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Zwölfte Vorlesung

Unser ganzes Bemühen ging dahin zu finden, was vor und über dem Sein ist. Doch konnten wir dieses vorerst in bezug auf das Sein – als das, was sein wird – betrachten. Dies hat uns sukzessiv auf die Begriffe des reinen Seinkönnenden, des reinen Seienden, und des im Aktus, im Sein Potenz Seienden geführt. Diese drei Begriffe verhielten sich soweit als notwendige Bestimmungen dessen, was sein wird, wenn nämlich dieses als solches festgehalten und gesetzt, wenn es gegen seine eigne Zukunft festgestellt werden soll, daß es nicht ein blindlings in diese Fortgehendes, sich selbst gleichsam Überstürzendes und auf diese Weise sich Verlierendes sei. Aber es zeigte sich, daß jene drei sich nicht in einem materiellen Außereinander denken lassen, sondern nur als Bestimmungen eines Geistes. Das, was sein wird, war also nun bestimmt als Geist, und wir können sagen: das, was sein wird, als solches gesetzt oder festgehalten, ist Geist und zwar vollendeter Geist. Es ist aber nun leicht einzusehen, daß damit die ganze Betrachtung sich umkehrt. Der vollendete Geist ist der, welcher nicht mehr nötig hat aus sich herauszugehen, der in sich selbst ganz vollkommen und beschlossen ist. Insofern kann er nun auch zunächst nicht mehr als eine mögliche Quelle oder Ursache eines künftigen Seins, er muß vor allem als selbst Seiendes bestimmt werden, und kommt nicht mehr bloß in bezug auf ein anderes, mögliches Sein, sondern natürlich zuerst in bezug auf sich selbst zu betrachten. – Bisher allerdings galten uns jene Begriffe nur als die Potenzen, Möglichkeiten oder Prioritäten eines künftigen Seins. Das Seinkönnende als solches ist unmittelbare Möglichkeit oder mögliche Quelle eines künftigen Seins, auch das rein Seiende enthält in sich, wenn gleich nur eine mittelbare, aber denn doch eine mittelbare Quelle des Seins. Das rein Seiende ist das nur mittelbar – aber doch das mittelbar auch sein Könnende; denn es ist leicht vorauszusehen, daß, wenn das unmittelbar Seinkönnende, von welchem wir sagten, es sei dem rein Seienden Grund, Subjekt – wenn dieses aus dem angenommenen Verhältnis herausträte und ein selbst Seiendes, objektiv würde, daß es nun jenes rein Seiende in statum potentiae setzte, wo es sich dann also ebenfalls als ein Seinkönnendes verhielte. Durch seinen Bezug auf das Seinkönnende war also alles auch Seinkönnendes. Insofern verhielten sich unsere drei Begriffe insgesamt als Potenzen eines künftigen möglichen Seins. Aber in dem vollendeten Geist können sie nicht mehr als solche betrachtet werden. In dem vollendeten Geist ist das unmittelbar Seinkönnende nicht mehr Seinkönnendes, es wird, wie wir früher erklärten, des Zufälligen an ihm, d.h. eben des Seinkönnens im transitiven Sinn, entbunden, und so sind also, in ihrer Einheit, d.h. im vollendeten Geist, betrachtet, alle jene Potenzen nicht mehr als Potenzen eines künftigen Seins, d.h. überhaupt nicht mehr Potenzen, sondern als der Geist selbst, d.h. als immanente Bestimmungen des Geistes selbst. Sie treten in ihn selbst zurück, jetzt ist der Geist das Erste, das Prius (denn er ist nicht etwa zusammengesetzt aus ihnen – er ist ihre vor- und übermaterielle Einheit: er ist – zwar natürlich nicht der Zeit, aber doch der Natur nach – eher als sie), Er ist ihr Prius, wir haben uns ihrer zwar als Stützen und Unterlagen, wie Platon sich ausdrückt, bedient, um zu ihm aufzusteigen, aber nachdem wir ihn erreicht haben, werfen wir die Leiter hinter uns ab, die Folge unserer Gedanken kehrt sich um: was einen Augenblick das prius scheinen konnte, wird zum posterius, und umgekehrt, was das prius, wird zum posterius. – Um aber diese Umkehrung aus einem allgemeinen Gesichtspunkt zu zeigen, so bemerke ich, daß unser Philosophieren bis jetzt durchaus nur ein hypothetisches war. Wenn es ein Sein gibt, so ist das Seiende selbst ein notwendiger Gedanke. In seinem unmittelbaren Verhältnis zum Sein aber ist es das unmittelbar Seinkönnende usf. (denn ich will nicht diese ganze Reihe von Bestimmungen wiederholen), aber diese ganze Folge, wie Sie selbst sehen, beruht auf der Voraussetzung, wenn es ein Sein oder ein Seiendes gibt. Hieraus erhellt also, daß jener Gedanke des Seienden, d.h. einer letzten aller Differenz entkleideten Substanz des Seins, nicht ein an sich notwendiger ist, wofür die Anhänger des Parmenides oder des Spinoza ihn ausgeben, sondern doch nur ein relativ notwendiger; denn, wenn ich bis an die Grenze alles Denkens gehen will, so muß ich ja auch als möglich anerkennen, daß überall nichts wäre. Die letzte Frage ist immer: warum ist überhaupt etwas, warum ist nicht nichts? Auf diese Frage kann ich nicht mit bloßen Abstraktionen von dem wirklichen Sein antworten. Anstatt also, wie es den Anschein haben konnte, daß das Wirkliche durch jenes abstrakte Seiende begründet sei, ist vielmehr dieses abstrakte Seiende nur begründet durch das Wirkliche. Ich muß immer zuerst irgend eine Wirklichkeit zugeben, ehe ich auf jenes abstrakte Seiende kommen kann. Nun steht freilich alles wirkliche Sein vielem Zweifel bloß, ja man kann sagen, die Philosophie hat eben mit dem Zweifel an der Realität des einmal vorliegenden oder vorhandenen Seienden angefangen. Aber dieser Zweifel bezieht sich immer nur auf dieses wirkliche, auf das bestimmte vorliegende, wie z.B. diejenigen Philosophen, die man Idealisten zu nennen pflegt, die reelle Existenz der körperlichen Dinge geleugnet haben, aber die Frage dieses Zweifels hat, vernünftigerweise, immer nur den Sinn, ob dieses Wirkliche, z.B. ob das Körperliche, das wahre Wirkliche sei, im Grunde setzt also dieser Zweifel das wahre Wirkliche selbst voraus, er will sich nur nicht das bloß scheinbare für das wahre geben lassen. Hätte der Zweifel an der Realität des einzelnen Seienden oder Wirklichen den Sinn, an der Realität des Wirklichen überhaupt zu zweifeln, so würde der Anhänger des Parmenides z.B. seine eigne Voraussetzung, die Voraussetzung des abstrakten Seienden, aufheben. Er wäre auch zu dem Begriff des abstrakten Seienden nicht berechtigt, wenn er nicht irgend ein Wirkliches voraus hätte. In letzter Instanz ist also die Voraussetzung der Philosophie immer nicht irgend ein Abstraktes, sondern ein unzweifelhaft Wirkliches. Dieses letzte Wirkliche kann nun nicht in jenen Prinzipien gesucht werden, die selbst bloße Möglichkeiten, bloße Potenzen eines künftigen Seins sind – dieses Wirkliche kann eben nur der Geist sein. Der Geist ist die Wirklichkeit, die vor jenen Möglichkeiten ist, die diese Möglichkeiten nicht vor sich, sondern nach sich hat, nämlich als Möglichkeiten hat er sie nach sich. Denn in ihm selbst sind sie Wirklichkeiten, Wirklichkeiten nämlich als teilnehmend an seiner Wirklichkeit (nicht als selbst wirkliche); Möglichkeiten, aber nicht seines, sondern eines andern, von ihm verschiedenen Seins, sind sie nur, inwiefern sie über ihn hinausgehend gedacht werden; als Möglichkeiten eines andern Seins treten sie erst nach der Hand, ex post oder post actum hervor.

