sich ebenfalls erhebend, um über die Nächststehenden hinwegsehen zu können, »aber ein merkwürdiger Mensch ist er immerhin, wenn er's auch erst durch seinen Tod geworden ist. Er war es ja, der an dem traurigen Tage zuerst den Befehl gegeben hat, auf das Volk zu feuern. Dafür hat hinwieder eine der ersten Kugeln von den Barrikaden ihn niedergestreckt, wenn er auch erst jetzt nach mehr als Jahr und Tag daran gestorben ist. Und man thut das Alles wahrscheinlich, weil eine Art von Ausgleichung darin liegt. Volk und Regierung will ihm eine Ehre anthun; denn allen ist es leid, daß es so hat kommen müssen; aber alle sehen darin auch eine Bürgschaft, daß es nicht wieder so kommen kann und daß unsere Freiheit jetzt feststeht; denn sie ist mit Blut von allen Parteien benetzt und das ist ein guter Kitt.«

Der Schall der mit schwarzem Tuche überzogenen Trommeln kam immer näher und unterbrach das Gespräch. Der Gerichtsrath drängte sich die Stufen hinab, der junge Mensch folgte ihm. »Der Kitt mag ganz fest sein«, murmelte Weber; »aber laßt einmal sehen, ob er halten wird, wenn ein tüchtiger Keil dazwischen getrieben wird!«

Das kriegerische Geleite hatte inzwischen das Thor des Kirchhofs erreicht und war in denselben eingetreten. Nur noch Wenigen gelang es, sich in den schon reichlich angefüllten Raum nachzudrängen; vom Leichenhause her, wo die Spitzen der Behörden versammelt waren, öffnete sich eine Gasse für die Ankommenden. Der Sarg, welcher Bergdorf's Leiche enthielt, stand geschlossen in der Vorhalle, denn es hieß, sie sei durch sein langes Leiden so sehr entstellt, daß es nicht thunlich sei, sie zu zeigen. Auf dem Deckel lagen Säbel und Helm unter Blumenkränzen; nirgends aber war Lorbeer oder Eichenlaub zu erblicken; es war, als wollte man den Mann, der so viel Unglück verschuldet, nicht auszeichnen, dennoch aber zu erkennen geben, daß er im Kampfe für die Ordnung und für das gefallen war, was er seine Ueberzeugung nannte.

Der Zug war schnell geordnet. Hinter den mit schwarzen Bändern und Flören geschmückten Fahnen und Kreuzen wurde der Sarg von Soldaten des Regiments getragen, einige Verwandte als Leidtragende schlossen sich an, und nach ihnen folgte die ganze Schaar von glänzend uniformirten Beamten und Offizieren, welcher sich eine unabsehbare Volksmenge anreihte. Langsamen Schrittes und in weitem Bogen ausholend bewegte sich der Zug dem Grabe zu, während das dumpfe Rasseln der Trauertrommeln mit den Klängen der Regimentsmusik abwechselte, welche einen Todtenmarsch blies. Unter den Leidtragenden war auch der alte Windreuter im verschossenen Ulanenkoller mit sichtbar abgehärmtem Gesichte, in welchem der graue Schnurrbart zuckte, während manchmal aus den buschigen Wimpern eine Thräne darauf niederträufelte.

Für diejenigen, welche außerhalb der Kirchhofsmauer standen, war das Schauspiel zu Ende. Die Menge verlief sich auch bald. Nur einzelne Gruppen blieben zurück und sahen einer Abtheilung Soldaten zu, welche draußen seitwärts auf der Wiese Aufstellung genommen hatte, um dem Todten, der im Dienste und Kampfe gefallen war, beim Einsenken in die Gruft durch drei Gewehrsalven den üblichen kriegerischen Abschied zu geben. Bald war die Trauermusik und das singende Gebet der Priester verhallt, der Rauch der Schüsse war mit dem Weihrauch verflattert, und die Todtengräber hatten mit der kaltblütigen Geschwindigkeit der Gewohnheit ihr Geschäft verrichtet. In wenig Augenblicken war das Grab mit Kies und Schollen und den Trümmern früherer, vermoderter Särge wieder aufgefüllt. Dazwischen lagen einige Blumensträuße, welche aus Versehen oder Vergessen nicht mit in das offene Grab hinabgeworfen worden waren.

