Friedrich Schiller
Geschichte der Unruhen in Frankreich, welche der Regierung Heinrichs IV. vorangingen.
Friedrich Schiller

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

So erfüllte also auch dieses Colloquium in Frankreich die Erwartung nicht besser, als ein ähnliches in Deutschland, und man kam wieder zu den alten politischen Intriguen zurück, welche sich bisher immer am wirksamsten bewiesen. Besonders zeigte sich der römische Hof durch seine Legaten sehr geschäftig, die Macht des Triumvirats zu erheben, als auf welchem das Heil der katholischen Kirche zu beruhen schien. Zu diesem Ende suchte man den König von Navarra für dasselbe zu gewinnen und der reformierten Partei ungetreu zu machen; ein Entwurf, der auf den unstäten Charakter dieses Prinzen sehr gut berechnet war. Anton von Navarra, merkwürdiger durch seinen großen Sohn Heinrich IV. als durch eigne Thaten, verkündigte durch nichts als durch seine Galanterieen und seine kriegerische Tapferkeit den Vater Heinrichs IV. Ungewiß, ohne Selbständigkeit, wie sein kleiner Erbthron zwischen zwei furchtbaren Nachbarn erzitterte, schwankte seine verzagte Politik von einer Partei zur andern, sein Glaube von einer Kirche zur andere, sein Charakter zwischen Laster und Tugend umher. Sein ganzes Leben lang das Spiel fremder Leidenschaften, verfolgte er mit stets betrogner Hoffnung ein lügnerisches Phantom, welches ihm die Arglist seiner Nebenbuhler vorzuhalten wußte. Spanien, durch päpstliche Ränke unterstützt, hatte dem Hause Navarra einen beträchtlichen Theil dieses Königreichs entrissen, und Philipp II., nicht dazu gemacht, eine Ungerechtigkeit, die ihm Nutzen brachte, wieder gut zu machen, fuhr fort, diesen Raub seiner Ahnen dem rechtmäßigen Erben zurückzuhalten. Einem so mächtigen Feinde hatte Anton von Navarra nichts als die Waffen der Unmacht entgegen zu setzen. Bald schmeichelte er sich, der Billigkeit und Großmuth seines Gegners durch Geschmeidigkeit abzugewinnen, was er von der Furcht desselben zu ertrotzen aufgab; bald, wenn diese Hoffnung ihn betrog, nahm er zu Frankreich seine Zuflucht und hoffte mit Hilfe dieser Macht in den Besitz seines Eigenthums wiedereingesetzt zu werden. Von beiden Erwartungen getäuscht, widmete er sich im Unmuth seines Herzens der protestantischen Sache, die er kein Bedenken trug zu verlassen, sobald nur ein Strahl von Hoffnung ihm leuchtete, daß derselbe Zweck durch ihre Gegner zu erreichen sei. Sklave seiner eigennützigen furchtsamen Staatskunst, in seinen Entschlüssen wie in seinen Hoffnungen wandelbar, gehörte er nie ganz der Partei, deren Namen er führte, und erkaufte sich, mit seinem Blute selbst, den Dank keiner einzigen, weil er es für beide verspritzte.

Auf diesen Fürsten richteten jetzt die Guisen ihr Augenmerk, um durch seinen Beitritt die Macht des Triumvirats zu verstärken; aber das Versprechen einer Zurückgabe von Navarra war bereits zu verbraucht, um bei dem oft getäuschten Fürsten noch einigen Eindruck machen zu können. Sie nahmen deßhalb ihre Zuflucht zu einer neuen Erfindung, welche, obgleich nicht weniger grundlos als die vorigen, die Absicht ihrer Urheber aufs vollkommenste erfüllte. Nachdem es ihnen fehlgeschlagen war, den mißtrauischen Prinzen durch das Anerbieten einer Vermählung mit der verwittweten Königin Maria Stuart und der daran haftenden Aussicht auf die Königreiche Schottland und England zu blenden, mußte ihm Philipp II. von Spanien zum Ersatz für das entrissene Navarra die Insel Sardinien anbieten. Zugleich unterließ man nicht, um sein Verlangen darnach zu reizen, die prächtigsten Schilderungen von den Vorzügen dieses Königreichs auszubreiten. Man zeigte ihm die nicht sehr entfernten Aussichten auf den französischen Thron, wenn der regierende Stamm in den schwächlichen Söhnen Heinrichs II. erlöschen sollte; eine Aussicht, die er sich durch sein längeres Beharren auf protestantischer Seite unausbleiblich verschließen würde. Endlich reizte man seine Eitelkeit durch die Betrachtung, daß er durch Aufopferung so großer Vortheile nicht einmal gewinne, die erste Rolle bei einer Partei zu spielen, die der Geist des Prinzen von Condé unumschränkt leite. So nachdrücklichen Vorstellungen konnte das schwache Gemüth des Königs von Navarra nicht lange widerstehen. Um bei der reformierten Partei nicht der Zweite zu sein, überließ er sich unbedingt der katholischen, um dort noch viel weniger zu bedeuten; und an dem Prinzen von Condé keinen Nebenbuhler zu haben, gab er sich an dem Herzog von Guise einen Herrn und Gebieter. Die Pomeranzenwälder von Sardinien, in deren Schatten er sich schon im Voraus ein paradiesisches Leben träumte, umgaukelten seine Einbildungskraft, und blind warf er sich in die ihm gelegte Schlinge. Die Königin Katharina selbst wurde von ihm verlassen, um sich ganz dem Triumvirat hinzugeben, und die reformirte Partei sah einen Freund, der ihr nicht viel genutzt hatte, in einen offenbaren Feind verwandelt, der ihr noch weniger schadete.

