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Zweiter Nachtrag alter Gemählde

So wie die Kunst selbst von der ursprünglichen Bestimmung, die sie in alten Zeiten überall hatte, die Religion zu verherrlichen, und die Geheimnisse derselben noch schöner und deutlicher zu offenbaren, als es durch Worte geschehen kann, durchaus nicht abweichen darf, ohne in alle Arten von Eitelkeit und endlich zwischen mißverstandnem Ideal und bloßem Effekt schwankend in eigentliche Gemeinheit sich zu verlieren; so darf auch die Theorie der Kunst nie von der Anschauung getrennt werden, ohne unvermeidlich in willkührliche Hirngespinste oder in leere Allgemeinheiten zu gerathen. So fahren wir also fort, den wahren Begriff der Mahlerei nicht blos in einem dürftigen Umriß aufzustellen, sondern an der Fülle einzelner Anschauungen alter Gemählde ausführlich darzustellen. Die Anschauung soll überall das Erste seyn; die Resultate derselben ordnen sich an den Ruhepunkten der Betrachtung von selbst zu allgemeinen Grundsätzen, deren Zusammenhang, so wie die innere Einheit der hier aufgestellten Ansicht, der Nachdenkende leicht finden wird.

Freilich kann die Anschauung der mahlerischen Kunstwerke in Rücksicht auf die angeschauten Gegenstände, besonders gegenwärtig, durchaus nicht systematisch, sondern nicht anders als fragmentarisch seyn. Doch hindert dies Fragmentarische der Anschauung keinesweges die Einheit der Ansicht für denjenigen, welcher die Idee der Mahlerkunst einmal richtig gefaßt hat; und es ist sogar gut, daß dadurch immer an etwas erinnert wird, was durchaus nicht vergessen werden darf. Die Anschauung der Kunst muß jetzt wohl fragmentarisch seyn, da die Kunst selber nichts anders ist, als ein Fragment, eine Ruine vergangner Zeiten. Zerrissen und zerstreut ist selbst der Körper der italiänischen Mahlerei; und selten, sehr selten nur findet man einige Aufmerksamkeit auf die ältesten Künstler und ältesten Gemählde dieser Schule, welche doch den ursprünglichen Begriff und Zweck der Kunst viel reiner und richtiger zu erkennen geben, als die späteren Werke. Noch weit schlimmer aber steht es mit der altdeutschen Schule, die doch wohl eben so wichtig seyn möchte als die andre; ja noch wichtiger, insofern sie in der Gründlichkeit des Mechanischen unstreitig den Vorzug hat, und insofern sie der religiösen Bestimmung treuer war, und auch immer nur Mahlerei blieb, nie in das Gebiet andrer Künste verirrte. Sie ist noch so gut als völlig unbekannt. Das Ganze der Kunst ist nicht mehr vorhanden, es ist zerstört; nur verlohrne einzelne Spuren derselben sind uns geblieben, die derjenige, der den Geist der Vergangenheit gefaßt hat, allenfalls zur Idee für die Zukunft wieder beseelen kann.

Unter denen am 27sten Thermidor des Jahres XI. im runden Saale des Louvre ausgestellten Gemählden waren nur wenige neue von großer Bedeutung; die meisten waren schon früherhin ausgestellt gewesen.

Am erfreulichsten und anziehendsten unter den neu aufgestellten Gemählden war vielleicht die Caritas des Andrea del Sarto, Nro. 8 des Catalogs jener Ausstellung. Eine liebende Mutter von frohen Knaben umgeben und umschlungen; einer an ihrer Brust, andre auf ihren Knieen reitend, zu ihren Füßen gelehnt, mit Blumen und Früchten in frohem Lachen spielend, oder süß schlafend. Die Figur der Mutter ist hoch, schlank, edel; ihr Gesicht individuell schön, unter eigenthümlichen Kopfputz, klar aus hellen, klugen Augen blickend. Der Gedanke, die Allegorie ist schön, sehr einfach und jedem verständlich. Der vorzügliche Werth des Gemähldes besteht nebst der naiven Fröhlichkeit und Heiterkeit des schönen Ausdrucks ganz besonders in der Farbe; so leicht, zart, luftig und hell ist dieses Blau und Roth, und die Carnazion der nackten Knaben dazwischen, und doch so gar nicht grell, so sanft gemildert, so wahr verschmolzen, daß es einen wie aus offnen heitern Augen der Liebe mit sanftem Reize anschaut. Niemals noch sah ich ein Gemählde von diesem Meister in der Manier und von der Anmuth. Es ist aus der alten Sammlung. Fast scheint es, als hätte unter allen Schülern Raphaels, deren jeder sonst seine eigne sehr bestimmte Manier hat, von der er nicht abgeht, wenn gleich diese Manier, wie beim Julio Romano, oft sogar, was schon der Meister selbst in einer einzelnen Rücksicht wollte, noch kräftiger und noch vollendeter, aber freilich auch einseitiger ausführt; es scheint, sage ich, als hätte der vortreffliche Andrea del Sarto allein die Vielseitigkeit und Universalität seines großen Meisters geerbt. Denn so verschieden als die verschiedenen Bilder Raphaels unter sich sind, sind es auch die des Andrea del Sarto.

Sehr ausgezeichnet durch die Farbe sowohl als durch einzelne Parthien, fand ich die Geburt des Heilands von Spagnoletto Nro. 36, einem Mahler, der sich in vieler andern seiner Gemählde nicht eben sehr von den übrigen italiänischen Mahlern der spätern Zeit unterscheidet. Das herrliche Ultramarinblau, im Gewande der Mutter und am Himmel, so wie die Farbenpracht und Farbenwahrheit alles übrigen, nebst einer gewissen frommen Bescheidenheit und Naivheit, die bei den spätem Italiänern so selten ist, lenkten den Blick darauf, der am längsten verweilte bei dem alten Hirten, der in fast mehr als Lebensgröße rechts aus dem Rande erscheinend den Vorgrund bildete. So groß, so bieder treuherzig, das rauhe, hie und da zerlumpte Fell, das ihn umgürtet, so wahr und ausführlich gründlich gemahlt, die ganze Figur doch sogar nicht gemein, so ernst und bieder hereinschreitend; schwerlich wird man auf einem italiänischen Bilde dieser Zeit noch eine solche Figur finden. Mich dünkt, der tiefe, ernste Charakter des Spaniers ist hier sichtbar. Auch in der Manier der Mahlerei und in der Art der Gründlichkeit derselben ist etwas, das mehr an Murillos erinnert als an den niederländischen Fleiß.

Eine Heimsuchung Mariä von Andrea da Salerno Nro. 5, nicht aus sehr alter Zeit, aber doch ganz in der alten Manier, welches im Zacharias den Dichter Bernavdo Tasso, und in den andern Figuren noch andre historische Personen darstellt, übrigens von nicht sehr großem Werth, zeichnet sich aus durch eine Art von Aehnlichkeit, nicht etwa mit den vorzüglichsten, wohl aber mit den mittelmäßigen und schlechtern Bildern der altdeutschen und altniederländischen Schule. In der ältern Manier beider großen Schulen gleichen sich nicht nur die vortrefflichen Werke zum Erstaunen, sondern selbst die schlechtern, zum desto vollkommneren Beweise, daß die Mahlerei bei den alten Deutschen, wie bei den Italiänern ungefähr, von demselben Punkte ausgegangen sey.

Den Ring des heiligen Marcus Nro. 15 von Bordone, (von welchem auch ein vortreffliches Frauen-Porträt zu sehen ist); ein großes Gemählde reich an Figuren und voll Leben nach Art der Venezianer, stellt uns die versammelten Häupter der Stadt dar, denen ein armer Fischer, demüthig nahend, das Zeichen bringt, das ihnen die heiligen Patrone Venedigs gaben, indem sie ihm die Rettung der von Ueberschwemmung bedrohten Stadt verkündigten. In der einfachen Ausführung des Gegenstandes, und in der Behandlung der Farben bemerkt man mit Vergnügen, daß sich der schöne alte Styl der Mahlerei in der venezianischen Schule auch noch unter den spätern Meistern verhältnißmäßig lange erhalten habe.

Das Bildniß des Bandinelli Nro. 9, gemahlt von ihm selbst, vermehrt die Reihe der so anziehenden Bildnisse italiänischer Mahler, die sich zu Paris befinden. Welche kraftvolle, ausgezeichnete, hohe Menschen mußten es seyn, wenn man auch nur den äußern Abdruck ihrer Gesichtsbildung betrachtet. Aber freilich darf man beim Bandinelli eben nicht an die tiefe, sinnige Stille und Sonderbarkeit im Gesichte des Leonardo, nicht an den hohen und doch liebevollen Trotz im Garofalo, an die wilde und rauhe Hoheit des Julio Romano, nicht an die männlich kluge, edle und gesetzte Bildung des Fattore denken. Und doch ist das Gesicht des Bandinelli auf keine Weise gemein zu nennen; es ist sehr ausgezeichnet und sehr kraftvoll, aber nebst einem unbezwinglichen Eigensinn ist der Ausdruck der Pedanterei, wie mich dünkt, darin unverkennbar.