Jene Möglichkeiten sind Prinzipien des Seins – Prinzipien nicht etwa des Geistes oder seines Seins (denn nicht weil sie sind, ist Er, sondern umgekehrt, weil Er ist, sind sie), sondern Prinzipien sind sie des Seins, welches von Anfang an zu erklären beabsichtet worden, des Seins, das Erklärung fordert. Das sind sie in der Tat; sie sind die eigentlichen Anfänge, archai, des sämtlichen gewordenen Seins. Es ist natürlich, daß die Philosophie zuerst und vor allem dieser unmittelbaren Prinzipien des Seins sich versichere. Ihre Absicht ist, überhaupt das Sein, welches seine Begreiflichkeit nicht in sich selbst hat, weil es gleich als ein nicht-ursprüngliches sich darstellt – überhaupt dieses Sein zu begreifen und zu erklären. In dieser Erklärung aber gibt es dann natürlich Stufen. Die erste Wahrnehmung ist, gewisse unmittelbare Prinzipien des Seins zu unterscheiden, die in dem übrigens verschiedenartigen Sein doch immer wiederkehren und als dieselben erscheinen. Die ganze erste Periode der griechischen Philosophie ging großenteils damit hin, diese Prinzipien aufzusuchen. Die neuere hat sich nur langsam dahin erhoben, diese Prinzipien endlich in ihrer Reinheit aufzufassen. Denn z.B. wenn Cartesius die ganze Welt auf Materie und Denken als absolute Gegensätze reduziert, so war weder die Materie noch das Denken eine wahre archê, ein reines principium des Seins. Dasselbe gilt von der denkenden und ausgedehnten Substanz des Spinoza, wie von der Vorstellkraft, welche Leibniz als einziges Prinzip sowohl der materiellen als der geistigen Welt aufstellte. Die übrige Philosophie der neueren Zeit, namentlich die in den Schulen herrschende, gab das Forschen nach diesen unmittelbaren Prinzipien des Seins ganz auf, obgleich es gewiß die erste Aufgabe ist, das Sein erst auf seine unmittelbaren Prinzipien zu reduzieren, da man nicht hoffen kann, von der sinnloser. Weite und Ausgedehntheit des vorhandenen und gewordenen Seins unmittelbar – ohne Vermittlung jener Prinzipien – zur höchsten Ursache selbst gelangen zu können. Das Vermittelnde zwischen dem empirischen Sein und der höchsten, d.h. eigentlichen, Ursache (denn die Mittelursachen werden bloß uneigentlich so genannt) sind eben die archai, die unmittelbaren Prinzipien des Seins. Statt derselben hatte die neuere Philosophie bloße Begriffe als subjektive Vermittlungen. Es schien ihr genug, wenn sie z.B. Gott mit der Welt lediglich für das Denken mittelst solcher Begriffe vermittelte, wobei es dahingestellt blieb und gewissermaßen als gleichgültig betrachtet wurde, wie sie objektiv zusammenhängen mögen.

Da ich hier der bloßen Verstandesbegriffe gedenke, mit welchen die frühere Philosophie zu der höchsten Ursache aufsteigen zu können meinte, so will ich bei dieser Gelegenheit bemerken, daß man unsere Prinzipien des Seins gänzlich mißverstehen würde, wenn man sie als bloße Kategorien betrachten wollte. Man könnte etwa die Entdeckung machen wollen: das, was wir das Seinkönnende nennen, sei nichts anderes als der allgemeine, d.h. auf alles, selbst auf das einzelnste konkrete Ding anwendbare Begriff der Möglichkeit. Was wir das rein Seiende nennen, sei die Kantsche Kategorie der Wirklichkeit, das sein Sollende sei der allgemeine Verstandesbegriff der Notwendigkeit. Allein dies wäre ein völliger Mißverstand. Jenes Seinkönnende ist nicht der allgemeine, auf das Konkrete insgesamt anwendbare Begriff der Möglichkeit, es ist vielmehr schlechterdings nichts Allgemeines, sondern im Gegenteil ein höchst Besonderes; es ist jene eine, ihresgleichen nicht kennende Möglichkeit, die Möglichkeit kat' exochên, die Urmöglichkeit, die der erste Grund alles Werdens, und insofern auch alles gewordenen Seins, ist.