Zwischen den Anführern beider Religionsparteien hatten die Bemühungen der Königin Katharina einen Schein des Friedens bewirkt, aber nicht eben so bei den Parteien, welche fortfuhren, einander mit dem grimmigsten Hasse zu verfolgen. Jede unterdrückte oder neckte, wo sie die mächtigere war, die andre, und die beiderseitigen Oberhäupter sahen, ohne sich selbst einzumischen, diesem Schauspiele zu, zufrieden, wenn nur der Eifer nicht verglimmte und der Parteigeist dadurch in der Uebung blieb. Obgleich das letztere Edikt der Königin Katharina den Reformierten alle öffentlichen Versammlungen untersagte, so kehrte man sich dennoch nirgends daran, wo man sich stark genug fühlte, ihm zu trotzen. In Paris sowohl als in den Provinzstädten wurden, dieses Edikts ungeachtet, öffentlich Predigten gehalten, und die Versuche, sie zu stören, liefen nicht immer glücklich ab. Die Königin bemerkte diesen Zustand der Anarchie mit Furcht, indem sie voraussah, daß durch diesen Krieg im Kleinen nur die Schwerter zu einem größern geschliffen würden. Es war daher dem staatsklugen und duldsamen Kanzler von Hopital, ihrem vornehmsten Rathgeber, nicht schwer, sie zu Aufhebung eines Edikts geneigt zu machen, welches, da es nicht konnte behauptet werden, nur das Ansehen der gesetzgebenden Macht entkräftete, die reformirte Partei mit Ungehorsam und Widersetzlichkeit vertraut machte und durch die Bestrebungen der katholischen, es geltend zu machen, einen unglücklichen Verfolgungsgeist zwischen beiden Theilen unterhielt. Auf Veranlassung dieses weisen Patrioten ließ die Regentin einen Ausschuß von allen Parlamentern sich in St. Germain versammeln, welcher beratschlagen sollte: »was in Absicht der Reformierten und ihrer Versammlungen (den innern Werth oder Unwerth ihrer Religion durchaus bei Seite gelegt) zum Besten des Staats zu verfügen sei?« – Die Antwort war in der Frage schon enthalten und ein den Reformierten sehr günstiges Edikt die Folge dieser Beratschlagung. In demselben gestattete man ihnen förmlich, sich, wiewohl außerhalb der Mauern und unbewaffnet, zu gottesdienstlichen Handlungen zu versammeln, und legte allen Obrigkeiten auf, diese Zusammenkünfte in ihren Schutz zu nehmen. Dagegen sollten sie gehalten sein, den Katholischen alle denselben entzogenen Kirchen und Kirchengeräthe zurückzustellen, der katholischen Geistlichkeit, gleich den Katholiken selbst, die Gebühren zu entrichten, übrigens die Fest- und Feiertage und die Verwandtschaftsgrade bei ihren Heirathen nach den Vorschriften der herrschenden Kirche zu beobachten. Nicht ohne großen Widerspruch des Pariser Parlaments wurde dieses Edikt, vom Jänner 1562, wo es bekannt gemacht wurde, das Edikt des Jänners genannt, registriert und von den strengen Katholiken und der spanischen Partei mit eben so viel Unwillen als von den Reformierten mit triumphierender Freude aufgenommen. Der schlimme Wille ihrer Feinde schien durch dasselbe entwaffnet und fürs erste zu einer gesetzmäßigen Existenz in dem Königreich ein wichtiger Schritt gethan. Auch die Regentin schmeichelte sich, durch dieses Edikt zwischen beiden Kirchen eine unüberschreitbare Grenze gezogen, dem Ehrgeiz der Großen heilsame Fesseln angelegt und den Zunder des Bürgerkriegs auf lange erstickt zu haben. Doch war es eben dieses Edikt des Friedens, welches durch die Verletzung, die es erlitt, die Reformierten zu den gewaltsamsten Entschließungen brachte und den Krieg herbeiführte, welchen zu verhüten es gegeben war.

Dieses Edikt vom Jänner 1562 also, weit entfernt, die Absichten seiner Urheberin zu erfüllen und beide Religionsparteien in den Schranken der Ordnung zu halten, ermunterte die Feinde der letztern nur, desto verdecktere und schlimmere Plane zu entwerfen. Die Begünstigungen, welche dieses Edikt den Reformierten ertheilt hatte, und der bedeutende Vorzug, den ihre Anführer, Condé und die Chatillons, bei der Königin genossen, verwundete tief den bigotten Geist und die Ehrsucht des alten Montmorency, der beiden Guisen und der mit ihnen verbundenen Spanier. Schweigend zwar, aber nicht müßig, beobachteten sich die Anführer wechselsweise unter einander und schienen nur das Moment zu erwarten, das dem Ausbruch ihrer verhaltenen Leidenschaft günstig war. Jeder Theil, fest entschlossen, Feindseligkeit mit Feindseligkeit zu erwiedern, vermied sorgfältig, sie zu eröffnen, um in den Augen der Welt nicht als der Schuldige zu erscheinen. Ein Zufall leistete endlich, was beide in gleichem Grade wünschten und fürchteten.

Der Herzog von Guise und der Cardinal von Lothringen hatten seit einiger Zeit den Hof der Regentin verlassen und sich nach den deutschen Grenzen gezogen, wo sie den gefürchteten Eintritt der deutschen Protestanten in das Königreich desto leichter verhindern konnten. Bald aber fing die katholische Partei an, ihre Anführer zu vermissen, und der zunehmende Kredit der Reformierten bei der Königin machte den Wunsch nach ihrer Wiederkunft dringend. Der Herzog trat also den Weg nach Paris an, begleitet von einem starken Gefolge, welches sich, so wie er fortschritt, vergrößerte. Der Weg führte ihn durch Vassy, an der Grenze von Champagne, wo zufälligerweise die reformierte Gemeine bei einer öffentlichen Predigt versammelt war. Das Gefolge des Herzogs, trotzig wie sein Gebieter, gerieth mit dieser schwärmerischen Menge in Streit, welcher sich bald in Gewalttätigkeiten endigte; im unordentlichen Gewühl dieses Kampfes wurde der Herzog selbst, der herbei geeilt war, Frieden zu stiften, mit einem Steinwurf im Gesichte verwundet. Der Anblick seiner blutigen Wange setzte seine Begleiter in Wuth, die jetzt gleich rasenden Thieren über die Wehrlosen herstürzen, ohne Ansehen des Geschlechts noch des Alters, was ihnen vorkommt, erwürgen und an den gottesdienstlichen Gerätschaften. die sie finden, die größten Entweihungen begehen. Das ganze reformierte Frankreich gerieth über diese Gewalttätigkeit in Bewegung, und an dem Thron der Regentin wurden durch den Mund des Prinzen von Condé und einer eigenen Deputation die heftigsten Klagen dagegen erhoben. Katharina that alles, um den Frieden zu erhalten, und weil sie überzeugt war, daß es nur auf die Häupter ankäme, um die Parteien zu beruhigen, so rief sie den Herzog von Guise dringend an den Hof, der sich damals zu Monceaux aufhielt, wo sie die Sache zwischen ihm und dem Prinzen von Condé zu vermitteln hoffte.