Unter denen, die dem Begräbniß beigewohnt hatten, war auch der Weber Will in dürftigem Anzug, der durch die Sorgfalt, mit welcher er rein gehalten war, erkennen ließ, daß es der beste sein mochte, welchen der Meister besaß, der aber doch in keiner Weise zu dem Trauergeleite passen wollte. Dagegen war Richard vom Kopf bis zum Fuß in einen schönen Anzug von feinem schwarzen Tuche gehüllt; der Knabe betrachtete denselben mit sichtbarer Freude, indem er von Zeit zu Zeit mit der Hand über den Aermel strich, als wolle er die Feinheit des Tuches fühlen, oder wohlgefällig an sich selbst hinabsah, wie stattlich seine Glieder in der ungewohnten Tracht sich ausnahmen. Der Meister war nur von fern gestanden; es war nicht möglich gewesen, durch die Menge zu dringen. Darum hatte er noch verweilt und ging mit dem Knaben in den Bogengängen des Kirchhofs hin und wieder, um mit ihm, wenn die Menge sich verlaufen haben würde, noch ungestört einen Besuch am Grabe zu machen. Dem ungeberdigen Knaben schien das nicht zu behagen, denn er blickte nach allen Richtungen umher, als ob er einen Ausweg suchte, um zu entspringen, was ihm auch sicher gelungen wäre, hätte ihn der Weber nicht fest an der Hand gehalten.

So waren sie in die Nähe der Todtensäle gekommen, von welchen eben ein neuer Leichenzug abgegangen war. Ein einfacher Sarg mit plattem Deckel und ohne Anstrich ließ die völlige Armuth dessen, der darin lag, ebenso wohl erkennen als das verschossene und beinahe farblose Bahrtuch, das die Träger achtlos darüberwarfen. Kein Gesang war dabei zu hören, kein Gebet, keine Ceremonie irgend eines Priesters. Dennoch stand eine ansehnliche Schaar von Männern bereit, um als Geleite hinter dem Sarge einherzuschreiten. Der Verstorbene war ein Geselle, ein armer Handwerker, welcher der freien Gemeinde angehört und, in voller Rüstigkeit und Kraft rasch dahingerafft, ein Weib und ein paar Kinder in großer Dürftigkeit zurückgelassen hatte. Ein dichter Haufen von Neugierigen folgte dem schmucklosen Zuge, der sich ohne alle Feierlichkeit und eilfertig dem Winkel zuwendete, in welchem das Grab des Armen bereitet war.

Auf den Stufen des Leichensaals, an einem der Wandpfeiler lehnte der Aufseher des Kirchhofs und sah bedenklich dem Zuge nach, als einer der Todtengräber, das Grabscheit auf der Schulter, herankam und grüßend vor ihm stehen blieb. »Haben Sie denn gesehen, Herr Aufseher?« sagte er. »Ich habe vergessen, es Ihnen vorher zu sagen. Wie ich heute Morgen in die neue Section hinausging, um das Grab zu machen, sah ich Glasscherben am Boden liegen. Ich schaute in die Höhe, und wie ich mir's genauer betrachtete, so sah ich, daß das hintere Fenster in dem Saale, in welchem die Leichen der Reichen liegen, eingeschlagen war. Es ist das Fenster, unter welchem der Hollunderbaum steht. Hm, hab' ich mir gedacht, was muß denn da geschehen sein? Ich sah nach und fand, daß vom Baume ein ziemlich starker Zweig abgeknickt war. Es sah aus, als wenn Jemand darauf gestanden wäre, um in den Saal hineinzusehen oder sich auf den Sims hinaufzuschwingen.«

»Schweig', Kerl!« entgegnete der Aufseher hastig. »Hab's schon gesehen, noch in der Nacht, und hab' gleich Alles wieder einglasen lassen. Mußt Niemand etwas von der Geschichte sagen. Wer weiß, was das für eine Schmiere gäbe, und am Ende käme doch nichts dabei heraus.«

»Bei was denn?« fragte der Todtengräber neugierig. »Sagen Sie mir's nur, Herr Inspector! Ich schwatze nichts aus, und weil ich doch schon das Eine weiß, ist's immer besser, Sie sagen mir gleich Alles, damit ich mich darnach richten kann.«

Der Aufseher trat mit dem Burschen ein paar Schritte beiseite, aber gerade so, daß Will, der unbemerkt hart an einem großen Steinmonumente wartend stand, ohne horchen zu wollen, das Gespräch mit anhören mußte.

