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Die Ignoranten.
Dritter Theil


 

1.

Du mußt können! fiel Gustav ein und schüttelte den Erstarrenden, verdammt sey das Unmaß! Rede, sprich, gestehe mir – Was weißt Du von Augusten?

Sie hat – stammelte Karl – sie ist der seligen – Tante Kind!

Der Tante Kind? rief jener aus – O Gott! doch, nein! Das ist ohnmöglich! Die Tante war so rein wie Schnee, die hatte nichts Susannisches und starb wie sie gebohren ward. Als Jungfrau, mein ich – Auf mein Ehrenwort!

Als Mutter! sagte Karl.

Das lügst Du, Vielfraß! schrie er, mit den Füssen stampfend, das lügst Du, sag' ich Dir! Wer hätte sich an die gewagt?

Ich, gnädiger Herr – ich –

Bist Du von Sinnen? Wie?

Ich bin – ich war –

Augustens Vater? O, mein Gott!

Lächelnd nickte Karl. Gott segne sie! lispelte er und verschied.

Rosenwall stand versteinert, das Stübchen füllte sich allgemach mit den neugierigen Bewohnern der Burg, und die katholische Kristiane warf sich, in Jammer aufgelöst, über den Leichnam ihres unmäßigen Proselyten.

 

2.

Wein' um Deinen Vater! sprach Gustav und drängte die Gräfin, welche eben an Roderichs Arm herbeikam, zu dem Bette hin. Um Deinen wirklichen, leiblichen Vater! wiederhohlte er, als sie, erschreckt von seinen Blicken, zurücktrat.

Da haben wir das Geheimniß! flisterte Sophie dem lauschenden Haufen zu.

Ein Wort wie tausend, Gustel, fuhr jener fort: Du bist meine Schwester nicht; Du bist Karls Tochter, ich schwör' es Dir! Es war ein Suschenstreich von der seligen Tante. Man sieht da wieder, wie ihr seyd. Auguste sah erblassend bald den Todten, bald den Bruder an. Schweig! rief ihm ihr erglühender Gemahl in's Ohr und zog den Schreyer mit Heftigkeit von dem Bette weg, in's Fenster. Noch im Sterben, sprach Gustav auf dem Wege dahin: segnete er Dich. Sein letztes Wort warst Du! Drum fasse dich und sey getrost; des Vaters Segen baut ja Häuser!

Ist's möglich? fiel Lina mit einem Hohngelächter ein, verbeugte sich spöttisch vor der erstaunten Schwägerin, und eilte zu Amalien, um das neue Ehepaar mit dieser Nachricht zu überraschen. Ihr folgte Sophie, sie den Heyducken des Generals und der Bedienten Stube anzusagen. Wer sie vernahm, eilte, wie er war, an's Sterbebett. Je leiser hier Roderich dem Verkündiger widersprach, je lauter und lebhafter betheuerte dieser, von dem Widerspruch erhitzt, die Wahrheit seiner Rede, und der vernehmliche Wortwechsel artete bereits zum feindseligen aus, als nun auch der Räderstuhl über die Gallerie rasselte, und der Onkel, schneller als je von den wißbegierigen Heyducken geschoben, durch die Masse der Hörer zum Fenster hinflog, an dem die bebende Auguste vergebens zur Söhne sprach. Der Graf sah jetzt in den Haufen, trieb, von Zorn entbrannt, diese Theilnehmer des unseligsten Geheimnisses aus dem Zimmer, und ging dann händeringend auf und ab. Ein Gefühl, das er bis dahin zu den kindischen geworfen hatte, das Gefühl seiner Abkunft loderte in dem Gedemüthigten auf, und der verblichene Schwiegervater erschien ihm, so freundlich er auch noch im Tode lächelte, wie ein Geist der Hölle. Das folternde, seinen Ritterstolz mit Fausten schlagende Bewußtseyn, die uneheliche Tochter eines Bedienten zur Gemahlin erhoben, in die Zirkel der Großen geführt, an's Herz seiner Fürstin gelegt, und sich nun, im Gefolge dieser Entwicklung, zum Zielpunkt ihres Spottes und ihres Unwillens gemacht zu haben, schlug jede bessere Empfindung, jeden höhern Trostgrund aus dem Felde. Bis in's Innerste verwundet, schlich er jetzt durch den glossirenden, in den Vorsaal gebannten Haufen der Zofen und Bedienten, deren Aeusserungen sein Ohr zerrissen, und schwor dem unglücklichen Herold dieser Schmach die bitterste Feindschaft.

 

3.

Noch stand der Ignorant in banger Verlegenheit unter den Seinen. Du bist sehr grausam! sprach Auguste – Sehr schonungslos! fiel Seehof ein. Der albernste Schwätzer! versicherte Lina, und dort lag sein einziger Zeuge und Währmann, lächelnd zwar wie das gute Gewissen, doch für immer verstummt und erkaltet. Jetzt kam auch der Graf zurück, ihn mit neuen Vorwürfen zu überhäufen.

Laß es doch gut seyn! erwiederte Gustav. Karl war ein Ehren-Mann, es gab keinen redlichern, unter Deinen Ahnen. Wer die Tochter liebt, muß den Vater ehren; Du aber schämst Dich seiner Niedrigkeit, also liebst Du Augusten nicht. Liebst Du sie nicht, so machst Du sie elend und ich – o ich hatte sie glücklich gemacht! Vor allem Adel, vor aller Welt, vor unserm Reichstage selbst, hätt' ich mich zu dem guten Karl bekannt, und mit diesen meinen Händen will ich sein Grab graben, wie er das Grab meines Vaters grub. Der Tante vergebe Gott den menschlichen Fehltritt. Bildschön, das weiß ich, ist der gute Karl gewesen, und Schreiber bei meines Vaters Compagnie. Er gab ihr einst, wie später uns, im Deutschen Unterricht.

Roderich brach jetzt in Verwünschungen aus, und wies den Arm zurück, mit dem ihn sein gebeugtes, holdes Weib zu umschlingen strebte. Gustav zog die Weinende an sein Herz. Tritt mir sie ab, rief er, gieb mir sie wieder! Ich will die Schwester zur Gattin machen, und sie mit sanfter Hand in den Himmel führen. Nach Herjedalen! Deines Gleichen verdienen sie nicht. Was seyd ihr denn? Hoffärtiges, verdorbenes Gesindel, das Gold und Wappenbriefe höher schätzt als Unschuld und Seelen-Adel und lieber am Throne kriecht als aus eigenem, freiem Boden einhergeht.

Wir schiessen uns! rief der Graf, und stürzte fort. Alles eilte ihm nach, Gustav blieb allein in dem Fenster.

 

4.

Schiessen? sprach er nach kurzer Besinnung und trat vor den Leichnam seines Karls – Aber würd' ich dann wohl im Tode wie Du lächeln? Nein – nicht schiessen, gehen will ich. Wer mich ansieht, wird zum Unhold, nennt mich einen Unruhstifter, einen Frieden-Störer, einen Schwätzer. Selbst Auguste verschmähte des treuen Bruders Herz und eilte dem Verschmäher nach. Nur Karl liebte mich, und der ging heim. O, wär' auch ich in der Heymath! – Unselige Reise! Wie reich, wie gut, wie gesegnet trat ich an den Bord der Schwalbe. Gustel war meine Welt und ich die ihre. Noch hatte kein Suschen mich umstrickt, kein böser Engel mich in die Tiefe geworfen, kein falscher Freund meine arglose Einfalt gemißbraucht, kein roher Trieb das Geheiligte in mir entheiliget. Ein Engel war ich, ach, und fiel! –

Fliehe, flieh, er kömmt! rief heremstürzend Auguste, seine Augen glühen, seine Lippen beben, rette Dich!

Flühe Du mit mir! sprach Gustav, sie umschlingend.

Ach Gustav, fiel sie ein, mein Trost! mein Freund, mein Geliebter!

Das klingt himmlisch – komm, o komm –

Nein – Nein, mich binden Pflichten –

Er verwirft Dich, Du bist frei –

Ich bin sein Weib und – bet' ihn an.

So lebe wohl! leb wohl Auguste! Und denk an Herjedalen – an Deinen Gustav – an die Vergangenheit.

Vor ihren Knieen lag er jetzt, riß die Schluchzende zu sich herab, bedeckte sie mit Küssen und verschwand.

 

5.

Roderich rang indeß mit Silfen und Seehof, die ihm den Weg vertraten, im Vorsaal, als ein Feldjäger eintrat und ihm eine Depesche überreichte, die das Siegel seiner schönen Fürstin trug. Sie wirkte wie ein Talisman auf den Jähzornigen, welcher den Ueberbringer mit Artigkeit überhäufte und dann in sein Kabinet zurückflog.

Noch war die rührende Zärtlichkeit mit der Maria ihn entließ, der vielsagende Blick mit dem sie den Gehenden begleitete, unvergessen; noch klang der Flötenton des letzten Lebewohl in seinem Innern, und jetzt ein Brief von Ihrer Hand! Wie hastig flog der Umschlag weg, wie pfeilschnell jede Wolke seiner Seele. Unentbehrlich sah er sich genannt, von ihrem eben krank liegenden Gemahl vermißt, dringend gebeten, zu seiner Pflicht zurückzukehren. Den Schluß krönte die begeisternde Verheissung, nichts was ihm diese erleichtern und versüssen könne, verabsäumen zu wollen.

Dieser Brief war der schmeichelhafteste, korrekteste, gefälligste von allen die je eine Dame – der erste, den eine Fürstin, der traulichste, den je eine Freundin an ihn schrieb und viel tiefer noch als vorhin sank jetzt Karls Tochter neben diesem Götterbilde in den Schatten ihrer Abkunft zurück. Er sah in der Eitelkeit, welche der eiteln, gern gefallenden Fürstin diese Zuschrift diktirte, nur das Werk und den Eindruck seines Werths, in dem harmonischen Wortgepränge der fähigen Schreiberin die Stimme des heimlichen, innigen Wohlwollens und bezwang seinen Gram. Eine neue Sonne ging hinter den schwarzen Wolken auf. Maria stand in der seltenen, dreifachen Glorie der Anmuth, der Hoheit, und der Geistes-Schöne vor dem Geschmeichelten, und zum Mitleid ward das glühende Gefühl mit dem er früher in Augusten die Einfalt reiner Weiblichkeit umfing.

 

6.

Gustav wandelte bereits mit starken Schritten durch das liebliche Thal. Ja, rief er aus, die Erde blieb ein Paradies; wir alle sind noch wie Adam und Eva. Darum mußte sich Karl an die Tante, Karlos an seine Mutter, die Mündel an den Assessor hängen, Roderich meine Gustel verwerfen, und Suschen den Bock mit der Putzmache vertauschen.

Hülfe, Hülfe! scholl es aus dem nahen Walde. Gustav vergaß seine Folgerung, und eilte in gestrecktem Laufe der Gegend zu, aus der die Klagetöne schollen.

Ein Wagen lag im Graben, Schätze um und unter ihm. Nur mit Anstrengung hielt der Kutscher die bäumenden Pferde. Hier sah ein Atalanten Knie, dort das wehende Tuch neben der angstvollen Schwanenbrust aus dem Grase.

Selig wem es gelingt, der Reiter einer Schönen zu werden. Gustav entriß deren drei in einer Minute dem drohenden Rade, und ließ zum Beschluß eine ohnmächtige Matrone am Fuße der Meilen-Säule nieder. Die Schönen dankten sehr. Suschen! rief jetzt der Erstaunte. Sie war es, warf sich jubelnd an seinen Hals und sprach mit Pathos: »Ewig fliehn sich unsere Herzen zu!«

Eben, erwiederte er, dacht' ich an Dich, eben sprach ich von Dir, und entschuldigte Deinen Fall.

Fuhr ich denn? entgegnete sie lachend, warum sah der Schwager immer rückwärts auf uns; das sind die Folgen.

Kein Wunder, Suschen. Wer Dich und Deines gleichen fährt, kömmt aus dem Gleise –

Und muß sich scheiden lassen – fiel sie ein.

Wohl, wohl! entgegnete er, »von jeder Freude dieser Welt.«

Und von der Gräfin Rosemunde. Da sehn Sie nun – Ja ja, mein schöner Herr, wir Mädchen sind uns gleich im Bock wie im Pallaste.

Die Matrone hatte sich ermannt, ihre Nichten führten sie zu dem erhobenen Wagen. Suschen stellte ihm die bewußte Frau Muhme vor, in jenen erkannte er jetzt die Fabrikantinnen der Heloisen-Pomade. Leicht wie Schatten hüpften sie in die baufällige Berline, nur Laura, die jüngste der Nimphen, erklärte zitternd, daß sie viel eher in den nahen Teich springen, als sich einem zweiten Umsturz aussetzen werde, und bat den Ignoranten mit einer so lieblichen Stimme und einem so gewinnenden Blick, sie zu begleiten, daß dieser von Herzen Ja sprach und sie nachzubringen gelobte. Dankbar für den Ritterdienst drückte Laura seine Hand an ihre kleine, noch immer den Schleier vermissende Brust, nahm ihn jetzt mit einem zweiten, noch gewinnendern Blick aus dieser Hand, gab dem Erheiterten eine Nadel, ihr den hintern Zipfel damit festzustecken, und schrie viel leiser denn vorhin, als sie der Ungeübte ein wenig zu tief stach, herzlich beklagte er die Verletzte, sie aber betheuerte, in solchem Schmerze liege Wonne, und hing sich nun an seinen Arm.

Sie gehn wohl auf Reisen? fragte er.

Aufs Theater! entgegnete sie. Wir sind jetzt Schauspielerinnen.

Wahrhaftig? fiel er ein und blickte seufzend zu der niedlichen Gestalt, zu den flatternden Locken, zu dem Spiel ihrer schwebenden Glieder und Gewänder herab.

E. Aufs Theater? spielt die Frau Muhme denn auch mit?

S. Allerdings! Als Mutter sucht sie ihres Gleichen.

E. Als Raben-Mutter, die Suschen allen Willen läßt –

S. Unser Wille, sagt Shakespear, ist unser Gärtner.

E. Drum sind auch Eure Gärten so verwildert!

S. Das scheint nur so, und fast immer täuscht der Schein. Komm in den meinen, süßer Freund! Ich will Dich zu dem Blüthenbaume des Frohsinns führen, zum Quell der Lebens-Weisheit, zur Rosenlaube der Seligkeit. In meinem Gärtchen, sang sie, schlang den Arm um seinen Leib und länderte eine Strecke mit ihm fort.

In meinem Gärtchen ist's gar fein,
Komm Ritter, kehre bei mir ein!

Laß! Laß! rief jetzt der Odemlose, so führen böse Geister den Sünder fort.

S. Warum nicht gar? Ich bin ein Engel, Freund, und auch der Deine will ich seyn.

Da wär' ich schön bewahrt!

Will für Dich auffangen jeden Tropfen aus dem Becher der Freude – Dir ihn bringen in der Schaale der Liebe! Worte eines Trauerspiels. Ach, fuhr die Schwätzerin singend fort

Du weißt es nicht wie gut ich bin,
Mein Herr hegt sanften Liebes-Sinn!

Auch das meine! entgegnete der Ignorant und blieb plötzlich an einem Scheide Wege stehn: aber kein Mensch ist edel und frei, der den Begierden gehorcht –

Sie also, entgegnete Laura, sind der Edle, sind der Freie?

Das wohl nicht! brummte Gustav, aber –

S. Aber dem Manne steht alles frei? – Auf dem Halbgott haftet kein Flecken? Adieu Pharisäer. Ich will nun diesen Weg verfolgen, gehn Sie auf jenem fort. Immer fort! Glückliche Reise!

Gustav hielt ihren Arm und sprach – Das vergäb' ich mir nicht. Sie könnten sich verirren, gutes Mädchen – Viel müssige, gottlose Leute ziehn diese Straße. Hechelkrämer, Rekruten, Zigeuner –

S. O, auch Samaritter!

E. Diesen würden Sie Aergerniß geben und nicht alle Wunden heilt der Verband.

S. Ich fürchte nur Sie.

E. Mich?

S. Jeden moralischen Hechelkrämer –

E. Laura!

S. Jeden der wie Sirach predigt und doch von Begierden spricht, zu der Einsamen.

E. Sie führten mich dahin. Warum wollten Sie mein Engel werden? Suschen und Mundel und die Comteß Lina war das auch; aber ich zittre vor den weiblichen Schutzgeistern, denn aus allen welche sich bis jetzt meiner annahmen, lachte Satan am Ende.

S. Adieu donc!

E. Nein, ich begleite Sie! – Durch's Leben! würde mein Herz noch im Bocke gelobt haben. Seitdem aber aß ich fast täglich vom Baum der Erkenntniß und will nun einsam zu Grabe gehn.

Warum das? fragte Laura, und hing die kleine Hand wieder leis' und einträchtig an seinen Arm.

Sie könnten mir rathen, fuhr er fort: Sie müssen wissen wie die Weiber fühlen, denn Sie sind ein solches und wir bleiben doch immer und ewig nur Fremdlinge in ihren Herzen.

S. Ja, gewiß!

E. Ob mir Auguste folgen wird? Folgen darf? Er verschmäht sein edles Weib, er warf sie von sich, die holde Blume, wie man gemeines Unkraut wegwirft.

S. Ist dieser Er ein Mann?

E. O darauf will ich schwören! Und ein schöner, ein vornehmer, ein gesuchter obendrein. Reich wie Salomo und auch so klug.

S. Auch so feurig?

E. Lauter Flamme!

S. So bleibt sie bei ihm.

E. Das wäre traurig!

S. Und versöhnt ihn.

E. Das fürcht' ich selbst.

S. Versöhnt ihn um jeden Preis.

E. Wehe mir!

S. Oft noch wird er die Blume von sich werfen, und wieder emporheben, bis sie welkt, bis sie hinstirbt, und das nächste Veilchen ersetzt dann die laut Beweinte. – So lange, sagt eine Dichterin

So lange wir am dunkeln Strauche blühen
Sind wir der Wunsch des Jünglings und sein Raub,
Und wenn wir nun an seiner Brust verblühen
Zertritt er uns verächtlich in den Staub –

Das ist solcher Liebe Lauf und Ziel, die Geschichte von tausend und einer Ehe.

E. Mir gehört Auguste! Mir! Er steht zwischen uns wie ein Gespenst. Ihm ist sie nichts mehr – Alles mir.

Alles? unterbrach ihn die Schauspielerin mit Louisens Worten »O, das ist ein kleines, verächtliches Wort, aber die Ewigkeit hat Mühe es zu umwandern.«

Es gab eine Zeit, fiel er ein, eine Zeit, wo auch ich ihr Alles war.

S. Und diese Zeit wird wieder kehren und glücklich werdet ihr seyn, so lange noch das Gespenst zwischen euch steht, denn nur verstohlne Liebe dauert, und nur die dauernde beglückt.

E. Könnte mein Tod das Geschehene vertilgen, mit Freuden spräng' ich in diesen Strom –

S. Mancher starb schon für seine Göttin, für seine Frau wohl keiner noch? Liebe erscheint mir wie die Fastnacht – Ehe wie die Aescher-Mittwoch des Lebens. Mißmuthig und abgespannt gähnen die Genossen der gestrigen Zauberwelt am Morgen, den langen, zauberlosen Werkeltag an. Es wäre Thorheit, Freund, sich jetzt schon einer, nur dieser einen aufzuopfern. Noch gehören Sie dem ganzen Geschlechte, dem reichen, großmüthigen, gernvergeltenden an. Erst dann, wenn keine Großmüthige mehr vergelten, keine Zärtliche mehr der Sehnsucht Blick erwiedern, den Ruf des Räubers hören mag, macht der Mann von Welt sein hohes Vorrecht geltend, verschönt das Herbstfest seines Lebens durch die Erlösung einer züchtigen, mannbaren Jungfrau; und dann erst beglückt er die Gewählte.

E. Dann erst? O, vor allen wiesen mich gewiß diese dann ab.

Fürchten Sie das nicht. Vor allen sind eben diese gewöhnt, die Neigungen des Herzens den Rathschlägen des Verstandes, dem Willen liebloser Väter, den flehenden Befehlen zärtlicher Mütter, dem Pflichtgebot das laut in unserm Innern spricht, und nebenher auch gewissen, bedeutenden Rücksichten zu unterwerfen.

E. Aber können die auch ihren Herzen zu lieben gebieten?

Unsere Lehrerin, mein Freund, ist die Gewohnheit und der leichte Sinn unser Engel. Der Mann gewinnt uns schon durch seine Wahl, denn es ist keine geringe Auszeichnung, sich aus Tausenden herausgehoben zu erblicken. Kleinmüthig naht er dann, spricht bald in Honigworten die Sprache frommer Liebe, bald wie ein Halbgott in erhebenden Sentenzen; will sein Glück von der Gewählten nur empfangen, und beim ersten Blicke schon bemerkt haben, daß der Himmel vor allen den Gegenstand seiner Wahl, mit dieser Fähigkeit bereicherte. Wir sind gewonnen; die neue Rolle erheitert und zerstreut, und vielleicht ersetzen Mutterfreuden den Rest vermißter Güter.