Aber ihre Bemühungen waren vergebens. Der Herzog wagte es, ihr ungehorsam zu sein und seine Reise nach Paris fortzusetzen, wo er, von einem zahlreichen Anhang begleitet und von einer ihm ganz ergebenen Menge tumultuarisch empfangen, einen triumphierenden Einzug hielt. Umsonst suchte Condé, der sich kurz zuvor in Paris geworfen, das Volk auf seine Seite zu neigen. Die fanatischen Pariser sahen in ihm nichts als den Hugenotten, den sie verabscheuten, und in dem Herzog nur den heldenmütigen Verfechter ihrer Kirche. Der Prinz mußte sich zurückziehn und den Schauplatz dem Ueberwinder einräumen. Nunmehr galt es, welcher von beiden Theilen es dem andern an Geschwindigkeit, an Macht, an Kühnheit zuvorthäte. Indeß der Prinz in aller Eile zu Meaux, wohin er entwichen war, Truppen zusammenzog und mit den Chatillons sich vereinigte, um den Triumvirn die Spitze zu bieten, waren diese schon mit einer starken Reiterei nach Fontainebleau aufgebrochen, um durch Besitznehmung von des jungen Königs Person ihre Gegner in die Nothwendigkeit zu setzen, als Rebellen gegen ihren Monarchen zu erscheinen.

Schrecken und Verwirrung hatten sich gleich auf die erste Nachricht von dem Einzug des Herzogs in Paris der Regentin bemächtigt; in seiner steigenden Gewalt sah sie den Umsturz der ihrigen voraus. Das Gleichgewicht der Faktionen, wodurch allein sie bisher geherrscht hatte, war zerstört, und nur ihr offenbarer Beitritt konnte die reformierte Partei in den Stand setzen, es wieder herzustellen. Die Furcht, unter die Tyrannei der Guisen und ihres Anhangs zu gerathen, Furcht für das Leben des Königs, für ihr eigenes Leben siegte über jede Bedenklichkeit. Jetzt unbesorgt vor dem sonst so gefürchteten Ehrgeiz der protestantischen Häupter, suchte sie sich nur vor dem Ehrgeiz der Guisen in Sicherheit zu setzen. Die Macht der Protestanten, welche allein ihr diese Sicherheit verschaffen konnte, bot sich ihrer ersten Bestürzung dar; vor der drohenden Gefahr mußte jetzt jede andere Rücksicht schweigen. Bereitwillig nahm sie den Beistand an, der ihr von dieser Partei angeboten wurde, und der Prinz von Condé ward, welche Folgen auch dieser Schritt haben mochte, aufs dringendste angefordert, Sohn und Mutter zu vertheidigen. Zugleich flüchtete sie sich, um von ihren Gegnern nicht überfallen zu werden, mit dem Könige nach Melun und von da nach Fontainebleau; welche Vorsicht aber die Schnelligkeit der Triumvirn vereitelte.

Sogleich bemächtigen sich diese des Königs, und der Mutter wird freigestellt, ihn zu begleiten oder sich nach Belieben einen andere Aufenthalt zu wählen. Ehe sie Zeit hat, einen Entschluß zu fassen, setzt man sich in Marsch, und unwillkürlich wird sie mit fortgerissen. Schrecknisse zeigen sich ihr, wohin sie blickt, überall gleiche Gefahr, auf welche Seite sie sich neige. Sie erwählt endlich die gewisse, um sich nicht in den größern Bedrängnissen einer ungewissen zu verstricken, und ist entschlossen, sich an das Glück der Guisen anzuschließen. Man führt den König im Triumphe nach Paris, wo seine Gegenwart dem fanatischen Eifer der Katholiken die Losung gibt, sich gegen die Reformierten alles zu erlauben. Alle ihre Versammlungsplätze werden von dem wüthenden Pöbel gestürmt, die Thüren eingesprengt, Kanzeln und Kirchenstühle zerbrochen und in Asche gelegt; der Kronfeldherr von Frankreich, der ehrwürdige Greis Montmorency, war es, der diese Heldenthat vollführte. Aber diese lächerliche Schlacht war das Vorspiel eines desto ernsthaftern Krieges.

Nur um wenige Stunden hatte der Prinz von Condé den König in Fontainebleau verfehlt. Mit einem zahlreichen Gefolge war er, dem Wunsch der Regentin gemäß, sogleich aufgebrochen, sie und ihren Sohn unter seine Obhut zu nehmen; aber er langte nur an, um zu erfahren, daß die Gegenpartei ihm zuvorgekommen und der große Augenblick verloren sei. Dieser erste Fehlstreich schlug jedoch seinen Muth nicht nieder. »Da wir einmal so weit sind,« sagte er zu dem Admiral Coligny, »so müssen wir durchwaten, oder wir sinken unter.« Er flog mit seinen Truppen nach Orleans, wo er eben noch recht kam, dem Obristen von Andelot, der hier mit großem Nachtheil gegen die Katholischen focht, den Sieg zu verschaffen. Aus dieser Stadt beschloß er seinen Waffenplatz zu machen, seine Partei in derselben zu versammeln und seiner Familie, so wie ihm selbst, nach einem Unglücksfall eine Zuflucht darin offen zu halten.