Ein Gemählde, was der tiefsten immer wiederholten Betrachtung und Durchforschung würdig ist, und das man immer mehr bewundern lernt, je öfter man zu demselben zurückkehrt, ist die Abnahme vom Kreuz, vom großen alten Bramante Nro. 16. Das Gemählde zeichnet sich sogleich sehr vorzüglich aus durch eine vortreffliche Anordnung; ob die Kenner sie kunstreich finden mögen, wissen wir nicht, aber sie ist sehr verständig, ja groß in ihrer Einfachheit; das Bild ist wie aus wenigen großen Zügen und Verhältnissen gebaut. Besonders die sitzende Heilige vorn zur Linken so würdig an das Ganze geordnet, wie man es wohl nur auf alten Gemählden findet, und auch auf diesen nur selten. Zur Rechten der heilige Antonius mit dem Einsiedlerglöckchen; der heilige Hieronymus links, mehr hinten; Johannes, Nikodemus, Joseph von Arimathia umgeben die Mutter Gottes, die mitten auf dem Gemählde am deutlichsten heraustritt. Ihr Gesicht drückt den innigsten Schmerz, die Art, wie sie den Leichnam auf ihrem Schoos an sich hält, die rührendste Zartheit und Schonung aus. Herzlicher, treuer und redlicher kann wohl überhaupt der Schmerz nicht ausgedrückt werden, als in den Gesichtern aller Umgebenden, deren jeder irgend ein Werkzeug oder Zeichen der Marter einfältig emporhält und vorzeigt, und jeder denselben Schmerz, doch ohne Wiederholung, gleich innig und herzbewegend sehen laßt. Und diese Herzlichkeit, dies treulich gemeinte der dargestellten Menschen wie des Bildes selbst, ist es denn wohl, was es in so hohem Grade rührend macht, obgleich es ganz fern ist von allem Anspruch auf hohe Leidenschaftlichkeit und interessante Schönheit im sentimentalen Ausdruck, ganz einfältig und schlicht; und eben darum gewinnt man auch das Bild immer lieber, je öfter man es betrachtet. Die Farben sind in vielen Bildern anziehender, wiewohl der Gebranch und die Anordnung derselben eben den Verstand verrathen, der im Bau des Ganzen sich verkündigt; manche einzelne Theile wird man in andern Gemählden, (wenn man eine Vergleichung anstellen wollte, was aber eigentlich nie geschehen müßte, wenn nicht die sichtbare Absicht des Künstlers selbst, oder die nothwendigen Bedingungen des Gegenstandes ausdrücklich dazu auffordern) leicht ausgezeichneter und schöner finden können; durch den Charakter aber der herzlichsten Treue und des redlichsten Gemüthes in einfältiger Kraft und Gradheit, den er den Freunden des Heilands gab, dürfte er wohl die Wahrheit weit besser getroffen haben, als in spätern Zeiten irgend geschehen ist, wo uns in den Figuren der Apostel, wenn nicht blos auf kunstreiche Gruppirung derselben gesehen wird, Gestalten vorgestellt werden, die wohl für einen griechischen Philosophen passend seyn möchten, oder für einen römischen Staatsmann, oder gar für einen Athleten, nur aber nicht dem Begriff entsprechen, den wir uns von den Aposteln zu machen haben.

Eine heilige Familie von Andrea del Sarto Nro. 7, Kniestück; zeichnet sich aus durch die kräftige Ausführung, den schönen Kopf der Alten und die reizende lachende Fröhlichkeit der Knaben. Unter den Nachahmern des Raphael ist Andrea del Sarto vielleicht derjenige, der sich dem Meister in lieblichen Knabengestalten, worin Raphael sonst so unnachahmlich und unübertrefflich ist, einigemal wenigstens genähert hat; doch bleibt immer noch ein großer Abstand. Dasselbe Bild befindet sich auch zu Düsseldorf, aber nicht so gut gemahlt und mit einigen Aenderungen.

Das Bildniß eines Grosmeisters des Maltheserordens nebst einem Edelknaben von Michel Angelo Carravagge zeichnet sich unter den Bildern der spätern italiänischen Schule sehr erfreulich aus, durch das kräftige, fest auf und hervortretende Grade, durch das schöne ritterliche Costum und den herrlichen goldglänzenden Panzer. Wer Bildnisse der altdeutschen Schule kennen zu lernen Gelegenheit hatte, der hat das freilich oft viel schöner und gründlicher gesehen. Für jene Zeit der italiänischen Schule bleibt es aber rühmliche Ausnahme.

Schon ganz aus dem Style der spätern Zeit, in der verschmelzenden, weichlichen und nach Natürlichkeit strebenden Farbenbehandlung, aber nicht ohne großes Verdienst in Rücksicht auf Gestalt und Bedeutung ist die Judith von Christoforo Allori Nro. 3, Kniestück. Die Schönheit der ebräischen Heldin und die Pracht des Gewandes, so wie die Wahrheit im Kopf der fromm beschränkten, erstaunenden Alten ziehen den Blick darauf hin. Der üppig blühende Mund, die dunkelglühenden, in Schwermuth halb gesenkten Augen, die Fülle der braunen Locken, die eine ruhige Stirn, ein feines, aber edles Gesicht umwallen; der schlanke, zierliche Körperbau, so weit das schwere Gewand ihn errathen läßt; die gänzliche Nachlässigkeit, wie dieses Gewand ihr anliegt, dieselbe Nachlässigkeit in ihrer ganzen Haltung und der Art, wie sie das abgeschlagne Haupt und das große Schwerdt hält, dessen Schwere sie erst jetzt zu bemerken scheint; der Ausdruck nicht sowohl von denkendem Ernst, sondern von einer immer gleichen Traurigkeit, von einem stillen Ueberdruß; alle diese Züge zusammengenommen lassen und jene aus edelm Stolz, gläubiger Hingebung, Sinnlichkeit und Schwermuth zusammengesetzte Gemüthsstimmung ahnden, in welcher sie sich zu dieser That berufen fühlen konnte. Wie der Künstler sich selbst und seine Geliebte in diesen Bildnissen dargestellt haben soll, sehe man in Fiorillos Kunstgeschichte Th. 1. S. 417.

Ganz antik im Gegentheil, nicht durch affectirte Nachahmung der Statuen, aber durch die Gesinnung, durch das Römisch Große, Freie und Kraftvolle wie die Begebenheit aufgefaßt ist, sahen wir einen ächt christlichen Gegenstand behandelt in dem Märterthum der heiligen Agatha, von Sebastiano del Piombo Nr. 60, ein Kniestück. Für Behandlung des Gegenstandes und Bedeutung eines der lehrreichsten Bilder das man sehen kann; ein classisches Gemählde, wenn irgend eins den Namen verdient. Nicht etwa, weil es den Anforderungen, welche die Theoretiker in ihren Lehrbüchern zu machen belieben durch alle Kategorien entspricht, sondern weil die große schonungslose Kraft, die durchdachte Verständigkeit, die Würde und der große Sinn des classischen Alterthums dieses seltne Werk durchaus beseelen und beherrschen. Der Tradition gemäß ist die Zeichnung von Michel Angelo, der den geschätzten Coloristen Sebastiano mit dieser Nachhülfe dem Raphael in seiner eignen Gattung als gefährlichen Nebenbuhler gegen über stellen zu können hoffte; und daher kömmt es denn wohl, daß die gewöhnlichen Mahler nichts daran zu loben wissen, als die bewundernswürdigen Verkürzungen; eine Sage die um so wahrscheinlicher wird, da ein andres Bild des Sebastian, die Mutter Gottes mit dem schlafenden Kinde von Engeln umgeben darstellend, nicht nur an Werth sehr weit unter jenem steht, sondern so ganz verschieden in der Art ist, daß man es gar nicht von demselben Meister glauben sollte. Jedoch ist zu bemerken, daß die Formen hier gar nicht so karikirt sind, wie es sich auf den kleinern Oehlgemählden des Michel Angelo sonst findet; sie scheinen vielmehr ganz in dem letzten Style des Raphael zu seyn, da sich dieser auch dem Michel Angelo näherte wie in den Tapeten, und besonders auf der Transfiguration. Wie kann aber, hör' ich unsre Leser fragen, ein so grausamer Gegenstand der Stoff eines schönen Gemähldes seyn? – Und in der That sah ich auch viele Beschauer, sobald sie hingeblickt hatten, sich schaudernd wieder davon wenden, und den Künstler wegen seiner Wahl tadeln. Dieselben die dann wohl mit zufriedner Bewundrung lange vor dem Märterthum der heil. Agnes von Dominichino, oder dem bethlehemitischen Kindermord des Guido verweilten, ohne vor dem Gemisch von Leichen und in Todesangst ringenden, den Blutströmen und den wüthenden Gebehrden im geringsten zu erschrecken, oder sich wegzuwenden. Und nichts von allem dem ist doch in dem Bilde der heiligen Agatha sichtbar. Kein Blut, kein krampfhafter Schmerz, keine Verwundung, denn noch haben die drohenden Marterwerkzeuge den Leib der Heiligen nicht wirklich berührt; auch nicht einmal der Ausdruck einer empörenden Boshaftigkeit findet sich hier. Es liegt daher wohl vorzüglich in der ernsten erschütternden Wahrheit der Darstellung, wenn der erste Eindruck auf die meisten so zurückschreckend und entsetzlich wirkt, da alles Ekelhafte und Unedle in diesem Bilde grade so ganz vermieden ist, wie es vielleicht in keiner andern Darstellung eines Märterthums der Fall seyn möchte. Der Künstler hat den Augenblick unmittelbar vor der Ausführung gewählt; schon nähern die glühenden Eisen sich den Brüsten und dem herrlichen entblößten Leibe des hohen Weibes, und die dadurch so heftig erregte Erwartung kann allerdings etwas Peinliches haben; aber doch könnte es wohl nur derjenige allzu peinlich finden, der in dieser Pein eben nichts sieht, nichts fühlt als die Pein, der gar nichts ahndet von der höhern göttlichen Bedeutung, und keine Freude hat an der herrlichen Form.