Der Himmel hatte sich indeß umzogen, große Tropfen fielen auf ihre kleine Hand. Hier ist ein Wirthshaus, sprach sie und hüpfte dahin, hier punschen wir!

 

7.

So erzähle denn! bat er und nahm das Glas aus ihrer Hand. Die Geschichte bleibt unter uns, auf mein Ehrenwort!

Ich bin, erwiederte sie und leerte das ihre, nur ein Veilchen aus tiefem Thale. Eines Land-Priesters Tochter. Du kannst Dir nicht vorstellen wie wenig das sagen will. Schulzens Gottfried und Schulmeisters Lottchen waren die Gespielen meiner Jugend, die Hanse des Dorfs meine Verehrer, Kindtaufen und Hochzeiten die Sonnenpunkte meines Lebens. Früh starb die Mutter, der Vater lebte nur für seine Vögel. Ich lehrte die Staare sprechen, die Finken das Trompeter-Stückchen, und war, wenn das gelang, seine gute Rebekke –

Laura, willst Du sagen –

Die Laura kam erst mit der Einquartierung. Eine Schwadron rückte bei uns ein. Nie vergeß ich den Tag! An ihm begann ich erst zu leben. Nur ein schmaler Bach schied die Priester-Wohnung von des Schulzen Hause. Zu Stunden lag dort oft der schüchterne Gottfried, seiner ehrbaren Liebe voll, am Fenster, und sah meiner Arbeit mit den Vögeln zu, die ich denn, trotz der schnöden Hoffahrt mit der er, seit der Lesung des ersten Romans, zurückgehalten ward, so oft ihn mein Auge wahrnahm, am offenen Fenster trieb. Jetzt stand ein blühender Kornet an diesem Posten und ich wuchs an dem meinen fest. Die Vögel machten, zu des Vaters Freude, erstaunende Fortschritte. Bald pfiff selbst ein alter, bis dahin völlig ungelehriger Gimpel »Ich seh durch Thränen-Bäche« und seine Lehrerin schielte – über den Bach weg, bald auf den Hörer der des Gimpels Lied mit seiner Flöte begleitete, bald zu dem entfernten Dachfenster hinauf, an welchem der verzagende Gottfried brummend einstimmte. »Laura« sang sein Nebenbuhler eines Abends, als ich, beglänzt von dem Vollmond, des Vogels Stelle vertreten hatte und nur eben verstummt war –

Laura, Laura, horchend diesen Tönen
Müssen Engel-Seelen sich verschönen,
Heilige den Himmel offen sehn –

Lauschend, erröthend, ergriffen bis ins Innerste trat ich zurück, aber plötzlich unterbrach hier ein lautes Klirren den Sänger, denn der verzweifelnde Schulzensohn warf das Fenster so heftig zu, daß seine Scherben bis unter das meine flogen.

Mich dauert er! rief Gustav aus.

Auch mich! entgegnete Laura, aber sollt' ich denn ein abgeriß'nes Blatt

Aus dieser Blume schönen Kelch verschenken,
Den Abend dieses Töffels zu versüssen?

Das wohl nicht! entgegnete jener, doch, fahre fort.

Der Bach wand sich hinter dem Pfarrhause durch ein unwegsames, wildes Gebüsch. Die Sehnsucht der erwachenden Liebe machte es jetzt zum Ziel meiner Wanderungen und wer mir erst nachsah, dann nachfolgte, versteht sich von selbst. Noch war ich blöd', und er war schüchtern. Mit dem Strickstrumpf in der Hand ging ich vor ihm, er mit der Angel unter dem Arm an mir vorüber und jedes verbeugte sich bei jeder Begegnung, stumm aber tief vor dem andern.

Hier sind bloß Frösche! sprach ich eines Tages, mir ein Herz fassend.

Und Genien, erwiederte der Betroffene, ließ die Angel fallen und trat näher.

Sie sind sehr gütig! stammelte ich –

Laura! Süsse Laura! rief er im Tone der Sehnsucht und zog mich rasch und kühn an seine Brust.

Ich hätte geschrieen! fiel Gustav ein.

Das wollt' ich auch, aber seine Lippen standen dem Versuch im Wege. Auch hatt' ich schon zu viel über die Seligkeit des ersten Kusses gelesen, mich lange schon zu innig nach ihm gesehnt, um jetzt mit übermenschlicher Entsagung die seligste aller Erfahrungen abzuwehren. Wir kehrten Wonnetrunken heim, es war fast Abend; Gottfried trat aus unserm Hause und grüßte mich nicht.

Laß doch das! schalt mein Vater als ich durch das Stübchen hinschlich – Das Angeln im Pfarrholze! fuhr er fort und schob die Mütze. Leis' und erröthend pfiff ich in meiner Verlegenheit einige Töne und schnell wurden alle Vögel lebendig. Mein Simpel übertraf sich selbst. Der Vater vergaß Busch und Angel, ich aber flog an mein Fenster hinaus und gab dem verrätherischen Gottfried ein Hohngelächter auf den Weg. Zur Vergeltung kam er am folgenden Morgen wieder, sein Aufgebot mit Schulmeisters Lottchen zu bestellen. – Ach, die Glückliche! Längst schon ist sie Gattin und Mutter, und reich und geachtet wie ihr Mann!

Das gönn' ich beiden! sprach der Zuhörer, und was aus Dir ward, erräth sich nun.

Aus mir eine heimliche Braut, aus ihm der zärtlichste Liebhaber. Des Vaters Krankheit beförderte jetzt das Glück der Gesunden; doch er starb und mit ging dieß Glück zu Grabe. Herr von Silfen ward versetzt –

Wie – Silfen? Wär' es möglich? – Welcher Silfen –

Nur den meinen kenn' ich – den schönsten Kornet des schönen Leib Regiments.

Wieder ein Adam! Ein Rittmeister Adam! o, fahre fort –

Ward versetzt und verließ mich – in der Lage der Pfarrers-Tochter von Taubenhayn –

Die kenn' ich auch nicht!

Er aber war kein Falkenstein. Don Ehe konnte zwar die Rede nicht seyn, doch hielt mich seine Hand. – Ich ward Mutter –

Auch die Tante!

Mutter, und bald darauf, durch des Freundes Beistand, das Kammermädchen der Seinigen. Sie ahnte nicht, wie nah' ich ihr angehörte, und nahm die Verstossene gütig auf. Was noch in mir dem Himmel gehört, dank' ich ihr und dem Tode meines armen, von seiner Wärterin verwahrlosten Kindes, der mich erschütterte. Schnell brach sie jetzt in Thränen aus, und legte schluchzend das glühende Gesicht an seine Brust.

Es giebt doch nichts als Thorheit, Reue und Jammer auf der Welt! sprach der Seufzende und sah dem Fall ihrer Thränen zu.

Eure Schuld! entgegnete die Schluchzende –

E. Sage das nicht!

S. Ihr bringt den Jammer über uns – Sie weinte heftiger – Wir sind gut – Wir sind fromm – Wir lassen es an uns kommen. Wenn uns die Männer nicht verfolgten –

E. Wenn uns die Weiber nicht verlockten –

S. Die Schmeichler uns nicht betäubten –

E. Die Susannen uns nicht zum Baume führten –

S. Die Gesättigten dankbare Gäste blieben –

E. Laß es so seyn, Liebe. Ich hab' in der Bibel nachgesehn. Schon im ersten Buch Mosis geht es her, wie in Jukundens Romanen-Büchern. Was Evens Töchter lassen sollten das thaten sie, und trachteten am liebsten nach dem Verbotenen. Vergebens weisen die Engel sie zurecht, vergebens warnt und schilt und donnert der Herr selbst aus Wolken und Gebüschen, vergebens regnet es Feuer vom Himmel – Vergebens ersäuft endlich die ganze Welt. Kaum ist die Arche wieder aufgethan, so ist auch die gewaschene wieder entheiligt, so wachsen die Kornets, die Hofrathe und Susannen ohne Ziel und Zahl aus dem Schlamme, und thun wie die Vertilgten thaten. Mas sich liebt, entadelt, was sich haßt, verläumdet sich und Satan bläst aus vollen Backen die Flamme der Verderbniß an. Aber warum bliebst Du nicht bei der edeln Silfen?

Ach, eben weint' ich eines Abends über den Verlust des kleinen Engels, als der Kornet in mein Stübchen schlich und mich zu trösten versuchte. Er nahm mich ans Herz und sagte tausend erbauliche Dinge. Ich sank erschöpft auf seinen Schooß, lauschte den erhebenden Tröstungen, und bemerkte die eintretende Mutter nicht, welche uns in dieser zweideutigen Gruppe überraschte. Mit Anbruch des Tages ward mir eine Börse, und mit ihr der Befehl überbracht, den schon bespannten Wagen zu besteigen. Er führte mich in die nächste Stadt. Ich trat in dem Bocke ab, ward Suschens Bekannte und ihre Gefährtin auf der Reise zur Frau Muhme die uns jetzt der fliegenden Truppe in F.. überläßt.

Du dauerst mich Arme. Dort wirst Du vollends untergehn.

Fürchten Sie das nicht. Ein großer Schauspieler erkannte mein Talent für dieses Fach und drang in mich, es zu entwickeln. Wo sollt' ich auch hin?

Zu guten Menschen. Zu einer Dame, die der Silfen gleicht –

Und wieder dienen? O selbst die beste Frau ist als Gebieterin unerträglich, und eine Dame werd' ich jetzt selbst. Höre Männchen, lege Du den Grund zu meiner Erhöhung. Sieh, ich schloß Dir mein Herz auf, warf mich vertrauend an Deinen Busen, ließ Dich großmüthig einen Blick in die theuersten Geheimnisse der Weiblichkeit werfen. Sey dankbar, schöner Schwede, ich bitte nur um eine Kleinigkeit – um zehn Ducaten nur –

Er horchte auf, sah ihr forschend in die unstäten Augen und schüttelte verneinend den Kopf.

So kaufe mich selbst, fuhr sie mit steigender Wärme fort, und warf sich schmeichelnd an seinen Hals. Nimm mich an, nimm mich auf, bessere, belehre, heilige mich wieder. Ich will Dein Kind, Deine Schwester – was Dir das beste, was Dir das anständigste dünkt, will ich seyn. Ich will mich in Männertracht werfen um als Bruder Dir zu folgen. Du wirst mich lieb gewinnen, Du wirst mich emporheben; an Dein Herz wirst Du mich nehmen und den Tag und den Zufall segnen, der Dich in diese Arme führte.

Mich täuscht nichts mehr. Die Schlange spricht aus Dir, und statt der Bekehrung wär' ein Tantenstreich das Ende vom Liede. »Gewöhnlich« sagte mir noch am Sterbetage mein Vater »gewöhnlich betritt der Mensch mit guten, heldenmüthigen Vorsätzen jeden neuen Pfad und schlägt doch oft, noch mitten unter diesen, den nächsten Irrweg ein.« Der Vater hat Recht. Bald würde mir die neue Schwester werden, was der schöne Fourier meiner seligen Tante ward, und doch bist Du noch lange kein Sprachmeister. Nein, zu Augusten will ich Dich senden. Zu der Reinen, zu der Einzigen, zu der Unbefleckten. Dienst Du dieser, so dienst Du den Engeln, denn die Sünde flieht wo Sie wandelt.

Zehn Ducaten und ich gehe – Es gilt ja den Versuch.

Und sagst der Holden tausend Grüsse?

Millionen – da ist meine Brieftasche. Schreiben Sie ihr selbst, was Sie thun, was Sie lassen, und vor allem wie sie mich aufnehmen soll. Er schrieb die kleinen Blätter voll, miethete von dem Wirth eine Gelegenheit für die Gesandtin, und drückte dieser seine Rand-Ducaten in die Hand. Laura nannte ihn ihren Erlöser aus der Höhle des Elends und noch am Wagen sang sie »Amphion, du Menschen-Retter« etc. dem Scheidenden nach.

 

8.

Also auch Silfen ein Obstdieb? sprach er auf dem Wege zu sich selbst, und lächelte wehmütig. Das kömmt von dem Müssiggange. Selbst unserm Aeltervater blieb ja nichts übrig als zu gähnen, zu schlafen, die Mutter aller Lebendigen wie der Kornet Rebekken anzusehn und ihr dann in den Garten nachzuschleichen. Was soll man daraus lernen? würde die Tante gefragt haben – Erstens: daß die Mädchen die uns durchs Fenster sehn lassen, uns auch durchs Fenster steigen helfen – Zweitens, daß ihre Blicke nur Versuchungen, ihre Arme nur Stricke sind – Und doch bedauere ich sie herzlich; denn wenn wir ihnen nun in's Fenster gesehen haben, und dann ein Weilchen hindurch gestiegen sind, so werden wir versetzt wie der Kornet, oder untreu wie der Graf, und gehen davon. Sie aber tragen unsre Sünde und werden Schmerzens Mütter und Magdalenen, oder Putzmacherinnen und Comödiantinnen. Der Kornet ist jetzt ein geehrter Rittmeister und ein glücklicher Gatte. Rebekke, die fürwahr nicht mehr als er verbrach, ward weder das eine noch das andere, und muß, wenn die Gustel nicht Wunder an ihr thut, bis an's Ende Komödie spielen, und wie ihr Gimpel, durch Thränen-Bäche sehn.

 

9.

Ihn dürstete sehr. Er trat in ein ansehnliches Haus, das an der Landstrasse lag. Zwei schöne Mädchen standen strickend unter der Thüre. Gustav sprach sie um Wasser an. Die eine sah ihm starr in's Gesicht, die andere verschlang mit ihren großen Augen seine Gestalt. Er bemerkte das und erröthete. Jene rief nach Selter-Brunnen, und Gustav zog die Börse, der Magd die ihn brachte den Weg zu bezahlen. Die Mädchen verbaten das, fixirten das schwere, von Gold strotzende Netz und die Braune lispelte, während dem er das Glas an die Lippen führte – Er ist' s! Bejahend nickte diese und flog zu der Mutter hinauf.

Mama, rief sie odemlos und mit verklärtem Antlitz in das Zimmer, Er ist hier!

Wer? Wer? fragte die Mutter und sprang auf.

Der Vetter – der Vetter aus Batavia! fiel Lieschen ein, und eilte, von Eifersucht getrieben, schneller noch als sie gekommen war, zurück.

Die Mutter, eine Kaufmanns-Wittwe, welche bei dem Fall ihres Mannes die Gläubiger um dieses Gut gebracht und es für sich gerettet hatte, sah seit Wochen schon der Rückkehr ihres Neffen entgegen. Des verstorbenen Gatten Bruder hatte nehmlich, nach manchem verunglückten Entwurf, sich nach Ostindien gewandt, dort, vom Glück begünstigt, weit über eine Million erworben, und vor Jahr und Tag das Zeitliche mit dem Ewigen verwechselt. Sein Sohn war, wie sie wußte, mit diesen Schätzen bereits in Hamburg angekommen. Ein alter Bekannter der Mutter, der ihn dort sprach, meldete dieser sofort die freudige Erscheinung, und entdeckte ihr zugleich den Plan des jungen Mannes. Unter fremdem Nahmen wollte dieser jetzt in der väterlichen Heymath und in den Häusern seiner Anverwandten auftreten, und auf diesem Wege, ungetäuscht und unbetäubt, die Menschen denen er wohlzuthun gesonnen war, kennen lernen.

Im Herzen sahen beide Schwestern sich bereits von ihm gewählt und von nun an, täglich, aus allen Fenstern des Hauses auf alle Wege hin, die nur irgend gen Hamburg und Batavia führen konnten. Auch jetzt standen sie, um dieses Zwecks willen, beide am Thorweg, denn jede sehnte sich, mit der Gewalt des ersten Eindrucks bekannt, der andern zuvor zu kommen.

Sollte – sprach eben die Braune zu der Blonden: was sich aber nicht denken läßt, seine Wahl auf mich fallen, liebes Lieschen, so rechne auf Deine Schwester. Du bleibst dann bei uns und ich ruhe nicht, bis er Dich fürstlich ausgestattet hat.

Ich liebe die Brosamen nicht! entgegnete Lieschen welche sich für weit hübscher und anziehender hielt: und trete Dir den Schatz im Voraus ab. Mein Stolz verwarf von jeher jede niedere Berechnung. – Eben sah Gustav in die Thüre. Der lächelnde Freimuth mit welchem er um Wasser bat, der Ring des Vaters welcher von seinem Finger blitzte, der Blick der Hoheit mit dem er zu ihnen nieder sah – die feine Kleidung, die schwäbische Wäsche, das klingende Gold – und mehr als alles, die zufällige Aehnlichkeit seines Gesichts mit dem Antlitz des ostindischen Onkels, welcher, vor seiner Abreise dahin, gewählt, oben im Zimmer hing – erhob beide Mädchen über jeden Zweifel; hörbar schlugen beider Herzen, glühten beider Wangen. Selter-Brunnen war das beste, was sie ihm jetzt, statt des gemeinen Wassers bieten konnten und dieser, bei dem Geiste der Kargheit, der die Mutter sowohl als die Töchter beseelte, an und für sich ein unerhörtes Opfer; auch wollte die Magd ihren Ohren nicht trauen und hatte deshalb nach einer Flasche gegriffen, die seit Jahren schon, einzeln in dem Winkel des Kellers stand. Vergebens strebte der Lechzende jetzt einige Tropfen über seine Zunge zu bringen. Fritzchen roch von weiten was er trank, riß ihm schaamroth das Glas aus der Hand und eilte selbst in den Keller.

Eben schwebte Lieschen die Treppe herab, an diesem vorüber. Sie schimpfte im Herzen über die gottlose Nachlässigkeit der Magd, warf, so schnell es sich thun ließ, Schloß und Riegel vor die Thüre und suchte den Gast auf.

Ist es Ihnen nicht gefällig, stotterte Lieschen: ein wenig bei uns einzutreten?

Haben Sie doch die geneigte Güte – bat die Mutter, welche ihr auf dem Fuße gefolgt war – Er schien von dem gastfreien Empfang überrascht und versuchte zu antworten, als ihn ein Fieberfrost, die Folge des Labetranks, durchschauerte.

Ein Täßchen Kaffee! fuhr die Mutter fort. Sie haben noch zwei Stunden bis zu dem nächsten Wirthshause – und zu was für einem, liebster Gott! Cichorien – die hellen Cichorien trinkt man dort für sein schweres Geld und ich führe, ohne Ruhm zu melden, levantischen. Mein seliger Herr trank keinen andern. Liebes Hannchen, sagt' er oft, wenn wir so des Morgens die Gottes Gabe mit Danksagung genossen – Levante bleibt doch Levante! Wohl, Wohl! rief ich dann – Aber der böse Feind nahm mir die Tasse vom Munde weg –

Dem Herrn ist gar nicht wohl! fiel Lieschen ein, es wäre Sünde, wenn wir ihn gehn ließen. Damit ergriff sie Gustavs Hand.

Sünde, wahre Sünde! fuhr die Mutter fort und riß schnell das Gastzimmer auf.

Ihm war im Ernst ganz weichlich um das Herz. Er folgte willig der schönen Führerin, die ihn sanft in ein Sopha niederdrückte, und an seiner Seite fest wuchs.

Ihre Mutter setzte indeß die gesammten Dienstboten in Bewegung. Der Großknecht ward mit einem rostigen Doppelhacken auf die Jagd, die Großmagd auf den Taubenschlag, die Köchin nach Forellen gesandt und vergebens trommelte Fritzchen, mit einer Flasche unter, jedem Arme, an die verriegelte und verschlossene Kellerthür, die sie von dem Vetter, von der Million und der Ausführung aller Pläne schied, welche für diesen Zweck bereits entworfen waren.

Um Vergebung, sprach jetzt ihre Mutter, mit dem gerühmten Kaffee in der Hand, Sie kommen wohl weit her, lieber Herr?

Im Ganzen, ja, antwortete er. Ueber Land und Meer.

Ja, der ist's! dachte sie mit hüpfendem Herzen und lispelte seufzend – Land und Meer! So ein liebes, junges Blut. Was sich auch die jungen Herrn alles versuchen müssen. Denkt nur, Kinder! Ihr sitzt indeß daheim in der Mutter Schooß, bis ein frommer, kristlicher Freyer herzu kömmt und Euch heimführt. Eya, wärst Du dort!

Ach, der wird nimmer kommen! fiel Lisette kleinlaut ein.

Trau auf Gott, Kind, entgegnete die Mutter, er wird's wohl machen. Sind wir auch arm, so sind wir doch reich. Wir sind reich an kristlicher Zuversicht, und den Seinen giebt er's schlafend.