Von beiden Seiten fing nun der Krieg mit Manifesten und Gegenmanifesten an, worin alle Bitterkeit des Parteihasses ausgegossen war und nichts als die Aufrichtigkeit vermißt wurde. Der Prinz von Condé forderte in den seinigen alle redlich denkenden Franzosen auf, ihren König und ihres Königs Mutter aus der Gefangenschaft befreien zu helfen, in welcher sie von den Guisen und deren Anhang gehalten würden. Durch eben diesen Besitz von des Königs Person suchten Letztere die Gerechtigkeit ihrer Sache zu erweisen und alle getreuen Unterthanen zu bewegen, sich unter die Fahnen ihres Königs zu versammeln. Er selbst, der minderjährige Monarch, mußte in seinem Staatsrath erklären, daß er frei sei, so wie auch seine Mutter, und das Edikt des Jänners bestätigen. Dieselbe Vorstellung wurde von beiden Seiten auch gegen auswärtige Mächte gebraucht. Um die deutschen Protestanten einzuschläfern, erklärten die Guisen, daß die Religion nicht im Spiele sei und der Krieg bloß den Aufrührern gelte. Der nämliche Kunstgriff ward auch von dem Prinzen von Condé angewendet, um die auswärtigen katholischen Mächte von dem Interesse seiner Feinde abzuziehen. In diesem Wettstreit des Betruges verleugnete Katharina ihren Charakter und ihre Staatskunst nicht, und von den Umständen gezwungen, eine doppelte Person zu spielen, verstand sie es meisterlich, die widersprechendsten Rollen in sich zu vereinigen. Sie leugnete öffentlich die Bewilligungen, welche sie dem Prinzen von Condé ertheilt hatte, und empfahl ihm ernstlich den Frieden, während daß sie im Stillen, wie man sagt, seine Werbungen begünstigte und ihn zu lebhafter Führung des Kriegs ermunterte. Wenn die Ordres des Herzogs von Guise an die Befehlshaber der Provinzen alles, was reformiert sei, zu erwürgen befahlen, so enthielten die Briefe der Regentin ganz entgegengesetzte Befehle zur Schonung.

Bei diesen Maßregeln der Politik verlor man die Hauptsache, den Krieg selbst, nicht aus den Augen, und diese scheinbaren Bemühungen zu Erhaltung des Friedens verschafften dem Prinzen von Condé nur desto mehr Zeit, sich in wehrhaften Stand zu setzen. Alle reformierten Kirchen wurden von ihm aufgefordert, zu einem Kriege, der sie so nahe betraf, die nöthigen Kosten herzuschießen, und der Religionseifer dieser Partei öffnete ihm ihre Schätze. Die Werbungen wurden aufs fleißigste betrieben, ein tapfrer getreuer Adel bewaffnete sich für den Prinzen, und eine solenne ausführliche Akte ward aufgesetzt, die ganze zerstreute Partei in Eins zu verbinden und den Zweck dieser Conföderation zu bestimmen. Man erklärte in derselben, daß man die Waffen ergriffen habe, um die Gesetze des Reichs, das Ansehen und selbst die Person des Königs gegen die gewaltthätigen Anschläge gewisser ehrsüchtiger Köpfe in Schutz zu nehmen, die den ganzen Staat in Verwirrung stürzten. Man verpflichtete sich durch ein heiliges Gelübde, allen Gotteslästerungen, allen Entweihungen der Religion, allen abergläubische Meinungen und Gebräuchen, allen Ausschweifungen u. dgl. nach Vermögen sich zu widersetzen, welches eben so viel war, als der katholischen Kirche förmlich den Krieg ankündigen. Endlich und schließlich erkannte man den Prinzen von Condé als das Haupt der ganzen Verbindung und versprach ihm Gut und Blut und den strengsten Gehorsam. Die Rebellion bekam von jetzt an eine mehr regelmäßige Gestalt, die einzelnen Unternehmungen mehr Beziehung aufs Ganze, mehr Zusammenhang; jetzt erst wurde die Partei zu einem organischen Körper, den ein denkender Geist beseelte. Zwar hatten sich Katholische und Reformierte schon lange vorher in einzelnen kleinen Kämpfen gegen einander versucht; einzelne Edelleute hatten in verschiedenen Provinzen zu den Waffen gegriffen, Soldaten geworben, Städte durch Ueberfall gewonnen, das platte Land verheert, kleine Schlachten geliefert; aber diese einzelnen Operationen, so viel Drangsale sie auch auf die Gegenden häuften, die der Schauplatz derselben waren, blieben für das Ganze ohne Folgen, weil es sowohl an einem bedeutenden Platz als an einer Hauptarmee fehlte, die nach einer Niederlage den flüchtigen Truppen eine Zuflucht gewähren konnte.

Im ganzen Königreiche waffnete man sich jetzt, hier zum Angriffe und dort zur Gegenwehr; besonders erklärten sich die vornehmsten Städte der Normandie, und Rouen zuerst, zu Gunsten der Reformierten. Ein schrecklicher Geist der Zwietracht, der auch die heiligsten Bande der Natur und der politischen Gesellschaft auflöste, durchlief die Provinzen. Raub, Mord und mördrische Gefechte bezeichneten jeden Tag; der grausenvolle Anblick rauchender Städte verkündigte das allgemeine Elend. Brüder trennten sich von Brüdern, Väter von ihren Söhnen, Freunde von Freunden, um sich zu verschiedenen Führern zu schlagen und im blutigen Gemenge der Bürgerschaft sich schrecklich wieder zu finden. Unterdessen zog sich eine regelmäßige Armee unter den Augen des Prinzen von Condé in Orleans, eine andre in Paris unter Anführung des Connetable von Montmorency und der Guisen zusammen, beide gleich ungeduldig, das große Schicksal der Religion und des Vaterlands zu entscheiden.