Die Composition ist sehr einfach. Die Figuren sind in Lebensgröße, das Bild ist aber doch klein, da die Figuren dicht zusammen stehen. In der Mitte ganz im Vorgrunde die Heilige, bis auf die Mitte des Leibes nackt, zu ihren Füßen liegt ihr Obergewand, das Untergewand um Hüften und Lenden gewunden ist vorn zusammengeknüpft. Sie ist rückwärts an eine Säule gelehnt, um welche sich auch ihre Arme zurückbiegen, und an dieselbe fest gebunden zu seyn scheinen; sie werden durch die Köpfe der beiden Henker die zu beiden Seiten stehen verdeckt, und durch einen dunkelgrünen Vorhang der von oben herabhängt. Ueberhaupt ist der peinliche Eindruck gewaltsamer Fesselung ganz vermieden; die Leidende scheint fast frei und freiwillig unter ihren Henkern zu stehen. Zur Linken steht der Tiran vor ihr, mit einem sonderbar verkürzten Arm auf einen Tisch gelehnt, der von dieser Seite den Vorgrund bildet, hinter ihm ein Begleiter der die Augen bedeutend niederschlägt; auf der andern Seite ganz vorn vor dem Henker Rechts, liegt ein großes Messer auf einer grauen Basis. Die Henker halten die Zangen mit beiden Händen; an der rechten Seite der Säule, die den Hintergrund theilt, nimmt man einen Heerd und Feuer wahr, und kleine Figuren, die mit den Zubereitungen der Marterwerkzeuge beschäftigt sind; an der linken Seite öffnet sich der Hintergrund und es zeigt sich hinter dem aufgezognen Teppich eine stille Landschaft und ruhiges Gewässer in heitrer Ferne. – Vor dieser Landschaft und zunächst bei dem die Augen niederschlagenden Begleiter zwei römische Soldaten, mit blanken offnen Helmen, theilnehmende Zuschauer der Begebenheit.

Der Leib der Heiligen ist von heldenkräftiger jungfräulicher Schönheit und Stärke. Keine Lilien und Rosen, sondern die Farbe der ungeschwächten Gesundheit im hellsten Licht durchglüht die reinen festen Formen. Aus ihrem Gesicht spricht nicht eine übersinnliche Geistigkeit, sondern vielmehr eine irrdische Heldentugend und Tüchtigkeit; in den dunkeln Augen die ganze Gluth des gefühlvollen Weibes, aber mit dem Ausdruck der Festigkeit, der Seelengröße, der innern Würde des Selbstbewußtseyns; der nachlässige Fall der schwarzen Locken läßt dennoch die edle Stirn ganz frei, und den wunderschönen kräftigen Hals. Während der Leib selbst, still und ohne Verzückung und Verrenkung der Marter Preiß gegeben ist, wendet sie den Kopf mit ergreifender Hoheit und in edler Bewegung gegen den Tyrannen. Sie spricht zu ihm, sie macht ihm den bittern Vorwurf: »Eines Weibes Leib hat dich getragen, ihre Brüste dich genährt, und du schämst dich nicht sie den Henkern Preiß zu geben?« Nur in der Bläße verräth sich die Bangigkeit der irrdischen Natur vor dem entsetzlichen Augenblick; ihr Blick und die hohen Züge sprechen mehr Zorn aus und Verachtung gegen den Tyrannen, als Sorge um sich selber. Mitten unter den Leiden triumphirt sie noch über ihn, der in sichtbarer innerer Unruhe vor ihr darsteht und sie anstarrt, als ob er an dem Schauspiel der Marter selbst sich gegen Zweifel stärken möchte; die auffallend gezwungne Stellung, das beinah unnatürliche Aufstemmen der Ellenbogen an den Tisch verstärkt noch den Ausdruck der innern Unruhe des Tyrannen, der sich selbst gleichsam in dem einmal gefaßten Unwillen fest hält, als ob die starrsinnige Härte gegen ein besseres Gefühl sich stemmte und verdrängte.

Der Kopf ist übrigens von edler Form und sehr kraftvoll. Noch kraftvoller in ihrer Art die beiden Henker, welche der Heiligen die Brüste mit den glühenden Zangen abzureißen drohen. Sie sind was sie seyn sollen, gemein, häßlich, und ganz gefühllos bloß sorgfältig auf ihr Geschäft bedacht, wie wenn es irgend ein anderes wäre; die ungeheure Kraft aber in diesen Gesichtsbildungen und die unbeschreibliche Gründlichkeit und Objektivität der Ausführung mildert den Eindruck ohne ihn zu schwächen, weil sie den Beschauer so gewaltsam auf den Charakter und die Form lenkt, daß das natürliche und unvermeidliche Gefühl mehr nachstehen muß.

Noch merkwürdiger und auf dem ganzen Bilde vielleicht am größten gedacht, sind die beiden Soldaten mit offnen Helmen und Harnischen, die hinter dem Tyrannen der Begebenheit mit dem innigsten Antheil zuschauen. Eine herzliche Rührung und der redlichste Schmerz bricht auf ihren Gesichtern aus; keine wüste Indignation gegen den Tyrannen, keine fruchtlose Demonstration von gutem Willen zur Hülfe; stumme Zuschauer dessen was sie nicht ändern können und dürfen, sehen sie einzig auf die Heilige, denken und beachten nichts als diese, scheinen auf ihre Worte zu horchen, und durch ihr hohes und inniges Mitgefühl wie durch eine begleitende Musik das Leiden gleich dem Chore im griechischen Trauerspiele zu beruhigen, und das Gefühl des höchsten Schmerzens mit dem Gedanken der Nothwendigkeit und der ewigen Natur zu vermählen. Beide sind sich ganz ähnlich und beinah gleichend, in mehreren Personen gleichsam nur ein Wesen darstellend, und erinnern um so mehr an die Bedeutung des alten Chors. Uebrigens sind sie in Stellung und Gestalt ganz schlicht und martialisch; nicht wild und ungestüm, aber von der männlichsten Festigkeit und auch im Charakter wie eisern, um so rührender nur ist die Rührung grade solcher Heldenmänner. Die Aussicht auf die ferne Landschaft beruhigt die erschütterte Seele, wie der Glaube an ein zukünftiges Glück. Keine Glorie, keine Engel schweben nieder um der Märtyrerin die Himmelspalme zu reichen, sondern ihre standhafte Seele eilt mit Zuversicht auf die eigne Kraft, der Natur zu und der ewigen Freiheit; und auch dadurch zeichnet sich dies Bild vor den meisten andern aus, welche ein christliches Märterthum darstellen. Gewiß es ist religiös, aber doch mehr im antiken Sinn, mehr stoisch und römisch als eigentlich christlich.