Mit bloßen allgemeinen Verstandesbegriffen glaubte die frühere Philosophie das Verhältnis zwischen der Welt und Gott vermitteln zu können. Kant, indem er die Gebrechlichkeit und absolute Unzulänglichkeit dieses Verfahrens auf eine Weise zeigte, die unmöglich machte zu demselben zurückzukehren, hat damit, ohne es zu wissen oder zu wollen, die Bahn der objektiven Wissenschaft eröffnet, wo es nicht mehr darauf ankommt, jenes Verhältnis für unsere Erkenntnis bloß im Allgemeinen oder im Begriff ohne alle Einsicht in den wirklichen Zusammenhang zu vermitteln, sondern eben den wirklichen Zusammenhang selbst einzusehen. Fichte gab den ersten Anlaß, zu den wirklichen archais wieder zu gelangen, indem er Ich und Nicht-Ich entgegensetzte, ein Gegensatz, der offenbar mehr begreift als Denken und Ausdehnung. Indem aber Fichte unter dem Ich doch nichts anderes als das menschliche Ich verstand, das schon ein höchst konkretes ist, konnte man nicht sagen, daß in dieser Unterscheidung ein wahres Prinzip des Seins gegeben sei. Aber sie leitete doch dahin. Die Naturphilosophie kam zuerst wieder auf die reinen archas. Denn indem sie zeigte, daß im wirklichen Sein weder ein rein Objektives noch ein rein Subjektives irgendwo angetroffen werde, sondern auch an dem, was im Ganzen als Objektives oder in Fichtes Sprache als Nicht-Ich bestimmt wurde, in der Natur z.B. das Subjektive einen wesentlichen und notwendigen Teil habe und dagegen hinwiederum in allem Subjektiven ein Objektives sei, daß also Subjektives und Objektives in nichts auszuschließen seien, so waren nun eben damit Subjekt und Objekt als reine Prinzipien wirklich gedacht, zu wahren archais befreit, und indem auf diese Weise die unmittelbaren Prinzipien des Seins wieder gefunden waren, wurde es der Philosophie zuerst auch möglich, aus dem bloßen subjektiven Begriff, mit dem sie bis dahin alles zu vermitteln suchte, herauszutreten und die wirkliche Welt in sich aufzunehmen, gewiß die größte Veränderung, die sich seit Cartesius in der Philosophie zugetragen. Die wirkliche Welt in ihrem ganzen Umfang wurde zum Inhalt der Philosophie, indem sie begriffen wurde als ein von der Tiefe der Natur bis zu den letzten Höhen der geistigen Welt fortgehender Prozeß, dessen Stufen oder Momente nur die Momente einer fortwährenden Steigerung des Subjektiven sind, worin dieses ein immer zunehmendes Übergewicht über das Objektive erhält, von wo dann der nächste Schritt zur absoluten Ursache offenstand, welche eben als die dem Subjektiven fortwährenden Sieg über das Objektive verleihende oder gebende bestimmt werden konnte.

Es ist also immer schon etwas, diese Prinzipien des Seins gefunden zu haben, und zwar so, daß man zugleich ihrer Vollständigkeit sich versichert und erkennt: diese seien die einzigen, und außer denen keine andern gedacht werden können; es seien in ihnen wirklich alle Verhältnisse gegeben, die das, was vor und über dem Sein ist, zum Sein haben kann. Das Nächste am Sein kann nur das unmittelbar Seinkönnende sein, d.h. was, um zu sein, nichts bedarf als zu wollen, was daher insofern schon als Wille, nur noch ruhender, bestimmt ist. Diesem zunächst läßt sich nur noch das bloß mittelbar sein – sein und also auch wollen – Könnende denken, von dem sich leicht zeigen läßt, daß es seiner Natur nach nur das rein Seiende sein könne, das ein wirklich Seiendes werden, a potentia ad actum übergehen kann, nur sofern es in potentiam gesetzt wird, das also ein solches voraussetzt, von dem es in potentiam zu setzen, als das rein Seiende zu negieren ist. Außer diesen beiden – als nur durch beide zu Vermittelndes, das eben darum nur als Drittes in das Sein kommen kann, läßt sich dann nur noch denken das als rein Seinkönnende – als lautere Freiheit gegen das Sein – ins Sein Kommende, was weder dem Ersten möglich ist (denn dieses hört im Sein vielmehr auf Potenz zu sein), noch dem Zweiten, das im wirklichen Sein vielmehr sich zum rein Seienden wiederherzustellen und als Potenz aufzuheben sucht. Es läßt sich aber alsdann ferner leicht zeigen, daß diese drei Potenzen des Seins nur in Einem und demselben sich denken lassen. Denn z.B. das rein Seiende ist nur zu denken als Negation des Könnens, diese Negation des Könnens läßt sich aber nur begreifen als zweite Bestimmung einer Substanz oder eines Subjekts, das seiner ersten Bestimmung nach schon Können ist; und ebenso ist die dritte Potenz nur zu denken als Negation des einseitigen Könnens und des einseitigen Seins. Auch diese Doppelnegation aber ist nur möglich als dritte Bestimmung eines Subjekts, das früheren Bestimmungen nach schon einseitiges Können und einseitiges Sein ist. Es ist also Ein Subjekt, das die drei ist, und die Einheit, die in diesem Subjekt gedacht wird, kann nur eine geistige, d.h. es kann nur Geist sein. Durch die Mehrheit der archôn also war vermittelt, daß wir von der bloß substantiellen und abstrakten Einheit des Parmenides zu einer geistigen gelangten. Bis zu diesem Punkt war aber unsere ganze Entwicklung eine bloß hypothetische. Wenn ein Sein entsteht, so kann es nur in jener Folge entstehen. Aber warum entsteht denn ein Sein? Die erste Wirklichkeit ist uns in jenem Geist gegeben, von dem sich nun freilich sagen läßt: wenn ein vernünftiges oder ein frei gesetztes Sein ist (beides ist eins), so muß jener Geist sein; aber wir haben darum keineswegs eine absolute Notwendigkeit desselben begriffen, und wir haben ihn auch keineswegs etwa aus der Vernunft abgeleitet. Denn ich kann immer fragen: warum ist denn Vernunft und nicht Unvernunft? Jener Geist ist nicht etwa, damit es ein vernünftiges Sein gebe (ob dies gleich unserer ersten Fortschreitung nach so scheinen kann), sondern umgekehrt, das vernünftige Sein und die Vernunft selbst ist nur, weil jener Geist ist, von dem wir eben darum nur sagen können, daß er Ist, was eben so viel heißt, als daß er grundlos ist, oder lediglich Ist, weil er Ist, ohne alle ihm vorausgehende Notwendigkeit.