Ehe es dazu kam, versuchte Katharina, gleich verlegen über jeden möglichen Ausschlag des Krieges, der ihr, welchen von beiden Theilen er auch begünstige, einen Herrn zu geben drohte, noch einmal den Weg der Vermittlung. Auf ihre Veranstaltung unterhandelten die Anführer zu Toury in Person, und als dadurch nichts ausgerichtet ward, wurde zu Talsy zwischen Chateaudun und Orleans eine neue Conferenz angefangen. Der Prinz von Condé drang auf Entfernung des Herzogs von Guise, des Marschalls von Saint André und des Connetable, und die Königin hatte auch wirklich so viel von diesen erhalten, daß sie sich während der Conferenz auf einige Meilen von dem königlichen Lager entfernten. Nachdem auf diese Art der hauptsächlichste Grund des Mißtrauens aus dem Wege geräumt war, wußte diese verschlagene Fürstin, der es eigentlich nur darum zu thun war, sich der Tyrannei sowohl des einen als des andern Theils zu entledigen, den Prinzen von Condé durch den Bischof von Valence, ihren Unterhändler, mit arglistiger Kunst dahin zu vermögen, daß er sich erbot, mit seinem ganzen Anhange das Königreich zu verlassen, wenn nur seine Gegner das Nämliche thäten. Sie nahm ihn sogleich beim Worte und war im Begriff, über seine Unbesonnenheit zu triumphieren, als die allgemeine Unzufriedenheit der protestantischen Armee und eine reifere Erwägung des übereilten Schrittes den Prinzen bestimmte, die Conferenz schleunig abzubrechen und der Königin Betrug mit Betrug zu bezahlen. So mißlang auch der letzte Versuch zu einer gütlichen Beilegung, und der Ausschlag beruhte nun auf den Waffen.

Die Geschichtschreiber sind unerschöpflich in Beschreibung der Grausamkeiten, welche diesen Krieg bezeichneten. Ein einziger Blick in das Menschenherz und in die Geschichte wird hinreichen, uns alle diese Unthaten begreiflich zu machen. Die Bemerkung ist nichts weniger als neu, daß keine Kriege zugleich so ehrlos und so unmenschlich geführt werden, als die, welche Religionsfanatismus und Parteihaß im Innern eines Staats entzünden. Antriebe, welche in Ertödtung alles dessen, was den Menschen sonst das Heiligste ist, bereits ihre Kraft bewiesen, welche das ehrwürdige Verhältniß zwischen dem Souverän und dem Unterthan und den noch stärkern Trieb der Natur übermeisterten, finden an den Pflichten der Menschlichkeit keinen Zügel mehr; und die Gewalt selbst, welche Menschen anwenden müssen, um jene starken Bande zu sprengen, reißt sie blindlings und unaufhaltsam zu jedem Aeußersten fort. Die Gefühle für Gerechtigkeit, Anständigkeit und Treue, welche sich auf anerkannte Gleichheit der Rechte gründen, verlieren in Bürgerkriegen ihre Kraft, wo jeder Theil in dem andern einen Verbrecher sieht und sich selbst das Strafamt über ihn zueignet. Wenn ein Staat mit dem andern kriegt, und nur der Wille des Souveräns seine Völker bewaffnet, nur der Antrieb der Ehre sie zur Tapferkeit spornt, so bleibt sie ihnen auch heilig gegen den Feind, und eine edelmüthige Tapferkeit weiß selbst ihre Opfer zu schonen. Hier ist der Gegenstand der Begierden des Kriegers etwas ganz Verschiedenes von dem Gegenstande seiner Tapferkeit, und es ist fremde Leidenschaft, die durch seinen Arm streitet. In Bürgerkriegen streitet die Leidenschaft des Volks, und der Feind ist der Gegenstand derselben. Jeder einzelne Mann ist hier Beleidiger, weil jeder Einzelne aus freier Wahl die Partei ergriff, für die er streitet. Jeder Mann ist hier Beleidigter, weil man verachtet, was er schätzt, weil man anfeindet, was er liebt, weil man verdammt, was er erwählte. Hier, wo Leidenschaft und Noth dem friedlichen Ackermann, dem Handwerker, dem Künstler das ungewohnte Schwert in die Hände zwingen, kann nur Erbitterung und Wuth den Mangel an Kriegskunst, nur Verzweiflung den Mangel wahrer Tapferkeit ersetzen. Hier, wo man Herd, Heimath, Familie, Eigenthum verließ, wirft man mit schadenfrohem Wohlgefallen den Feuerbrand in Fremdes und achtet nicht auf fremden Lippen die Stimme der Natur, die zu Hause vergeblich erschallte. Hier endlich, wo die Quellen selbst sich trüben, aus denen dem gemeinen Volk alle Sittlichkeit fließt, wo das Ehrwürdige geschändet, das Heilige entweiht, das Unwandelbare aus seinen Fugen gerückt ist, wo die Lebensorgane der allgemeinen Ordnung erkranken, steckt das verderbliche Beispiel des Ganzen jeden einzelnen Busen an, und in jedem Gehirne tobt der Sturm, der die Grundfesten des Staats erschüttert. Dreimal schrecklicheres Loos, wo sich religiöse Schwärmerei mit Parteihaß gattet und die Fackel des Bürgerkrieges sich an der unreinen Flamme des priesterlichen Eifers entzündet!