Wie hat man nur überhaupt die Martyria so unbedingt verwerfen können, als ungünstige und wohl gar unwürdige Gegenstände der darstellenden Kunst; da doch dieses nie genug zu preisende Bild allein hinreichend wäre, eine solche Meinung zu widerlegen, und evident zu zeigen, wie man auch diesen Stoff auf eine schöne und höchst würdige Art behandeln könne? Aber freilich, man hat die große Frage über die eigentlichen und schicklichen Gegenstände der Kunst überhaupt und der Mahlerei insbesondere nur nach einer aus diesem oder dem andern halb mißverstandnen philosophischen Begriff höchst zufällig entstandnen und höchst einseitigen Theorie blindlings und absprechend entschieden. Hätte man sich lieber auf den historischen Wege zuvörderst orientirt, so möchte die Antwort etwas anders ausgefallen seyn. Der älteste Gegenstand der christlichen Mahlerei mag wohl derjenige seyn, der niemals ganz erschöpft werden wird, noch auch jemals ganz erreicht werden kann; die Mutter Gottes mit dem Kinde. Nicht viel minder oder vielleicht eben so alt als dieser, dürfte vielleicht der andre Gegenstand seyn, der eben so oft wiederholt, aber noch weniger bis zur höchsten Vollkommenheit gebracht worden ist, als jener; das Bild des leidenden dornengekrönten Hauptes, des Blutbesprengten Heilands, das Ecce homo, und die Kreuzigung selbst. Die Legende der heiligen Veronica beweißt wenigstens nicht minder für ein sehr hohes Alterthum dieses Symbols, als die Legende vom heiligen Lukas für das Muttergottesbild. So wie nun der englische Gruß, die heilige Familie, die Anbetung der Könige, die himmlische Conversation alle mehr oder weniger an jenen einfachsten und reinsten Ausdruck der unendlichen Lieblichkeit erinnern, den innige Liebe je ersonnen hat; gleichsam nur eben so viel verschiedene Ausdrücke und Variationen desselben sind, geschmückte Entfaltungen und Erklärungen für den indischen Sinn; so spiegelt sich auch in jeder untergeordneten Leidensgeschichte, die höchste aller Leidensgeschichten von neuem ab. Die Kunst aber, und die Religion von der sie nie getrennt werden kann ohne sich selbst zu verlieren, sollen dem Menschen nicht allein das Göttliche andeuten, wie er es rein von allen Verhältnissen und im heitern Frieden sich denken und ahnden kann, sondern auch in seinem beschränkten Verhälmiß wie das Göttliche selbst im irrdischen Daseyn noch durchbricht und auch da erscheint; d. h. sie müssen und sollen uns darstellen die tiefen Schmerzen der in die Sterblichkeit eingeschloßnen, und auf dem himmlischen Rückwege allen Martern sich selbst freiwillig hingebenden höchsten Liebe! DaS Marienbild und das Kreuzesleiden, dieses sind die primitiven und mit allen ihren unendlich verschiedenen Ausdrücken, Variationen und Combinationen auch nie zu erschöpfenden Gegenstände und Grundanschauungen, gleichsam die ewigen Pole der höhern wahrhaften Mahlerei. Einsiedeleyen, wozu auch in den Legenden so viele und so schöne Veranlassungen sich finden, sind freilich gefälliger und wohlthuender als ein noch so bedeutendes Märterthum; aber würde es nicht bald zur manieriresten Einseitigkeit führe», wenn man immer nur nach dem Angenehmen und Erfreulichen streben wollte? Nicht zu gedenken, daß das Reizende grade diejenigen zu fliehen scheint, die ängstlich danach haschen und sich am liebsten freiwillig zeigt; daher man es mit Dank annehmen und erkennen soll, wo es sich darbietet; eigentlich fodern sollte man aber von einem Kunstwerke nicht Reiz und Schönheit, sondern nur die hohe, ja göttliche Bedeutung, weil es ohne diese gar kein Kunstwerk zu heißen verdient, und mir dieser die Anmuth als Blüthe und Lohn der göttlichen Liebe sich oftmals von selbst einstellt. Dieser hohen, tiefen Bedeutung aber sind die Martyria gewiß in einem ganz eminenten Grade fähig; wann der Mahler das Ekelhafte zu vermeiden weiß, so wird es ihm leicht werden, in diesem Gemisch von reinen und liebevollen Charakteren in den Leidenden, von Gemeinen, Verwilderten, oder ganz Boshaften, in den verfolgenden Naturen und ihrem gegenseitigen Kampf, in mannichfacher Abstufung und Verschlingung, ein nur allzuwahres Bild von dem Trauerspiel des wirklichen Lebens zu entwerfen, und dem Geschick, was die reinere Natur im menschlichen Verhältnisse meistentheils erwartet; wobei er, wenn er sonst will, immer noch Gelegenheit genug finden wird, uns an die höchste Schönheit und Liebe zu erinnern. Nur freilich mit dem Unterschiede, daß das Märterthum des Rechtschaffnen und Frommen im Kampf mit den Schlechten in der Wirklichkeit mehr durch den ganzen Lebenslauf ausgedehnt und nicht so sinnlich zu erscheinen pflegt. Aber ist dies etwa ein Nachtheil für die Kunst? Sinnliche Lebendigkeit fordert sie, vor allen die Mahlerei; und die Concentrirung dessen, was in der Wirklichkeit weit zerstreut ist, in einen gewaltigen Brennpunkt, dürfte wohl grade der Hauptunterschied seyn, der die Kunst in der Behandlung des Einzelnen von den Gesetzen des Wirklichen trennt und unterscheidet. So daß Martyria recht behandelt, wohl eher sogar zu den günstigen Gegenständen der Mahlerei gehören möchten; wenigstens sind sie weit brauchbarer für dieselbe als für die Poesie, die, wenn nicht viele andre Begebenheiten damit verknüpft sind, so daß das Märterthum nur einen Punkt oder den Gipfel eines größern Ganzen bildet, dieses allein darzustellen sich fast vergeblich bemühen, dadurch kalt und monoton werden oder im bessren Falle in ein ängstliches Ringen nach einer ihr doch unmöglichen sinnlichen Wahrheit der Darstellung verfallen würde. Wunderbegebenheiten, wie deren auch, da die ganze Legende gemahlt werden sollte, so viele gemahlt sind, scheinen eher ein ausschließliches Eigenthum des Dichters, der allein sie hinreichend vorbereiten, und zur vollen und vollständigen, wenn gleich immer räthselhaft und geheimnißreich bleibenden Anschauung bringen kann; grade in diesem Geheimnißreichen und Räthselhaften scheint sich die Poesie vorzüglich zu gefallen und oft am glänzendsten zu zeigen. Nur die ganz allgemein bekannten Wunder, wie die Himmelfarth und Verklärung, haben den Vorzug, auch im Gemählde nicht dunkel zu seyn oder kalt zu lassen.

Wie sonderbar schwanken überhaupt jetzt die Mahler in der Wahl der Gegenstände umher? Bald geben sie uns griechische und römische, bald ganz modern französische oder celtisch ossianische Geschichten und Gestalten, oder endlich gar solche, die nirgends zu Hause sind, als in dem Kopfe des in falsche Theorie verirrten Künstlers. – Versuchte man doch lieber auf dem gebahnten Wege der großen alten Mahler Italiens und Deutschlands weiter fortzugehen; es würde wahrlich nicht an Stoff fehlen, und man würde sehr irren, wenn wenn glaubte, der christliche Cyklus sey schon erschöpft! Man gehe nur einmal die Kupferstichsammlung Albrecht Dürers mit Aufmerksamkeit durch. Welche Fülle von neuen und tiefen Ideen wird man da finden. Ich meine nicht grade die apokalyptischen Bilder; das dürfte, so tiefen Sinn sie auch verrathen mögen, besonders für den Verstand der junqen Künstler ein sehr gefährliches Experiment seyn. Wie neu aber und wie reich ist er auch in den gewöhnlichsten Gegenständen! In seinen verschiedenen Behandlungen der Kreuzigung ist es auffallend und darf nicht weiter erwähnt werden. Aber auch in den Muttergottesbildern. Wo gäbe es schon eine Madonna von einem großen Mahler gemahlt, wie die von ihm entworfen, mit dem Monde zu ihren Füßen, der hohen Krone über dem Haupte schwebend, die langen Haare bis auf die Füße und den Saum des Gewandes wie ein Schleier herunterwallend. Wo gäbe es schon ein kunstvollendetes Bildniß, das uns die Königin des Himmels nach jener Vorstellung in aller Herrlichkeit des Glanzes und der Lieblichkeit darstellte, und der Würde und dem Tiefsinn jenes alten Symbols ganz entspräche? Und wie tiefsinnig und reich ist nicht seine Mutter Gottes im Garten entworfen; in dem Garten, der durch die unermeßliche Fülle der mannigfachsten und üppigsten Pflanzen in stiller Einsamkeit, wo hie und da sich seltsame Thiere zeigen, zu einem kurzen Inbegriff und reichen Sinnbilde der unendlichen Natur selbst erweitert ist? Wie kühn endlich und gleichsam an der äußersten Grenze des Wahren und Darstellbaren sind jene Versuche, wo er uns die Mutter Gottes sogar in ihrem irrdischen Verhältniß und von irrdischer Sorge gedrückt, das Kind von Engeln umspielt in der Handwerksstätte des irrdischen Vaters darstellt? Wo giebt es schon solche Bilder, die doch zum Theil nothwendig wären, wie wenigstens die Darstellung der sternbekränzten Mutter Gottes mit dem Monde zu ihren Füßen als siderische Königin dem christlichen Ideenkreise wesentlich ist, und die Darstellung der geistigsten Liebe im Mittelpunkt und Herzen des üppig blühenden Nalurgartens demselben doch sehr nahe liegt. Sie müssen wenigstens selten seyn dergleichen Bilder; denn unerachtet ich das vorzüglichste sah, was Deutschland in Dresden und Düsseldorf; Frankreich in Paris und Brüssel an Oehlgemählden besitzt, so habe ich doch nichts der Art gesehen. Zwar doch ein sehr alteS Gemählde der Madonna mit der Krone und dem Mond zu ihren Füßen in dem Saale antiker Gemählde zu Brüssel; was aber doch keinesweges den Bedingungen einer so hohen Idee nur irgend entspricht. Wahrlich, wären schon vortreffliche Mahler vorhanden, die sich selbst wieder auf dem Weg der alten Kunst aus dem Irrsal moderner Aesthetik zurückgeführt hätten, so wäre es eines edeln und reichen Fürsten nicht unwürdig, durch einen großen angemeßnen Preis den Wetteifer der Jünglinge wieder auf die wahren Gegenstände der Kunst zu wenden, und dazu etwa irgend eine der vorzüglichsten und edelsten von ihm selbst nicht ausgeführten Ideen Dürers zu wählen, allenfalls mit der Freiheit, was weniger wesentlich ist, mit Mäßigung zu verändern. In diesem Zutrauen, scheint es, hat der große Mann die Fülle seiner Entwürfe der Welt hingegeben, gleichsam den Ueberschuß seiner unerschöpflichen Tkätigkeit, der das, was er bei seiner Gründlichkeit systematisch ausführen konnte, nicht genügen mochte; so angesehen, lassen sich Kupferstiche rechtfertigen und billigen, und aus diesem Gesichtspunkte müßten wohl wenigstens die seinigen beurtheilt werden, und dann dürften sie auch wohl diejenigen, die hart auf Eisen schraffirt, dem Auge nicht auf dem ersten Eindruck wohlthun können, für den, der es ausführen wollte, durch Angabe alles Wesentlichen vollgültig bewähren. Wie Dürer aber auch in dieser Gattung ausführen konnte, dies beweist das Blatt vom Hubertus und des Sickingen, der durch den Wald reitet. Hier vermißt man kaum die Farben, man sieht diese Stiche, wenn man anders einen guten Abdruck hat, so wie ein gutes Gemählde, nie zu Ende; und wenn sonst das individuell Unerschöpfliche der geistigen Bedeutung und des Charakters nur ein Eigenthum und Vorrecht des himmlischen Farbengeistes zu seyn scheint, nicht der körperlichen farblosen Linien, so ist hier gleichsam das Unmögliche geleistet, wie es den größten Meistern gegeben ist, an die äußerste Gränze der Kunst und ihres Gebietes selbst diese, des Rückweges immer sicher, auf einen Augenblick kühn zu überschreiten. Darum sind sie eben so gefährlich für ihre schwächere Nachfolger, die sich leichtsinnig auf eine Bahn begeben, der sie nicht gewachsen sind. Und so hat denn auch Dürer durch sein Beispiel, so wie auch manche der größten Italiäner, unschuldigerweise beigetragen zur Verbreitung jenes Grundirrthums der neuern, der alles verderbenden und zerrüttenden theoretischen und praktischen Trennung von Zeichnung und Colorit; denn, so wie nach der Lehre des Sokrates, derjenige, der zuerst das Schöne von dem Nützlichen unterschied und trennte, den ersten Grund zur Unsittlichkeit gelegt hat; so wie aus dem einen Grundirrthum des Cartesius, daß er eine absolute Trennung von Geist und Körper annahm, eine ungeheure Kluft zwischen beiden festsetzte, alle nachfolgenden Verwirrungen der Philosophie nothwendig hergekommen sind, so dürfte sich auch wohl jene noch allgemeingelrende Trennung der Mahlerei in Zeichnung und Colorit als Grundquell aller abgeleiteten Irrthümer auf diesem Gebier immer mehr bewähren. Dem Dürer ging es übrigens so, wie schon sonst in alten Zeiten manchem Philosophen, der mehr um die Wahrheit als um seinen Ruhm besorgt, da er nicht alles systematisch vollenden konnte, die ganze Fülle seiner Ideen der Welt vertrauensvoll hingab, dann eine kurze Zeit etwa von einigen seiner Zeitgenossen und Nachfolgern oft ohne Anerkennung seines Verdienstes benutzt, ja beraubt ward, bis ein schwächeres Geschlecht, unfähig seine Andeutungen auszuführen, ja auch nur zu verstehen, dieselben bald nicht mehr beachtete und völlig vergaß. Wenn ich diese Sammlung von Dürer betrachte und dann an den Schwall von Skizzen und Kupferstichen denke, unter denen wir gegenwärtig leben, so glaube ich Luthern vor mir zu sehen mit seinem Fenereifer und seinen großen Absichten, und dann den gleich nachfolgenden Haufen der süßlichen Aufklärer, deren Geschwätz wir jetzt auf allen Märkten vernehmen. –