Hastig leerte Gustav seine Tasse, faßte Lieschens Hand und sprach, mit wachsendem Behagen – Ach wie viel hübscher ist es hier als da, wo ich herkomme – Sie sind so fleißig und so still, Rebekke aber legte die Hand in den Schooß und schwatzte wie des seligen Pastors Staar, nur frevelhafter –

Gott beßre Leut' und Zeit! fiel die Mutter ein, doch das darf ich ihnen in's Angesicht sagen – fleißig sind die guten Kinder. Fromm und wirthlich und spinnen ein Fädchen das man nur gern sieht. Aber Sie geben uns doch auf eine Suppe die Ehre?

Gustav trug, wie billig, Bedenken dieß Uebermaß von Güte zu mißbrauchen, beide aber betheuerten, daß er höchst willkommen, daß es Kristenpflicht sey, einen müden Wanderer zu erquicken, und die abgehende Mutter gab Lisetten einen freundlichen, bedeutenden Wink. Vernehmlich seufzte diese jetzt und sprach zu dem Gaste –

Sie sind doch ein recht glücklicher Mann!

Wollte Gott! erwiederte dieser und seufzte mit.

S. Haben die Welt gesehen – so viel tausend Menschen –

E. Das hab' ich – die Berliner Wacht-Parade.

S. Und so viel Mädchen und Frauen.

O, Dutzende. Manches schöne – wenig gute, aber Suschen ohne Zahl – Gott ehre die Gustel!

Ah so? Ihr Liebes also –

Die Gräfin? Ja!

Ja? fiel Lisette bleichwerdend ein.

Aber sie hat ihren Mann. Lieschen ermannte sich. Leider hat sie den. Rein wie Schnee fiel ich aus ihrer Hand an Susannens Hals, die aber bald der Mundel weichen mußte. Gern hätte ich dann beide für Jukunden hingegeben, und alle drei für die gute Poldine –

Und alle diese liebten Sie?

Unsäglich. Zuletzt auch die Gräfin Lina; nur eine Nacht über, denn am Morgen schimpfte sie und ich ging davon. Da warf mir der Versucher noch zuletzt einen Wagen voll Putzmacherinnen auf den Weg und ließ mich im Pfarrhause durch's Fenster sehen. In ihr Innerstes. Aber die zehn Ducaten dauern mich nicht –

Erröthend sprach Lisette – Sie verdienten durch einen würdigern Gegenstand vor ähnlichen Verirrungen geschützt zu werden –

Freilich! entgegnete er. Durch Sie, zum Beispiel. Nicht wahr. Sie zögen die Vorhänge zu? ließen die Vögel pfeifen wie sie könnten, und lockten den Kornet nicht in's Pfarrholz?

Ei, bewahre!

Ließen sich nicht den Nordstern Orden am Halse küssen? Führten mich nicht auf die Putzmache? Schmiegten sich nicht im Nachtkleid' an den Assessor?

Ich schäme mich – O still davon!

Das ist brav! Ihre Hand! Sie sind wohl äusserst tugendhaft?

Welche Frage? Ich dachte, das verstände sich –

Sind nie dem rohen Trieb gefolgt?

Nur zarte hegt mein Herz –

Haben nie geliebt?

Nie! Voll Bescheidenheit
Harrt die Viol', ob sie ein Forscher pflücke.

Pflücke? Das gefällt mir nicht! Pflücken soll kein Forscher – Er soll heyrathen!

Ei, so meint es mich der Dichter! erwiederte Lieschen, sah ihn schmachtend an und in dem Blicke, mit welchem er den ihren jetzt vergalt, die nahende Million. Ach! fuhr sie fort und faßte mit zärtlichem Eifer seine Hand: sey's Ahnung oder Sympathie – Er ist's! Er ist's! Der theure Vetter ist's! sagt eine Stimme in meinem Innersten. Gustav neigte sich lauschend zu ihr hin, und das Herz der Mutter, welche durch's Schlüsselloch sah und hörte, hüpfte vor Freuden. Vom Besten! sprach sie und trippelte dem Keller zu. Vergebens hatte Fritzchen bis jetzt die kleinen Hände an seiner Thür geübt. Es war ihr mit jeder Minute klärer worden, daß die Einsperrung das Werk der boshaften Schwester und sie bereits um den Vetter gebracht sey, vor welchem sich die Empörte mit diesen rothgeweinten Augen, diesen geschwollenen Fingern, diesen Zügen voll Schmerz und Grimm, nun sobald nicht sehn lassen konnte. Immer bitterer ward ihr Aerger, immer glühender das Streben nach Befreiung, immer heisserer die Kehle und jetzt stieß sie, bei dem oft wiederhohlten Versuche die Thür zu sprengen, gegen ein Faß, das aus dem Gleichgewicht gehoben, schnell in die Tiefe rollte und auf seinem zerstörenden Laufe dem ganzen Flaschen-Vorrath die Hälse brach. Eben kam die Mutter, öffnete Schloß und Riegel, sah Fritzchen, einem Berggeist ähnlich, vor sich stehen, hörte von der Tobenden was geschehen sey, und kehrte händeringend in das Gastzimmer zurück, aus dem ihr Lieschen, blaß wie die Schwester, entgegentrat. Mama, sprach diese mit zitternden Lippen, er ist ein Fremder. Ein Stockfremder! Eine Gustel will er heyrathen, die erst geschieden werden soll, und wenn daraus nichts wird, als Junggeselle zu Grabe gehn. Hoch und theuer beschwor er mir das. –

Die Mutter lachte wie eine Verzweifelnde, warf den Diener, der eben mit der Suppe eintrat, zurück, dann beide Hände auf die Hüften und nannte den Gefeyerten einen ehrlosen Landstreicher, der sie um Wein und Ehre bringe. Fritzchen stimmte nach Kräften bei, dis Viole schluchzte laut, und Gustav eilte, wie aus einem Traum erwachend, durch die tobende Gruppe, der Thür zu, an welcher jetzt ein dürftig gekleideter Wanderer die Verfolgerinnen um den Zehrpfennig ansprach.

Bettel-Volk! rief die Mutter, Strauchdiebe! schrieen die Töchter und warfen die Pforte zu, hinter beiden.

Wir gehn wohl selbander? sprach Gustav zu dem Reisenden und bot ihm die Hand.

Hier wohnen die Furien! entgegnete dieser, selbst unter den Wilden sah ich solche Gesichter nicht.

Die Gesichter waren nicht übel, erwiederte Gustav, aber der rohe Trieb hat sie entstellt. Sie nahmen mich, wie Abraham die Engel auf. Lieschen schwor, ich sey der Vetter aus Osten, sey ihr längst schon im Traum erschienen und mein Bild seitdem nicht wieder aus ihrer Seele gewichen – Ich schwor dagegen daß ich vom Nordpol käme, da wurden sie zu bösen Geistern, und warfen den geladenen Gast aus dem Hause.

Wohl mir dann! fiel der Fremde ein, und kehrte an die Thür zurück.

Sie klopfen vergebens, rief ihm Gustav nach, und für den Zehrpfennig stehe ich.

Sehr gütig! erwiederte jener, aber ich habe hier einen Brief abzugeben.

Ja, Bettelbriefe! sprach die Mutter und schalt noch aus dem Fenster herab.

Madam, entgegnete der Fremde, Madame erlauben wenigstens daß ich ihn auf diese Bank lege. Ich selbst bin der Erwartete. Daß ich es sey, wird er beweisen. Nun leben Sie für immer wohl!

Die Mutter stand versteinert, beide Töchter schrieen laut und Gustav zog, Arm in Arm mit dem Ostindier seines Weges.

 

10.

Ich war ihr schon recht gut! sprach er zu diesem. Die Schwester zwar reichte mir Essig und Galle da ich um Wasser bat, aber Lisette tränkte mich mit Levantischem. Sie gab sich für ein Veilchen aus und wollte gepflückt seyn. Mir war, als trat' ich unter die Seligen und mein Herz freute sich der guten Menschen die einen Unbekannten wie Schwestern empfingen. Jetzt möcht' ich weinen über das ganze Geschlecht. Sie kommen wohl weit her?

Von den Gegenfüßlern!

Ist's möglich? Ei, da muß Ihnen das Blut in den Kopf geschossen seyn. Die Gegenfüßler denk' ich mir wie die Fliegen an der Decke –

An Verkehrtheit mindestens!

Wie? sind die Menschen dort wie hier? Leider, ja!

Wohl wie der Hofrath und Suschen? Wie Laura und der fahrende Onkel?

Theils sind sie Peiniger, theils Gepeinigte, Hab- und Genußsucht ihre Götzen, und früher Tod ihr Sold –

Das Gold ist edel, die Wollust süß, aber ich kenne doch ein süsseres, edleres Gut. Ein Gut das selbst der Tod versüßt – Zufriedenheit.

Sind Sie zufrieden?

Ich war es!

In der Wiege?

Nein, in Herjedalen! Ganz oben dort, am Ende der Welt. Da war ich glücklich. Dann aber fiel mir Reichthum zu, ich fiel in der Weiber Hand, und ward zum Gärtner – zum Gartenknecht vielmehr.

O, die Weiber sind gut. In Samarang rettete mir eine Sklavin, in Hamburg eine Gräfin das Leben. Ich lag dort krank, krank bis zum Tode. Da führte die Wirthin plötzlich einen Engel an mein Bett; meine Nachbarin in dem Gasthause. Sie hat gehört daß ich ein Fremdling, daß ich ohne weiblichen Beistand bin, und bietet mir den ihren an. Mit sanfter Hand pflegt mich die Holde, verachtet das gemeine Vorurtheil, beschwört den Genius meines fliehenden Lebens und begleitet mich jetzt, aus zärtlicher Besorgniß eines Rückfalls, in den Schooß meiner Familie. Doch, der Wagen muß in der Nähe seyn, lassen Sie uns ihn erwarten.

Das ist ein seltner Liebesdienst, entgegnete Gustav; Gott ehre die Hamburger Gräfinnen, unsere hiesigen wollten mich alle nur heyrathen.

Noch wagt' ich nicht, ihr meine Hand zu bieten; erwiederte jener, denn sie ist von hohem Rang und ich bin ohne Titel – Eben flog der Wagen herbei. Die Dame warf dem Ostindier schon aus der Ferne Küsse zu, der Postknecht hielt, ein Mohr sprang vom Bocke, Gustav mußte einsteigen, der Fremde folgte ihm. Unter zärtlichen Worten bot sie diesem ihre hülfreiche Hand, schlug jetzt den dichten Schleier zurück, und ließ ihn plötzlich wieder fallen, denn pfeilschnell sprang der Schwede in diesem Augenblick über den Herrn und seinen Mohren weg, in's Freie.

Gott steh Ihnen bei! rief er dem Erstaunten zu, diese Dame heißt Mundel und war meine Frau. Das ist eine hiesige! Die wird nächstens den Mohren da zum Assessor machen. O wie beklag' ich Sie, armer Herr Gegenfüßler!

Fahrt! rief Rosemunde, der Mensch ist wahnsinnig. Ein unglücklicher Normann ist es, den Liebe zu mir in diesen Zustand versetzt hat – Fahrt! riefen Alle. Die Pferde zogen an, der Mohr wies ihm lachend die Zähne und Gustav blieb allein.

In Schweden, sprach er zu sich selbst, bin ich Tage lang gereist ohne einem lebendigen Wesen zu begegnen, hier hab' ich im Laufe von acht Stunden schon eine Muhme mit drei Nichten, eine Mutter mit zwei Töchtern, einen Gegenfüßler mit seiner Verführerin theils vom Verderben gerettet, theils um Millionen gebracht, theils vor Schaden gewarnt, und der Himmel weiß, was die Kleine will, die dort aus der Kalesse winkt und mich anlacht.

Theseus! Mein Theseus! rief diese jetzt und streckte beide Arme nach ihm aus.

Wie? sprach der Erstaunte: Ist das der Weg in den Hafen? Zu der Gräfin Schloß?

Vergieb, Du Süßer! entgegnete Laura, die Grafen lieb' ich wohl, aber die Gräfinnen nicht. Gurli hat sich anders besonnen. Thalia ruft ihr, ihr winkt Melpomene mit dem Dolche –

Du meinst die Frau Muhme? Ich wollte, sie erstäche Dich und würde dann geköpft. Fahr' hin, Verlohrne! Der Mundel nach, in den Abgrund!

Nur aufs Theater, lieber Freund! Sieh, mit dieser Thräne verzins' ich Dein Gold! Es wird der Ariadne zu einem Shawl, der Königin Maria Stuart zu neuen Schuhen helfen. Geh! Wandl' auf Rosen und vergiß mein nicht. Auch ich will Deiner denken so oft ich weinen soll, und soll ich lachen, an dieß Gesicht.

Erbittert eilte der Ignorant auf dem nächsten Pfade fort, versank, bestürmt von widrigen Gefühlen, in neue Betrachtungen, und fühlte sich endlich von einer kalten Hand festgehalten. Der Verirrte stand im Dickicht des düstern Waldes und eine schwarzbraune, mit Lumpen bedeckte Hexe vertrat ihm den Weg.

Glück auf den Weg! sprach die Schreckgestalt, soll ich Dir wahrsagen?

Das fehlte noch! entgegnete der Erschrockene. Wahrsagen? Nur einer ist allwissend und dem befehl' ich Leib und Seele!

Wohlgethan! erwiederte die Alte, sieh Dich nur um.

Er schlug die großen Augen auf und sah in die Mündung einer Büchse. Geld! rief ein Chor von Donnerstimmen aus dem Dickicht und die skeletartigen Hände der Wahrsagerin leerten mit zauberischer Schnelligkeit seine Taschen. Die schwere Börse, die theure Uhr, das Wechselreiche Taschenbuch flog kurz nacheinander dem Gestrüppe zu, aus dem sich von Sekunde zu Sekunde eine haschende Riesenhand darnach ausstreckte.

Nun mußt Du mich lieb haben! rief die Alte, hing sich an seinen Hals und küßte die kalten Lippen des Zitternden. Man pfiff. Zieh in Frieden, sprach sie, und vergiß mein nicht. Hätt' ich Dir das nicht gethan, so schwämmst Du jetzt in Deinem Blute. Damit warf sie ihm sein Tuch über die Augen, führte ihn durch Sumpf und Dornen eine weite Strecke fort, und verschwand.

 

11.

Gustav zog das Tuch vom Gesicht und sah sich auf der Spitze eines Felsens. Vor ihm sank die Sonne, hinter ihm glänzte die Ruine des Bergschlosses, und der rauschende Hayn von welchem er herkam, im Abendgolde und zu seinen Füssen ragte das Ziegeldach eines einsamen Hauses aus Linden-Gipfeln. Uebermannt von Groll und Angst flog er diesem zu, der Förster saß mit seiner reizenden Tochter vor der Pforte. Er grüßte sie freundlich und erzählte ihnen in gebrochnen Worten wer er sey und was ihm begegnete – Der Alte zuckte bedauernd die Achseln und schimpfte auf den Todesschlaf der Polizey. Da sehen Sie! sprach er, die Folgen der Aufklärung und der Menschlichkeit. Wir haben die Galgen niedergerissen die so wohlfeil waren und die Nichtswürdigen für immer aufhoben, und kostspielige Zuchthäuser an ihre Stelle gesetzt, die sie uns als gereifte Ungeheuer zurück geben. Die Menschen, Herr, sind wie die Bäume, die Laster wie der Borstenkäfer. Nieder mit den Verdorrten, denn da ist jede Müh umsonst. Unser Herr wußte wohl, was er sagte.

Nun bin ich ganz unglücklich! seufzte Gustav.

Das ist nur der Gottlose! entgegnete jener. Aber was führte Sie auf die Teufelsburg? Unter uns gesagt, Herr Baron, Ihnen und mir wäre mit dem Golde geholfen, das dort im Grunde des spitzigen Thurmes vergraben liegt. Wie theuer, spräch' ich dann, wie theuer dieß Königreich?

Gold? fiel Gustav ein und sprang auf. Halb Part! wir hohlen es.

Es hohle sich wohl! Gar mancher hat das schon versucht, doch ist keiner noch zurückgekommen. Der reiche Schatz steht unter Satans Macht und Gewalt.

Dem bieten wir Trotz. Ich mach' ein Kreuz und spreche dann: Das walte Gott! da muß er fliehen.

Reichten Gebet und Kreuze hin, mein werther Herr, so säße Förster May nicht hier. Dazu wird wohl mehr erfordert.

Was – O was? Ich schaffe Rath –

Für's erste, sprach der Förster, eine Jungfrau –

Die ist hier! fiel Gustav ein und faßte die Hand der holden, lauschenden Nachbarin.

Schnell erröthend entgegnete das bestürzte Lottchen – Nein, damit verschonen Sie mich, gnädiger Herr.

Ey warum das?

Weil es Ihnen ja doch am Besten fehlt.

Mir? Das ich nicht wüßte? Aber was nennen Sie das Beste?

Den schwarzen Kater! fiel der Förster ein und seufzte tief.

So preis' ich Gott! erwiederte der Ignorant nach kurzem Besinnen, der soll bald hier seyn. Gräfin Lina hat einen, der seines Gleichen sucht. Mein Titan steht auf demselben Fuß mit ihm wie ich mit ihr. Bald sind sie eins und bald in offener Fehde. Den hohl' ich Ihnen.

Wegwerfend sprach das Mädchen – Sie gehn vergebens. Kein weißes Haar darf an ihm seyn.

Und das ist alles?

Ach Gott bewahre, erwiederte der Vater – die Hauptsache kommt nach. Ein gutes Gewissen.

Das hab' ich.

Ein Gottesfürchtiges Gemüth –

Hier sehn Sie ein's. Auf mein Wort! Selbstlob ist Sünde, aber da es Ihr Glück gilt, so darf ich mich wohl auf den Scheffel stellen.

Ach, rief der Förster und sah sehnsuchtsvoll nach dem Thurme hin, ach Lottchen, wenn uns das noch bescheert wäre!

Der ist so gut als unser! betheuerte Gustav. Der Vater lud ihn freundlich zum Abend-Essen, und unterrichtete den Gelehrigen von allen nothwendigen Formen. Das Mädchen aber trat dem Gast für diese Nacht ihr Bettchen ab und führte ihn selbst in die heimliche Kammer.

Seyn Sie doch lustig, sprach der Erheiterte und faßte mit Wärme Lottchens Hand, wenn der Herr Förster ein Land kauft, werden Sie ja seine Prinzessin. Schlüg' unser König los, so rieth' ich zu Schweden. Das ist ein Land nach meinem Herzen. Voll guter Menschen die hier fehlen und solche Schlittenbahne finden Sie nirgends.

Ach, sprach sie lachend und nahm in ihrer Unschuld zu des Bettes Füssen Platz, ich weiß recht gut, woran ich bin, und daß Ew. Gnaden weder in Räuber-Hände fielen, noch aus dem Schweden-Reiche kommen – Wir Land-Mädchen sind nicht so albern als mancher wohl denkt –

So? Weißt Du es auch wieder besser? –

Ich weiß was ich weiß! entgegnete Lottchen, und strich die Falten aus der Decke –

Das versteht sich von selbst! fiel Gustav ein, wer bin ich denn also?

Sie sind unser neuer Herr Ober-Forstmeister! Derselbe, der mir neulich durch die Frau Büchsenspannerin einen so freundlichen Gruß vermelden ließ. Läugnen Sie's nur! Sie würden verkleidet erscheinen, sagte sie, ich solle nur dem Vater nichts merken lassen.

So? Gut denn! Ich will alles seyn was Du willst, nur hilf uns zu dem Schatze, denn viel leichter glaub' ich, lassen sich hundert schwarze Kater als ein unschuldiges Mädchen auftreiben.

Aber, gnädiger Herr, glauben Sie denn im Ernst an das einfältige Zeug?

Wie? Zweifelst Du noch, wo Dein Herr Vater sich vermißt? Ein so alter und verständiger Mann –

Das ist er, ja! bis auf diese schwache Seite. Das Schatzgraben hat ihn schon um sein ganzes Vermögen gebracht. Aber Sie wissen das gewiß so gut als ich, und spielten vorhin nur den Gläubigen, um einer günstigen Aufnahme gewiß zu seyn.

Ich sage Dir, der Schatz liegt dort. Dort unter'm Thurme. Ja, ein wahrer Schatz von Schlamm und Steinen. Man könnt' ein Thal damit ausfüllen.

Frevle nicht, Lottchen! bring' uns nicht muthwillig um den Reichthum. Ich wär' ein Bettler wenn Du Wahrheit sprächst –

Ew. Gnaden, flisterte sie leise und zu ihm hingeneigt, fürchten wohl, der Vater behorche uns? Nein, der schläft fest, doch kamen Sie umsonst, denn mein Gewissen wacht! Verstehn Sie mich?

Herrlich! O, vollkommen. Drum geh' nur auch schlafen! Satan ist schlau, und Du weißt, was wir vorhaben. Wär' ich der Vater, ich schlösse Dich ein.

Lottchen stand auf, wünschte lachend wohl zu ruhen, und schob, den Schatzgräber fürchtend, zu ihrem Schutze den Riegel vor.