Und dies war der Charakter dieses Krieges, der jetzt Frankreich verwüstete. Aus dem Schooße der reformierten Religion ging der finstre grausame Geist hervor, der ihm diese unglückliche Richtung gab, der alle diese Unthaten erzeugte. Im Lager dieser Partei erblickte man nichts Lachendes, nichts Erfreuliches; alle Spiele, alle geselligen Lieder hatte der finstre Eifer verbannt. Psalmen und Gebete ertönten an deren Stelle, und die Prediger waren ohne Aufhören beschäftigt, dem Soldaten die Pflichten gegen seine Religion einzuschärfen und seinen fanatischen Eifer zu schüren. Eine Religion, welche der Sinnlichkeit solche Martern auflegte, konnte die Gemüther nicht zur Menschlichkeit einladen; der Charakter der ganzen Partei mußte mit diesem düstern und knechtischen Glauben verwildern. Jede Spur des Papstthums setzte den Schwärmergeist des Calvinisten in Wuth: Altäre und Menschen wurden ohne Unterschied seinem unduldsamen Stolz aufgeopfert. Wohin ihn der Fanatismus allein nicht gebracht hatte, dazu zwangen ihn Mangel und Noth. Der Prinz von Condé selbst gab das Beispiel einer Plünderung, welches bald durch das ganze Königreich nachgeahmt wurde. Von den Hilfsmitteln verlassen, womit er die Unkosten des Kriegs bisher bestritten hatte, legte er seine Hand an die katholischen Kirchengeräthe, deren er habhaft werden konnte, und ließ die heiligen Gefäße und Zierathen einschmelzen. Der Reichthum der Kirchen war eine zu große Lockung für die Habsucht der Protestanten, und die Entweihung der Heiligthümer für ihre Rachbegierde ein viel zu süßer Genuß, um der Versuchung zuwiderstehen. Alle Kirchen, deren sie sich bemeistern konnten, die Klöster besonders, mußten den doppelten Ausbruch ihres Geizes und ihres frommen Eifers erfahren. Mit dem Raub allein nicht zufrieden, entweihten sie die Heiligthümer ihrer Feinde durch den bittersten Spott und beflissen sich mit absichtlicher Grausamkeit, die Gegenstände ihrer Anbetung durch einen barbarischen Muthwillen zu entehren. Sie rissen die Kirchen ein, schleiften die Altäre, verstümmelten die Bilder der Heiligen, traten die Reliquien mit Füßen oder schändeten sie durch den niedrigsten Gebrauch, durchwühlten sogar die Gräber und ließen die Gebeine der Todten den Glauben der Lebenden entgelten. Kein Wunder, daß so empfindliche Kränkungen zu der schrecklichsten Wiedervergeltung reizten, daß alle katholischen Kanzeln von Verwünschungen gegen die ruchlosen Schänder des Glaubens ertönten, daß der ergriffene Hugenotte bei dem Papisten keine Barmherzigkeit fand, daß Gräuelthaten gegen die vermeintliche Gottheit durch Gräuelthaten gegen Natur und Menschheit geahndet wurden!

Von den Anführern selbst ging das Beispiel dieser barbarischen Thaten aus, aber die Ausschweifungen, zu welchen der Pöbel beider Parteien dadurch hingerissen ward, ließen sie bald ihre leidenschaftliche Uebereilung bereuen. Jede Partei wetteiferte, es der andern an erfinderischer Grausamkeit zuvorzuthun. Nicht zufrieden mit der blutig befriedigten Rache, suchte man noch durch neue Künste der Tortur diese schreckliche Lust zu verlängern. Menschenleben war zu einem Spiel geworden, und das Hohnlachen des Mörders schärfte noch die Stacheln eines schmerzhaften Todes. Keine Freistätte, kein beschworner Vertrag, kein Menschen- und Völkerrecht schützte gegen die blinde thierische Wuth; Treu und Glaube war dahin; und durch Eidschwüre lockte man nur die Opfer. Ein Schluß des Pariser Parlaments, welcher der reformierten Lehre förmlich und feierlich das Verdammungsurtheil sprach und alle Anhänger derselben dem Tode weihte, ein andrer nachdrücklicherer Urtheilsspruch, der aus dem Conseil des Königs ausging und alle Anhänger der Prinzen von Condé, ihn selbst ausgenommen, als Beleidiger der Majestät in die Acht erklärte, konnte nicht wohl dazu beitragen, die erbitterten Gemüther zu besänftigen, denn nun feuerte der Name ihres Königs und die gewisse Absicht der Beute den Verfolgungseifer der Papisten an, und den Muth der Hugenotten stärkte Verzweiflung.

Umsonst hatte Katharina von Medicis alle Künste ihrer Politik aufgeboten, die Wuth der Parteien zu besänftigen, umsonst hatte ein Schluß des Conseil alle Anhänger des Prinzen von Condé als Rebellen und Hochverräther erklärt, umsonst das Pariser Parlament die Partei gegen die Calvinisten ergriffen; der Bürgerkrieg war da, und ganz Frankreich stand in Flammen. Wie groß aber auch das Zutrauen der Letztern zu ihren Kräften war, so entsprach der Erfolg doch keineswegs den Erwartungen, welche ihre Zurüstung erweckt hatte. Der reformierte Adel, welcher die Hauptstärke der Armee des Prinzen von Condé ausmachte, hatte in kurzer Zeit seinen kleinen Vorrath verzehrt, und außer Stande, sich, da nichts Entscheidendes geschah und der Krieg in die Länge gespielt wurde, forthin selbst zu verköstigen, gab er den dringenden Aufforderungen der Selbstliebe nach, welche ihn heim rief, seinen eigenen Herd zu verteidigen. Zerronnen war in kurzer Zeit diese so große Thaten versprechende Armee, und dem Prinzen, jetzt viel zu schwach, um einem überlegenen Feind im Felde zu begegnen, blieb nichts übrig, als sich mit dem Ueberrest seiner Truppen in der Stadt Orleans einzuschließen.