Was mich in Paris besonders an Dürers Sammlung in dem Kupferstich-Cabinett anzog, war die Vorzüglichkeit der Abdrücke. Auch wurden meiner Nachfrage keine andre Gemählde des verehrten Meisters gewährt. Zwar sollen vier große Stücke von Nürnberg hingekommen seyn; doch diese sind, wie ein glaubwürdiger Mann mich versichert, gemäß dem Decret über die Versendung der Kunstwerke, in fünfzehn große Departementsstädte schon nach Rennes in Bretagne deportirt, wo sie wohl schwerlich je das Auge eines Kunstfreundes wieder sehen wird! –

In dem Schlosse zu St. Cloud sah ich mehrere Gemählde wieder, die wir schon im Louvre betrachtet und bewundert hatten; die Vermählung der heiligen Katharina mit dem Christkinde von Correggio, daS herrliche Bildniß Pabst Julius des Zweyten von Raphael, und mehrere andre. Auch das Bildniß Karl des Achten, von Leonardo, welches unter seine ausgezeichnetesten zu setzen ist; es hat einen einfachen aber hellen Hintergrund, was seltner ist bei alten Bildnissen, und hier sehr gut zu dem hellen, verstandvollen und doch eines Helden nicht unwürdigen Charakter des Gesichts paßt. Die Wahrheit des Bildnisses ist so objektiv und gründlich als man es von diesem Meister gewohnt ist, und zeichnet sich noch durch eine besondre Klarheit aus; ein Kopf der ungleich anziehender und ungleich bedeutender ist, als das berühmte Bildniß Franz des Ersten, von dem ich zwei verschiedene Exemplare, eins in der Lucian Buonaparteschen Sammlung, eins im Restaurationssaale des Louvre sah; die breiten Züge des seltsam häßlichen Gesichts mit den kleinen blinzenden Augen hat selbst Leonardo's Behandlung nicht adeln können. Das wichtigste Gemählde, dem ich hier meine Betrachtung widmen konnte, aber freilich nur während einer bald verschwundnen Stunde, ohne die Beschauung wiederholen zu dürfen, ist die berühmte Madonna della Sedia von Raphael. Die bezaubernde Lieblichkeit dieses Bildes ist allgemein bekannt, da sie selbst in dem Kupferstich noch unverkennbar ist. Die Mutter Gottes hat nicht ganz die individuelle Schönheit der Gärtnerin, noch die idealische der Madonna in Dresden; sie steht zwischen beiden Ertremen, und ist in dieser Hinsicht der Madonna auf der gepriesenen heil. Familie im Pariser Museum, der Madonna de Foligno, der del Candelabro in der Luzian Buonaparteschen Sammlung, und der del Impannato im Pallast Luxemburg zu vergleichen. In allen diesen dürfte ungefähr dasselbe Schema zum Grunde liegen, nur die Madonna della Sedia ohne Vergleich die gelungenste seyn, und für alle andre gelten könne; wie denn Raphael in Kindern und Köpfen von Alten immer gleich glücklich, unerreichbar und einzig zu seyn scheint; in weiblichen Köpfen hingegen hat er einigemal die höchste mahlerische Schönheit, sowohl die individuelle, als die idealische erreicht; oft aber sehen wir auch darin mehr ein edles und aufrichtiges Streben nach einer bestimmten Art von Schönheit, als diese selbst. In dem Christkinde auf der Madonna della Sedia hat der Künstler die Göttlichkeit desselben durch eine ganz ungewöhnliche und beinah unnatürliche Kraftfülle ausdrücken wollen, doch hat es noch nicht die strenge Hoheit im Blick wie das Cristkind auf dem Bilde inDresden; es schaut ernst, offen und groß darein, aber die Stellung ist nachlässig und kindisch, es spielt mit seinem Fußzehen. Uebrigens war mir auf diesem Gemählde das Farbengewebe, wenn ich mich dieses Ausdrucks bedienen darf, sehr merkwürdig. Mich dünkt auch in der Farbe und Farbenbehandlung zeigt sich recht deutlich die große Verschiedenheit und Verschiedenartigkeit der vielgestaltigen Kunst dieses reichen Meisters. In vielen Gemählden zeigt er eine entschiede Vorliebe zu starken Massen eines entschiedenen kräftigen Grün, Roth und Weiß; denselben einfachen großen Grundaccord der Farbe, auf welchen auch Dante den höhern lichtvollern und farbigern Theil seines unendlichen Gedichts ausdrücklich gründet. In andern Gemählden, wie in der Gärtnerin und in der Madonna der Lucianschen Sammlung ist die lieblichste frischeste Carnazion das Herrschende, von lauter Helligkeit und Heiterkeit umgeben; in noch andern wie im Johannes zu Düsseldorf, so weit man von diesem nach den Veränderungen, welche die Zeit darin gemacht haben mag, noch urtheilen darf, in dem Engel Michael zu Paris und in der Transfiguration, so wie in mehrern andern Bildern, sucht er mehr die dunkeln Schatten, die Verschmelzung und Gegensätze des Dunkeln und Hellen, die kleinern Massen nicht so frischer Farbe unter denen auch den blauen eine große Stelle eingeräumt wird, wie solches in der spätern italiänischen Schule anfieng herrschend zu werden. Der durchaus hellbraune Ton des nicht fertig gewordenen Bildes zu Brüssel, würde doch auch wohl bei weiter ausgeführter Vollendung geblieben seyn; und die Madonna della Sedia endlich, hat noch einen ganz andern Farbencharakter, den ich als den bunten bezeichnen würde, wenn man dieses Wort in einer edleren Bedeutung zu nehmen gewohnt wäre. Es zeigt sich hier wieder mehr Neigung zum Grünen, Rothen, und Hellen, aber nicht in breiten Massen, sondern so wie in einem köstlichen Teppich die bedeutendsten und freudigsten Farben nicht in großen Parthien sich gegen einander stellen und ordnen, sondern in zarten Kränzen und Blüthen, in seinen und zierlichen Wendungen sich vielfach durchschlingen und kunstreich verweben, so daß jedem Gefühlvollen mit dem Begriff der wahren Pracht zugleich das Gefühl der herrlichsten Fülle und Freude durchdringen muß. Wer die Madonna della Sedia und die Gärtnerin sehen, und noch glauben kann, Raphael sey ein schlechter Colorist gewesen, dessen Augen und Sinne müssen nicht die empfindlichsten seyn. – Es versteht sich übrigens, daß die allgemeine Aeußerungen über Raphael, die hier vorkommen, durchaus mit der Einschränkung zu verstehen sind, daß sie sich nicht auf die Frescogemählde, sondern nur auf die Oelgemählde beziehen, von denen der Verfasser die meisten und anerkannt wichtigsten zu sehen Gelegenheit hatte. Die Madonna della Sedia ist übrigens dem einfachen Gegenstande nach, indem es uns die Mutter Gottes mit dem Kinde auf dem linken Arm, das Haupt sanft dagegen geneigt ganz ohne weiteren Schmuck und Umgebung als den anbetenden kleinen Johannes zeigt, den ältesten Marienbildern, die gerade dasselbe nur darstellen, auffallend nah verwandt; und es ist der Bemerkung nicht unwerth, daß grade das Lieblichste der neuern Kunstblüthe und geschmücktere Ausbildung mit der schlichten Einfalt und Schönheit des ältesten Anfangs so nah zusammen trift. So wie dieses. Bild der Lieblichkeit an der Grenze zu stehen scheint zwischen zwei großen Epochen in Raphaels Kunstgeschichte; so wie es uns die fromme Innigkeit und Liebe seiner Jugend in aller Entfaltung und Schmuckesfülle seiner blühendern, reifen und reichsten Zeit darstellt, da er hingegen späterhin dem glänzenden Meteor Michel Angelo's und der Antike nachfolgend, den Weg der frommen Liebe mehr verlassen hat; so vereinigt auch das wunderbare und heilige Bild von der heil. Cäcilia die verschiedene Schönheiten seiner verschiednen Lebensstufen, zu einem vollen Einklang hinreißender Begeisterung. Auch in Rücksicht der Farbenfülle und Gewänderpracht, könnte man die heil. Cäcilia mit der Madonna della Sedia gleich stellen. Dieß und die äußerst sorgfältige Ausführung, sind denn wohl die Ursache, daß die in Dresden befindliche, sonst vielleicht verdienstliche und lobenswerthe, alte Copie dieses Bildes, im Eindruck so unendlich weit hinter dem Original zurücksteht, weiter als andre gute Copien. Das herrschende Princip in dem Bilde der heil. Cäcilia ist das innigste Gefühl der Andacht, die im irrdischen Herzen nicht mehr Raum findend in Gesänge ausbricht; so wie man auch wohl auf großen Anbetungsbildern des Perugino alles in eine fromme Begeisterung hinschmelzen sieht; aber da ist es eine stille Andacht, wie die feyerlichen langgezognen Töne alter Kirchenhymnen. In Raphaels Bilde ist die Beziehung auf Musik noch bestimmter, und es ist die ganze Wundertiefe und Wunderfülle dieser magischen Kunst andeutend hier entfaltet. Der wild in sich versunkne Paulus mit dem gewaltigen Schwerdt zur Linken, erinnert uns an jene alte Kraft der Melodieen, die Thiere bezähmen und Felsen bewegen konnte, aber den Menschensinn zerreißen und in wilde Begeisterung verkehren; die harmonische Hoheit der gegenüberstehenden Magdalena, deren vollendete Schönheit in den nach dem Beschauer gewendeten Gesichtszügen der Dresdner Madonna auffallend ähnlich ist, erinnert uns an den holden Einklang der in Ewigkeit friedlichen Geister, welcher in den Zaubertönen der irdischen Musik zwar schwächer, doch deutlich wiederklingt. Die Seele der in der Mitte stehenden, lobpreisenden Cäcilia ergießt sich in einen Strahl grade auswärts, der verklärte Ton dem himmlischen Lichte entgegen; durch die beiden andern Nebenfiguren, die den Raum zwischen jenen drei Hauptfiguren ausfüllen, rundet sich das Ganze zum vollen ununterbrochnen Chor. Der kindliche Kreis der kleinen, ganz oben in Wolken schwebenden Englein, ist gleichsam der luftige Widerschein und Nachhall des großen Chors. Der klare Vorgrund und die verschiedenen zerstreut umherliegenden Instrumente stellen uns die ganze mannichfaltige wunderbare Welt der Klänge und Töne vor, auf deren Boden das kunstreiche Gebäude des heiligen Gesanges ruht und sich aus ihm erhebt. Der Sinn, die Seele des Gemähldes ist durchaus gefühlvoll, ganz begeistert und musikalisch; die Ausführung im höchsten Grade objektiv und gründlich.