Ich habe freilich durch die ganze bisherige Entwicklung gezeigt: Wenn ein vernünftiges Sein ist oder sein soll, so muß ich jenen Geist voraussetzen. Aber damit ist noch immer kein Grund von dem Sein dieses Geistes gegeben. Ein Grund desselben wäre nur dann durch die Vernunft gegeben, wenn das vernünftige Sein und die Vernunft selbst unbedingt zu setzen wären. Aber dies eben ist nicht der Fall, denn es ist absolut gesprochen ebenso möglich, daß keine Vernunft und kein vernünftiges Sein, als daß eine Vernunft und ein vernünftiges Sein ist. Der Grund, oder richtiger gesprochen, die Ursache der Vernunft ist also vielmehr selbst erst in jenem vollkommenen Geist gegeben. Nicht die Vernunft ist die Ursache des vollkommenen Geistes, sondern nur, weil dieser gilt, gibt es eine Vernunft. Damit ist allem philosophischen Rationalismus, d.h. jedem System, was die Vernunft zum Prinzip erhebt, das Fundament zerstört. – Nur weil ein vollkommener Geist ist, ist eine Vernunft. Dieser selbst aber ist ohne Grund, schlechthin, weil er Ist. Aber daraus folgt nicht, wie man zu sagen pflegt, daß er absolut unbeweisbar wäre. Denn vielmehr die ganze (positive) Philosophie ist eben nichts anderes als der Erweis dieses absoluten Geistes. Er hat kein Prius, sondern ist selbst das absolute Prius, und also ist von keinem andern Prius aus zu ihm zu gelangen. Denn wenn wir uns auch hier jener Prinzipien des Seins (wie wir sie nannten) gleichsam als Stufen und Sprossen bedienten, zu ihm zu gelangen, so mußten wir doch am Ende einsehen, daß sie dies nur für uns waren, und auch nur zu einem propädeutischen (didaktischen) Zweck, daß aber objektiv, d.h. vom Standpunkt jenes Geistes selbst, betrachtet, das Verhältnis sich umkehrt und diese Prinzipien vielmehr die Folge, das Posterius von ihm sind. Es folgt hieraus, daß wenn die reinrationale Philosophie dem Vortrag der positiven Philosophie unmittelbar selbst vorausgeht, die letztere nicht erst die Prinzipe des Seins zu suchen hat, da sie ja in jener schon gegeben sind, wie denn der Verfasser nach hierüber hinterlassenen Andeutungen bei der Herausgabe dieses Teils seines Systems wirklich die Absicht hatte, die im Bisherigen wieder entwickelten, »das Seiende« konstituierenden Begriffe hier nicht aufs Neue und besonders wieder aufzustellen, und ebenso auch auf den Wendepunkt, der mit der gefundenen Idee eintritt, nicht wieder zurückzukommen, sondern einfach auf die Darstellung der reinrationalen Philosophie und auf die den Übergang zur positiven Philosophie bereitenden Vorträge (inkl. der Abhandlung über die Quelle der ewigen Wahrheiten) insbesondere zu verweisen, und so das Ganze als durch das Vorhergehende bewiesen zu behandeln. Man sieht übrigens aus der hier vorliegenden (die rationale Philosophie nicht voraussetzenden) Darstellung, daß, wenn die bloß rationale Entwicklung oder wenn die reine Vernunftwissenschaft sich darauf zu beschränken hätte, mittelst der Deduktion der Elemente, der Urstoffe des Seienden zu dem, was das Seiende Ist, (dem Seienden selbst) zu führen, sie selbst nur eine didaktische, substruierende Aufgabe innerhalb der positiven Philosophie zu erfüllen hätte, aber keine Wissenschaft für sich, keine alles in ihren Kreis ziehende, universelle Wissenschaft, d.h. keine Philosophie sein könnte, wie es die reinrationale ist. – Noch bemerke ich, daß außer der hier gegebenen Deduktion der drei Prinzipe noch eine andere (bei dem Vortrag über Philos. der Offenbarung in Berlin im Winter 1841 auf 1842 angewendete) Darstellung existiert, in welcher die Prinzipe nicht zuerst für sich oder von sich aus, sondern unmittelbar von Gott (A0) aus deduziert sind, ein Versuch, der im nächsten Bande mitgeteilt werden soll. A. d. O. Der absolute Geist kann also zwar durch diese Prinzipien, aber er kann durch sie nicht als durch sein prius, sondern nur als durch sein posterius bewiesen werden, d.h. er kann überhaupt nur a posteriori erwiesen werden. Dies darf freilich (wie schon in der Einleitung S. II, III, 130, Anmerk, 1. gezeigt worden) nicht in dem Sinn verstanden werden, in welchem man sonst wohl auch den physikotheologischen Beweis einen Beweis Gottes a posteriori genannt hat. In diesem Beweis nämlich wird aus der Zweckmäßigkeit der Natur und aller Natureinrichtungen im Ganzen und im Einzelnen auf einen freiwilligen und intelligenten Urheber der Dinge geschlossen. Hier sucht man also vom posterius, von dem, was als die Folge betrachtet wird, zu dem prius zu gelangen. Aber in der wahrhaft objektiven Philosophie wird der vollkommene Geist vielmehr dadurch erwiesen, daß von ihm als prius zu seiner Folge, nämlich zu seinen Werken und Taten als zum posterius, fortgegangen wird. In dem physikotheologischen Beweis wird die Welt zum prius des Beweises gemacht, Gott also zum posterius. Hier dagegen ist umgekehrt der vollkommene Geist das prius, von dem aus man zur Welt, zum posterius gelangt. Daraus ergibt und erklärt sich, was ich schon früher gesagt habe: die positive Philosophie sei in Ansehung der Welt Wissenschaft a priori, ganz von vorn anfangende, alles gleichsam in urkundlicher Folge, vom prius herleitend, in Ansehung des vollkommenen Geistes aber Wissenschaft a posteriori.

Das Prinzip der Philosophie ist eben ihr Gegenstand; insofern kann man sagen: das Prinzip der Philosophie liegt in ihrem Ende. Denn sie ist nichts anderes als die Realisierung ihres Prinzips. Es ist also auch freilich damit allein nichts getan, als das Erste und Höchste den vollkommenen Geist zu setzen, wenn man nachher von ihm aus nicht weiter – nämlich in die wirkliche Welt gelangen kann. Die Stärke einer Philosophie ist auch nicht nach dem Aufwand von Begriffen zu beurteilen, den sie macht, um ihr Prinzip zu begründen; ihre Stärke zeigt sich in dem, was sie mit ihrem Prinzip zu machen versteht. Nur die Unfähigkeit oder die vorschnell gefaßte Meinung, es sei unmöglich, diesen Weg zu finden, das Sein als ein freigesetztes und gewolltes zu begreifen, wodurch es allein auch ein vernünftiges Sein, ein wahrer kosmos sein kann, – nur die Unfähigkeit, sage ich, in der man sich befand, oder in der man, allzu freigebiger Weise die Schranken seiner eignen Subjektivität auf den menschlichen Geist überhaupt übertragend, den menschlichen Geist selbst glaubte, dieses Ziel zu erreichen, hat alle die künstlichen Systeme geboren, durch welche man im Grunde die wahre Aufgabe nur zu umgehen und sich zu verbergen gesucht hat. Nur wer jenen Weg wirklich geht und ihn dadurch zeigt, der hat den vollkommenen Geist als Prinzip der Philosophie erwiesen. Wir sind jetzt eben im Begriff, diesen Weg zu betreten.