»Es ist bei alledem eine merkwürdige Geschichte«, sagte der Aufseher. »Du weißt ja, was es mit dem Lieutenant, den sie eben abgeholt haben, für eine Bewandtniß hat. Er hat die ersten Todten, die es voriges Jahr bei dem Aufstand gesetzt hat, auf dem Gewissen. Da sind ihm Viele nicht grün, und daher mag es wohl kommen. Wie sie ihn brachten, wurde er in den reichen Saal gestellt, und die Verwandtschaft brachte Blumen und Kränze in Menge und trug mir auf, ich sollte von Blumenstöcken und Laubpflanzen so viele drum herumstellen, als ich nur auftreiben könne. Das hab' ich denn auch gethan und hab' den Todten, der abgezehrt war wie ein Gerippe, aufgeputzt, daß er noch immer ganz leidlich dalag, und gab ihm auch einen Blumenstrauß in die eine Hand, in welcher er ein kleines Crucifix hatte. Dann machte ich ihm den Drahtzug zur Rettungsglocke, den jeder Todte bekommt, an der andern Hand fest, dachte mir aber dabei wohl: Du wirst es bleiben lassen und wirst nicht mehr läuten. Als ich dann des Nachts wie immer ein paar Mal meine Runde gemacht, um, wie's Vorschrift ist, nachzusehen, ob die Lichter brennen und ob sich sonst nichts ereignet, und wie ich dann wieder in meine Stube nebenan gekommen war und mich aufs Ohr gelegt hatte, da war es, als wenn ich im Saale etwas rauschen hörte. Dummheit! dachte ich mir; das Blut saust mir wieder einmal in den Ohren – hab' das öfter – und wollte mich auf die andere Seite legen. Da hat's aber meine Alte – die schläft an der Wand nebenan – auch gehört, und wie wir's so bereden und ich aufspringe und in aller Eile in den Rock hineinschlüpfe, während sie die Laterne anzündet, da hören wir das Rauschen wieder und ganz deutlich, und drauf thut's ein paar Schläge, als wenn etwas mit aller Gewalt auf den Boden geworfen würde. Na, Du kannst Dir denken, ob wir geschwind im Leichensaal drin waren. Und was war's? Der ganze Saal war ruhig und still, das ewige Licht brannte wie ein mattes Sternlein fort, und die Todten lagen alle mit den starren, kalten Gesichtern da, wie wir sie hingelegt hatten. Auch der Lieutenant; aber –«

»Nun«, fragte der Bursche, »was denn? Mir wird ganz grauslich, daß mir die Haare zu Berge steigen.«

»Von dem Schragen«, fuhr der Aufseher fort, »auf welchem der Lieutenant lag, waren alle Blumen weggenommen und lagen zerrissen am Boden herum. Die Blumenstöcke aber waren sorgfältig herabgenommen und in einen Winkel gestellt; nur die beiden letzten lagen umgestürzt am Boden. Wer's gethan hat, mag wohl einen Schauder empfunden haben, und da sind sie ihm aus den Händen gefallen.«

Der Bursche faltete die Hände und hörte mit offenem Munde zu.

»Meine Alte«, sagte der Aufseher wieder, »und ich haben uns gleich daran gemacht und Alles wieder zurechtgestellt, so gut es ging; wir lasen die Blumen auf, die noch brauchbar waren, und nahmen von einem andern Todten, der des Zeugs genug hatte, einen Strauß, um ihn dem Lieutenant wieder in die Hand zu geben. Da merkten wir erst, daß auch das Crucifix fehlte. Wir haben Alles abgesucht darnach, wie um eine Stecknadel; aber es war fort und nirgends zu finden und auch sonst keine Spur, als daß das Fenster über dem Hollunderbaume eingeschlagen war.«

Wider Willen hatte der Webermeister zugehört. Jetzt vermochte er nicht länger an sich zu halten. Ein starker Seufzer drängte sich aus seiner kummerbelasteten Brust, während Richard mit ungeduldigem Reißen seine Hand loszumachen suchte und rief: »Was thun wir noch da? Warum gehen wir nicht auch wie die andern Leute?«

Darüber wurde der Aufseher die Beiden gewahr, unterbrach sich und wendete sich gegen Will mit der Frage, ob er etwas suche.