Die fleischliche Sicherheit lacht aus ihr! sprach er zu sich selbst und trat ans Fenster. – Das alte Schloß glänzte int Lichte des Vollmondes, am Fusse des Thurms schien ein Feuer, zu brennen. Nach des seligen Karls Erzählungen war diese Flamme ein sicheres Kennzeichen verzauberter Schätze. Ja, Ja! rief er mit gefalteten Händen, der Förster sprach die reine Wahrheit, aber Lottchen, die Mißgünstige, gönnt uns das Glück nicht, ohne das Augusten und mir jetzt wenig mehr als der Bettelstab bliebe. Ach, wär' ich nur diesmahl die heilige Jungfrau oder ein Kater, und kein weißes Haar an mir!

 

12.

Graf Roderich war indeß aufs schleunigste nach der Hauptstadt abgereist. Der dringende Befehl des Fürsten entschuldigte die eilende Zerstreuung mit der der Freund von seinen Freunden, und die Kälte mit der der Gemahl von seiner erkrankten Auguste schied. Vergebens ließ diese jetzt, rund umher, den geflohenen Bruder aufsuchen, nach dem sich ihr Herz mit der ganzen Gewalt inniger Anhänglichkeit sehnte. Amalie erschöpfte sich in Tröstungen, selbst die schadenfrohe Lina ward für einen Augenblick von den Thränen der Verlassenen gerührt und wachte eben im Gefolge dieses Eindrucks an ihrem Bette als Gustav, mitten in der Nacht, leis' und bleich, einem Gespenst ähnlich, eintrat. Erschrocken fuhr sie auf, erkannt' ihn jetzt und winkte mit der Hand, denn die Kranke schien zu schlummern.

Tief athmend sank er in das Sopha, zog dis Gräfin an seine Seite und fragte – Ist sie krank?

S. Unpäßlich – Es wird vorübergehn. Wir haben zehn Boten nach Ihnen ausgesandt. Wo kommen Sie denn endlich her?

E. Aus dem Walde. Zwar wies mir Lottchen den Weg, und der Vater begleitete mich eine Strecke, doch irrt' ich bis jetzt herum, denn mein Kopf brennt fieberisch.

S. Schon seit drei Tagen vermißt man Sie.

E. Erst war ich anderwärts. Es fand sich ein Mädchen zu mir, das freilich wohl jeden Schatzgräber in's Verderben stürzen würde: dann sahn mich zwei andre für ihren Gegenfüßler an, und kaum war ich diesen entflohn, so saß mir die Mundel gegenüber –

S. Meine Schwester? Wo? O, wo?

E. Im Wagen, auf der Straße. Sie ist jetzt Krankenwärterin und wird, wie ich glaube, den Pazienten wohl heyrathen. Ein neuer Assessor, schwarz wie die Heiden die ich vor kurzem bekehren wollte, begleitete sie.

S. Ernsthaft! wie benahm sich die Gute?

E. Boshaft wie immer. Für einen Wahnwitzigen erklärte sie mich. Da machte der Millionair große Augen, der Mohr lachte mir ins Gesicht, und alle drei riefen mit einem Munde – Fahr zu! Mich trieb der bittre Schmerz vom Wege; Satan selbst schmatzte mich ab und nahm mir Börse, Uhr, und Wechsel –

S. Nun, das fehlte noch!

E. Und führte mich auf die Zinne seines Tempels – Auf die Teufelsburg. Die Aussicht war herrlich. Bis nach Schweden, glaub' ich, hätte man sehn können, mir aber lag am sehen nichts und meine Augen standen voll Wasser. Da rief ich den Herren an, und siehe da, er sandte mir seinen Engel –

S. Doch keinen weiblichen?

E. Zur Halbschied, ja.

S. So wär' ich dort geblieben. Was wollen Sie als Bettler hier? Ohnehin fällt nun Auguste der Familie zur Last, denn nach dem was mein Bruder vor seiner Abreise gegen mich äußerte –

E. Ist der fort? Gottlob! – Warum ich komme, fragen Sie? Um Ihretwillen, Lina. In Ihrer Hand liegt jetzt mein Glück! O, eine Krone liegt darin.

S. Allerliebst! Für den Geplünderten und Verrückten, meinen Sie, sey Gräfin Lina gut genug? Ich danke sehr!

E. Schlagen Sie mir das nicht ab! die Kleinigkeit! es wäre grausam!

S. Fort, in Ihr Zimmer!

E. Um keinen Preis.

S. Sie wissen ja, daß ich katholisch werde.

E. Mir zum Trotz also? Nun, immerhin. Auf diese Hand that ich ja schon Verzicht.

S. Was hält' ich sonst noch zu verschenken? Mein Erbtheil etwa?

E. Da sey Gott für. Nein Lina, um Ihr Kätzchen nur beschwör' ich Sie. Ich brauch' ein solches und Hinz ist schwärzer als Rosemundens Mohr. Zwar wird der Teufel es zerreißen, aber Sie empfangen zehn andre dafür.

Die Gräfin lachte laut, Auguste wachte auf, sah den Ignoranten im Sopha und breitete hocherfreut die Arme gegen ihn aus. Ach, meine Gustel! rief er von Zärtlichkeit ergriffen, und vergaß an ihrer Brust den Schatz und sein Unglück.

 

13.

Der Graf fand bei der Ankunft seinen Fürsten auf dem Parade-Bert und Marien trostlos; Sie aber fand, als Vormünderin des kleinen, jetzt noch lallenden Erben, in diesem willkommnen Freund den fähigsten Gehülfen und einen Tröster, neben dem selbst das glänzende Talent des fürstlichen Beichtvaters in den Schatten zurücksank.

Maria war schön: die Trauer verklärte sie. Ihr Zimmer stand ihm zu jeder Tageszeit offen, fast stündlich drängten ihn Geschäfte dahin, er sah sie unter allen Gestalten, und unter allen blieb sie bezaubernd. Der Hof beugte sich jetzt vor dem neuen Minister, der begeistert von der warmen Erkenntlichkeit einer solchen Gebieterin, berauscht vom Zaubertranke der Vergötterung, sich selbst übertraf, und den billigen Theil seiner Feinde durch eine Reihe wohlthätiger und gemeinnütziger Verfügungen entwaffnete. – Doch die Zeit-Folge der Geschichte macht es nothwendig, für jetzt noch einen Augenblick zn seinem unglücklichen Schwager zurückzukehren.

 

14.

Der Tag grauete, Auguste schlief, gestärkt von der Freude des Wiedersehns so fest als ruhig, aber den Schatzgräber wandelte kein Schlummer an. Ausser dem Hof in Herjedalen hatte er alles was das Leben erheitert, verlohren und der Glaube an die Goldhaufen des alten Schlossses wuchs in gleichem Verhältniß mit der Angst die sein Herz zerdrückte.

Noch ehrt kein Gebot! sprach er auf dem Weg in Lina's Zimmer, warf einen scheuen Blick auf die Schlummernde, haschte jetzt ihren schnurrenden Liebling und eilte mit ihm durch den Nebel fort. Ein Morgenlied scholl dem Katzendieb entgegen. Errettet sang der Sanger:

Errettet hast Du mich gar oft,
gar wunderbar und unverhoft –

Mich auch, sprach Gustav zu sich selbst, sah mit steigendem Vertrauen auf seinen Raub herab, und schrie jetzt vor Freuden auf, denn Lottchens Vater, der alte Förster stand vor ihm.

Da ist sie! Da ist sie! rief er dem überraschten Greise zu, doch Lina's Ebenbild entwand sich in diesem Augenblick seinem Entführer und der Nebel begünstigte die Flucht. Gustav sank vernichtet an den nächsten Baum.

Fassen Sie sich, Herr Baron! tröstete jener, der Herr hat uns auf eine andre Art gesegnet.

Gesegnet? Uns? Wär' es möglich?

Ew. Gnaden sagten mir doch von dem Feuer, das Dieselben am Thurme bemerkt haben wollten. Das Zeichen war ein freudiges, ich patzte in der nächsten Nacht auf und ein helles Flämmchen ließ sich um Mitternacht blicken. Ich wecke die Bursche und ziehe dahin in aller Stille; Gesindel wirbelt um das Feuer, Wir fassen uns ein Herz, brennen los und es zerstiebt. Ich lasse wieder laden, rücke vorwärts und sehe nur Blutspuren und einen ausgespreitzten Weiberrock der aller Welt Schätze trug. Dem Anschein nach, hatten sie eben getheilt. Hier, fuhr er fort, und öffnete die Jagdtasche, hier suchen Sie selbst Ihr Eigenthum, den Rest trag' ich, nach Abzug des Schießgeldes, in's Amt. Meine Leute verfolgen die Räuber.

Mit leichter Mühe hob der Entzückte jetzt den verlohrnen Schatz, bedeckte den Förster mit Küssen und drang ihm nach langem Sträuben, ein Geschenk für sein Lottchen auf.

Jener schlich nun dem Amte zu, dieser hüpfte auf das Schloß zurück, vor dessen Pforte der entsprungene Kater ein Klagelied sang.

 

15.

Sorgfältig hatte Roderich seit seiner Rückkehr an den Hof, Jukunden vermieden, welche sich dagegen, seitdem sie Frau von Silfen war, auffallend kalt von Marien behandelt sah. Jetzt traf sie, nur von ihrem Gatten begleitet, im Thiergarten auf den Einsamen. Der Rittmeister ging mit einer tiefen Verbeugung an ihm vorüber, Jukunde aber faßte mit Heftigkeit seine Hand und sprach – Wenn werden Sie uns endlich ihre Gemahlin wiederschenken?

Sie ist noch unpaß, entgegnete der Graf, doch segne ich den Augenblick der mir das Glück verschafft, Sie ohne Zeugen hier zu finden.

Ihr Auge widerspricht dieser Versicherung.

Der Gram drückt es nieder. Wo soll ich anfangen?

Bei Augustens Schuld.

O, die Sonn' ist nicht reiner –

Wie, und dennoch sieht sie sich entfernt? Vielleicht um ihrer Vorzüge willen? Denn ich erkenne Sie nicht mehr.

Und doch bin ich der Alte noch. O hören Sie den Trostlosen, bevor Sie ihn verdammen. Längst weiß der ganze Hof, welche Geschichte Rosenwall in seiner Blindheit meinen Leuten verkündigte, und eine Lassen darf ich wohl nicht erst von der Heiligkeit der Rücksichten unterrichten die ich, der letzte meines Hauses, diesem Hause schuldig bin. Nur Egoisten opfern die Zukunft der Gegenwart, das Glück ihrer Kinder und Enkel, der Wonne des Augenblicks auf, ich aber lebe für ein kommendes Geschlecht, und lieber möge dann mein Herz befleckt erscheinen als ein Schild befleckt werden, den mehr als sechzehn ruhmbedeckte Ahnen trugen. Sie lächeln Frau von Silfen?

Weil ich der Zeit gedenke, wo Roderich den Ahnenstolz zum Ziele seines Spottes machte; wo er diese Vorurtheile, selbst der verewigten Mutter gegenüber, mit eines Schwärmers Glut bestritt, wo es sein Triumph gewesen wäre, das Fräulein Rosenwall als Karls anerkannte Tochter zum Altar zu führen –

Auch ich gedenke dieser Zeit; denn eben damahls führte mich der Zufall aus einem Kreise von Sirenen, die wechselsweise um meine Titel und meine Güter buhlten, vor diese holde Tochter der Natur. Mitten unter Halbwilden erschien sie mir, einem Genius ähnlich, zwischen See und Sturm und Himmel. Ich hielt die Fallende und das Feuer ihres Danks machte mich trunken. Der Schwestern Hoffahrt, der Mutter Widerstand blies in die Flamme, doch selbst in jenen Tagen, selbst in der heissesten Glut meiner Wallung, würd' ich, von ihrer Abkunft unterrichtet, mein Glück der Pflicht geopfert haben.

Aus allen diesem folgt –

Daß Auguste sich an meiner Hand fortan sehr elend fühlen dürfte. Sie gebe mich denn auf – geb' ihrem Gustav das getheilte Herz und vergesse dieß brechende.

Nicht immer, Welling, vergißt sich das, was wir verachten –

Die Partheilichkeit der Freundschaft führt Ew. Gnaden zu Behauptungen die nur gemeinen Seelen wehthun; auch ist in diesem Fall um so sicherer auf Vergessenheit zu rechnen, da der vergötterte Bruder nun als Vergötterer zurückkehren, und diese Wunden heilen wird. Ach, vom Anbeginn hatt' er ihr Herz, ich nur die Hand – Genug davon! Wo bleibt Ihr Herr Gemahl?

Er flieht, wie billig, diese Sonne.

Auch die Fürstin begreift es nicht, warum Jukunde sich jetzt so selten macht. Ich entschuldigte Sie mit dem Zauber der Flitterwochen und führt' Ihr Wort.

Wer erlaubte Ihnen das, Herr Graf?

Viel lieber würde ich, fürwahr, Mariens Ungnade als Ihre Gunst ertragen.

Sie erklären mir den Krieg, und dennoch wag' ich eine Bitte – Schreiben Sie Augusten!

Wort für Wort.

Daß sie dem Unglücklichen vergebe – daß sie ihn aufgebe! Ihre Güte endlich, schließe diese Brieftasche bei.

Herr Graf, fiel Jukunde mit zitternden Lippen ein, ich darf wohl fragen, was sie enthält?

Ein Scherflein der Vergeltung! erwiederte Roderich.

Der Vergeltung? rief Frau von Silfen, warf ihm die reiche Brieftasche vor die Füsse und eilte ihrem Gatten nach.

 

16.

Auguste war eben reisefertig, als sie Jukundens Brief empfing und noch während der Lesung desselben in Gustavs Arme sank. Er führte sie zum Sopha, las ihn zu Ende, rief – Gottlob! Gottlob! hüpfte um die Schluchzende her und sprach –

Laß es doch gut seyn! Es ist Gottes Wille, sollen wir dem widerstreben? Und ging es mir denn besser, Auguste? Viel lieber noch war mir die Mundel als Dir Dein Roderich, viel herbere Opfer bracht' ich ihr, und viel schändlicher noch vergalt mir die Treulose. Sie hatte nichts für sich als den rohen Trieb, und mit fröhlichem Herzen that die Ehrvergessene was dieser nur, um seines Stammbaums willen, mit gebrochenem wagt. Der meine nimmt es wohl mit diesem auf, und doch wird Dein Nahme wie eine Engels-Thräne in ihm glänzen. Stille die Deinen. Denke Dir, Du wachtest jetzt daheim in Deinem Bettchen auf, und ich träte wie sonst, mit dem Morgensegen, in die Kammer. Ach, würdest Du rufen, ach Gustav laß dir erzählen was mir träumte. Nun erzähltest Du und wir belachten den Traum, vergässen ihn und wären fröhlich im Geiste. »Das Leben« sagte der Vater oft »ist nur eine Kette von Traumbildern; erst in der Todesstunde wachen wir auf.« Gieb mir die Hand, liebe Gustel, und wenn Du mich lieb hast, so reis' ich mit dem Tage heim, und Du träumst künftig nur in meinem Arm.

Erst zu ihm! stammelte Auguste, er ist ja gut, er ist edel, wie könnte dieß Herz eine Schuldlose verläugnen, die weder seinen Nahmen, noch seinen Rang, die nur ihn selbst liebte. O, und wär' er eines Bettlers Sohn und ich des größten Königs Tochter, dennoch wollt' ich mich vor aller Welt zu ihm bekennen, und freudig aus dem Pallast hinweg, in die elende Hütte ziehn. Komm, der Wagen wartet, begleite mich Gustav.

Du forderst viel. Lieber wollt' ich Geld und Wechsel den Zigeunern zurückbringen und von neuem bei der Wittwe einkehren die mich für den Ostindier hielt – lieber eine ganze Stazion mit der Mundel fahren oder, wie neulich, schwarze Katzen stehlen und reine Jungfrauen aufsuchen – Doch fordere selbst mein Leben, ich bring' es Dir. Damit gab er Augusten den Arm, aber sie sank ohnmächtig neben ihm nieder.

 

17.

Ja, wir träumen! sprach die Erwachende und bot ihm lächelnd ihre Hand. Dein Bild ist treffend, Gustav. Lies mir Jukundens Brief noch ein Mal. Wir reisen! fuhr sie nach langem Weinen fort, aber nicht zu ihm. Lieber an meiner Mutter Grab zurück, in das einsame Thal wohin keine Lockung reicht, kein Laster und kein Betrug. Schreib' ihm, mein Geliebter – Vorüber sey der Traum, verschwunden sey der May, der Kranz verwelkt. Er solle mir vergeben daß ich mich an ihn hing – ihn nicht lassen wollte – mit meinen Thränen, meinem Jammer seine Flucht erschwerte. Im Himmel Gustav, dort wo nur Seelen-Adel gilt, find' ich ihn wieder –

O, mich auch!

Wenn dann erhabene Engel Augusten Schwester nennen, wird er sie länger nicht verläugnen.

Gustav schrieb. Sie las und unterzeichnete, ihre Thränen bedeckten den Brief, er ging ab.

Mein Bruder, sprach sie am Abend und schlang den Arm um seinen Hals, wie tröstend ist mir Deine Liebe. Sie ist mein Anker in der Noth, ach, ohne Dich müßt' ich verzweifeln.

Das wende Gott ab. Das sollst Du nicht. Ich will Dich glücklich machen, meine Gustel. So lange Du noch weinst, wein' ich mit Dir, erinnere Dich an hellere Tage, an unsere Kinderjahre, und ihre Unschuld, ich küsse Dir die Thränen von der Wange und wärm' an meinem treuen Herzen Deine kalte, zitternde Hand. So lang Du krank bist, wach' ich an Deinem Bett und bete für Dich wenn Du schlummerst. Und ist die arme Gustel nun genesen und kehrt die Freude wieder ein in Deiner Brust, so will ich mit Dir lachen und froh seyn, Dir erzählen wie albern ich war, wie seltsam es mir ging, welch Possenspiel ein Heer von Feen rund umher mit meiner arglosen Einfalt trieb. Oft wirst Du dann finster sehn, öfter lächeln, am öftersten mich bedauernd an Dein liebendes Herz drücken und mich mit zärtlichen Nahmen nennen. O thue das. Böse, meine Gustel, böse sollst Du mich nie wieder machen. Ich werd' ein Löwe seyn gegen das ganze verrätherische, boshafte Geschlecht; ein Lamm Augusten gegenüber. Weit werd' ich jede Schlange von mir werfen, und jeden Adam aus der Thüre, doch ein Blick von Dir, ein Wort, ein Hauch aus diesem Munde soll hinreichen, mich zu entwaffnen.

Du guter Mensch!

Nur glaube nicht, daß ich Deine Hand erschmeicheln will. Sey keines Andern, so bist Du mein, und wenn Auguste auch das irrdische Band verschmäht, so genügt mir an dem Einklang unserer Seelen. An Deinem Busen schweigt der rohe Trieb; wie ich die Tugend liebe, lieb' ich Dich!

Sanftweinend neigte sie sich zu ihm nieder und küßte von Zärtlichkeit bewegt, viel inniger als sonst, seinen glühenden Mund.

 

18.

Der Onkel hatte seit Karls letzten Bekenntnissen weder die Gräfin noch ihren Bruder vor sich gelassen. Jetzt ward dieser aufs höflichste zu ihm eingeladen.

Mein Lieber, mein Bester! sprach er zu Gustav, ist's wahr, ist's gewiß, daß der Graf sich scheiden läßt?

Dieser bejahete.

O, Bon! So wird auch Poldchen geschieden. Will einen Courier an Sie abschicken. Heute noch. Und an den Grafen einen, daß er sie zur Ehe begehre. Ist Minister worden, der Teufelsbraten. Exzellenz, mein Bester! Gleichsam was ich bin. Die Thränen sind mir vor Wonne auf die Weste gelaufen, als ich es in den Zeitungen las, und dann wieder vor Jammer, daß Poldine so schändlich um ihn gebracht ward.

G. O sprechen Sie nicht so, Exzellenz!

O. Pst! wollen abbrechen. Was macht die Bewußte? Buß-Psalter? n' est ce pas? Hat es an mir erhohlt. Aber, mon cher Baron, Sie bleiben denn doch was Sie sind! Wie? Zu Ihnen hat sich die Livrey nicht bekannt? Gratulire!

G. Gratuliren Sie sich selbst! Käm' ich nicht von der Himmlischen, hätte die sanfte, hinschmelzende Seele mich nicht zu ihrer Wehmuth hinabgezogen, so führe ich Sie, wie Sie da sitzen, auf ihren Platz.

O. Comment?

G. In's Drillhäuschen!

O. Sapperment! Mich? Mich, die Exzellenz? Aber man steht sich offenbar im Lichte. Ich bin Ihnen gut. Auf meine Parole. Ich will Sie in meinem Testament bedenken. Hier ist die Hand. Mit einem derben Legate – verstehn Sie wohl?