In dem Pallaste Luxemburg ist gegenwärtig eine Gemähldesammlung aufgestellt und eröffnet worden, die dem Senate der Franzosen eigen seyn soll. Außer vielen andern modernen Gemählden ist ein Saal fast ganz ausgefüllt mit Stücken von Rubens, welche die Geschichte der Maria von Medizis in einer Reihe allegorisch darstellen. Leicht können diese Bilder den Vorzug verdienen vor denen desselben Meisters auf der großen Sammlung im Louvre, wenigstens in Rücksicht des Strebens nach erfinderischen Ideen. Aber sie sind sehr schlecht erhalten, und wer es für nothwendig hält, um das Ganze der Kunstentwicklung selbst mit allen merkwürdigen Verirrungen, die dazu gehören vollständig verstehen zu können, sich auch von der Manier dieses Mahlers einen Begriff zu verschaffen, der müßte sich doch wohl einzig an die Düsseldorfer Gallerie halten. Eine Suite von Stücken des Le Sueur in Proportion, die Geschichte des heil. Bruno darstellend, zeichnen sich wie dieser Künstler überhaupt in der französischen Schule, sehr vortheilhaft aus; da ist nicht die wüste Pralerei des Le Brün, die steife Schulpedanterei des Pouffin; man bemerkt Gefühl, Gefühl für Farbe sogar, und überhaupt etwas Seelenvolles. Aber doch ist alles so französisch, so matt in Umriß und Farbe. Man kann sich der Theilnahme nicht erwehren mit dem liebenswürdigen Geiste der von wahrer gründlicher Bildung entfernt, mitten unter lauter Eitelkeiten eine flache Aussenseite gewinnen, und verlohren gehen mußte; aber freilich ist es kein Kunstgefühl was man empfindet, sondern nur menschliches Mitgefühl, wie es etwa auch die schwächliche Liebenswürdigkeit des Racine uns einflößt, mit welchem Le Sueur eine auffallende Familienähnlichkeit zu haben scheint. Und so kann denn auch von den einzelnen Bildern hier nicht weiter die Rede seyn. – Von altitaliänischen Gemählden bemerkte ich nur zwei in dieser Sammlung. Eine Danae von Tizian; diese hing aber so hoch und ungünstig, daß ich nichts davon sagen darf; und die Madonna dell Imponnato von Raphael, deren Beurtheilung in den Propyläen sich die Leser derselben erinnern werden. Auffallend ist darin das ganz übertrieben hohe Alter der heil. Elisabeth. Vielleicht ist es Porträt; denn auch auf der heil. Familie zu Düsseldorf fand ich es fast ganz gleichend wieder. Die Madonna ist ungefähr in demselben Schema entworfen, wie die der Foligno, und in der heil. Familie des Louvre. Das Bild nimmt in der Reihe der Madonnen des Raphael immer eine bedeutende Stelle ein, und hat unstreitig viel Verdienstliches. Es ist bei der gewaltigen, und eigentlich immer noch fortgehenden Dislocation so vieler der wichtigsten Kunstwerke manchem Freunde derselben vielleicht nicht unangenehm, gelegentlich Nachricht zu finden, wo sie hingerathen und wo sie jetzt zu sehen sind; in dieser Rücksicht glauben wir uns auch eine kurze Ausführung solcher altitaliänischer Bilder verstatten zu dürfen, welche für die eigne Betrachtung nicht so fruchtbar waren als andre, oder von denen in frühern deutschen Schriften schon hinlänglich die Rede gewesen ist.