Hier erwartete er nun die Hilfe, zu welcher einige auswärtige protestantische Mächte ihm Hoffnung gemacht hatten. Deutschland und die Schweiz waren für beide kriegführende Parteien eine Vorratskammer von Soldaten, und ihre feile Tapferkeit, gleichgültig gegen die Sache, wofür gefochten werden sollte, stand dem Meistbietenden zu Gebot. Deutsche sowohl als schweizerische Miethtruppen schlugen sich, je nachdem ihr eigener und ihrer Anführer Vortheil es erheischte, zu entgegengesetzten Fahnen, und das Interesse der Religion wurde wenig dabei in Betrachtung gezogen. Indem dort an den Ufern des Rheins ein deutsches Heer für den Prinzen geworben ward, kam zugleich ein sehr wichtiger Vertrag mit der Königin Elisabeth von England zu Stande. Die nämliche Politik, welche diese Fürstin in der Folge veranlaßte, sich zur Beschützerin der Niederlande gegen ihren Unterdrücker, Philipp von Spanien, aufzuwerfen und diesen neu aufblühenden Staat in ihre Obhut zu nehmen, legte ihr gegen die französischen Protestanten gleiche Pflichten auf, und das große Interesse der Religion erlaubte ihr nicht, dem Untergange ihrer Glaubensgenossen in einem benachbarten Königreich gleichgültig zuzusehen. Diese Antriebe ihres Gewissens wurden nicht wenig durch politische Gründe verstärkt. Ein bürgerlicher Krieg in Frankreich sicherte ihren eigenen noch wankenden Thron vor einem Angriff von dieser Seite und eröffnete ihr zugleich eine erwünschte Gelegenheit, auf Kosten dieses Staats ihre eignen Besitzungen zu erweitern. Der Verlust von Calais war eine noch frische Wunde für England; mit diesem wichtigen Grenzplatz hatte es den freien Eintritt in Frankreich verloren. Diesen Schaden zu ersetzen und von einer andern Seite in dem Königreich festen Fuß zu fassen, beschäftigte schon längst die Politik der Elisabeth, und der Bürgerkrieg, der sich nunmehr in Frankreich entzündet hatte, zeigte ihr die Mittel, es zu bewerkstelligen. Sechstausend Mann englischer Hilfstruppen wurden dem Prinzen von Condé unter der Bedingung bewilligt, daß die eine Hälfte derselben die Stadt Havre de Grace, die andre die Städte Rouen und Dieppe in der Normandie, als eine Zuflucht der verfolgten Religionsverwandten, besetzt halten sollte. So löschte ein wüthender Parteigeist auf eine Zeit lang alle patriotischen Gefühle bei den französischen Protestanten aus, und der verjährte Nationalhaß gegen die Britten wich auf Augenblicke dem glühendern Sektenhaß und dem Verfolgungsgeist erbitterter Faktionen.

Der gefürchtete nahe Eintritt der Engländer in die Normandie zog die königliche Armee nach dieser Provinz, und die Stadt Rouen wurde belagert. Das Parlament und die vornehmsten Bürger hatten sich schon vorher aus dieser Stadt geflüchtet, und die Verteidigung derselben blieb einer fanatischen Menge überlassen, die, von schwärmerischen Prädikanten erhitzt, bloß ihrem blinden Religionseifer und dem Gesetz der Verzweiflung Gehör gab. Aber alles Widerstandes von Seiten der Bürgerschaft ungeachtet, wurden die Wälle nach einer monatlangen Gegenwehr im Sturme erstiegen und die Halsstarrigkeit ihrer Vertheidiger durch eine barbarische Behandlung geahndet, welche man zu Orleans auf protestantischer Seite nicht lang unvergolten ließ. Der Tod des Königs von Navarra, welcher auf eine vor dieser Stadt empfangene Wunde erfolgte, macht die Belagerung von Rouen im Jahr 1562 berühmt, aber nicht eben merkwürdig; denn der Hintritt dieses Prinzen blieb gleich unbedeutend für beide kämpfende Parteien.

Der Verlust von Rouen und die siegreichen Fortschritte der feindlichen Armee in der Normandie drohten dem Prinzen von Condé, der jetzt nur noch wenige große Städte unter seiner Botmäßigkeit sah, den nahen Untergang seiner Partei, als die Erscheinung der deutschen Hülfstruppen, mit denen sich sein Obrister Andelot, nach überstandnen unsäglichen Schwierigkeiten, glücklich vereinigt hatte, aufs neue seine Hoffnungen belebte. An der Spitze dieser Truppen, welche in Verbindung mit seinen eigenen ein bedeutendes Heer ausmachten, fühlte er sich stark genug, nach Paris aufzubrechen und diese Hauptstadt durch seine unverhoffte gewaffnete Ankunft in Schrecken zu setzen. Ohne die politische Klugheit Katharinens wäre diesmal entweder Paris erobert oder wenigstens ein vorteilhafter Friede von den Protestanten errungen worden. Mit Hilfe der Unterhandlungen, ihrem gewöhnlichen Rettungsmittel, wußte sie den Prinzen mitten im Lauf seiner Unternehmung zu fesseln und durch Vorspiegelung günstiger Traktaten Zeit zur Rettung zu gewinnen. Sie versprach, das Edikt des Jänners, welches den Protestanten die freie Religionsübung zusprach, zu bestätigen, bloß mit Ausnahme derjenigen Städte, in welchen die souveränen Gerichtshöfe ihre Sitzung hätten. Da der Prinz die Religionsduldung auch auf diese letztern ausgedehnt wissen wollte, so wurden die Unterhandlungen in die Länge gezogen, und Katharina erhielt die gewünschte Frist, ihre Maßregeln zu ergreifen. Der Waffenstillstand, den sie während dieser Traktaten geschickt von ihm zu erhalten wußte, ward für die Conföderierten verderblich, und indem die Königlichen innerhalb der Mauern von Paris neue Kräfte schöpften und sich durch spanische Hülfstruppen verstärkten, schmolz die Armee des Prinzen durch Desertion und strenge Kälte dahin, daß er in kurzem zu einem schimpflichen Aufbruch gezwungen wurde. Er richtete seinen Marsch nach der Normandie, wo er Geld und Truppen aus England erwartete, sah sich aber ohnweit der Stadt Dreux von der nacheilenden Armee der Königin eingeholt und zu einem entscheidenden Treffen genöthigt. Bestürzt und unschlüssig, gleich als hätten die unterdrückten Gefühle der Natur auf einen Augenblick ihre Rechte zurückgefordert, staunten beide Heere einander an, ehe die Kanonen die Losung des Todes gaben; der Gedanke an das Bürger- und Bruderblut, das jetzt verspritzt werden sollte, schien jeden einzelnen Kämpfer mit flüchtigem Entsetzen zu durchschauern. Nicht lange aber dauerte dieser Gewissenskampf; der wilde Ruf der Zwietracht übertäubte bald der Menschlichkeit leise Stimme. Ein desto wüthenderer Sturm folgte auf diese bedeutungsvolle Stille. Sieben schreckliche Stunden fochten beide Theile mit gleich kühnem Muthe, mit gleich heftiger Erbitterung. Ungewiß schwankte der Sieg von einer Seite zur andern, bis die Entschlossenheit des Herzogs von Guise ihn endlich auf die Seite des Königs neigte Unter den Verbundenen wurde der Prinz von Condé, unter den Königlichen der Connetable von Montmorency zu Gefangenen gemacht, und von den Letztern blieb noch der Marschall von St. André auf dem Platze. Das Schlachtfeld blieb dem Herzog von Guise, welchen dieser entscheidende Sieg zugleich von einem furchtbaren öffentlichen Feind und von zwei Nebenbuhlern seiner Macht befreite.