»Nein«, erwiderte dieser, »es ist mir nur ein bischen übel geworden. Ich kann den starken Weihrauchgeruch nicht vertragen.«

»Dann sollten Sie auch nicht auf den Kirchhof gehen, guter Freund!« sagte der Aufseher. »Sie sehen wirklich miserabel aus. Soll ich Ihnen was holen zum Anstreichen? Hab' allerlei solches Zeug im Vorrath.«

»Nein, nein«, sagte der Weber, fast ängstlich abwehrend, »ich will lieber gehen; in der Bewegung und in der Luft wird's mir wohl besser werden.« Damit schwankte er hinweg, den widerwilligen Knaben nach sich ziehend. »Komm«, sagte er, »wir wollen doch hinüber an das Grab.«

»Was haben wir denn dort noch zu thun?« entgegnete der Knabe trotzig.

»Du sollst noch ein Vaterunser beten für den Herrn«, antwortete der Weber. »Es ist derselbe, der Dir das Gewand hat machen lassen, das Dir so viel Freude macht.«

Der Knabe erwiderte nichts, aber er widerstrebte auch nicht mehr und strich wieder wohlgefällig über den Aermel seines Röckchens. Der Weber taumelte mehr, als er ging, den Weg dem Grabe zu; was er vernommen hatte, war zu viel für den schwächlichen Mann, denn er errieth nur zu bestimmt, wer es gewesen, dessen unversöhnlicher Haß den Todten bis in das Leichenhaus verfolgt hatte. Eben beugte er in einen der vielen rechtwinklig angelegten Gänge hinein, an dessen Ende Bergdorf's neu aufgeschütteter Grabhügel lag. Er sah hinüber; es kam ihm vor, als ob eine weibliche Gestalt in der Nähe desselben sich zu schaffen mache; eh' er aber der Sache gewiß geworden, hatte Richard sich schon von seiner Hand losgerissen und lief mit dem lauten Rufe: »Die Mutter, die Mutter!« zwischen den Kreuzen und Grabhügeln dahin.

»Cilly!« stammelte der Weber hinzueilend; »sie ist es wirklich.« Er kam eben hinzu, als der Knabe bereits am Halse des Mädchens hing, das ihn mit einer Inbrunst, die nur der Glut ihres Hasses zu vergleichen war, an Kopf, Gesicht und Brust mit Küssen überdeckte und an sich preßte, als ob sie ihn erdrücken wollte. Der Knabe, sonst fast unempfindlich gegen jedes Zeichen von Zuneigung und widerwillig gegen jede Berührung, duldete die Liebkosungen nicht nur, sondern erwiderte sie mit gleicher Leidenschaftlichkeit.

»Cilly! Schwester!« stieß Will hervor; er war noch immer zu sehr außer Fassung, um einen andern Ausdruck für sein Staunen zu finden.

»Du auch da, Bruder Will?« antwortete Cilly mit einem Tone, der viel gütiger klang, als er sonst bei ihr gewöhnlich war. »Es ist gut, daß Du da bist. Ich war eben daran, zu Dir zu kommen.«

»Aber, Cilly, sag' nur um Himmelswillen«, rief der Weber, »wo Du die ganze Zeit über gewesen bist? Was hast Du nur gethan, und wie siehst Du aus! Wie unser Herrgott am Kreuz, wie die Noth und das Elend selber!«

»Dann seh' ich aus, wie sich's gehört«, erwiderte Cilly mit ihrem alten finstern Ausdruck, »wie sich's gehört für ein verlorenes Weibsbild, wie ich eins bin. Aber hab' keine Sorge um mich, Bruder! Ich habe Dir keine Schande gemacht. Ich habe gearbeitet und Hunger gelitten, und so ist die Zeit hingegangen, und alles Andere geht Niemand was an als mich und unsern Herrgott und den, der da drunten liegt.«