G. Das gäb' ich dem Spital.

O. Nach Belieben. Dafür sollten Sie mir denn auch einen Gefallen erzeigen.

G. Thut wohl dem Beleidiger! Lassen Sie hören.

O. Einen Dienst sogar. Doch unter dem Siegel der Verschwiegenheit.

G. Schweigen lernte ich.

O. So schwören Sie. Bei Himmel und Erde vermessen Sie sich –

G. Da sey Gott für. Jener ist seines Thrones Stuhl, und diese seiner Füsse Schemmel. Mein Wort reicht hin.

O. Sollen mir einen Brief bestellen. Zu eignen Händen – Und weder dem Seehof noch seiner Gemahlin, noch der kleinen Judith, noch der Bewußten endlich, ein Wort von dem Auftrage sagen.

G. Und an wen?

O. An meinen Seelen Freund. An den General Stralen nach K... Leben und Tod hängt davon ab.

G. Das meine?

O. Auch das, wenn Sie wortbrüchig werden.

G. Ein Menschenleben von diesem Briefe?

O. Sag' ich Ihnen! Ein theures! ein heiliges! ein nicht genug zu verehrendes. Gift und Stahl, Mord und Todschlag, wird nur durch die schleunigste Bestellung aufgehalten –

G. Sie haben ja Leute.

O. Leute? Krüppel! Den Läufer mit dem Podagra, und wer soll mich fahren?

G. Ist's weit dahin?

O. Zwölf kleine Meilen. Ein Katzensprung mein Bester. Ein Spazier-Ritt. Bin wohl öfter schon zwanzig in einem Odem geritten –

G. Bei Roßbach gewiß?

O. Si! si! Und mit zehn Wunden, Bester!

G. Exzellenz!

O. Pst! Sie wollen also?

G. Steht ein Leben auf dem Spiel, so muß ich wohl.

O. Prenès – Die Reisekosten.

G. Bedarf ich nicht.

O. Bon! sind ein scharmanter Mann – Was lachen Sie?

G. Der Kater fällt mir ein.

O. Comment? Mir gegenüber?

G. Sie, Sie hätt' ich an seiner Statt mitnehmen sollen –

O. Mitnehmen? Mich? Wohin?

G. In die Teufelsburg. Sie sind viel schwärzer noch als Lina's Kater, Exzellenz!

O. Vous badinés!

G. Ich mein' es ernstlich. Sie lachten, als der Graf Augusten von seinem Herzen wies; Sie spotteten und werdeten sich an ihrem Jammer. Diese Sünde wider den heiligen Geist, wider den Geist der Menschlichkeit und des Erbarmens kann Gott selbst nicht vergeben. Die ist rein teuflisch.

Der Alte langte verbleichend nach der Klinzelschnur, sein Strafprediger aber faßte die Lehne des Räderstuhls, fuhr ihn schnell in den tiefsten Winkel des Zimmers, stellte sich vor den Frierenden und sprach –

Gewisse Leute sind gleich einer Mispel die über dem Abgrund hängt, der nächste Sturm wird sie hinabwerfen – Gleich dem verdorrten Baum in der Bibel, die Borstenkäfer haben ihn bis in's Innerste zerstört. Exzellenz, wird der Herr einst zu Ihnen sagen, ich war hungrig, und Du hast mich nicht gesättigt; durstig und Du hast mich nicht getränkt; nackend und Du hast mich nicht bekleidet – Gehe hin in das ewige Feuer!

Pah! Pah! brummte der Onkel, ich läugne die Hölle!

G. Kein Flehen wird den Richter dann erweichen, und Leopoldine zum Engel verklärt. Sie weder kennen noch vermissen.

Larifari! fiel er, sich ein Herz fassend, ein, wer stirbt ist tod. Wollen Sie wohl den Brief besorgen, mein Allerliebster?

G. Und seyn Sie auf ihrer Hut, Exzellenz. Schon öfter hörte sich Lina von Ihnen Judith genannt, und schwor, den Lästerer dafür in einen Holofernes zu verwandeln.

O. Ist sie von Sinnen?

G. Ihnen den Kopf abzuschneiden.

O. Verschmähte Liebe – So will ich sie heyrathen. Heute noch!

G. In der Brautnacht! sagte sie.

O. Das wäre cruel! Und was hülf' ihr das? Dann stürbe sie ja auch, hier zeitlich und dort ewiglich!

G. Ewiglich? Wer stirbt, ist ja tod!

O. Bester, Sie martern mich. Könnten schon eine Meile geritten seyn. Reisen Sie! Reisen Sie! à l'honneur de vous revoir!

 

19.

Gott sey gelobt! rief er, als der Peiniger gewichen war, und küßte seine Fingerspitzen, der geht nun richtig in die Falle. Revange! Revange! Wirst an die Mispel denken, Bürschchen, dein Leben lang. Mich dünkt, ich schwitze! Gefoltert hat er mich, der Satans-Engel! Wie einen Apfel mich gebraten, mich wie die Gicht gezwickt, bis in das Innerste, der – Borstenkäfer!

Lange saß er noch in dem Versteck, rief vergebens den Heiducken, und blickte sehnsüchtig nach der Klingelschnur, als Lina in das Zimmer trat. Ein Angstlaut entfuhr ihm.

Sie beten wohl? fragte Lina denn seine Hände erstarrten gefaltet über dem Bauche.

Ach Gott, ja! entgegnete er. Für Sie, mein Engel! Für Ihrer Seelen Seligkeit –

Warum nicht gar? sprach sie lachend, wie fiel Ihnen das ein?

E. Daß der Herr Sie vor jeder Anfechtung bewahre –

S. Ey warum das? Selig ist, wer die erduldet –

E. Und meinem Leben noch eine Spanne zusetze, damit Sie dereinst eine steinreiche Erbin werden –

S. O ich hätt' an dem Gegenwärtigen genug.

Er sah starr auf ihre rechte Hand, welche etwas im Strickbeutel zu suchen schien und sprach mit angsthafter Beklommenheit – Was da ist, fällt Poldinen, was künftig anwächst, Ihnen zu.

Onkel, fiel Lina ein und trat ihm näher, Sie haben noch einen recht schmucken Hals. Wär' ich wie Sie, ich trüge mich à la Hamlet

Gott erbarme sich! dachte der Onkel, mein Stündlein kömmt, sie will mir an die Kehle –

S. Ich wünschte mir keinen weißern –

Passirt! Passirt! rief er und streckte beide Arme gegen Sie aus, aber was steht denn eigentlich zu Ihrem Befehle?

Ich habe da etwas in der Mutter Nachlaß gefunden, sprach sie leiser und neigte sich zu ihm. Etwas das Sie mir abkaufen sollen –

E. Nachlaß – Abkaufen?

S. Ein türkisches Messer. Sehn Sie wohl, Onkel? Mit goldnem Griff und Edelsteinen – schüchtern blickte sie umher. Es kömmt doch niemand? Haarscharf ist es, gnädiger Onkel. Es schabt den Daumen-Nagel.

E. Wie theuer? Wie theuer? lallte der Onkel unter Zähnklappern – Ich kauf' es – Ja! Ja! Herzlich gern –

S. Barbieren könnte man damit. Erlauben Sie ein Mal!

Hülfe! Mord! Feuer! schrie der Verzweifelnde, Lina fuhr erschrocken auf, verriegelte schnell die Thür und kam zurück.

Tausend Thaler! rief er – Tausend Dukaten. Ja! Ja! das ist es unter Brüdern werth. Dafür lassen Sie mir's? Mir, Ihrem Verehrer. Ihrem Vorbitter bei Gott – Ihrem Schutzengel gleichsam –

S. Wie boshaft Sie sind! Können errathen daß der Handel unter uns bleiben muß, daß es in die Erbschafts-Masse gehört, und wollen Leute herbei ziehn, um mich schamroth zu machen –

E. Schamroth? Wie? – Sie wollten mir nicht zu Leibe? Wollten mich laufen lassen? Sammeln lassen? Ihnen wohlthun lassen? Ich lebe wieder auf. Embrassés moi!

S. Tausend Dukaten? Das hätt' ich nicht geglaubt. Topp! da ist es!

E. Sie scherzen, Gräfin!

S. Nie mit Respekts-Personen – Zahlen Sie aus!

E. Ich, liebste Lina – Ich brauche keins. Das giebt nur der Liebhaber –

S. Der sind Sie. Und â propos, gnädiger Onkel, wer heißt denn hier Judith?

E. Judith? Judithe, sagen Sie? Aber das Messer gefällt mir. Hundert Dukaten wend' ich dran –

S. Tausend! Sonst weiß ich, was ich thue.

Zum Beispiel? fragte er kleinlaut.

S. Oder vielmehr, ich weiß es nicht. Mir wird jetzt oft so schwarz vor den Augen –

E. Lassen Sie Ader, Beste! Lassen Sie Ader!

S. Dann überfällt mich – Sie trat mit seltsamen Gebehrden auf ihn zu – überfällt mich ein stiller Grimm –

Ich behalt' es! rief der Zitternde und griff darnach. Lina fuhr ihn mit Blitzes Schnelle zur Schatulle hin, empfing die Goldrollen und hüpfte fort. Versteinert saß er da, starrte das Karlsbader Obstmesser an, welches sie ihm statt des blitzenden Dolchs in die Hand gedrückt hatte und fühlte eine leise Anwandlung, sich selbst sein Recht damit anzuthun.

 

20.

Du wirst Deiner Gattin die erste Bitte nicht versagen, sprach Leopoldine in Karls Sterbe-Nacht zu ihrem Bräutigam, als er sie in die Kammer geführt hatte. Eine Bitte deren Gewährung die Gestalt Deiner Braut Dir erleichtern muß. Der gute Hauptmann dem sie trotz dieser Gestalt unendlich theuer war gewährte in Voraus jede die sich mit den Pflichten ihres neuen Berufs vereinbaren lasse und schloß sie liebend in die Arme.

Bist Du mir gut, fuhr sie fort; so wird morgen vergebens an diese Thür' geklopft werden, so reisen wir noch in dieser Nacht nach Deinem Standquartier ab. Widrig, verächtlich, unerträglich waren mir von jeher die Blicke, die Anspielungen, die Zweideutigkeiten mit denen junge Frauen am ersten Morgen ihrer Ehe, von Freund und Feind geängstigt und entwürdigt werden.

Der Bräutigam verstand die Bedeutung dieser Worte, hörte schon im Geist die rohen Ausfälle des Schwiegervaters vor denen der Tochter eben am meisten bangte, und entzog ihr Ohr den Wunden, ihre Wangen der Glut, ihre reine Seele dem Aerger und zufällig auch dem Schmerz, eine Zeugin des Auftritts werden zu müssen, welchen Karls Entdeckungen und des Grafen Lieblosigkeit am Morgen dieser unseligen Nacht herbei führte.

Lina hatte daher, als sie dem Seehofischen Paare das Unheil verkündigte, vergebens auch an Wellings Thür gestürmt. Niemand begriff, wie Leopoldine, die hier vor allen andern geeignet war, den Zorn des Grafen zu entwafnen, ihre Freunde ohne Trost, selbst ohne Lebewohl in dieser bangen Stunde habe verlassen können.

Bald erfuhr sie durch eine Zuschrift des schadenfrohen Vaters, die traurige Geschichte und bot ihren Mann auf, den ganzen Einfluß welchen er auf seinen Neffen hatte, geltend zu machen, und den Verirrten zu seiner Pflicht zurückzuführen; der Hauptmann aber schüttelte den Kopf und sprach –

Laß der Sache ihren Gang. Hungrige Ehrsucht verschmäht die gesättigte Liebe und wehe jedem edeln Weibe, das zwischen dem Mann und seinem Götzen steht. – Doch Leopoldine, welche diesen Götzen zu beschwören und zu verbannen hoffte, rastete nicht, bis er sie in die Hauptstadt führte.

 

21.

Sie wurden Marien vorgestellt, deren Namens-Tag eben den Hof um sie versammelt hatte. Unbekannt mit der Ankunft seiner Strafprediger, trat Roderich von einer Geschäfts-Reise zurückkehrend, in den bevölkerten Saal, an dessen Ende die Fürstin wie Penelope unter den Damen saß. Plötzlich stellte sich Frau von Welling ihm in den Weg. Die Farbe wich von seinen Wangen, der stolze Blick fiel schnell zu Boden, und die Erscheinung verschwand. Er glaubte jetzt eine andere für sie genommen zu haben, schöpfte Odem, trat zu den Damen, warf die Augen rings umher und traf endlich wieder auf die ihren, welche ihn unverwandt anstarrten. Sanft berührte eine Hand seine Schulter und als er sich umwandte, stand der Hauptmann vor ihm, kehrte dem Erstaunten schnell den Rücken und verlohr sich in dem Haufen der Gäste. Zum Ueberfluß schlich auch Jukunde nun herbei, reichte ihm einen entsiegelten Brief und sprach, die Augen von ihm abwendend: Augustens Antwort! Erschüttert eilte Roderich ins nächste Zimmer. Er las und Thränen entstürzten ihm. Die Sprache der entsagenden Unschuld durchdrang sein Innerstes. Jetzt aber rauschte Maria an ihm vorüber; die seidne Schleppe berührte seine Kniee: er sah auf, begegnete ihrem flammenden Blicke, ihrem üppigen, fliegenden Busen, dem Liebreitz der aus Engelszügen zu ihm sprach. Seine Augen begleiteten die Götter-Gestalt, seine Hand führte den Brief in die Tasche, sein Herz flog vergessend der Zauberin nach.

Lauschend stand Jukunde an Leopoldinens Arm ohnfern der Thüre. Sie sahen wie der Brief in seinen Händen bebte, sahen seine Augen voll Thränen, und den Aufruhr des Gefühls in seinen Zügen.

Jetzt gilt es! sprach Frau von Welling als Maria vorüber war, und trat zu ihm hin.

Er ist verlohren! rief ihr Jukunde nach, welcher der letzte, alles vertilgende Eindruck nicht entging.

Wir sahn uns lange nicht, hob sie an, und ich blieb Ihnen noch, wo nicht die herzlichsten, doch die feyerlichsten Glückwünsche schuldig.

E. Also sind Sie es wirklich, gnädige Frau? Willkommen denn auf diesem Boden! O das ist wahr – Auf Ueberraschungen verstehn Sie sich.

S. Schade nur, das es so wenig willkommene giebt. Da fällt mir eben ein, Herr Graf, wie stolz, wie ausgezeichnet, wie gesättigt mit allem was ein Weiberherz sich wünscht, ich jetzt hier wandeln würde, wenn es meinem Vater nachgegangen und der Wille Ihrer Mutter erfüllt worden wäre.

E. Doch wählten Sie das beßre Theil und wandeln nun auf Rosen Ihrer That.

S. Zudem wär' ich theils gut, theils wehrlos, theils unschön genug, mit dem Titel der Gemahlin vorlieb zu nehmen und für Verstossung schützte mich das Alter meines Wappenbriefs.

E. Kann ein solches Herz so unsanft mahnen?

S. Ich habe Schwesterrecht auf Sie, Herr Graf, und darauf wag' ich es. Sie sind ein vollendeter Mann. Schön, reich, fähig, gewandt, nur ein wenig undankbar gegen den großmüthigen Geber dieser Güter. Nicht umsonst lieh er diesem ungemeinen Geist eine so anziehende Hülle; Sie aber übersahen die Bedingung des göttlichen Geschenks und der Adel Ihrer Züge belügt uns nun.

E. Auch diese Taube also wird zum Geier?

S. Wie glücklich wären wir alle jetzt, wenn der liebende Engel, hier noch wie sonst an Ihrer Seite stunde. Wie würd' ich da die Kampfe segnen und die Thränen und den Schmerz, den der Tag mich kostete, an dem ich Augustens Hand in diese unsichere legte.

E. Hier, Frau von Welling, stünde sie ja doch nicht an ihrem Platze, hier würde matt jetzt auf sie herabsehn und diese Demüthigung mein Herz zerreißen, und das ihre.

S. Hier also ist der Sonnenpunkt? Das Ziel des Lebens? Nur hier gefällt sich Roderich?

E. Nicht ich allein. Wohl jedes Thatenlustige Gemüth das höhere Zwecke kennt als Schäferspiel und Ehebett.

S. So wein' ich um die hart Getäuschte. Die Liebe wird sie tödten, und ich, ich trage diese Schuld.

E. Fürchten Sie das nicht. Die wahre Liebe duldet und entsagt, ertragt und überdauert alles. Nur wilde Leidenschaft führt zu Extremen.

S. Auch Sie beklag' ich, Graf: denn Augustens Bild lebt fort in dieser Brust!

E. Ewig! O schweigen Sie davon!

S. Der Künstler wird des Spieles müde, der Dünkel schwindet, der Rausch verfliegt und das betäubte Herz erwacht. Wehe dann dem Ihren, Roderich. Jetzt opfern Sie Augusten, einst opfert Sie Maria auf, denn noch immer hat das Schicksal die Verführte zur Geissel ihres Verderbers gemacht – Still aber schrecklich rächt das heimliche Gericht der Vergeltung jeden Frevel.

Ein Page rief den Grafen jetzt zum Spieltisch ab. Maria harrte seiner und warf einen düstern Blick auf den Zerstreuten.

 

22.

Gustav kam indeß nach der Festung K. und übergab ihrem Commandanten die Depesche. Dieser las, und sah ihn dann mit großen Augen und sichtbarem Wohlgefallen an. Der Onkel empfahl den Ueberbringer als einen höchst verschmitzten Landstreicher, der sich schon seit geraumer Zeit auf seinen Gütern umher treibe, verdächtige Reden führe, die Bauern aufwiegle, wahrscheinlich ein schwedischer Ueberläufer und auf jeden Fall für das erste Glied einer Grenadier-Compagnie ganz geschaffen sey.

Ist er gerettet, fragte Gustav, kam ich noch zu rechter Zeit?

O, zur gelegensten! Aber das hätt' ich ihm nicht angesehn! – Raff' er sich auf, mein Sohn. Werd' er ein anderer Mensch, nur der Rechtliche kann bestehn. Es macht wohl jeder so seinen Streich, doch nur der Narr und der Böswicht gefällt sich auf Irrwegen.

Herr General, erwiederte Gustav, ich bin nicht von der Poststraße gewichen, also weder der eine noch der andere. Ein Schwede bin ich, mein Nahme ist Baron Rosenwall.

Der General klopfte ihm lächelnd auf die Schulter und sah in's Vorzimmer. Einige Unteroffiziere traten auf seinen Wink herein. Vergebens betheuerte, vertheidigte, sträubte sich Gustav: das Gatter der Hauptmacht machte nach wenigen Minuten den Freiherrn zum Genossen einer Gesellschaft, welche zum Theil aus noch viel ärgern Ignoranten bestand.

 

23.

Auguste verging in Angst und Schmerz. Sie fand zwar an jenem Morgen einen Zettel auf ihrem Nachttisch der ihr des Bruders schnelle Berufsreise ankündigte und seine Rückkehr auf übermorgen festsetzte, doch dieser Tag war bereits zum vorgestrigen worden und Gustav noch immer entfernt. Seehof befürchtete daß er dem Grafen nachgereist, daß er gesonnen sey, ihm Genugthuung abzunöthigen, und machte sich, gedrängt von Augusten, auf den Weg nach der Hauptstadt.

Der Scheidebrief lag dort bereits in Jukundens Hand, die seinen Abgang noch immer verzögert, noch immer auf die Sinnes-Aenderung des schwankenden, von ihr und Leopoldinen bestürmten Grafen gehofft hatte.

Unangemeldet trat Roderich eines Morgens bei ihr ein. Er schien bewegt, erschüttert, von einem Anliegen gedrängt zu werden. Jukunde, welcher diese Erscheinung neue Hoffnungen gab, faßte freundlich seine Hand und Thränen schossen in ihre Augen –

Ist er fort? fragte Roderich.

Noch sprach sie mit gewinnender Traulichkeit, noch hielt ihn der Glaube an Ihres Herzens Werth und Edelmuth zurück.

O geben Sie ihn her! bat er mit gefalteten Händen.

Weinend warf sich Jukunde an seinen Hals. So werden Sie denn wieder was Sie waren, rief die Schluchzende, vernichten Sie das Todesurtheil Ihrer Ehre!

Und es wäre wirklich noch in Ihrer Hand? entgegnete er. Frau von Silfen eilte zum Pult und legte das Blatt mit einem flehenden Blick in die seine.

Maria, fuhr er fort, scheint die Sache beendigt und meine Rückkehr zu den Geschäften zu wünschen. Dieser Kampf zwischen dem Herzen und der Vernunft, zwischen dem Sinne des Schwärmers und dem Pflicht-Gefühl des Staatsmannes hat alle Kräfte meiner Seele gelähmt, und mich zum trübsinnigen Grübler gemacht. Erlauben Sie mir also die Entscheidung auf einem andern Weg an die Behörde gelangen zu lassen. Jukunde stand versteinert und er verschwand.

 

24.