Im absoluten Geist müssen sich allerdings auch alle Potenzen des der Erklärung bedürftigen Seins finden, aber er wird sie nicht unmittelbar als Potenzen dieses Seins, sondern als Bestimmungen seiner selbst, seines eignen Seins enthalten; nur mittelbar können sie sich als Potenzen des von ihm verschiedenen Seins darstellen. Sie sind in ihm nicht als transitive, sondern als immanente Bestimmungen, nicht in der Hinauswendung (gegen ein zukünftiges mögliches Sein), sondern in der Hineinwendung und daher nicht als ein anderes von ihm, sondern als Er selbst. Es ist leicht einzusehen, daß der absolut freie Geist notwendig zugleich der vollkommene, der in sich beschlossene, sich selbst genügende, nichts außer sich bedürfende, d.h. daß er absolute Allheit sein muß. Aber diese Allheit muß in ihm eine hineingewendete, d.h. bloß auf ihn selbst sich beziehende, sein, weil, wenn diese Allheit als eine solche in ihm wäre, die sich unmittelbar auf ein äußeres (von ihm verschiedenes) Sein bezöge, schon darin gewissermaßen eine Nötigung liegen würde aus sich selbst herauszugehen. Der vollkommene und nur darum auch absolut freie Geist kann nur derjenige sein, der über jedes besondere Sein hinausgehend, an keines gebunden, nach keinem außer sich strebend oder gezogen, keines außer sich bedürftig, sondern in sich beschlossen und vollendet, eine wahre Allheit ist. Diese Allheit ihrer inneren oder positiven Bedeutung nach stellt sich nun auf folgende Weise dar.

Der vollkommene Geist ist 1. der an sich seiende Geist: demnach zunächst überhaupt der seiende, wo also von einem über ihn selbst hinausgehenden Sein gar nicht die Rede ist, der selbst schon seiender Geist ist. In specie aber ist er unmittelbar oder zuerst der an sich, d.h. der nicht von sich weg, nicht als Objekt von sich seiende Geist. Es fällt den meisten schwer, diesen ersten Begriff zu fassen, weil alles Erfassen in einem sich-gegenständlich-Machen besteht, hier aber kommt es gerade darauf an, das absolut Nichtgegenständliche in dieser seiner Ungegenständlichkeit sich zu denken. Der Mensch begreift wohl noch das, wozu er durch eine Bewegung seines Denkens gelangen kann, aber dieser erste Begriff wird eben nur in der Nicht-Bewegung gefaßt und wirklich gedacht. Man kann etwa sagen: das hier Gemeinte sei der vollkommene Geist als reines Selbst, in völliger Selbstentschlagung, absolutem Nichtwissen seiner selbst, wo er also (wenn Wissen dem Sein entgegengesetzt wird) gleichsam das reinste, aber eben darum auch unnahbarste Sein ist, das der Sitz der reinsten Aseität ist, das Sein, dem der Verstand nichts abgewinnen kann, das er nur ausspricht, indem er schweigt, und nur erkennt, indem er es nicht erkennen will. Denn es wird nicht erkannt wie der Gegenstand in anderem Erkennen, indem man aus sich herausgeht, sondern vielmehr im an-sich-Halten, im selbst-still-Stehen, und wenn man einer gewissen Klasse von indischen Braminen, unter deren Übungen, durch welche sie der höchsten Kontemplation oder Beschaulichkeit sich fähig zu machen suchen, auch eine besondere Praxis hinsichtlich des Atem- Einziehens oder an-sich-Haltens vorkommt, wenn man diesen Braminen oder ihren Vorgängern eine Kenntnis der Idee, welche hier entwickelt werden soll, zuschreiben wollte, so müßte man eben annehmen, daß die Erfinder dieser vielleicht jetzt gedankenlos ausgeübten Praxis damit nur die Art anzeigen wollten, wie man sich jenes Tiefsten und Innersten und gleichsam Abgeschiedensten in der Gottheit versichere, das in der Tat nicht in einer Expansion oder Exspiration, sondern nur in der höchsten Attraktion (Zurückziehung) und gleichsam einer absoluten Inspiration des Denkens gefunden und gewissermaßen empfunden wird. Doch eben dies erinnert uns, daß es sich nicht ziemt viele Worte darüber zu machen; man kann jedem nur die Anleitung dazu geben, übrigens muß es ihm selbst überlassen bleiben, sich des Geistes in seinem reinen an sich Sein zu versichern.

Der vollkommene Geist ist aber nicht bloß der an sich seiende (denn er ist Allheit); er ist 2. der für sich selbst seiende Geist.

Eh' ein Wesen für sich, d.h. als Objekt von sich selbst, da ist, muß es an sich da sein. Der für sich selbst seiende, d.h. der als Objekt von sich seiende Geist setzt den an sich seienden Geist voraus. Er ist der für sich seiende Geist heißt eben: er ist der für sich als den an sich seienden – seiende.

Wie der an sich seiende Geist nur für sich ist, so ist der für sich selbst seiende Geist nicht an sich. Er ist vielmehr der außer sich, von sich weg seiende Geist. Wenn der Geist als der an sich seiende das absolut Innerliche, Verborgene und gleichsam Unsichtbare seiner selbst ist, so ist eben dieser, als der für sich (d.h. für den an sich seienden) – seiende, das Äußere, relativ gleichsam Sichtbare des Geistes.

Es ist leicht einzusehen, daß in dieser Gestalt des Geistes, wie wir sie nennen mögen, kein eigner Wille ist. Die Natur des für sich seienden Geistes ist eben nur, für sich, d.h. für den an sich seienden zu sein, sich diesem ganz zu geben. Sowie wir von der andern Seite sagen können, die Natur des an sich seienden Geistes sei, nur derjenige zu sein, für den der andere da ist. Einer vergißt sich gleichsam im andern. Keiner von beiden ist, sozusagen, um seiner selbst willen: der an sich seiende ist nur, um sich als den für sich seienden zu haben, der für sich (also nicht an sich) seiende ist nur, um sich diesem (dem an sich seienden) zu geben. Es ist leicht einzusehen, daß, wenn man unter dem Sein bloß das sich gebende, das offenbare, das außer sich, von sich weggehende Sein versteht, daß alsdann der für sich seiende Geist der rein seiende ist, und in dem gar nichts von einem nicht- Sein ist. Er ist, der ganz und bloß Sein ist. Bleibt man bei dieser Bedeutung des Seins stehen, so folgt, daß in demselben Sinn der an sich seiende Geist eine absolute Enthaltung von dem Sein, eitel nicht Sein ist, aber das nicht Sein in diesem Sinn ist nur ein Sein in anderem Sinn; das Sein des an sich seienden Geistes ist nur das verborgene, das, wie wir früher sagten, ungegenständliche, das in sich selbst zurückgezogene, lediglich in sich seiende, bloß wesende Sein. Wir bedienten uns von dem an sich seienden Geist schon des Ausdrucks, er sei in absoluter Selbstentschlagung, d.h. eben in absoluter Enthaltung von dem Sein, nämlich dem äußeren Sein. Er ist in dieser, weil er nur reines Selbst, bloß Er selbst, gleichsam ein Subjekt ohne alles Prädikat ist. Eben diese reine Selbstheit stellt sich als absolute Unselbstigkeit dar. Denn selbstig ist das Selbst, das sich geltend macht, sich ein Prädikat sucht oder verschaffen will. Die nämliche Unselbstigkeit, nur auf andere Art, ist aber in dem für sich seienden Geiste, indem er, selbst gleichsam ohne Selbst, sein Selbst in dem an sich Seienden hat, für den allein er da ist. Es ist eine vollkommene gegenseitige Selbstvergessenheit, wobei die eigne Wurzel eines jeden gar nicht in Betracht kommt. Auf beiden Seiten ist also eine völlig gleiche Reinheit und Unendlichkeit; denn der an sich und der für sich seiende Geist, jeder ist in sich unendlich, obgleich sie gegeneinander endlich sind, indem der eine nicht der andere ist.