»Cilly«, rief der Weber, die Hände zusammenschlagend, »Du bist zum Fürchten. Wie kannst Du so was thun? Gesteh' nur ein, Du bist es gewesen, Du bist heute Nacht ins Leichenhaus eingebrochen, hast die Blumen zerrissen und dem Todten sogar das Crucifix genommen!«

»Was soll das Kreuz in der meineidigen Hand?« fuhr sie mit dem wildesten Ausdruck des Hasses auf. »Man soll keinen Spott treiben mit einer so heiligen Sache!«

»Aber das ist unchristlich«, entgegnete Will. »Man soll seinen Haß nicht bis ins Grab treiben.«

»O ja, man soll!« erwiderte sie wild. »Und ich will's auch! Bis ins Grab und noch darüber hinaus, bis an den jüngsten Tag! Wenn wir dann alle versammelt sind, dann will ich unter allen Todten den da herausfinden und will ihn vor unsern Herrgott führen und will sehen, ob er mir dann auch nicht Red' und Antwort stehen wird.« Der Weber schauderte; Cilly aber fuhr etwas ruhiger fort: »Hätt' mich nicht sehen lassen, Will, wenn's nicht wegen des Buben, wegen des Richard wäre. Er wächst heran; was hast Du mit ihm im Sinne, Bruder?«

»Gott sei Lob und Dank!« rief der Weber erleichtert. »Das ist endlich nach langer, langer Zeit das erste ruhige und vernünftige Wort, das ich von Dir höre. Der Bub' muß eben ein Handwerk lernen, er muß in die Lehre. Ich wollte zuerst einen Weber aus ihm machen, hab's dann aber wieder aufgegeben. Es ist doch ein gar zu armselig Brod.«

»Nein«, rief die Mutter, »das ist nichts; ein Weber soll er nicht werden!«

»Dann ist der Kaufmann da vorn an der Ecke, der braucht einen Lehrjungen, und er wollte mir zu Gefallen mit einem geringen Lehrgeld vorlieb nehmen, aber ich hab's nicht erschwingen können.«

»Ja, ja«, rief Cilly, die noch immer auf den Knieen lag, mit einem Lachen voll unendlicher Bitterkeit, »das Elend fängt schon an beim ersten Schritt, den er ins Leben thut; er ist verdammt schon vom ersten Athemzug an! Und ein Mensch«, rief sie mit wilder, wieder auflodernder Leidenschaft, »der das Alles verschuldet hat, soll sterben und im Grabe liegen dürfen wie ein anderer ehrlicher Mensch? Auf seinem Grabe sollen Blumen liegen dürfen?« Sie griff nach den Sträußen, die auf dem Gerölle lagen, um sie zu zerreißen, aber der Bruder fiel ihr in den Arm.

»Gib' nach, Schwester!« sagte er. »Das ist Unsinn. Der da drunten liegt, hat's schon mit einem andern Richter zu thun. Du sagst ja selbst, Du wolltest ihn einmal vor dem verklagen. So warte es ab und sprich nicht selber im voraus das Verdammungsurtheil aus! Er ist vor seinem Tode noch wenigstens so weit in sich gegangen, daß er dem Buben das Gewand da hat machen lassen, und daß er ihm so viel Geld hinterlassen hat, als für die Lehre nöthig ist, und daß wohl noch etwas übrig bleibt.«

»So? Hat er das doch gethan?« rief Cilly erschüttert, und im nämlichen Augenblick stürzten ihr die Thränen wie ein Quell, dessen Schleußen aufgezogen worden, stromweise aus den Augen. »Unser Herrgott soll es ihm anrechnen in der Ewigkeit«, sagte sie dann, »wenn es ein gutes Werk ist. Aber ich nehme das Geld nicht; ich will schon trachten, daß ich das Lehrgeld auf andere Art zusammenbringe und Dir zuschicke, Bruder!«

»Du?« rief der Weber verwundert. »Wie wolltest Du das möglich machen? Und also willst Du wieder fort, willst noch nicht dableiben? Was hast Du nur im Sinne?«

»Das ist meine Sache«, antwortete sie kalt. »Rede nur mit dem Kaufmann! Wenn's Zeit ist, wirst Du schon von mir hören.«

Sie hatte sich erhoben und schien gehen zu wollen. Der Knabe drängte sich an sie und rief: »Mutter, ich will mit Dir gehen!«