Hatte Katharina mit Widerwillen die Abhängigkeit ertragen, in welche sie durch die Triumvirn versetzt war, so mußte ihr nunmehr die Alleinherrschaft des Herzogs, dessen Ehrgeiz keine Grenzen, dessen gebieterischer Stolz keine Mäßigung kannte, doppelt empfindlich fallen. Der Sieg bei Dreux, weit entfernt, ihre Wünsche zu befördern, hatte ihr einen Herrn in ihm gegeben, der nicht lange säumte, sich der erlangten Ueberlegenheit zu bedienen und die zuversichtlich stolze Sprache des Herrschers zu führen. Alles stand ihm zu Gebot, und die unumschränkte Macht, die er besaß, verschaffte ihm die Mittel, sich Freunde zu erkaufen und den Hof sowohl als die Armee mit seinen Geschöpfen anzufüllen. Katharina, so sehr ihr die Staatsklugheit anrieth, die gesunkene Partei der Protestanten wieder aufzurichten und durch Wiederherstellung des Prinzen von Condé die Anmaßungen des Herzogs zu beschränken, wurde durch den überlegenen Einfluß des Letztern zu entgegengesetzten Maßregeln fortgerissen. Der Herzog verfolgte seinen Sieg und rückte vor die Stadt Orleans, um durch Ueberwältigung dieses Platzes, welcher die Hauptmacht der Protestanten einschloß, ihrer Partei auf einmal ein Ende zu machen. Der Verlust einer Schlacht und die Gefangenschaft ihres Anführers hatte den Muth derselben zwar erschüttern, aber nicht ganz niederbeugen können. Admiral Coligny stand an ihrer Spitze, dessen erfinderischer, an Hilfsmitteln unerschöpflicher Geist sich in der Widerwärtigkeit immer am glänzendsten zu entfalten pflegte. Er hatte die Trümmer der geschlagenen Armee in kurzem wieder unter seinen Fahnen versammelt und ihr, was noch mehr war, in seiner Person einen Feldherrn gegeben. Durch englische Truppen verstärkt und mit englischem Gelde befriedigt, führte er sie in die Normandie, um sich in dieser Provinz durch kleine Wagestücke zu einer größern Unternehmung zu stärken.

Unterdessen fuhr Franz von Guise fort, die Stadt Orleans zu ängstigen, um durch Eroberung derselben seinen Triumphen die Krone aufzusetzen. Andelot hatte sich mit dem Kern der Armee und den versuchtesten Anführern in diese Stadt geworfen, wo noch überdies der gefangene Connetable in Verwahrung gehalten wurde. Die Einnahme eines so wichtigen Platzes hätte den Krieg auf einmal geendigt, und darum sparte der Herzog keine Mühe, sie in seine Gewalt zu bekommen. Aber anstatt der gehofften Lorbeern fand er an ihren Mauern das Ziel seiner Größe. Ein Meuchelmörder, Johann Poltrot de Mère, verwundete ihn mit vergifteten Kugeln und machte mit dieser blutigen That den Anfang des Trauerspiels, welches der Fanatismus nachher in einer Reihe von ähnlichen Gräuelthaten so schrecklich entwickelte. Unstreitig wurde die calvinische Partei in ihm eines furchtbaren Gegners, Katharina eines gefährlichen Teilhabers ihrer Macht entledigt; aber Frankreich verlor mit ihm zugleich einen Helden und einen großen Mann. Wie hoch sich auch die Anmaßungen dieses Fürsten erstiegen, so war er doch gewiß auch der Mann für seine Plane; wie viel Stürme auch sein Ehrgeiz im Staate erregt hatte, so fehlte demselben doch, selbst nach dem Geständniß seiner Feinde, der Schwung der Gesinnungen nicht, welcher in großen Seelen jede Leidenschaft adelt. Wie heilig ihm auch mitten unter den verwilderten Sitten des Bürgerkriegs, wo die Gefühle der Menschlichkeit sonst so gerne verstummen, die Pflicht der Ehre war, beweist die Behandlung, welche er dem Prinzen von Condé, seinem Gefangenen nach der Schlacht bei Dreux, widerfahren ließ. Mit nicht geringem Erstaunen sah man diese zwei erbitterten Gegner, so viele Jahre lang geschäftig, sich zu vertilgen, durch so viele erlittne Beleidigungen zur Rache, so viele ausgeübte Feindseligkeiten zum Mißtrauen gereizt, an Einer Tafel vertraulich zusammen speisen und, nach der Sitte jener Zeit, in demselbigen Bette schlafen.

Der Tod ihres Anführers hemmte schnell die Thätigkeit der katholischen Partei und erleichterte Katharinens Bemühungen, die Ruhe wieder herzustellen. Frankreichs immer zunehmendes Elend erregte dringende Wünsche nach Frieden, wozu die Gefangenschaft der beiden Oberhäupter, Condé und Montmorency, gegründete Hoffnung machte. Beide, gleich ungeduldig nach Freiheit, von der Königin Mutter unablässig zur Versöhnung gemahnt, vereinigten sich endlich in dem Vergleiche von Amboise 1563, worin das Edikt des Jänners mit wenigen Ausnahmen bestätigt, den Reformierten die öffentliche Religionsübung in denjenigen Städten, welche sie zur Zeit in Besitz hatten, zugestanden, auf dem Lande hingegen auf die Ländereien der hohen Gerichtsherren und zu einem Privatgottesdienst in den Häusern des Adels eingeschränkt, übrigens das Vergangene einer allgemeinen ewigen Vergessenheit überliefert ward.


 << zurück weiter >>