Wir können nun aber auch bei dem Geist in seiner zweiten Gestalt als bloß für sich (und daher nicht an sich) seienden Geist nicht stehen bleiben. Denn in jeder von beiden Gestalten ist eine relative Negation dessen, was in der andern Gestalt gesetzt ist. Das Vollkommene ist erst erreicht, wenn das, was in beiden getrennt, in Einem – vereinigt ist. Der vollkommene Geist ist also 3. der im an sich oder Subjekt- Sein für sich seiende, der als Subjekt sich selbst Objekt seiende, so daß er – nicht wie zuvor in zwei getrennten Gestalten, in der einen nur an sich, in der andern nur für sich, in der einen nur Subjekt, in der andern nur Objekt, sondern in einer und derselben Gestalt, also unzertrennlicherweise, und ohne wirklich zwei sein zu können, Subjekt und Objekt ist, wie der menschliche Geist, indem er sich selbst bewußt ist und sich selbst hat, gewissermaßen zwei ist, Subjekt und Objekt, aber ohne wirklich zwei zu sein, indem er der Zweiheit unerachtet doch nur Einer bleibt, der ganz Subjekt und ganz Objekt ist, ohne Vermischung und ohne daß die zwei sich gegenseitig beschränkten oder trübten.

Die zwei anfangs getrennten, aber am Ende zusammentreffenden Bestimmungen, des bloßen an sich- und des bloßen für sich-Seins vereinigen sich im Begriffe des bei sich Seins. Das bei sich Seiende ist nicht das notwendig an sich Seiende, gar nicht von sich weg sein Könnende, und es ist ebensowenig das notwendig und nur von sich weg Seiende, gar nicht an sich sein Könnende (wie der Geist in seiner zweiten Gestalt), sondern es ist eben das, was von sich weg – sein, von sich weggehen, sich äußern kann, ohne darum weniger an sich zu sein, und das umgekehrt an sich ist, ohne darum weniger von sich weggehen zu können, wie der menschliche Geist. Die Folge ist also jetzt diese: der vollkommene Geist ist a) der nur an sich seiende Geist, b) der nur für sich seiende Geist, welcher abstrakt (d.h. ohne Bezug auf den an sich seienden) nur der außer sich seiende sein kann, weil er nicht für sich als sich, sondern nur für den an sich seienden da ist, c) der bei sich selbst seiende Geist, der sich selbst besitzende, und zwar der unverlierbar sich selbst besitzende Geist, denn Subjekt und Objekt sind in ihm unzertrennlich vereinigt. Wir müssen nun freilich sagen, dieser letzte sei der vollkommene Geist. Dies heißt aber nur so viel: in diesem letzten sei der Geist vollendet, erst wirklich der vollkommene Geist. Denn übrigens können wir doch nicht diese höchste Gestalt, oder den Geist in dieser Gestalt allein und losgetrennt von den andern setzen. Denn – 1. der Geist kann unmittelbar nur der an sich seiende sein, und erst in einer zweiten Gestalt der für sich seiende (denn, was für sich sein soll, muß erst an sich sein), und nur indem der Geist der an sich und der für sich seiende schon ist, ist er gleichsam genötigt, in einer dritten Gestalt zugleich der an sich seiende und der für sich seiende – als Subjekt Objekt und als Objekt Subjekt zu sein. Könnte er zurück, so würde er zunächst nur Objekt sein, oder wenn er nichts vor sich hätte, nur Subjekt; Subjekt und Objekt in Einem zu sein, ist ihm nur möglich, inwiefern ihm beides gewehrt ist, sowohl reines Subjekt als reines Objekt zu sein – jetzt bleibt ihm nichts übrig, als beides in Einem zu sein. 2. Wäre es auch eine Möglichkeit, den Geist unmittelbar zu setzen als das unzertrennliche Subjekt-Objekt, so wäre dann übrigens schlechterdings nichts mit ihm anzufangen, er müßte als solcher völlig stehen bleiben, und wäre daher gleichsam machtlos, eben weil Subjekt und Objekt in ihm unzertrennbar wären. Wir dürfen aber doch bei der gegenwärtigen Entwicklung nicht vergessen, daß, wenn von einem Herausgehen des vollkommenen Geistes aus sich selbst, also von einem Sein außer diesem Geist noch nicht die Rede ist, dennoch in dem vollkommenen Geist, das, was sein wird, oder, wie wir jetzt schon sagen dürfen, der, der sein wird, verborgen ist. Nun könnte aber der bei sich seiende Geist mit jener seiner unzertrennlichen Einheit gar nichts anfangen, er wäre für sich völlig impotent. – Der vollkommene Geist ist nur der an keine einzelne Form des Seins gebundene, der nicht Eines sein muß. Dies erst vollendet den Begriff des absolut freien Geistes. Nun haben wir Eine Art des Seins (nämlich das bloß wesende) erkannt in der ersten Gestalt, eine andere Art des Seins (nämlich die des außer sich seienden) in der zweiten Gestalt, in der dritten werden wir auch nur eine Art des Seins erkennen. Der absolut freie Geist kann also auch an diese nicht gebunden sein, weil sie, obwohl die höchste, doch nur Eine Art des Seins ist. Wir werden zwar, um die Art dieses Seins näher zu bezeichnen, mit Recht sagen: der Geist in der dritten Gestalt sei der als solcher seiende Geist. Denn in der ersten Gestalt, da er der bloß an sich seiende ist, kann er eben darum nicht der als solcher seiende sein, denn dieses »als« drückt immer eine Hinaussetzung, eine Herfürstellung aus; wie man zu sagen pflegt: er hat sich als dieser herausgestellt oder gezeigt; in dem als, z.B. in dem als A sein – liegt also immer nicht das bloße A sein, sondern das als A erkannt oder erkennbar werden. Von dem allen ist aber in dem bloßen an sich Sein das Gegenteil. Das bloße An-sich tritt vielmehr in die Tiefe zurück, es ist gerade das Unerkannte oder das rein im nicht Erkennen Erkennbare. Das Wort Sein mit als verbunden bedeutet immer gegenständliches Sein. Der bloß an sich seiende Geist ist also der nicht – als solcher seiende (ein wegen der Folge sehr wichtiger Satz). Ferner der bloß gegenständlich seiende Geist (die zweite Gestalt) ist nicht bloß der nicht als solcher, sondern sogar der nicht = als solcher (denn er ist der außer sich seiende Geist). Der Geist in der dritten Gestalt ist erst der als solcher seiende Geist. Dieser ist zugleich der nicht nicht Geist sein könnende. Aber eben darum ist auch er der an eine Form, oder an eine Art des Seins gebundene – d.h. er ist nicht der absolute Geist; denn der absolute Geist geht über jede Art des Seins hinaus, er ist das, was er will. Der absolute Geist ist der auch von sich selbst, von seinem als Geist Sein wieder freie Geist; ihm ist auch das als-Geist-Sein nur wieder eine Art oder Weise des Seins; – dies – auch an sich selbst nicht gebunden zu sein, gibt ihm erst jene absolute, jene transzendente, überschwengliche Freiheit, deren Gedanke, wie ich in einer früheren Folge von Vorlesungen einmal mich ausdrückte – deren Gedanke erst alle Gefäße unseres Denkens und Erkennens so ausdehnt, daß wir fühlen, wir sind nun bei dem Höchsten, wir haben dasjenige erreicht, worüber nichts Höheres gedacht werden kann. – – Freiheit ist unser Höchstes, unsere Gottheit, diese wollen wir als letzte Ursache aller Dinge. Wir wollen selbst den vollkommenen Geist nicht, wenn wir ihn nicht zugleich als den absolut freien erlangen können: oder vielmehr, der vollkommene Geist ist uns nur der, welcher zugleich der absolut freie ist.