Maria weinte noch, so oft ihres verewigten Gatten gedacht ward. Doch die Reitze des Throns und der Gewalt, der Uebergang aus dem Kreise der Hausfrau zur Rolle der Landes-Mutter vertilgte allgemach den Schmerz der Wittwe und das einsame, arglose Herz neigte sich immer vertrauender zu dem anziehenden Gehülfen hinab der es vergötterte. Jetzt aber empfing Sie einen nahmenlosen Brief welcher schnell den guten Geist der Schlummernden erweckte und wahrscheinlich die Veranlassung zu der folgenden Szene gab.

Welling, sprach sie eines Abends, als er im stillen Kabinet an ihrer Seite saß. Sie blieben mir noch den Dank für meine Erlaubniß zur Trennung von Augusten schuldig. Sie ist erfolgt, und jetzt erst erlaub' ich mir, diese Saite zu berühren. Maria überließ, wie billig, den Freund der Freiheit seines Willens; nur ihm die Wahl des Weges der ihm der beste schien. Sie opferten des Lebens Glück dem Wahnbegriff des Standes auf, und man verzeihet diesen Schritt dem Letzten eines solchen Stammes. Mit neugieriger Ungeduld seh' ich nun dem Tag entgegen, an dem Sie mir die künftige Mutter der Kinder und Enkel vorstellen werden, für deren Stiftsfähigkeit dem Lieblinge dieses Herzens entsagt ward.

Der sey noch fern! Ich gleiche einem Wittwer, gnädigste Frau, dem der Tod die angebetete Geliebte raubte. Jahre lang betrauert er die Verlohrne, wählt und verwirft dann Jahre lang, und greift zuletzt, verzweifelnd am Ersatz, nach einer Krankenwärterin für das nahende Alter.

Lieber griff ich an Ihrer Statt nach der reizenden, geistvollen Dalau – Oder nach der blühenden, lieblichen Landeck –

Ich gönne Beiden das beste Glück!

Auch ich! Drum legt' ich Ihnen Beide an's Herz. Mehr als Sie glauben, liegt mir jetzt daran, Augustens Stelle bald, und nach Würden besetzt zu sehn.

Der Graf hatte Mariens Aeusserungen bis daher nur für Prüfungs-Mittel seiner Gefühle gegen sie genommen; doch diese letztere klang so herzlich, schien so unzweideutig aus ihrem Innersten zu kommen, daß er vernichtet aufstand, sich tief verbeugte und einige ablehnende, unvernehmbare Worte sprach –

Ich würde diese Zurechtweisung verdienen, fuhr Maria fort, wenn nicht das Machtgebot der Pflicht die Zudringlichkeit der Freundin entschuldigte. Mein Ruf – ich darf es sagen – ist unbefleckt wie meine Seele. Mit Achtung sehn die Mütter dieses Landes zu mir auf –

Und mit Begeisterung seine Söhne –

Wie glücklich sind Sie, Graf, dem überall Ersatz aus holden Augen winkt! Wie glücklich gegen die Beklagenswerthe welche nun fortan, um diese Ehrfurcht zu verdienen, dem süssesten aller Triebe entsagen muß; gegen die Unverblühte, die nicht, wie Sie, aus freier Wahl der Ehe Glück verwarf – der es der Tod mit rascher Hand entriß! Thränen erstickten ihre Stimme.

Entsagen? Entbehren? Nein, nein, dieß Herz wird ewig lieben, die Göttin nicht den Gürtel von sich werfen, der sie zur Göttin macht. Ein Blick auf diese Himmlische reicht hin, die Schmähsucht zu entwafnen und des Neides bleiche Wange mit Rosen der Bewunderung zu färben. Nie lösche Wahn und Frömmelei die heil'ge Flamme dieses Herzens aus!

Und nie gewinne diese Harmonie mein Ohr. Herr Graf von Welling, die Stunde der Erklärung ist gekommen. Schon warnt, schon straft mich Tadel und Verdacht. Schon spricht die Mißbilligung aus dem Auge meiner bessern Damen, schon verfolgt das Heer der Gecken seine Verächterin ntit Blicken die mein Selbstgefühl verletzen. Jetzt rechne ich aufJhre Treue. Jetzt werden Sie Mariens Schutzgeist –

O seliger Beruf!

Jetzt schließen Sie der Verläumdung den Mund. Ich selbst will Ihre Brautwerberin seyn.

Maria spricht mein Todes Urtheil aus! und mit so kaltem Muth! Mit einer Ruhe, einer Besonnenheit die mich auf ewig elend macht.

Ich weiß daß Sie mir wohlwollen – daß Sie mir werth sind, verbarg ich nie.

Erhoben von der aufmunternden Rede wollt' er eben zu ihren Füssen sinken als ihn ein stolzer, verweisender Blick in die vorige Tiefe zurückwarf.

Doch, fuhr sie fort, viel theuerer noch ist mir die Achtung aller Edeln als die Vergötterung des Einen der, wie jetzt klar wird, Alles, nur nicht edel ist, der nur den Augenblick erwartet, um mich, auf Kosten meiner Würde, zu seiner Leidenschaft hinabzuziehn. Drum wählen Sie, Herr Graf – eine Gattin, oder den Gesandtschafts-Posten welchen mein verewigter Gemahl Ihnen zudachte.

Maria, sprach er in wilder Bewegung, das ist Jukundens Werk!

Mit nichten Graf! So räth mir mein Gewissen, und Ihnen gegenüber hat es sein Verdienst, dem Rath zu folgen.

Nur unter Ihren Augen kann ich leisten, will ich dienen!

Doch als Gemahl?

Dem Nahmen nach, wenn es so seyn muß. Und alles was Sie wollen, thun, wenn mich Ihr Wille in Ihrer Nähe duldet.

Nur um den Schein zu retten?

O wäre diese Frage ein Befehl!

Schon ward ein edles Weib der Selbstsucht Opfer, dem zweiten also fiel' ein ähnliches Loos?

Vermag ich, meinem Herzen zu gebieten?

Gewiß, denn ich, ein schwaches Weib, vermag's!

Zu sterben kann Maria mir befehlen, aber zu lieben, nicht!

Sie kennen meinen Willen!

Der mich erniedrigen, mich verdammen will!

Wie ungerecht. Ich führe Sie mit sanfter Hand von dem Abgrunde weg, zu dem mich der schmeichelnde Freund lockte. Zurück, zur schmalen Mittelbahn.

Maria!

Ja, auch Maria hat gefehlt und gern gesteht sie das. Zu warmen Antheil nahm sie einst an Ihrem Glücke, zu feurig erhob ihr Dank den helfenden Vertrauten, zu harmlos endlich schloß sie dem verpflichtenden Freund ihr Ohr und ihr Herz auf.

Damen wurden angesagt und angenommen.

Ich kam als ein Seliger, sprach er, als ein Verdammter kehr' ich jetzt zurück.

Welling, entgegnete Sie, durch diese Hölle führt der Weg zum Himmel, auch ich bin ihn gegangen und stehe nun, geheilt, am Ziele!

 

25.

Die Hölle umfing ihn. Sie ist verlohren! rief er, und ich bin es, auch wenn sie mein wird. Dieß warme Herz, dieß rege Gefühl wirft mich dann zu den Ungeheuern und rächt den ersten Kuß durch Haß und Jammer an sich und mir.

Daß ich ihr theuer war, daß Sie mich liebte, gesteht sie selbst. Oft verfolgte mich ihr Blick mit unnennbarem Ausdruck, sprach mich oft mit sanften Flammen an, machte mich, mitten im Kreise der Lauscher, zum stillen Vertrauten. Sie fand meine Fassungskraft, fand dieses Wechselspiel von Zärtlichkeit und Ehrfurcht in der Regel, und schmiegte sich mit kindlicher Ergebung an die stärkere Seele des Mannes an – Nein, dieser Uebersprung war zu gewagt, er kann nicht von Dauer seyn. Eine Weiberlaune ist's, vor dem Bild ihres Gemahls empfangen, eine glänzende Blase, die das zweideutelnde Herz trieb. Die stolze Siegerin wird sich nur einen Augenblick an ihr ergötzen. – Das Fräulein von Dalau also? Die kalte verschrobene Pallas mit einem Stammbuch voll Gemeinsprüche, statt des Herzens. Oder das Fräulein von Landeck, ein liebliches Wesen, drei Fuß hoch, noch alberner als niedlich, geistreich wie ein Schäferspiel und nur als Puppe brauchbar, auf Maskenbällen.

 

26.

Glänzender als je gekleidet, trat Roderich am Abend in Mariens Loge. Diese Erscheinung verstieß gegen das Herkommen und verletzte ein Herz, das er vorhin treffend genug beurtheilte. Ihm aber lag daran, ihr für den Augenblick weh zu thun. Alle Augen verließen das Theater, die Fürstin erglühete, dankte kaum und sprach voll Unmuth – Ist etwas vorgefallen?

Vertraulich neigte sich der Graf, den fröstigen Empfang zu rächen, zu ihrem Ohr herab, und flisterte mit lächelnder Gebehrde –

Ich fahre jetzt zur Gräfin Landeck und komme, wie zu hoffen steht, als Bräutigam zurück.

Die Gräfin, entgegnete ihr schwaches Herz, von schnell erwachter Eifersucht und tief gekränktem Stolz empört, die Gräfin ist bereits vor dem Vielleicht gewarnt, das sie höchst elend machen würde –

Roderich stand betroffen, sie kehrte ihm den Rücken zu. Er begann ein neues Gespräch, sie sah unverrückt aufs Theater, das übrige Publikum aber voll heisser Neugierde nach der fürstlichen Loge.

Wir sind im Schauspiel! sprach dieser jetzt, aus aller Fassung tretend – Sie hörte nicht.

Ihr Zorn hat tausend Zeugen!

Die wünsch' ich ihm!

O, Gott, verdien' ich das? rief der Erblassende. Jetzt fiel der Vorhang, der Akt war aus, sie sprach mit Damen in der Nebenloge. Geschmeichelt von der seltnen Ehre, verwickelten diese das Gespräch, es nahm kein Ende. Noch immer hingen aller Augen an dem Gedemüthigten, er sah die Verklärung seiner Feinde und verschwand.

Auch Maria zitterte, wußte nicht von was sie sprach und schloß in dieser Nacht kein Auge. Lieb' und Zorn, Stolz und Mitleid, Erbitterung und Dankbarkeit fielen im Wechselsturm ihr schwankendes Herz an, und die Vernunft rieth ihr, den unentbehrlichsten Beistand in ihrer Regenten-Rolle zu versöhnen.

Der Graf war in keiner glücklichem Stimmung aus dem Schauspiel zurückgekehrt. Ja, ja! rief er, ich bin ihr gleichgültig, bin ihr verächtlich, bin gestürzt! – Sanft lächelte Augustens Bild auf ihm herab. Zärtlichkeit und Vergebung, Trost und Erbarmen schien aus ihren Augen zu sprechen, und die schönen Tage, die seligen Nächte der Vergangenheit flogen wie Götterträume an dem Auge seiner Phantasie vorüber.

Vergieb! O vergieb mir, Du Himmlische! rief der Erschütterte, warf die Hände gefaltet zu dem lieben, lächelnden Bild empor und versank in Nachdenken. Ihm war, als fiel ein Schleier von seiner Seele, als stünd' er entsündigt aus dem Grab der Sünde auf und der Hof mit seinen Bändern und Titeln, seinen Ränken und Tücken lag, entzaubert wie ein Theater am Mittag, zu den Füssen des neuen Weltweisen.

O war' er noch in meiner Hand! rief jetzt der Graf, des Scheidebriefs gedenkend, und Deine Hand Auguste, in der meinen. Doch, weil sie himmlisch fühlt und denkt, wird sie mir ja vergeben. Das Leben ist wohl lang genug, ihr jene Stunden zu vergüten. Ein anderer führe nun hier aus, was ich begann, verwirre, wie sich hoffen läßt, das kaum Begonnene, stürze die dünkelvolle Thörin in ein Labyrint das täglich dichter werden muß, und nur die brennende, vergebliche Sehnsucht nach dem entflohenen Ordner begleite sie. Fürwahr, es liegt mehr Würde in der Flucht von diesem Gipfel, als in der Knechtschaft die ich auf ihm fand.

Manche Frucht seines Fleißes, mancher wohlthätige Entwurf, mancher unersetzliche Aufschluß, flog jetzt dem Kamine zu, die Nacht verstrich unter Vorbereitungen zur nahen Abreise, die Postpferde kamen, es schlug acht Uhr. Jetzt trat ein Edelknabe, der Bruder jener Dalau, mit der befehlenden Bitte, sich alsbald nach Hofe zu verfügen, in sein Zimmer.

Sagen Sie Ihr, sprach der Graf und faßte wohlwollend seine Hand, sagen Sie der Fürstin, daß ich ihr den Herrn von Dalau zum Ersatz für den Vermißten empföhle.

Der Kleine horchte auf und entgegnete mit Schüchternheit: Exzellenz versprechen sich wohl? Ich bin der einzige von Dalau an diesem Hofe.

Drum will ich für Sie sorgen.

O ich Glücklicher! Wird der Leib-Page vermißt?

Lächelnd nickte Roderich und sprach – Sollte die Fürstin befremdet scheinen, dann fallen Sie ihr keck zu Füssen, dann schwören Sie, kein Neuling mehr zu seyn, in diesen Fächern.

Welch gnädiges Vertrauen! Ach könnt' ich ihm entsprechen!

Kömmt Zeit, kömmt Rath! Vergessen Sie kein Wort. Ich wünsche in Voraus Glück, mein Guter!

 

27.

Der Page flog mehr als er ging und Roderich fuhr nun ohne Zögerung aus dem Thore, der nahen Gränze und seiner Heymath zu.

Maria konnte des Grafen Ankunft kaum erwarten, und freute sich des dienstfertigen Edelknaben, der im vollen Sprunge über den weiten Schloßhof daher kam und jetzt, um Fassung, Muth und Odem zu gewinnen, vor ihrem Zimmer still stand. Die Damen vom Dienst, welche ihr eben den Morgen-Gruß boten, wurden kaum bemerkt, die Kammerfrau gescholten, Mignon vom Schooß zurückgewiesen. Endlich erschien der geflügelte Bote und sprach mit lauter Stimme wörtlich nach, was der Verschmähte ihn gelehrt hatte.

Wer wird vermißt? fragte eine die andere und eben trat der Kammerdiener mit einer Abschiedskarte des Grafen in das Zimmer. Sie ging durch alle Hände in die fürstliche. Maria stand erstarrt, mit tragischem Affekt sank jetzt der kleine Dalau auf sein Knie und betheuerte voll kindischen Selbstvertrauns, jedem Fach das sie ihm zudenke, gewachsen zu seyn. Die Damen sahn sich lächelnd an, und zu Marien auf, die in ihr Kabinet eilte und sich dort schluchzend vor dem Bilde des verewigten Gatten nieder warf.

 

28.

Auch Auguste weinte noch, denn Monate waren schon verflogen und keine Spur des verlohrnen Bruders zu entdecken. Spät in der Nacht ward sie jetzt plötzlich zu dem Alten hinüber gerufen, der, von einem Fieber ergriffen, mit dem Tode rang, sich jetzt wirklich für eine Mispel hielt und langsam an der Flamme briet, die aus dem Abgrund seiner Phantasie emporschlug.

Ein heller Augenblick gestattete ihm, nach Augusten zu verlangen. Sie wünschte sich an seinen Platz und trocknete ihm den Schweiß von der Stirne. Der Onkel erkannte sie, sprach vom Tod des Sünders, von Bekehrung und Leben, und wie er dann noch alles wieder gut machen wolle; schob der Tröstenden seinen besten Ring an den Finger, und bekannte sich zu der Entfernung ihres Bruders, dessen Schicksal und wahrscheinlichen Aufenthalt er ihr kund machte.

Jetzt trat der Geistliche in das Zimmer. Auguste flog nach dem ihren, befahl dem Mädchen aufs schleunigste zu packen, lachte, weinte, betete, und fuhr mit dem grauenden Tage der Gegend zu, die ihr verlassener Bruder bis jetzt, nur vom Walle seiner Festung aus, übersehn hatte.

 

29.

Roderich kam wenige Stunden nach Augustens Aufbruch dort an; fand den Oheim im Sterben, Seehofs verreist, die Lina von einem Gallenfieber befallen, und den Gegenstand seiner neu erwachten Sehnsucht verschwunden. Eben als ihr Mädchen den Schulzen des Dorfs um Pferde bis zur nächsten Stazion ansprechen wollte, fuhr eine leer zurückkehrende Extrapost vorüber. Die Jungfer gewann den Postknecht für ihren Zweck, und da ein Theil der Dienerschaft noch im Schlafe lag, ein zweiter um den Oheim beschäftigt war, Auguste endlich keinen Beruf fühlte, sich von Carolinen zu beurlauben, so verließ sie, unter dem Schutze der Dunkelheit, ganz unbemerkt den Schauplatz ihrer höchsten Freude wie ihres tiefsten Grams. Roderich ließ schnell die Zimmer öffnen, fand alles was sie aus des Gatten Hand empfing, von den Juwelen bis zur geringsten Kleinigkeit, und sein Bild mit einem Trauerflor bedeckt, unter dem Spiegel.

Lina betheuerte, sie noch spät Abends an ihrem Bette gesehn zu haben. Vergebens wurde der Flüchtling in den entlegensten Winkeln des Schlosses wie des Gartens, in allen Häusern des Dorfs gesucht. Kein Mensch wollte sie gesehn, kein Bauer sie gefahren haben, kein Wagen ward vermißt, und ohnmöglich konnte doch der fehlende Koffer an welchen sich ihr Bedienter noch gestern Abend gestossen zu haben versicherte, von Geistern entführt worden seyn. Sein Oheim war indeß verschieden, und Lina in Gefahr, ihrem Holofernes nachzufolgen. Ein reitender Bote ward an Leopoldinen, ein zweiter an Seehofs abgefertigt, und die Pflicht des Bruders hielt den beängstigten Roderich am Bette der verlassenen Schwester fest.

 

30.

Gustav hatte indeß, als die Betheuerungen seiner Unschuld nur taube Ohren fanden, einen Versuch zu entfliehen durch vierteljährigen Arrest abgebüßt und stand eben, versunken in den Aufgang der Sonne, an einem Aussenwerk auf der Schildwacht. Man erwartete dort heute den Herrn des Landes, welcher von seiner, gegen den Feind ausgezogenen Armee, als Sieger zurückkehrte. Prächtige Triumph-Bögen waren zu diesem Behuf errichtet, duftende Kränze geflochten, vergötternde Oden gedruckt, und aus den reizendsten Mädchen der Stadt, Blumen streuende Grazien gemacht worden. Blind geladen, standen die Kanonen, zur Rolle grober Schmeichler bestimmt, auf den Wällen; die Offiziere der Bürger-Compagnie in ihrer Herrlichkeit vor dem Rathhause, die Garnison an den Quartieren ihrer Hauptleute, der fernhinsehende Thürmer mit der Posaune in der einen, dem Fernglas in der andern Hand auf der Zinne des Thurms, und das Volk jubelte bereits dem Vater des Vaterlandes, welcher doch frühestens erst gegen Mittag eintreffen konnte, entgegen.

So lebhaft es nun heute, kraft dieser Anstalten, in der Festung war, so öd' und menschenleer war es dagegen auf dem entfernten Winkel, welchen unser Freiherr bewachte. Nur ein unbedeutendes Fuhrwerk, von dem schlafenden Kutscher und zwei nickenden Damen besetzt, rollte eben an dem Schlagbaum vorüber; Gustav sah in den Wagen, sah in Augustens Gesicht, warf mit Blitzes-Schnelle Gewehr und Tasche von sich und faß mit einem Sprunge zwischen ihr und dem Mädchen. Beide erwachten, beide öffneten den Mund zum lauten Hülfsgeschrei, und beide verstummten nun, von dem erkannten, theuern Ausreißer beschwichtigt. Der Kutscher träumte noch, als Auguste dem Bräutigam die Nachthaube über den Kopf, die Samojede über den Soldaten-Rock warf und ihr Mädchen ihm, der Parze gleich, das aufsere Kennzeichen seines Standes, den steifen Zopf vom Nacken schnitt und über Bord warf.

Zu Gustavs Unglück hatte eine Schildwacht des Hauptwalls, welcher die Bedienung der Lermkanonen oblag, dem ganzen Vorgänge zugesehn, und bereits, als jener in den Wagen sprang, nach der Lunte gegriffen um jene drei üblichen, die Flucht eines Ausreissers verkündenden Schüsse zu thun, aber die Lunte war verloschen. Lange schlug der Kanonier, von seinem Diensteifer ausser Fassung gebracht, mehr auf die Finger als auf den Stein des Feuerzeugs, und als das Geschütz nun endlich donnerte, war der Kutscher bereits geweckt, und ihm befohlen worden, statt nach der Stadt, gen Hellthal zu steuern, welches auf der weit hereinspringenden Erdzunge eines fremden Gebiets lag, und das Sonnenziel des größten Theils der Garnison, unserm Gustav also, als dem unfreiwilligsten Mitglied derselben, bekannt war.

Der schlaftrunkene Führer lenkte sofort, ohne den Zuwachs seiner Ladung zu bemerken, die Pferde dahin und Augustens Mädchen wich auf den Rücksitz.