»Nein«, sagte sie, »Du bleibst da, Richard. Du folgst dem Vetter wie mir; ich will's haben«, rief sie mit herrisch aufflammenden Augen, als sie gewahrte, daß der Knabe sich zum Widerstande anschickte; aber ebenso schnell verschwamm der Blick in liebenden Thränen, und während sie ihn an sich drückte und küßte, sagte sie mit brechender Stimme: »Ich will's so haben; ich bitte Dich darum.«

»Weine nicht, Mutter!« sagte der Knabe, der wie verwirrt bald sie, bald den Vetter angestarrt hatte und in welchem, wenn nicht ein Verständniß, doch eine Ahnung der Verhältnisse aufzudämmern schien. »Ich will ja thun, was Du verlangst, will beim Vetter Will bleiben, will auch ein Lehrbub' werden, wenn's sein muß. Aber Du mußt nicht wieder fortgehen; Du mußt bei mir bleiben.«

Sie beugte sich liebkosend zu ihm hernieder, strich ihm mit der Hand über den Scheitel und flüsterte ihm ein paar dem Weber unverständliche Worte in das Ohr, worauf der Knabe ihr fest in die Augen sah und sich ihr an den Hals hing.

Daß der Weber die Worte nicht hatte vernehmen können, lag wohl nicht blos an dem leisen Tone, in welchem sie gesprochen worden waren, sondern auch an dem plötzlichen Lärm, welcher unweit des Grabes losgebrochen war. In der Entfernung von etwa hundert Schritten, in der unscheinbarsten Ecke des Kirchhofs, war die Stelle gefunden worden, wo der freigemeindliche Handwerker begraben werden sollte. Die Handlung war auch bis zum Einsenken des Sarges ohne Störung vor sich gegangen; doch war dem Manne, welcher zunächst hinter dem Sarge schritt, nicht entgangen, daß allerlei Volk, das nicht zur Gemeinde gehörte, sich immer näher an den Zug herandrängte, daß allerlei beleidigende Ausrufungen und Verwünschungen, zuerst vereinzelt, dann immer häufiger und lauter, hörbar wurden.

Es war der in der Stadt allgemein bekannte Kaufmann Rund, einer der eifrigsten Anhänger und der Vorsteher der freien Gemeinde. »Sehen und hören Sie!« sagte er zu seinem Nachbar. »Das ist auf uns abgesehen. Ich habe gleich von Anfang Leute wahrgenommen, welche das Volk gegen uns aufhetzten. Es ist dies das erste Begräbniß, das wir feierlich und öffentlich halten; Sie werden sehen, man läßt es nicht ohne Störung vorübergehen.«

Der Mann hatte allerdings recht gesehen. Voran hinter den Trauernden drängte sich eine Schaar von verschiedenen Weibern, meist Frauen aus den geringem Ständen; doch fehlten auch solche nicht, bei welchen mindestens der Anzug eine höhere Stellung und bessere Bildung hätte erwarten lassen. »Nun, da sieht man's«, sagte eine Frau zu der andern; »sie sagen ja immer, es sei die Religion der Liebe, die sie predigen. Wenn das wahr wäre, würden sie den armen Menschen auch nicht so elend eingraben wie einen Hund, der nicht einmal einen richtigen Sarg hat.«

Ein Mann, der den rechten Arm in der Schlinge trug und in ärmliche Arbeitertracht gekleidet war, hatte die Bemerkung gehört. »Ich kann Ihnen sagen, woher das kommt«, erwiderte er. »Die Leute halten nichts darauf, daß einer feierlich eingegraben wird und in was für einem Sarg es geschieht. Sie haben das Geld dafür und was bei Andern die Geistlichkeit kostet, zusammengelegt und haben der Wittwe und den Kindern so viel gegeben, daß sie wohl davon zu leben haben.«

»So sagen sie«, rief das Weib heftig. »Wer weiß denn aber, ob's auch wahr ist? Sie gehören wohl auch zu der saubern Gemeinde, weil Sie's so genau wissen?«

»Nein«, erwiderte der Mann – es war der Schlossergeselle Huber – »hab' es auch nur so gehört. Ich kann nicht arbeiten, weil ich mir beim letzten Brande den Arm beschädigt habe; drum muß ich viel müßig gehen, und da hört man so allerhand.«