Also der vollkommene Geist wäre nicht der vollkommene, wenn er bloß der als solcher seiende, d.h. wenn er bloß jene dritte Gestalt, wäre. Der vollkommene Geist ist über allen Arten des Seins – er geht über jede, auch die höchste, hinaus. Darin eben besteht seine absolute Transzendenz.

Der vollkommene Geist ist daher nur der, welcher 1. der an sich seiende Geist, 2. der für sich seiende Geist, 3. der im An-sich für sich seiende Geist ist. Schon darin, daß wir diesen auch erklärt haben für den als solchen seienden Geist – schon darin liegt es, daß erst mit dieser Bestimmung das wahre Ende, also auch der vollendete Geist erreicht ist. Denn das wahre Ende ist immer nur erreicht, wenn der Anfang von seiner Negativität befreit, aus sich selbst herausgebracht und objektiv gesetzt ist. Nun ist der Geist in seiner dritten Gestalt wieder der an sich seiende Geist, nur der im an-sich-Sein zugleich für sich seiende Geist. Also diese dritte Gestalt ist nur der aus der Subjektivität herausgebrachte, objektiv gesetzte Anfang; der als solcher seiende Geist ist nur das über sich selbst gehobene, nur das hinausgesetzte Tiefste.

Der sich selbst besitzende Geist ist wieder, was der Anfang ist, nämlich der an sich seiende Geist, nur als der zugleich für sich seiende. Die Momente der Bewegung, in der jedes Wesen sich vollendet, also auch die Momente des sich-Vollendens des Geistes sind: 1. reines an sich sein, 2. von sich hinweggehen – außer sich sein, 3. in sich selbst zurückkehren, sich als reines Selbst wieder gewinnen, sich selbst besitzen. Nur was aus sich selbst gekommen, kann zu sich kommen, und hat nun erst wahrhaft und wirklich sich selbst. Derselbe Geist, der in der ersten Gestalt reines, sich selbst nicht wissendes An-sich ist, geht in der zweiten aus sich, aber eben dadurch (also durch diese zweite als die vermittelnde) in sich, und ist nun erst vollendeter Geist. Nur durch Wiedereinkehr in sich selbst kann ein Wesen sich selbst besitzendes sein, und nur im sich-selbst-Besitzen ist es vollendet.

Der Geist in seinem an-sich-Sein ist das reine Zentrum, reines Subjekt ohne alle Äußerlichkeit, der Geist in seinem für-sich- (als Objekt-) Sein ist exzentrisch oder peripherisch, der im an-sich-Sein für sich seiende, und daher auch umgekehrt im für-sich-(oder im Objekt-) Sein an sich seiende Geist ist das exzentrisch gesetzte Zentrum, oder umgekehrt das als Zentrum gesetzte Exzentrische oder Peripherische. Und so hätte ich Sie denn, indem mit der dritten Gestalt der Geist vollendet ist, auf die einfachste und, wie ich hoffe, vollkommen deutliche Weise in der Tat zu der höchsten Idee der Philosophie geleitet. Es bleibt mir nur übrig einige Erläuterungen hinzuzufügen.

Die erste schließt sich unmittelbar an das eben Gesagte an. Denn wir haben auch jetzt wieder – in dem vollkommenen Geist – Anfang und Ende unterschieden. – In der Tat ohne Anfang und ohne Ende sein ist nur Unvollkommenheit, nicht, wie man sich vorstellt, Vollkommenheit. Ein Geisteswerk z.B., das weder Anfang noch Ende hat, ist gewiß ein unvollkommenes. Das Vollkommene ist das in sich Geendete, und zwar das nach allen Richtungen Geendete, sowohl indem es einen wahren Anfang, als indem es ein vollkommenes Ende hat. Wenn daher die Theologen unter die höchsten Vollkommenheiten Gottes diese setzen, daß er ohne Anfang und Ende sei, so darf dies nicht als eine absolute Negation verstanden werden. Der wahre Sinn (wie ich schon in einem früheren Vortrag Philosophie der Mythologie, II, II, 42. 43. A. d. O bemerkt habe) kann nur dieser sein, daß Gott ohne Anfang seines Anfangs und ohne Ende seines Endes sei, daß sein Anfang selbst nicht angefangen habe, und sein Ende nicht ende, d.h. nicht aufhöre Ende zu sein, daß jener ein ewiger Anfang, dieses ein ewiges Ende sei. So ist also der Geist in seinem bloßen an-sich-Sein der ewige Anfang, der Geist in seinem als-solcher-Sein das ewige Ende seiner selbst, und nur dadurch, daß er der Anfang und das Ende ist, der vollkommene Geist.