Gustav erblaßte, als jetzt die Kanonen donnerten, Auguste fuhr, ihres furchtbaren Zwecks unkundig, nach der Damen Weise, mit einem Schrei empor und der Kutscher welchem die nahe Erscheinung seiner Majestät bekannt war, brummte – Vivat! jetzt kömmt er! Aber auch die Bewohner der Festung, und vor allen die Bedienungen des Geschützes, welche seit dem Aufgang der Sonne, müssig um ihre Feuerschlünde herlagen, glaubten dasselbe, und so folgte denn dem Feuer der Lärm-Kanonen eine Reihe von mehr als hundert Donnerschlägen rund um die Festung, in der jetzt Einer über den Andern stürzte. Die Kaufmannschaft, die den Landesherrn zu Pferd einzuhohlen bestimmt zum Theil noch im Ladenstübchen beim Kaffee saß, wollte ihren Ohren nicht trauen und gerieth in Verzweiflung; die Offiziere formirten wie bei Ueberfällen, ohne Rücksicht auf Grösse und Rottenzahl ihre Züge; der Thürmer, welcher vergebens nach allen Winden sah und die Wege bereits vom Pulverdampf überdeckt fand, stieß, seine Blindheit verwünschend, aus allen Kräften in die Posaune; das löbliche Schützen-Corps lief, als würd' es von einem feindlichen Husaren verfolgt, auf seine Posten, und der Stadt-Hauptmanns Kinderfrau mit der vergessenen Fahne ihrem Herrn nach, welchen der Adjutant der Schlächtergilde über den Haufen ritt. Die Krämerzunft suchte ihre Marschälle, diese den Platzmajor, der Platzmajor den Kommandanten, welcher bereits sein Gefolge in alle Winde nach ihm ausgesandt hatte und mit dem Munde voll Befehle die kein Mensch vernahm, fluchend und verlassen, mitten in dem unaussprechlichen Wirrwarr schwamm.

Immer noch donnerte das Geschütz, immer kunstreicher blies der Thürmer. Paarweise zog die Geistlichkeit herbei, das drängende Volk warf einen Trupp von Strassen-Nimphen in die heilige Reihe. Schwarz angethan nahete ein Hochcher edler Rath, das schwenkende Bataillon verstrickte ihn in seine Rotten. Jetzt brach die türkische Musik der Bürgerschaft los; ein Trupp scheu gewordener Pferde warf das Orchester und seine Hörer über den Haufen. Zeter und Vivat, Jammer und Lobgesang, Jubel und Hohngelächter erfüllte die Luft und verschmolz mit dem Hussa des Pöbels, mit dem Donner des Geschützes, mit dem Klirren der Fenster, welche der Knall der Kartaunen zerdrückte, in einen Herz erschütternden Akkord. Diese aber feuerten, da die verabredeten Befehle ausblieben, unausgesetzt fort.

Unbekannt mit der zugedachten Ehre, vernahm der nahende Monarch jeden Schuß, und begriff so wenig als sein erstauntes Gefolge was diese mörderische Kanonade, mitten im Schooße des Friedens bedeute. Oft schon hatte ihm im Laufe der letzten Zeit von Empörung geträumt und die Gesichter seiner verlegenen Begleiter pflichteten unwillkührlich dieser schrecklichen Muthmassung bei. Der Herr erreichte jetzt eine Schlucht durch welche man nach der Stadt hinabsehen konnte; sie erschien wie das rauchende Karthago, mit Dampfwolken überdeckt. Zum Ueberfluß sprangen jetzt einige Reuterlose Pferde an dem Wagen vorüber, und zwei Bauern welche diesen folgten, sagten auf Befragen aus, daß sie das Thor versperrt gefunden hätten, daß Garnison und Bürgerschaft unter Gewehr stehe und bereits, laut des vernommenen, entsetzlichen Geschreies, Alles was Odem habe, kurz und klein geschossen seyn müsse. Die Postknechte lenkten, auf Befehl, zu einer entferntern, die Stadt weit rechts lassenden Strasse hin und an des Monarchen Stelle rückte nur sein Adjutant mit der Husaren-Bedeckung gegen die Festung an.

Sagen Sie, rief ihm jener nach, sagen Sie dem Kommandanten, ich wolle viel lieber eine Stadt weniger, als eine rebellische in meinem Reiche wissen, und er solle unverzüglich durch ein Standrecht über die Rädelsführer absprechen lassen.

 

31.

Mangel an Odem hieß jetzt den Thürmer, Mangel an Patronen die Wälle schweigen.

Noch immer standen die Horen der Stadt, mit der Hand in dem Blumen-Körbchen an der Schloßtreppe, Rath und Geistlichkeit mit zerstörten Perücken und Gesichtszügen unter dem Portal, der bestürzte, in Schweis aufgelöste Stadthalter mit seinem ganz erschöpften Gefolg' auf dem Lermplatz, als jener, einem Diktator ähnlich, heran sprengte, noch vom Pferde herab Tod und Verderben verkündigte, trotz der Zeugnisse des Senats und der Seelsorger nicht glauben wollte, daß nur ein Ausreisser der Held dieses Ungeheuern Spektakel-Stücks sey, und vergebens bald rechts, bald links, nach den Schlachtopfern hinaussah, welche seiner Meinung zu Folge, die Straßen bedecken mußten.

Lauter und einstimmiger als jetzt war in dieser Stadt, seit ihrer Erbauung, nicht gelacht worden. Selbst dem einsamen Thürmer, welcher mit Hülfe des Fernglases die Gebehrden seiner Mitbürger unterschied und nun endlich bemerkte, daß er ganz vergebens posaunt habe, wollte schier das Zwerchfell zerspringen. Lachend kam der Adjutant zu dem Monarchen zurück, lachend zog dieser jetzt durch die gekitzelten Reihen und selbst der finstere Primarius lächelte noch, als er am nächstfolgenden Sonntag über »den nothwendigen Ernst des Kristen auf seinem Berufswege« predigte und dabei der schwarzen Hanne gedachte, welche neulich, auf dem Wege zum Schloß, seine Gefährtin ward.

 

32.

Gustav hatte indeß unter Todes-Angst das Ziel erreicht. Er saß in Hellthal, an Augustens Seite, dem Glück' im Schooß und beschwor nun die Geliebte, ihn unverzüglich nach Herjedalen zu begleiten.

Weißt Du noch, sprach er, wie ich damals, als uns der Graf auf dem Wege zum Bock überhohlte, den Bösen in ihm zu sehen glaubte? O, wehe doch allen Reisenden, wenn es ihnen nur halb so schlecht ergeht als uns; wenn sie, wie wir, Unschuld und Einfalt, Gold und Ruhe, den Glauben an Menschenwerth und Bruder-Treue, gegen die schnöden Erfahrungen der Weltkinder austauschen. Wir haben erstens Tausende verscherzt –

Du nur, Gustav –

O, Du gabst mehr dahin, als ich. Dahin, was mir ganz Schweden, ach, die ganze, schaffende Natur nicht ersetzen kann. Wie Maria, die Fleckenlose, tratest Du in den Bock, doch eine Wittwe nur führ' ich zurück. Das kränkt mich tief!

Und bist denn Du mehr als ein Wittwer? entgegnete die Weinende – Dem Grafen nur gehört' ich an, Du gingst von Suschens Brust, durch Rosemundens Hand ans Herz der dritten, vierten über. Fast zerstört hat Dich der rohe Trieb, ich blühe noch, der Rose gleich.

Viel stärker als das Deine, gute Gustel, ist freilich das Register meiner Sünden. Weggelockt vom Pfade der Unsträflichkeit, vergaß ich Gottes um dem Satan zu dienen, ward selbst zum Dieb um mir die Schätze der Finsterniß zuzueignen. »Zehn Schritte« sang einst die spöttelnde, frevelhafte Lina, als ich sie vor dem ersten warnte –

Zehn Schritte vom Pfade der Tugend
Und alles, ach, alles ist hin!

O, einer schon reicht hin! rief seufzend Auguste.

Die Gräfin aber bewies mir, daß die Natur den ersten thue, und sie hatte nicht Unrecht. Den zweiten führe dann ein Blick, den dritten ein Seufzer, den vierten ein Händedruck, die folgenden der erste Kuß, der nächste Ball, eine heimliche Zusammenkunft herbei. Ach, hätte jeder Mensch seinen Engel, liebe Gustel, so riefe der doch gewiß schon bei dem fünften Halt! Hör'auf! Sey munter und wach! Oder er lähmte uns die Hand wenn wir drücken, den Fuß wenn wir ländern, die Lippe wenn wir küssen, alles Fleisch, wenn wir den zehnten versuchen wollten. Doch jeder schreitet, ungewarnt, in seiner Mondsucht so weit er will, und überall findet er freundlichere Gesellschaft als auf dem angepriesenen Pfade, denn nur verschmähte Jungfern, scheltende Matronen, kränkelnde Frömmler wandeln dort –

Deine Reden erschrecken mich. Du bist zum Freigeist worden! Ach, das fehlte noch –

Auch eine Fülle von lieblichen, blühenden Mädchen zieht mit ihnen. Doch jenseit des Grabens, zur Rechten und zur Linken schleicht das Heer der schmeichelnden Versucher die wohl öfter schon zehntausend Schritte abwärts machten und den Zauber der benachbarten Gegend und den Gehalt ihres Obstes nicht genug rühmen können. Die Naschlustigen überhören kein Wort und mit der Dämmerung hüpft dann eine nach der andern zu den angenehmen Schwätzern hinüber und erwacht am Morgen unter dem Baum der Erkenntniß.

Denk' an Jukunden, an Leopoldinen, und schäme dich der Lästerung.

Jukunden, liebe Gustel, fehlte nur Kraft und Anlage zu dem Sprunge, Leopoldinen nur ein Freund, der ihr die Hand geboten hätte. Wo sie wandelte, war jenseits immer das Feld leer, denn vor und hinter ihr zogen Wißbegierigere den Haufen der Erzähler an. Die Häßlichkeit, hab' ich bemerkt, ist des Mädchens redlichster Freund, der einzige gewiß, der ihr treu bleibt, der einzige dessen Anhänglichkeit mit den Jahren wächst, der einzige, zuverlässige Ritter der ihre Schätze, ohne Anspruch auf Minnesold, gegen alle Anfälle deckt. Ich kenne die Menschen!

Du?

Das glaube mir. Mein Hauptmann hatte ein dickes Historienbuch, das ich, im Gefängniß, vom ersten bis zum letzten Blatt durchlas. Ach Gustel, wie ist es da, schon lange vor unserer Geburt, auf Erden hergegangen. Fast jedes Blatt gab Zeugniß von einem Suschen dessen Zauber bald die Quelle der Zwietracht, bald die Triebfeder des Falles von Nazionen ward, dessen roher Trieb den Dolch des Banditen schliff, dem Mordbrenner die Fackel reichte, den Würgengel auf die friedliche Erde herabzog. Selbst Göttergleiche Helden vergaßen am Busen einer solchen Ruhm und Pflicht. Nur um Helenens Willen verschoß die Vestung Troja, wie gestern die, aus der ich herkam, zehn Jahre lang ihr Pulver und hatte dennoch endlich Magdeburgs Schicksal.– – Stand irgendwo ein Simson auf, flugs entwafnete ihn eine Delila, schlau wie Deine Jungfer, als sie mir den Kommis-Zopf ablöste.

Damals, fiel Auguste ein, lag die Welt freilich noch im Argen, es war Zeit daß der Messias kam –

Ach Gustel, entgegnete der Historiker, schon vor Kristi Zeiten haben die Heiden ihre Geistlichen und ihre Schulmeister gehabt, gewußt was Recht und Unrecht, was ehrenwerth und was verwerflich sey, und doch schon damals wie noch jetzt, die Weisen ihrer Zeit verspottet und gelästert, oder das göttliche Wort mit dem Munde bekannt und durch ihren Wandel verleugnet. Nie fehlte es an Gauklern und Tyrannen, die bald die Herzen, bald die Wohnungen der Menschen in Flammen setzten und Ruh und Zucht, Recht und Sitte in ihr zerrüttendes Gegentheil verkehrten. – Ja, so war es, Gustel, und so wird es seyn, so lange noch ein Weib den Mann umfängt. – Nur der einsame Mensch ist der gute. Wo zwei oder drei versammelt sind, da tritt auch schon die Falschheit und der Dünkel, Zwietracht und Mißverstand in ihre Mitte. Fürchte die Treulosen! Sie drücken Dich lächelnd an ihr Herz und richten die Geschmeichelte, sobald Du dich abwendest. Fliehe der Freundin Ohr, es liefert das vertraute Wort dem Munde der Verrätherin aus. Glaub' an den Teufel, Auguste, denn er geht umher – Der unserm Meister einst den Bissen reichte, der Falsche ist's! Dir reichte er als Roderich, als Rosemunde mir die Hand, als Laura Punsch, und als Lisettens Mutter, Levantischen.

Du sprichst ja wie ein Buch! Wer hat Dich alles das gelehrt?

Des Feldwebels Lese-Bibliothek, des Hauptmanns Weltgeschichte, ein Mitgefangener, die Erfahrung endlich von der wir herkommen, der Schiffbruch dem uns Gottes Hand entriß.

Wir trafen doch auch auf so manches bessere Wesen. Lange noch werd' ich Jukunden, Amalien und meine Leopoldine vermissen. Auch Maria hat mir wohlgethan.

Gott ehre Sie! Doch verwarf mich gewiß an jenem Abend Jukunde nur, weil Silfens Bild in ihrem Herzen, und die Fürstin im Nebenzimmer lauschte. Dein Malchen war nur mit den Guten fromm, und Maria neigte sich, über des Gatten Sarg, zu dem Grafen hin. Gern hätte endlich Leopoldine – das ist ja menschlich, das ist weiblich – ihren Schwestern gleich, geglänzt, gefallen und erobert, da ihr jedoch die Häßlichkeit den Weg vertrat, so wählte sie die höhere Rolle, und wandelte nun, in der Glorie der Entsagung, wie ein Stern des Himmels über uns Sterblichen.

Hör' auf! Nimm mir den Glauben an der Menschheit Werth und ich muß Dich, der Du Mensch wie sie bist, fliehn und hassen.

Nicht Alle Gustel, nein, nicht Alle hat der Selbstsucht Gift zerstört. Ich sprach nur von dem Kreis in dem wir lebten, und gern entbehr' ich ihn. Deine Gespielinnen sind vermählt und also tod, auf ewig tod für mich, denn jede Freundin stirbt an ihrem Hochzeittag den Freunden ihrer Jugend ab. Wie innig, heilig, dauerhaft das Band auch sey, das einst ihr Herz an jene band, sie muß es schonungslos zerreißen um nur dem einen zu gehören, der selten die Verschwindenden ersetzt. So will's ein klägliches Verhängniß!

Für dieses Leben nur!

O Trost im Tode, die Hofnung des Bekränkten, Glaub' an die bessere Welt, verlaß mich nicht!

So erkenn' ich Dich!

Du heller Stern der ohne Wandel glänzt, du schöne Heymath, nimm uns auf. Laß unsre Selbstsucht in der Gruft vermodern, den bangen Kleinmuth, wilde Leidenschaft, die drängende Begierde, die Schlangen alle die das Herz zerreißen, mit diesem Herzen sterben, und in der Würde meiner Unschuld mich, als Kind, zurück an Deinen Busen kehren, Du Vater den kein Tod mir raubt!

Amen! rief Auguste und flog an seinen Hals.

Bis dahin, Gustel, sey mein Engel. Ach, Du weißt es nicht, wie süß es ist, wie wohl es thut, von Stürmen ganz zerschellt an diesem Busen auszuruhn. Der Mann an dem noch eines Weibes Seele hängt, den Liebe noch im warmen Busen trägt, dem noch die Thräne der Vertrauten gilt, und hätt' er eine Welt verlohren, er ist noch König einer Welt!

S. O, meine Seele hängt an Dir, in meinem Herzen trag' ich Dich!

E. Willst Du mein Weib nun seyn, Auguste?

S. Weißt Du auch, ob ich das je seyn darf? Karls Aeusserung – oft schon ergriff mich der Gedanke, war doch vielleicht nur ein Geschwätz der Fieberhitze –

E. Fürchte das nicht. Wir eilen nach Stockholm. Dort, sagt' er, liege der Schlüssel zu dem Geheimniß, in eines Verwandten Hand. In der Hand des Oheims vielleicht, dessen Bild über dem Bett' der Tante hing. Bis dahin bescheid' ich mich. Bis dahin ist Gustel, wie vorhin, meine Schwester. O, eine geheiligte.

 

33.

Auch dem Grafen hatte Karls Aussage in jener Nacht höchst verdächtig geschienen und daher Gustavs laute Verkündigung derselben und die Hartnäckigkeit womit er sie vor allem Volk vertheidigte, um so mehr empört. Er wußte ferner aus Augustens Erzählungen, daß die Tante oft, und fast nimmer ohne Thränen eines Herrn von Seeström gedacht habe, der in Stockholm lebe und einer ihrer theuersten Verwandten sey. An diesen also schrieb er, kurz nach seiner Rückkehr zu Marien, meldete ihm, ohne sich jedoch als den Gatten der jungen Rosenwall anzukündigen, den Verlauf der Sache, bat dringend um Wahrheit und Aufklärung, und empfing diese erst nach dem Verlauf von neun Monden, eben als er mit dem Genius seines Lebens zerfallen, am Bett der kranken Lina saß.

 

34.

»Ich war« schrieb Herr von Seeström »um so erfreuter, mich von Ihnen mit einer Zuschrift beehrt zu sehn, und um so bestürzter solche erst nach der Rückkehr von einer weiten Reise vorzufinden, da sie mir den Aufenthalt zweier innigst geliebten Verwandten anzeigt, welche nach dem Tod ihrer Pfleger, eben als ich an deren Stelle treten wollte, aus jener unwirthbaren Gegend verschwanden. Befremdet von der Aussage des Sterbenden, dem Gaukelspiel einer zerrütteten Phantasie, halt' ich es, unter diesen Umständen, für Pflicht, Sie mit dem traurigsten Verhängnisse meines Lebens bekannt zu machen. Ich war in jener Zeit, als ein Verwandter des Rosenwallschen Hauses fast täglich in des holden Fräuleins Nähe. Wir liebten, wir verlobten uns; der Tag der Trauung hing nur von der Anstellung auf einem, mir verhiessenen Posten ab, als der damahlige Partheien-Zwist des Adels und meine Vertheidigung der Rechte unserer Krone, des Fräuleins Bruder, den Freiherrn von Rosenwall, plötzlich zum Todfeind ihres Bräutigams machte. Feindselig trat er zwischen mich und das Mädchen und sein Einfluß raubte mir die zugesagte Stelle, ohne welche jede Hofnung auf die Freuden des häuslichen Glücks zum Traume ward. Die menschlichste aller Uebereilungen warf unsere Lage unter die äussersten. Arm, ohne Mittel sie zu flüchten, gewann ich zwar einen geistlichen Freund der uns heimlich traute, sah jedoch, im Fall der Entdeckung, nur den entscheidendsten Zweikampf zum Voraus, dessen Ausgang in beiden Fällen jeder freudigen Entwicklung den Weg vertrat. Jetzt führte den Obersten zu unserm Glück ein Dienstgeschäft, das ihn dort Monate lang festhielt, nach Finnland, und seine edle Gattin, welche, gleich dem Fräulein, ihrer Niederkunft entgegen sah, ward der Schutzgeist der Unglücklichen. Frei von Verdacht, zog sie sich mit meiner Vertrauten auf ihr einsames Gut am Mälar-See zurück. Der Oberste fand, bei seiner Rückkehr, ein Zwillings-Paar, welches ihm doch nur zur Halbschied angehörte, und ahnte den Betrug nicht, zu dem uns seine Härte zwang. Gustavs Mutter starb, Augustens Mutter erlag den Folgen der Verheimlichung und der Angst die sie zerstörte. Des Freiherrn Ehrsucht untergrub sein Glück, sein Stolz bewafnete die Feinde und ihr Triumph verscheuchte ihn. Noch einmahl sprach ich den Gefallenen um die Hand des siechen Opfers an und ward wie einst, mit wilder Bitterkeit verworfen. Beide verschwanden jetzt mit den Kindern, Jahre verstrichen, eh' ich den Ort ihres Aufenthalts erfuhr, von dem mich endlich Karl, der einzige Mitgenosse unseres Geheimnisses, durch einen Reisenden unterrichten ließ. Jetzt erwart' ich nur Ew. etc. Winke um der theuern Tochter zuzueilen, oder die schleunige Rückkehr dieser Tochter an das lang entbehrte Vaterherz, das in beifolgender Innlage zu dem ihren spricht. etc.«

von Seeström.