»Es ist einerlei«, rief der alte Marqueur, welcher, den unvermeidlichen Rosenkranz in der Hand, an der Spitze des drängenden Haufens schritt. »Daß man bei uns so etwas erlaubt, ist ein Frevel, der zum Himmel schreit. Es ist kein Wunder, wenn wir mit Krankheit und Hunger heimgesucht werden bis ins siebente Glied, und wenn noch Feuer vom Himmel auf uns fällt, wie auf Sodom und Gomorrha!«

Der junge Mensch, der in der Schenke gesessen, war auch in der Nähe, und wer ihn genauer betrachtete, mußte trotz der bessern Kleider, die er jetzt trug, in ihm den Schreiber Billinger wiedererkennen. Wieder in einiger Entfernung davon waren der Vollbart und die blaue Brille des Herrn Exraths Weber zu erblicken, welcher verabredete Zeichen gab, indem er den Stock in seiner Hand bald nach links, bald nach rechts bewegte, bald an die Lippen emporhob und wieder sinken ließ.

»Gewiß ist es ein Unrecht!« rief Billinger. »Die Freigemeindler dürfen das nicht, und wir brauchen es uns nicht gefallen zu lassen! Deswegen ist ja jetzt die allgemeine Freiheit eingeführt, daß Jeder zeigen kann, was er haben will und was nicht! Wenn wir nicht leiden, daß die Freigemeindler ihr Unwesen so offen treiben, dann wird auch die Regierung ein Einsehen haben und ihnen das Handwerk wieder legen.«

Unter solchen aufreizenden Gesprächen hatte sich der Kreis um das unscheinbare Grab immer enger geschlossen; dann trat unwillkürlich augenblickliches Schweigen ein, bis eins von den Weibern rief: »Es scheint, sie schicken sich zum Beten an. Bin doch begierig, wie ein Gebet von solchen Leuten lautet.«

Kaufmann Rund war an das obere Ende des Grabes getreten, sodaß er weithin sichtbar war, und begann mit mächtiger Stimme, welche in mancher Volksversammlung geübt und gewohnt war, die Massen zu erregen und zu beherrschen, mit wenigen Worten einen Abriß des einfachen Lebens und des unerwarteten Hingangs des armen Burschen zu geben, welcher eben der Erde zurückgegeben worden war. »Das beste Andenken«, schloß er seine kurze Rede, »ist die thätige Liebe, welche die Gemeindegenossen seinen Hinterlassenen erweisen. Für ihn können wir nichts thun, für ihn gibt es in diesem Augenblicke kein Geheimniß mehr, während wir noch im Dunkeln wandeln und des Lichtes warten. Aber ein erhebender Gedanke ist und bleibt es immerhin, seiner Todten in Liebe zu denken, und so wollen wir für ihn auch das Gebet des Herrn sprechen. Unser Vater«, begann er mit feierlicher Stimme und die Hände faltend; aber im nämlichen Augenblicke erscholl ein lautes Hohngelächter, von gellendem Pfeifen noch übertönt, und eine wilde Stimme rief: »Das ist das Vaterunser! Das Gebet gehört uns; das wollen wir uns von solchen Ketzern nicht schänden lassen. Schweigt augenblicklich, oder wir stopfen Euch das Maul!«

Ein dunkles Roth hatte das Antlitz des Sprechenden überflogen; aber ruhig fuhr er fort, die zweite Bitte zu sprechen. Schon aber waren die Worte zu Thätlichkeiten geworden; Steine und Schollen kamen über die Köpfe geflogen, und die von den Vordern gedeckten weiter Zurückstehenden fingen an zu schieben und zu stoßen, daß gegen das offene Grab hin ein wildes Drängen in der unverkennbaren Absicht entstand, ein Handgemenge hervorzurufen.

Der Kaufmann hatte während des Tumults und unbeirrt durch denselben das Gebet geschlossen. Die Gemeindeangehörigen traten enger zusammen; sie schienen den Kampf mit dem Pöbel nicht zu scheuen und entschlossen abzuwarten, was da kommen werde; allein es erfolgte kein Zusammenstoß. Im Augenblicke, als die vordersten Schreier schon am offenen Grabe und vor dem Sprecher standen, wurden sie über den angeschaufelten Kies der Grabhöhlung zurückgeschleudert, daß sie taumelten und durcheinander fielen, und vor ihnen stand Huber, der mit dem freien linken Arme ein altes, schadhaftes Eisenkreuz von einem Grabhügel gebrochen hatte und gleich einer Keule über seinem Kopfe schwang.