Obwohl wir nun aber – und dies ist eine zweite notwendige Erläuterung – obwohl wir in dem vollkommenen Geist Anfang und Ende (wo beide sind, versteht sich das Mittel schon von selbst) gesetzt haben, so müssen wir nichtsdestoweniger bemerken, daß dies nicht so zu verstehen ist, als ob in ihm etwas vorausgehe und etwas folge; vielmehr müssen wir sagen: es sei in ihm nil prius, nil posterius – nämlich der Anfang ist mit dem Ende und das Ende mit dem Anfang gesetzt. Der vollkommene Geist ist nicht so zu denken, als würde er aus den drei Gestalten sukzessiv zusammengesetzt, als wäre er zuerst der an sich seiende, dann der für sich-, und zuletzt der im An-sich für sich seiende. So verhält es sich nicht, sondern, weil keine der drei Gestalten ohne die andere etwas ist, so ist wie mit einem Zauberschlag – wie im Nu oder im Blitz – das Ganze gesetzt. Dies verhindert nicht, daß innerhalb dieses magischen Kreises Anfang, Mittel und Ende sei. Der Anfang darf nur nicht vor und außer dem Ende, das Ende nicht vor und außer dem Anfang, aber zugleich mit dem Ende darf der Anfang und zugleich mit dem Anfang das Ende gedacht werden.

Hieran knüpft sich eine dritte notwendige Erläuterung – diese: daß der vollkommene Geist nicht etwa als ein Viertes – außer den Dreien noch besonders vorhandenes – gedacht werden darf. Der Geist ist auf keine Weise außer den Dreien, er ist gar nichts anderes als die drei Gestalten, sowie diese nichts anderes sind als eben der Geist selbst. Wenn wir die drei Gestalten, versteht sich nicht einzeln, sondern in ihrer notwendigen und, wie wir bald hören werden, unauflöslichen Verkettung denken, so denken wir den Geist, und hinwiederum denken wir den vollkommenen Geist, so denken wir ihn als die drei Gestalten. Er ist in jeder von diesen der ganze Geist, es ist nicht etwa so, daß ein Teil von ihm in der einen und ein anderer Teil in der andern wäre – er ist in jeder der ganze, und dennoch ist er in keiner von ihnen für sich, er ist notwendig die Allheit.

An diese Bemerkung schließt sich nun eine letzte ( vierte) Erläuterung. Nämlich: nicht darum, weil er nun eben die drei Gestalten ist, ist er der vollkommene Geist, sondern umgekehrt, weil er an sich oder seiner Natur nach der vollkommene Geist ist, nur darum ist er die drei Gestalten; dies ist also nicht eine Zufälligkeit, sondern es ist die Natur des vollkommenen Geistes, nur als die Drei zu sein. Es ist nicht eine materielle Notwendigkeit, daß der Geist die drei Gestalten ist, die Allheit entsteht nicht durch ein materielles Hinzufügen der einen Gestalt zu der andern, sondern es ist eine geistige Notwendigkeit, oder – wenn Sie dies etwa besser verstehen sollten – eine Begriffsnotwendigkeit, daß der Geist die drei Gestalten ist. – Sie können sich diese Begriffsnotwendigkeit etwa auf folgende Art verdeutlichen. Die Allheit ist dergestalt notwendig, daß, wenn ich etwa eine oder zwei Gestalten, z.B. die erste und die zweite, hinwegnehmen oder hinwegdenken wollte, so würde die dritte für sich, wenn sie nur übrigens als Geist bestimmt wäre, wieder das Ganze sein. Das ist erst der wahre, der unzerstörbare Geist, wo jeder Teil, wenn er getrennt werden könnte, wieder zum Ganzen werden müßte, wo die Notwendigkeit, Ganzes zu sein, auch dem Einzelnen auferlegt ist, wie ich z.B. aus dem Komplex von Fähigkeiten oder Vermögen des menschlichen Geistes keine einzelne herausnehmen könnte, ohne daß sie das Ganze mit sich nähme und unmittelbar wieder das Ganze wäre. Wahrer Geist ist das, was immer Ganzes sein muß – nicht sowohl, was keine Teile hat, als, was nicht in Teile zertrennt werden kann, weil der Teil immer und notwendig wieder das Ganze sein würde.

Nicht eine Erläuterung, sondern eine unmittelbare Folge dieser ganzen Entwicklung ist nun diese, daß der vollkommene Geist weder in der einen noch in der andern Gestalt für sich bestehen kann, oder umgekehrt ausgedrückt, keine Gestalt für sich der vollkommene Geist ist, sondern nur, sofern sie auch die andern begreift. Selbst die dritte Gestalt für sich, obgleich die höchste, und obgleich die des als solchen seienden Geistes, wäre doch für sich nicht der vollkommene, der absolut freie Geist. Hieraus ergibt sich also als letzte Bestimmung: der vollkommene Geist ist notwendig der all-einige Geist, der all-einige, weil er nicht bloß Eines (unum quid), und auch nicht das abstrakte Eine, sondern eine wahre lebendige Allheit ist; der all- einige, weil er als der Geist doch nur Einer; und weil er nicht die zufällige, sondern die notwendige Einheit dieser Allheit ist, darum ist er der all-einige.

In der ganzen letzten Entwicklung war nun aber, wie Sie gesehen, nirgends von einem Sein außer dem Geist die Rede, ja es zeigte sich nicht einmal die Spur, der Verdacht eines solchen Seins. Überall haben wir den Geist nur erkannt als den absolut in sich seienden, völlig hinein-, nämlich nur gegen sich selbst gewendeten, in sich beschlossenen und vollendeten, nichts außer sich bedürfenden Geist. Er ist der durch sich selbst, durch seine Natur Einsame (solitarius), für den es noch gar kein Außer-ihm gibt, der von allem, was außer ihm gedacht werden könnte, los, ledig und frei, auch in diesem Sinn der absolute ist; denn absolut sein heißt dem Sprachgebrauch gemäß auch: ganz frei von jeder Beziehung oder Verbindung sein. Als solche rein gegenwärtige, auf nichts Zukünftiges deutende, ganz in sich beschlossene Wirklichkeit haben wir also zwar den Geist dargestellt. Aber wir haben doch zugleich auch erklärt, in dem Geist sei das Zukünftige, das, was sein wird, verborgen. Wie nun aber dieses Zukünftige zunächst als ein Mögliches sich zeige oder hervortrete, und wie der Geist in dieser Beziehung nun auch als Freiheit, zu sein (nicht bloß als Freiheit, nicht zu sein) – nämlich als Freiheit, außer sich zu existieren, sich außer sich darzustellen, ein Sein außer sich zu setzen, erscheine, dies zu zeigen ist unsere nächste Aufgabe. Als der bloß vollkommene Geist könnte er auch der an sich gebundene und unbewegliche sein. Als Geist, der nicht mehr bloß Freiheit ist, nicht zu sein, der auch Freiheit ist, zu sein, als dieser Geist begriffen, erscheint er nicht bloß als der vollkommene, sondern als der lebendige Geist, wirklich als der, der sein wird.


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