 

Der Graf, welcher sein Schweigen bisher für eine Bestätigung jener Aussage genommen hatte, sprang erschüttert auf und schwor, daß sie die Seine bleiben müsse. Zur rechten Zeit kehrten Seehofs jetzt zurück, zur rechten Zeit fand er in den Papieren des Onkels eine Antwort des Generals von Stralen, in welcher dieser für den schönen Rekruten dankte und flog nun mit Kourier-Pferden der Festung zu, wo er Augusten oder ihre Spur zu finden hofte.

 

35.

Eben war Gustav, um Anstalten zu der Abreise zu treffen, auf die Post geeilt, als Roderich in Hellthal ankam, Augusten am offenen Fenster sah, erkannte, und in ihr Zimmer trat. Die Farbe wich von ihren Wangen, keines Wortes mächtig eilte sie zur nahen Kammerthür.

Lies, rief er und drückte des Vaters Brief in ihre Hand, lies und liebe! Vergieb und freue Dich! – Von Deinem Oheim, Deinem Vater! fuhr er fort als ihre Hand sich sträubte, und sie griff darnach.

Langmüthig lauschte Gustav indeß der Rede des geschwätzigen Postmeisters, bis ihm plötzlich zwei warme Hände die Augen zuhielten. Er warf sie weg, und sah sich um, sah Rosemunden vor sich stehn und flog seinem Quartiere zu. Hier sprang ihm Roderichs Gestalt in's Auge und Gustel mit einem Freudenruf an seinen Hals. Lies, rief sie mit des Grafen Worten, lies und liebe mich, freue Dich und nimm mich hin, denn ewig bin ich nun die Deine! Er las und jauchzte, Rosemunde trat herein.

Du hier? stammelte ihr hofnungsloser Bruder: fort Unglückselige!

Fort Unglückseliger! fiel Gustav ein und legte die Hand mit Heftigkeit auf seine Schulter.

Auguste, sprach der Graf, im Nahmen Gottes fodere ich Dich zurück! Bei allem was Dein Herz durchglühte, bei der Nacht des Abgrunds dem ich Dich entriß, bei aller Seligkeit die du empfingst und gabst, verwirf mich nicht!

Wie könnt' ich das? entgegnete die Weinende –

Sey was Du warst, mein Weib! Kehr' an dieß Herz zurück. Ich folge Dir! Dein Vaterland soll auch das meine werden und Herjedalens Wüste mein Paradies.

Verwirf mich nicht! bat Rosemunde während dieser Rede, den geschiednen Gatten, ich reiste Tag und Nacht Dich aufzufinden. Ach, schwer genug ward ich bestraft, der Jugend Leichtsinn, des warmen Blutes Drang, die Sucht zu glänzen führte mich ins Labyrint.

Geh zum – Gegenfüßler! erwiederte Gustav, riß sich unsanft von ihr los, und trat erglühend vor Augusten –

O der Elende, rief sie, ihn verfolgend, er ist nun Bräutigam und hat mit Undank mich belohnt. Vergiß, Du Edler! Gieb Augusten ihren Roderich, mir Deine Hand zurück und ärnte dann die Früchte der goldnen Saat. Ich will Dich glücklich machen, mein Geliebter, anbeten will ich Dich, die Sklavin Deines Willens seyn. Reue versöhnt ja! O, lächle wieder wie in jenen Tagen, wo Du der Gärtner warst und rette den Lebensbaum. Sieh, seine Blätter grünen noch.

Die Nesseln auch!

Verlassen steh' ich da, versäumt –

Das klage dem Assessor – Deinem Lassen!

Der ist nicht mehr. Der Schmerz mein Glück zerstört zu sehn, hat ihn dahin gerafft.

Nein, seine Sünde! sprach Auguste.

Bin ich unter Menschen, Gustav? fiel sie mit tragischem Pathos ein, hast Du das Herz noch, dessen Abgott ich einst war? Willst Du mich kalt und keck in die Welt hinauswerfen, in des Lasters Arm, in den Schooß des Verderbens?

Herr von Welling, sprach der Schwede, das ist Ihre Schwester, das meine Braut. Nehmen Sie jene in Ihren Schutz, diese findet ihn an meiner Brust.

O, Auguste! rief der Graf, von Lieb' und Schmerz bestürmt und breitete seine Arme nach ihr aus.

Wähle dann, entgegnete Gustav und drängte die Schluchzende zwischen sich und ihn. Bei Gott beschwör' ich Dich, nur Deinem Herzen jetzt zu folgen. Er war Dein Bräutigam und Dein Gemahl. Er hat Dir wohlgethan; an sanfter Hand die Liebende geführt, bis meine Uebereilung ihn verletzte. Entscheide kühn, und wie das Loos auch falle – Bei meines Lebens Heil, ich zürne nicht! – – Brauchst Du Bedenkzeit? Wehe uns! dann liebtest Du ja keinen!

Die Weinende erhob ihr glühendes Gesicht – Und was, was würd' aus Dir, wenn ich für ihn entschiede?

Aus mir? stotterte Gustav – Aus mir? Dein Bruder wieder, meine Gustel – Ein Waysenkind, das auf den Vater hoft!

Und was aus Ihnen, Roderich, wenn ich den Bruder wähle?

Des Todes Beute, der Verzweiflung Raub! O schwanke nicht! Sein Opfer ist das kleinere; ein Laye steht er vor dem Heiligthum in dem ich selig ward, und ich nur weiß, was ich verliere. O, wirf nur einen, einen Blick in jene goldne Zeit, denk' an den Tag wo ich der Deine ward, und Dein Gefühl zum Lobgesange. Wo uns ein Kreis von Jauchzenden umgab, und ihre Freuden-Thränen uns den Weg zum Brautgemach bestreuten.

Und auch an den, fiel Gustav ein, und auch an den gedenke, wo ich als Knabe nach Dir schlug und Du die Dornen zogst aus meiner Hand –

Das will ich lebenslang! rief jetzt Auguste, und riß ihn schluchzend an ihr Herz: ich hab' entschieden, Du bist mein!

Starr und geisterbleich sah Roderich auf die Gruppe, und stürzte endlich mit verhülltem Gesicht in den wartenden Wagen hinab.

Nimm mich auch mit! sprach Rosemunde und warf sich an seine Seite – Maria war gerächt!

 

36.

Der Weg nach der Seestadt führte die Heimkehrenden an dem Hoflager dieser Fürstin vorüber. Tief bewegt blickte Auguste zu dem Schloß auf, in dem sie einst, geliebt von allen Bessern, an Mariens Busen lag und den Glanz der Herrlichkeit mit ihr theilte. Der alte Oberschenk sah aus einem Fenster der Vorkammer, erkannte sie, warf ihr Küsse zu, und eilte, seiner Gebieterin die Erscheinung ihres einstigen Lieblings anzuzeigen. Frau von Seehof hatte bereits Jukunden den Inhalt des Seeströmschen Briefs überschrieben, diese den Hof damit unterhalten, der Hof den übereilten Grafen laut verspottet, der Bürger dem Ahnenstolzen die herben Folgen der Lieblosigkeit und des Vorurtheils gegönnt, und Auguste kaum den Fuß zur Erde gesetzt als der kleine Dalau, welcher, trotz des Grafen Empfehlung, noch immer Page war, sie Nahmens der gnädigen Frau für den Mittag einlud. Auguste folgte um so williger dem Rufe, da sie, bereits von Roderichs Entfernung unterrichtet, sich in Voraus des Wiedersehns so mancher lieben Bekannten, so mancher Dankbaren freute, die sie in jener Zeit verpflichtet hatte.

Vater Reinow empfing Augusten im Vorsaal, der blühende Kreis seiner Titanen begrüßte sie mit zärtlichen Worten. Wieder ein Neunziger! rief der Verjüngte, als sie mit kindlicher Innbrunst seine Wangen küßte und öffnete nun die Pforte des Heiligthums. Maria breitete die Arme nach ihr aus, und sank, übermannt von Erinnerungen, sanft weinend an ihren Busen. Leopoldine und Jukunde, bis jetzt noch die einzigen, gegenwärtigen Damen, neigten sich theilnehmend zu der Gruppe, deren Anblick wir dem Grafen gegönnt hätten.

Maria überließ sich jetzt ihren Freundinnen, that, um Fassung zu gewinnen, einige Gänge durch das Zimmer und sprach dann –

Willst Du Menschen sehn, so laß ich den Hof versammlen. Genügt Dir an diesen, so bleiben wir für heut' unter uns.

Wir bleiben unter uns! entgegnete Auguste, trat zu der Wiege aus der der kleine Herrscher lächelte, nahm ihn an ihre Brust und weihte das engelschöne Kind mit Thränen und Küssen.

 

37.

Schnell entfloh die Zeit im Laufe traulicher Ergiessungen, es schlug sechs Uhr. Auguste stand verblassend auf. Du mußt uns viele Tage schenken, sprach die Fürstin und nahm sie in ihren Arm, noch manche Stunde!

Für dieses Leben, entgegnete Auguste, und warf sich, aufgelöst in süße Wehmuth, zu Mariens Füssen, für dieses Leben schlug die letzte! Ein Vater der mich nur als Säugling sah, harrt jenseit dieses Meers am Ufer, und hoft von jeder Welle, daß sie die heiß ersehnte Tochter an sein Herz trage. Der Sturmmond naht, die Augenblicke sind gezahlt. O lebe wohl, Du schöne Landes-Mutter, und Mutter-Wonne wachse Dir aus dieser Wiege, und aus den Herzen Deines Volkes zu. Die Saat gedeihe!

Mein süßer Liebling! rief Maria und hob sie tief bewegt empor. Auguste neigte sich über das lauschende Kind hin. Leb' auch Du wohl, sprach sie. Du arglosester aller Regenten, und werde reich an allen dem, was wahrhaft fürstlich ist! Der Mutter Stolz, des Landes Engel! Der Kleine lächelte sie an.

Jukunde, Du Geliebteste! Vergiß mein nicht! Wohl! wohl, an Deiner Hand Marien!

Gieb mir den Scheidekuß, Leopoldine! Du bist ein höheres Wesen, nur mit Ehrfurcht nah' ich Dir. Verblasse nicht! Wir sehn uns ja im Himmel wieder, und nicht vergebens brach Dein Opfer Dir das Herz.– Dich, Stille, Himmlische, Dich wird der Tod zum Cherub machen! Hier, diesen Ring nimm jetzt zurück. Dein Vater drang mir ihn in seinen letzten Stunden auf.

Die Weinende nahm den Brillant und sprach – Ich weiß, aus meiner Hand ist er Dir lieber. Nimm ihn denn hin, zum Pfande der Erinnerung und denke bei der Flamme in der er glüht, des hellen Sterns der uns vereinen wird.

Und bei diesem Bilde, lispelte Maria, und schlang es um ihren Hals, meiner Schwäche wie meiner Zärtlichkeit.

Juwelen hab' ich nicht, fiel jetzt Jukunde ein, nur Thränen statt der Edelsteine – Nimm diese Busenschleife hin! Ein Herz das ewig nach Dir streben, Dich ewig lieben wird, schlug unter ihr.

Weinend sanken die Erschütterten an ihren Hals. Gustav trat in's Zimmer. Zu früh! zu früh! sprach Maria und reichte ihm, durch Thränen lächelnd, die schöne Hand.

Scheiden heißt sterben! entgegnete er, und für diesen Kreis, theure Fürstin, gehn wir nun aus der Welt, doch Ihre Thränen sind ein Brautschatz der uns begleiten wird. Gustel, Du erscheinst mir jetzt wie der Geist der Vollendeten unter den Engeln. Komm! o komm auf die Erde zurück. Des Vaters Stimme schallt vom Meere her, wie der Sehnsucht Stimme in Jukundens Ossian. – O Jukunde! Er zog sie feurig an das Herz, die Thräne des Jünglings fiel in ihre Brust. Gute Nacht denn, Ihr Lieben! stammelte Auguste und wand sich los, gute Nacht Maria! Friede sey mit Dir, Amen! Gustav trat zwischen sie und die Scheidende, sie verschwand. Viele, deren Schutzgeist sie einst ward, lauschten im Vorgemach, bedeckten die Hände, die Arme, die Schleier der Fliehenden mit Küssen und riefen ihr heiße Segenswünsche nach.

 

38.

Der Baron Seeström eilte jetzt täglich dem Hafen oder den Felsen zu, welche das Meer überschauten, und sah in jedem Seegel eine schwellende Hofnung. Augustens letzter Brief war aus Wismar datirt, sie mußten in See seyn. Wohl zehn mahl des Tags blickte er angsthaft nach dem Wetterglase das immer tiefer und tiefer fiel. Er flog zum Ufer, ein Wolkenberg lag in Osten auf der See, die Brandung schäumte, die Wogen gingen hoch und hohl – Fischer-Kähne glitten fliehend dem Hafen zu, tief am Horizont kämpften einige Kauffahrer, vom Abendroth beglänzt, mit dem wachsenden Sturme. Die Dämmerung ward zur Nacht, der Wind zum Orkan, der Leuchtthurm sprühte weithin seine Funken, und die dumpfen Donner der Nothschüsse mischten sich grausend in bas Wogengeheul.

Seine Locken schwammen wild im Sturm, starr sah er in den Aufruhr hin, vergebens beschwor sein treuer Diener den Beängstigten, zurückzukehren. Erst gegen den Morgen gelang es ihm. Betäubt, durchnäßt, erkältet trat der Hofnungslose in sein Zimmer und eine himmlische Erscheinung umschlang sein Knie.

Gott war mit uns! rief Gustav aus, das Mal hab' ich den Praktischen gemacht, und sie, wie er, den Wellen abgetrotzt. Da sind wir nun!

Der Vater hob Augusten hoch empor, sah starr, wie vorhin, in den Himmel dieser Züge, in die Verklärung dieser Augen, an der vollendeten Gestalt herab und wieder auf, zur Würde die aus ihren Blicken, zur Liebe die von ihren Lippen sprach und schloß sie jetzt mit Inbrunst in die Arme.

Wir sitzen schon seit Stunden hier, versicherte Gustav, es war noch Tag, als Kapitain Banner den Anker warf. Ich sah' Sie stehen, Väterchen, doch hielt ich Sie für einen Aufpasser! Willkommen denn im Vaterlande! Hoch lebe Gustav und Stockholm!

 

39.

Verjüngt wie ein Adler, sah der Vater jetzt umher und ward nicht müde, die Liebliche zu betrachten, deren Stimme sein Ohr, deren Form sein Auge, deren sprechender Werth sein Herz gewann. Sie warf den Staubmantel ab, ein Kranz von Juwelen blitzte dem Dürftigen vom Schnee ihrer Brust entgegen, er stand erstaunt.

Flammen der Erinnerung! sprach Auguste: die Glorie um Mariens Haupt.

An Die will ich auch denken! fiel Gustav ein. Dieß Brieflein schob sie mir beim Lebewohl in die Hand. Zur Brautsuppe stand in dem Umschlag, doch diese Wechsel würden hinreichen, alle Bräute in ganz Schweden mit dieser zu versehn. Nimm hier die Halbschied, Väterchen, wir machen uns beide wenig aus der Suppe, doch aus der Hochzeit desto mehr.

Der Vater legte seine Hand auf des Jünglings Schulter und sprach: Eine gewisse Frau von Silfen hat bereits in dieser Zuschrift für ihren Freund gesprochen. Gott erhalte Dir dieß Herz, mein Sohn, ich will vergelten.

Gustav drückte ihn feurig an die Brust. Fast wär' ich in Stricke gefallen, fuhr er fort, und ein Menschenfeind worden, wenn nicht die Gustel gethan hätte. Ach ich weiß viel zu erzählen. Ich hab' am Throne gestanden und auf der Schildwacht, mit Generalen und Rekruten, mit Landes-Müttern und Querpfeiferinnen, mit Hofräthen Und Gegenfüßlern verkehrt. Ich sah in jedem Jüngling einen Freund und fast jedes Mädchen in mir ihren Versorger. Aber von allen Wesen an die sich mein Herz hing, bewahrte nur eines seine Treue. Jukunde setzte mich einem Kornet, Poldine einem Hauptmann nach, Maria verwies mich aus dem Lande, die Mundel fast aus dem Leben. Roderich verleugnete, Silfen vergaß, Lassen betrog, der Oheim verrieth mich, nur Titan, mein Pudel, theilte die Schmach wie den Glanz, trocknes Brot wie Hasenbraten, die Pritsche wie das Feenbett mit mir, und beschämte durch wandellose Anhänglichkeit die Getauften.

Die Männer wollten glücklich seyn, fuhr Gustav fort, doch ward es keiner; die Damen glücklich machen, doch für Augenblicke nur gelang ihnen das. Weisheit und Selbstbeherrschung, wahre Liebe und glückliche Ehen, Großmuth und Treue, fand ich überhaupt bloß in den Büchern welche mir die belesene Schwester meines Feldwebels, mittheilte. Ach, wie schön wär' es auf Erden, wenn das Schicksal wie diese Nachschöpfer mit den Bösen verführe, wie sie, den Guten durch offenbare Wunder aus der Noth zöge! Wenn es nur halb so viel Gold in der Welt, als dort in dem geringsten Städtchen gäbe; wenn jeder Räuber ein Karl Moor und der alte Satan der mich abschmatzte, eine Amalie wäre. Mit Freuden reiste man dann durch die verrufensten Wälder und entschuldigte den Adlerflug des Genies, Falls ein Pulverchurm knallte über dem Stuhl der Gebährerin. Aber unsre Räuber sind gemeine Stricke, unsre Fürsten Menschenkinder, und in dem Zeitraum welcher dort zum Feldmarschall-Amt hilft, kann es hier einer kaum zum Fähndrich bringen. Und die Heldinnen, guter Gott! so keusch und züchtig, so engelhaft und entkörpert treten sie einher, daß selbst die Schlange sie unverführt lassen müßte, und es mir oft unbegreiflich blieb, wie sie die Brautnacht überleben konnten. Wie albern, Väterchen, wäre dieser Zweifel in der wirklichen Welt! Die Helden endlich! Neben ihnen wird unser Erzbischof zum Quintaner, Gustav Wasa zur Memme, der bildschöne Roderich zur Vogelscheuche und ein Feyer-Abend ihres thatenlosesten Werkeltags reichte hin, meinen Ruhm auf die fernste Nachwelt zu bringen.

Wohl uns! unterbrach ihn Auguste. Vermag des Menschen Seele, schon mit gebundener Hand das Ideal zu zeichnen, so wird sie, von der Fessel frei, es einst erreichen.

Mein Glaube! rief ihr Vater.

Dann fiel mir wieder das närrische Buch in die Hand, welches im Bocke lag. Das vom Priori. Ich las es durch und durch, mir und dem Titan vor; der aber sah mich an, wie ich die Kategorieen, und knurrte, so oft ich lachen mußte.

Verwandte unterbrachen den Redner. Seeströms Freunde eilten herbei, die Herjedalin zu besehen, und erstaunten, statt des vermutheten Rohsteins eine der edelsten Perlen vorzufinden, deren milder Glanz alle Herzen anzog und das väterliche bezauberte.

 

40.

Mariens Wechsel setzte den Vater in den Besitz jenes freundlichen Gutes am Mälar-See, wo Gustav gebohren und seine Mutter gestorben war, und viel besser als in Herjedalen, gefiel es auf dieser blühenden Insel dem Paare, für das nun endlich die Sonne des Brauttags aufging. Ein zärtlicher Brief von Jukunden verschönte ihn. Sie meldete ihr, daß Roderich auf Reisen, Rosemunde in einem Stifte, Lina dem Onkel ins Grab gefolgt, Amalie Seehof gesund und glücklich, und Leopoldine zur überreichen Erbin ihres Vaters geworden sey.

Ach Gustel, wie freu' ich mich! sprach der Bräutigam zu der Braut. Wenigen Brüdern wird es glücken, ihre Schwestern heyrathen zu dürfen und viel befriedigender als das Verhängniß Karls, des Infanten, entwickelt sich das unsere. Seit jenem Zapfenstreiche hab' ich der Gärtnerei entsagt, der weisen wie der thörichten, Susannen und der Laura, Lisetten und Linetten, Gott geb' ihr Friede! – Allen Obst-und Blumen-Gärten hab' ich den Rücken gewiesen. Nicht eine, liebe Gustel, der Himmel sey mein Zeuge, nicht eine ist durch mich um die Fähigkeit gebracht worden, den Schatz in der Teufelsburg heben zu können.

Laß Katzen und Schätze, entgegnete sie, Bäume des Lebens wie der Erkenntniß, Blumen- und Obstgärten – Gehöre nur mir an!

In Ewigkeit! erwiedertt Gustav.

Der Vater kam und führte sie zum frohen Mahle. Er war so heiter wie der Abend, sprach viel, und sehr erbaulich. Thränen füllten Gustels Augen, als er das Glas ergriff, zum Himmel sah, und ihrer Mutter Nahmen nannte. Auch Gustav ergriff das seinige, hielt es gegen die flammenden Sterne, trank auf das Heil seiner Seligen, auf Mariens, auf Jukundens und Poldinens Wohl, und drückte, still entzückt, die schwesterliche Braut an's Herz.

 


Ende.

 


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