»Zurück!« schrie er. »Der erste, der sich an einem von den Leuten vergreift und diesen Ort entheiligt, den schlage ich nieder wie einen wüthenden Hund! Was wollt Ihr? Ich gehöre nicht zur Gemeinde, aber was dem Einen recht ist, ist dem Andern billig. Sie sollen ihre Todten eingraben, wie sie wollen. Wir haben es nicht zu verantworten, nicht in dieser und nicht in jener Welt. Ein Jeder soll auf die Art selig werden, die er für die rechte hält!«

Die Gehetzten hatten wohl den Muth des Lärmens, zur That waren sie zu feig, und weil im Augenblick auch die Hetzer im Hintergrunde inne hielten, entstand eine kleine Pause, während welcher die Angehörigen der freien Gemeinde Zeit fanden, sich ungekränkt zu entfernen, um so mehr, als eine Patrouille des noch in der Nähe befindlichen Militärs herankam, bei deren Erscheinen auch die Hetzer es nicht gerathen fanden, zu verweilen.

»Verdammt! Muß denn immer etwas dazwischen kommen?« rief der Gerichtsrath Weber, während Alles dem Ausgang des Kirchhofs zuströmte. »Eine so prächtige Gelegenheit kommt so bald nicht wieder! Es wäre nicht mit Gold zu bezahlen gewesen, wenn es gerade heute und bei dieser Gelegenheit zu einem kleinen Krawall gekommen wäre. Wer war der Mensch, welcher sich in die Geschichte gemischt hat?«

Billinger beantwortete die Frage, der Rath notirte sich den Namen in seine Schreibtafel und rief: »Geduld! Es wird die Stunde kommen, wo wir es auch dem eintränken können. Haben Sie keine Nachrichten von draußen? Wie steht's mit den Wahlen?

»Gut«, antwortete der Schreiber. »Ich habe erst vor kurzer Zeit ein Telegramm aus dem Gebirg bekommen. Der Herr Rath wissen, daß eben überall die Kornernte im Gange ist. Ich habe daher Anstalt getroffen, daß die Telegramme von allen Seiten nichts enthalten als Berichte über den Stand der Ernte Nach den verabredeten Worten wissen wir doch, was darunter zu verstehen ist. Unsere Leute sind so rührig wie die Maulwürfe, besonders in den Gegenden des Flachlandes und gegen die Moose hin. Es müßte ein Wunder geschehen, wenn wir unsere Leute nicht durchsetzten.«

Sie traten aus dem Kirchhof. Wider Absicht und Willen war auch Meister Will vom Gedränge ergriffen und etwas beiseite geschoben worden; jetzt eilte er an das Grab des Lieutenants zurück und dachte nicht anders, als daß mit der Mutter auch der Knabe verschwunden sein würde. Zu seiner Verwunderung aber stand derselbe ruhig wartend neben dem Hügel.

»Wo ist Deine Mutter?« rief er schon von fern. »Ist sie wirklich fort?«

»Ja«, sagte Richard. »Sie hat gesagt, ich solle bleiben und Alles thun, was der Vetter haben will. Drum will ich auch bleiben und will folgen.«

»Aber wohin ist sie? Hat sie das nicht gesagt?«

»Ja.«

»Nun, wo ist sie denn? Wirst Du's sagen, Du Eigensinn?«

»Nein«, sagte der Knabe, indem er ihn fest anblickte. »Ich habe der Mutter versprochen, daß ich es Niemand sage, und das halte ich auch.« Der Knabe wartete keine weitere Erörterung ab und ging ruhig den Kirchhof entlang.

Wohl oder übel mußte der Weber folgen. »Ist das ein Kreuz!« rief er, die Hände zusammenschlagend. »Was werde ich mit dem Buben noch Alles erleben müssen! Aber wie kann es auch anders sein? Es ist ein altes Sprichwort: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Und nach welcher Seite er da auch rollen mag, ist's allemal gefehlt.«


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