Die monuments françois, von denen Lenoir einen sehr ausführlichen Catalog gegeben hat, zeigen wenigstens mit der größten Anschaulichkeit, was die Kunst, besonders die Sculptur, nicht seyn sollte; und schwerlich würde man sichs denken können, wenn man es nicht vor Augen sähe, wie weit, und daß eine noch menschliche Fantasie wirklich so weit verirren könnte, als es vielen der französischen Bildnern, in treuer Nachahmung bekleideter, oder gar nackter auf ihren Särgen ausgestreckt liegender Leichname, oder der im modernen Eostum gekleideten, umher knieenden Damen und Herren, wie wir hier sehen, widerfahren ist. Doch machen einige Alterthümer der Mahlerei, diese Sammlung bemerkenswerth. Das älteste ist wohl ein russisches Marienbild, welches in der That aus der frühesten Zeit zu seyn scheint; da bei den griechischen Christen insonderheit, die Priester selbst die Mahlerkunst zu üben pflegten, so darf es um so weniger befremden, daß mit dem Christenthum zugleich einige griechische Mahlerei zu den Moscoviten gelangt sey. So befinden sich drei zusammengehörige kleine Miniaturbilder, Gott Vater mit einigen Nebenfiguren vorstellend von russischer Arbeit, aber ziemlich in griechischem Styl aus den ältesten Zeiten des Christenthums in der Antiquitätensammlung der Nationalbibliothek. Das Marienbild bei den monuments françois Nr. 8. p. 101. des Catalogs, ist fast in Lebensgröße und hat ziemlich gelitten; eine fremde Nationalität ist in dem Christkinde besonders, unverkennbar, und sogar sehr auffallend. Desto merkwürdiger ist es, daß das Gesicht der Madonna dem Schema nach so vielen andern gleicht, die bei so ganz andern, sehr entfernten Nationen gleichfalls in den ältesten Zeiten fast eben so entworfen wurden; dasselbe ovale Gesicht, die Regelmässigkeit der Züge, kleiner Mund, hohe Stirn, Senkung des Haupts und des Blickes auf die Seite nach dem Kinde. Auf der Brust, und auf dem das Haupt umgebenden Gewand über der Stirn ist ein Stern gebildet, vermuthlich nach der Benennung alter Kirchenlieder, stella maris; stella matutina; man dürfte dies für ein Kennzeichen der ältesten Marienbilder halten, denn ich fand es auch auf einem unstreitig sehr alten, das aus der Kirche St. Luigi in Rom (wo sich unter manchen mittelmässigen Bildern auch viele sehr merkwürdige Alterthümer befunden haben müssen) nach Paris gekommen ist, und das ich im Restaurationssaale des Louvre sah. Ferner sind in den monuments françois mehrere, nicht blos durch ihr Alterthum, sondern auch durch ihre Vortrefflichkeit merkwürdige Glasgemählde. Die schönsten sind wohl eine heilige Veronica mit dem Schweißtuche auf Christi Hingang zum Kreuz, und der englische Gruß. Nr. 16 und 18 p. 298. Beide alt, der Zeit und auch dem Style nach, und beide den schönsten und vollendetsten Oelgemählden an die Seite zu setzen; vorzüglich der englische Gruß. Besonders auffallend und wohlthuend war mir die Farbenbehandlung; die Mitte ganz hell und licht; die großen Massen von blendend starken Blau und Roth umgeben nur den mittleren Theil, der dadurch auf das schönste ausgezeichnet wurde. Noch mehr aber war mir die Farbenwirkung an einem großen Ecce homo von Dürer merkwürdig; wie es entworfen sey, kann man sich leicht denken, da er diesen und die damit verwandten Gegenstände in Oelgemählden und Zeichnungen so vorzüglich oft variirt hat; der heilige Dulder von der höchsten sittlichen Schönheit, die höhnenden Krieger Caricaturen der Schlechtigkeit und Rohheit, aber Caricaturen von einer unergründlichen Bedeutsamkeit. Es mag diese Behandlung des so oft von ihm behandelten Gegenstandes nicht unter die schlechtesten von Dürer gehören; aber die enorme Wirkung die es macht, rührt doch wohl größtentheils nur von der brennenden Farbenkraft her, worin keine andre Art es der Glasmahlerei gleich thun kann. So wie die grellen Dissonanzen in der Musik von großen Meistern oft zum Ausdruck der höchsten, fast an Verzweiflung grenzenden Leidenschaft mit größter Bedeutsamkeit genutzt worden sind, so dürften die beinah schreienden Farben der Glasmahlerei vorzüglich geschickt seyn, die ganze Tiefe der höchsten Leiden und Leidensgeschichten mit voller Gewalt in Auge und Herz der Beschauer einzudrücken. Versteht sich, wenn die Dimensionen des Gemähldes, und der Standort des Anschauens ungefähr sind wie bei großen Werken in Oelfarbe. Wo im Chor altgothischer Kirchen die schmalen Fenster in eine dem Auge fast unermeßliche Höhe steigen, da ist kaum noch eine Wirkung wie von einem einzelnen Gemählde möglich; da wirken die Glasmahlereien nur wie Teppiche von bunten Krystallen gewebt, wie eine durchsichtige Mosaik der hellschimmerndsten Edelsteine in großen Parthien aufs kühnste durch einander geworfen, wo der Himmel durch die höchste Farbenpracht der Erde wie in lichten Flammen hereinbricht; sie wirken auf diese Weise im Ganzen und in Masse, wenn gleich selten und nur bei gewissen bestimmten Beleuchtungen jedes Einzelne ganz deutlich unterschieden werden kann. Vortrefliche Glasmahlereien der Art sah ich in der schönen unvollendet gebliebenen gothischen Kirche St. Gudula zu Brüssel, und sehr viele zu Kölln. Paris ist nicht eben reich daran. Die Kirche Notre Dame, das einzige Gebäude daselbst, was als ein wahrhaftes Kunstwerk der Architektur betrachtet werden kann, aber ungünstig und niedrig gelegen, nicht fertig gebaut, und inwendig durch Modernisirung der Säulen u. s. w. schrecklich verschimpft worden ist, enthält keine bedeutende Verzierungen der Art. Einige bessere finden sich in den obern Fenstern der Kirche St. Sulpice; besonders ein heil. Dionysius mit dem Haupte in der Hand fiel mir auf, und ein Kelch mit der Hostie in einer Glorie oben darüber. Unstreitig aber ist die Glasmahlerei eine eigne bestimmte Gattung der Mahlerkunst. Es ist ein ganz irriges und falsches Princip der Eintheilnng für die Mahlerei, wie mehr oder weniger für jede materielle und unmittelbar in der Materie bildende und darstellende Kunst, wenn man dabei die Verschiedenheit der dargestellten Gegenstände zum Grunde legt. Denn diese sind ja in der vollständigen wahrhaften Kunstdarstellung nur Mittel und Chiffern; Zweck aber und Ziel des Ganzen ist die Bedeutung, der in jenen Chiffern verborgne höhere Sinn, den man auch wohl den geistigen Gegenstand nennen mag. So haben wir schon früher gezeigt wie das Porträt, die Landschaft, das Blumenstück, Stilleben, die Caricatur erst durch einen bedeutsamen und großen Gebrauch in dem sogenannten historischen Gemählde (das man wohl schicklicher das vollständige oder das allegorische nennen könnte, wenn es als das einzige wahrhafte und mit Recht so zu nennende Gemählde nicht noch besser aller speciellen Bezeichnung entbehrte) ihren vollen Sinn und ihre ganze Wirkung erhalten, erst da an der rechten Stelle das sind und werden, was sie seyn können und sollen; haben also gezeigt, daß diese sogenannten Arten der Mahlerei (wenn gleich in den Studien des Künstlers manchmal sich trennen darf, was im vollendeten Werke vereint seyn soll) eigentlich keine sind, sondern nur Theile und Glieder; und eben dieß ließe sich leicht auf die noch übrigen seynsollenden Gattungen, der Schlachtstücke, Miniaturen, Conservationsstücke u. s. w. ausdehnen. In der materiellen und unmittelbar in der Materie arbeitenden Kunst, sind die äussern materiellen Bedingungen natürlicherweise die bestimmendsten. Der Ort zum Beispiel ist von der größten Wichtigkeit und wän schon ein weit besseres Princip der Eintheilung als die Classificationen der Gegenstände. Ein jedes gute Gemählde soll für einen bestimmten Ort gemahlt seyn, und die meisten Alten sind es auch; etwas anders ist ein Altargemählde, etwas anders die Darstellungen die den Umgang des Chors zu verzieren bestimmt sind, etwas anders ein Gemählde im Refectorium eines Klosters, oder in der Zelle; bei den guten alten Mahlern unterscheidet sich dies leicht; – ja auch das Bild was für den Hauptaltar bestimmt ist, oder für den kleinern Nebenaltar, unterscheidet sich bei solchen nicht durch die Größe allein, sondern auch in der Behandlungsart; so das mittlere Hauptstück, und die begleitenden Gemählde der beiden Seitenflügel, endlich das innere und das äußere Gemählde derselbigen. Auch in der Natur giebt es kein Gebilde, das in unbestimmter Allgemeinheit existirte; und so ist auch jedes Werk der sinnlichen Kunst an eine bestimmte Stelle gebunden, oder würde, wenn es in diesem Stücke der größern Freiheit der Poesie nachstreben wollte, nur in das Leere und Unwirksame verschweben. Weit wichtiger aber noch ist die Verschiedenheit der Materie in der Mahlerei; und wie die wundervollen Verzierungen gothischer Baukunst nur in zartem Sandstein, Griechische Bildnerey nur in weichem Marmor möglich, für den ägyptischen Riesenstyl aber Granit und Basalt durchaus am günstigsten seyn dürften, so ist es auch der verschiedene Stoff auf den und mit dem gemahlt wird, allein, welcher wahrhaft verschiedene Gattungen hervorbringt, wie Oelmahlerei, Glasmahlerei, Alfresco; weil diese Verschiedenheit der Materie, wenn der Künstler alles Ungünstige was sie hat vermeiden, alles Günstige aber was sie ihm darbietet, benutzen will, die äußern Gegenstände mögen seyn, welche sie wollen, eine totale Verschiedenheit der Behandlungsart erheischt und mit sich führt.

Nach dieser kleinen Abschweifung kehren wir zurück zu der Aufzählung merkwürdiger alter Gemählde, wo wir zuerst noch einiges nachholen wollen, was in den vorigen Artikeln versäumt worden ist. In der Nachricht von der Lucian Buonapartischen Sammlung, die nun nach Rom abgeführt worden, ist eine merkwürdige Grablegung des Giorgione in Proportion, übergangen. Ein kleines Bild, aber vom großem Werth. Der dunkelgrüne Vorgrund aus sorgfältig nachgebildeten Kräutern dicht gewebt, das Porträtmäßige der Köpfe, das Natürliche und Kecke der Stellungen, das Costum ganz in dem damaligen venezianischen Trachten, hie und da vielleicht mit einigen fantastischen Einmischungen; alles das erinnert an die niederländische Schule, aber an den alten großen Styl derselben; und auch dieses Bild athmet etwas Freyes, Herzhaftes, redlich Gemeintes und Grandioses. Eins der gründlichsten venezianischen Bilder, die ich sah. – Bei dem Abschnitt von der deutschen Schule in der großen Sammlung des Louvre, ist zu wenig Erwähnung geschehen von dem Bilde des Hemmelink, Nro. 306. des langen Saals. Es stellt dar, den heiligen Christoph mit dem Christkinde auf der Schulter, mit seinem Baume in der Hand durch den Fluß schreitend; zu beiden Seiten sind hohe Felsen und im Vorgrunde links der heilige Benedict, rechts der heilige Aegidius, den Pfeil im Arm steckend, sein liebes Reh neben ihm stehend; auf dem linken Felsen oben tritt aus einer kleinen Schlucht der Einsiedler mit der kleinen Leuchte hervor. Auf den Seitenbildern stellt rechts der heilige Wilhelm in voller Rüstung den knieenden Donararius, nebst seinen Söhnen, dar, desgleichen gegen über eine Heilige, die Frau und Töchter. Die Landschaft ist in den Seitenbildern vom Mittelbilde aus fortgesetzt; sie ist so still und grün, so naturgefühlt, so deutsch, so rührend, wie es nur selten gefunden wird. Der liebevoll redliche und freundliche Ausdruck im Gesicht des Christoph, das Freie der Landschaft, das bedeutende Reh, daS Treuherzige und Schlichte des Ganzen; das alles ist als ob es von Dürer wäre, nur ohne die Beimischung von Caricaturen, durchaus still und rührend, es ist eben so bedeutsam, aber einfacher und anmuthsvoller. Die Gesichter sind auffallend mehr eigentlich deutsch, als sie sonst auch beiden ältesten niederländischen Maklern zu seyn pflegen. Dies Gemählde könnte ein Vorbild seyn, wie man landschaftliche und einsiedlerische Gegenstände der Heiligengeschichie zu behandeln hat.

Im Restaurationssaale des Louvre hatte ich Gelegenheit, mehrere berühmte und schöne Gemählde zu sehen, aber nur einigen der wichtigsten konnte ich eine genaue und wiederholte Betrachtung widmen. Auch einige der vorzüglichsten wurden meinem Auge zu schnell wieder entrückt, wie eine herrliche lilienbekränzte heilige Catharina von Leonardo da Vinci. Eine Reihe von Köpfen der Apostel, klein auf Goldgrund, noch mit rothdurchscheinender Gesichtsfarbe, aus der Kirche St. Luigi in Rom, erinnert an die ältesten Zeiten der christlichen Mahlerei im griechischen Styl; ein Anblick der noch kindlich einfältigen Kunst, der für den nachdenkenden Beschauer immer viel Anziehendes, viel Belehrendes und wiederum auch Rührendes hat. Das entgegenstehende Extrem neuerer Kunstausbildung oder Entartung zeigten die drei Parzen von Michel Angelo, wo alle Kraft der Zeichnung aufgeboten ist, um die abscheulichste Häßlichkeit recht anschaulich zu machen; in welcher Absicht, in welchem Sinn, das ist nicht ganz klar.

Raphaels berühmte Margaretha soll lieber weiter unten ihre Stelle finden, wo ein besser erhaltenes Exemplar derselben erwähnt werden wird. Das Parisische ist leider so sehr beschädigt gewesen, daß es ganz hat retouchirt werden müssen. Das Göttliche dieses Gedankens war nicht zu vertilgen, aber man fühlt wohl, wie viel das Bild müsse gelitten haben. Ein großes Gemählde des Tizian von der Antiope, werden diejenigen, die den Hauptvorzug dieses Mahlers in die lieblichste Carnazion und in die Darstellung nackter Reize setzen, leicht als das schönste wenigstens von denen gelten lassen, die sich von diesem Meister in Paris befinden. Die weite, helle, freudige Landschaft, die Nebenfiguren und ihre Trachten, Jäger und Jagdbunde, der auf die Begierde deutende Hirsch, der lechzend aus dem Flusse trinkt; alles das ist so, wie es sich auf den guten, ja auf den besten Bildern Tizians findet; nur der in einen Faun verkleidete Jupiter könnte etwas gar zu Faunisch scheinen. Aber alles dies bemerkt man nur wenig, so ganz wird das Auge gefesselt an die mitten im Vorgrunde ausgestreckt liegende schlummernde Schöne; das leichtverhüllende Gewand ist schon bis an die Theile weggehoben, die es am meisten verbergen sollte; nichts ist zarter und lüsterner zugleich, als dieser nackte Leib, diese zierlichen und doch völligen Glieder, dieser warme Schmelz der feinsten Haut, es müßte denn der üppig aufblühende, lächelnde Mund seyn, das verrätherische Erröthen der Wangen, das Halbgeöffnete der Augen, als läge sie nur im verstellten Schlummer, oder als wäre ihre Einbildung von einem wollüstigen Traume so eben überwältigt und durchdrungen. Sie ruht mit dem Haupte auf dem nachlässig untergeschlungenen rechten Arm, so daß die ganze vordere Seite sich desto freier ausdehnt, und die Achsel sichtbar ist; der Künstler durfte kühn genug seyn, auch die feinen Haare zu bilden, die sich hier zeigen, so wie die, welche die verborgensten Reize umhüllen. – Welcher junge Mahler die Absicht hätte, die Wollust wieder vor unser Auge zu zaubern und die alten Sinnbilder und Göttergestalten derselben von neuem zu beleben, den sollte man vor dieses Gemählde führen und ihn schauen lassen.

Es ist merkwürdig, wie die großen italienischen Künstler, wenn sie, wie in Nebenwerken zur Erholung nicht selten geschah, Gegenstände der griechischen Fabelweit und dieses Ideenkreises behandelten, alle immer entweder auf eine zierliche, leichte, gedankenreiche, doch nicht eben mystische Allegorie ausgingen, oder aber sich dem Ueppigen und Lüsternen näherten. Ihr Verfahren zeigt von einem sehr richtigen Instinkt; denn wenn man etwa noch die bald erschöpfte Gattung festlicher Aufzüge dazu nimmt, so dürften das ungefähr alle Wege seyn, die griechische Mythologie dem Mahler darbietet, für welchen sie gewiß ungleich weniger ergiebig ist, als für den Bildhauer. Nach so schönen und so tiefbedeutenden Symbolen der höchsten Liebe und Lieblichkeit, der Seligen sowohl, als der Leidenden, wie die neuere Kunst besitzt, möchten wir uns in der alten Götterlehre wohl vergeblich umsehen; aus dem einfachen Grunde, weil dieses geistige Wesen ganz und gar nicht ihre Tendenz ist. Ihr Mittelpunkt und verborgnes Princip ist die Fülle des Lebens und der Lust, in der sinnlichsten Anmuth und Trunkenheit, in nackter Kraft und Entwicklungsspiele. Sind ihre bildlichen Darstellungen ernstlich und mit Tiefe, so haben sie mehr oder weniger Bezug auf das, was der höchste Augenblick und Gipfel aller Gebilde und alles Lebens ist. Halten sie sich nur auf der Oberfläche, so kann das nichts geben, als eine leicht verständliche und verständige Allegorie ohne Mysterien. Die Mythologie, ja die Religion der Alten war nun einmal durchaus sinnlich und materiell; begeisterte, trunkene Anbetung der unendlichen Lebenskraft und Naturfülle; allein beschränkt und gezügelt von dem blos menschlichen Gesetz einer aus Erfahrung gereiften Mäßigung und Verständigkeit. Die italiänischen Mahler der alten Schule dürften also weiter nicht zu tadeln seyn, daß sie ihre griechischen Gegenstände lieber aus den Ovidischen Metamorphosen, und was damit verwandt ist, nahmen, als aus den Homerischen Dichtungen; und wollte man, um einer lieberalen Vielseitigkeit nichts zu vergeben, Gegenstände der alten Fabel gleichsam als eine erheiternde Episode neben der ernsten und höheren Mahlerei doch auch gelten lassen, so vergesse man ja die Duldung nicht, welche die reizenden Darstellungen des sinnetrunknen Mahlers dann wohl in Anspruch nehmen möchten.

Parrhasius war ein wollüstiger Mahler. Gewiß nicht um die gemeine Lüsternheit zu locken und zu reizen; sondern mit Gefühl von der hohen Naturbedeutung und Naturwürde schöner Wollust, aus deren Schooße alle irrdische Anmuth hervorgeht; und wenn spätere Mahler nach einem andern Ziele strebten, so war es wohl nur weil auch in der Griechischen Mahlerei das Rechte schon sehr früh verlohren ging, wie wir in der Plastik unmittelbar nach Phidias, der sie ihrer wahren Bestimmung und Größe gemäß behandelt hatte, die Bildhauer schon auf einem entschiedenen Irrwege wandeln, und Gegenstände behandeln, Zwecke beabsichtigen sehen, die mit der höchsten Würde der Kunst durchaus unverträglich sind. Vielleicht ging also die Mahlerei bei den Griechen gleich mit Parrhasius wieder unter, wie die Bildhauerei mit Phidias. Wir denken uns überhaupt wohl den Gang der alten Kunst meistentheils etwas zu regelmäßig. Zwar in den spätern Zeiten der eigentlich schon gesunknen Kunst, da mag das gelten; da scheint wirklich das Natürliche, das Strengrichtige, das Reizende, dann Ueppige, Zierliche und endlich Gekünstelte in einer ziemlich regelmäßigen, ja systematischen Folge zu stehen; und diese Zeiten, die uns schon die späteren heißen, haben die alten Schriftsteller, denen man bei jener Ansicht folgt, meistens vorzüglich im Auge. Die Geschichte des großen Styls wird aber dadurch noch gar nicht erklärt. Nicht ein allmähliger Uebergang, eine ungeheure Kluft trennt ihn immer noch von dem späteren, den man den schönen oder den edlen nennt. Und eben so scheint es nur ein gewaltsamer Sprung gewesen zu seyn, der den Abstand von den ersten noch zaghaften Versuchen zu der hohen Kühnheit des grossen Styls überschritt. Wie in andern Zeiten, in andern Gebieten des menschlichen Wirkens, so ging es auch wohl in der Kunst der Griechen. Das Große, welches allem das Schöne und das Rechte ist, trat mit einemmale wie ein Geist in die erstaunte Welt; aber eben so plötzlich verschwand auch die hohe Erscheinung wieder und ließ nur eine lange Reihe schwacher Schatten zurück, zur Erinnerung an die vergangne Herrlichkeit.


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