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III

1693
Saint-Simon erhält eine Schwadron / Mademoiselle von Montpensier

Mein Dienstjahr bei den Musketieren ging zu Ende, und mein Vater fragte den König, was er allergnädigst aus mir zu machen gedächte. Da ihm der König freie Hand ließ, bestimmte mich mein Vater zur Reiterei, weil er selbst bei dieser Waffe vielfach Dienste getan hatte. Der König verlieh mir eine Schwadron in einem seiner Reiterregimenter, ohne daß ich sie zu kaufen brauchte. Allerdings mußte erst eine frei werden. So vergingen fünf Monate. Indessen versah ich meinen Dienst als Musketier eifrig und pünktlich weiter. Endlich, gegen Ende April 1693, ließ mich der Marquis Von Saint-Pouenge Gilbert Colbert (1640 bis 1676), aus einer Seitenlinie der Colbert, die ihren Namen von dem Dörfchen Pouenge trug, seit langen Jahren der Gehilfe und erste Beamte des Kriegsministers. fragen, ob ich eine Schwadron im Regiment Royal-Roussillon nehmen wolle, die eben frei geworden wäre. Sie sei zwar sehr heruntergekommen und stünde in Mons. Ich hatte Todesangst, daß ich den bevorstehenden Feldzug nicht mitmachen dürfe, und bewog meinen Vater, das Angebot anzunehmen. Ich bedankte mich beim König, der meine Meldung huldvollst entgegennahm. Die Schwadron war im Laufe von vierzehn Tagen völlig wieder in Schwung.

 

Mademoiselle, die »große Mademoiselle« Die schon öfters erwähnte Base des Königs, Tochter des einzigen Bruders Ludwigs XIII., des Gaston von Orleans. sie führte die Titel souveräne Fürstin von Dombes, Fürstin de la Roche-sur-Yon et Joinville, Herzogin von Montpensier und Châtellerault, Erbprinzessin der Auvergne, Gräfin d'Eu. Sie war am 29. Mai 1627 in Paris geboren. Während der Fronde hatte sie gegen den Hof Partei genommen und sich dadurch ihre Hoffnung, die Gemahlin Ludwigs XIV. zu werden, verscherzt. – wie man sie zu nennen pflegte, um sie von der Tochter Monsieurs zu unterscheiden – oder, um sie mit ihrem Namen zu nennen, Mademoiselle von Montpensier, die älteste Tochter des Herzogs Gaston von Orleans, seine einzige Tochter aus seiner ersten Ehe, starb in ihrem Palast, dem Luxembourg, am 5. April 1693 nach langer Krankheit im 66. Lebensjahre. Sie war die reichste Prinzessin Europas. Der König hatte sie noch einmal besucht, wobei sie ihm Herrn von Joyeuse außerordentlich ans Herz gelegt hatte, einen entfernten Verwandten von ihr. Er solle Marschall von Frankreich werden. Sie pflegte nämlich jeden, der die Ehre hatte, mit ihr noch so weitläufig verwandt zu sein, wie einen nahen Verwandten zu behandeln, zu begönnern und sich stark für ihn ins Zeug zu legen. Obgleich sonst sehr stolz, unterschied sie sich doch hierin allmählich immer mehr von den übrigen Mitgliedern des Königlichen Hauses. Gewissenhaft trug sie Trauerkleider um Verwandte, selbst wenn sie dies nur entfernt und von niederem Range waren. Auch erzählte sie, wie und warum sie mit ihnen verwandt war. Während ihrer Krankheit wichen Monsieur und Madame nicht von ihr. Monsieur hatte jederzeit freundliche Beziehungen zu ihr gepflogen, aber er liebäugelte auch mit ihrem Nachlaß, und in der Tat ward er ihr Haupterbe. Freilich den größten Bissen hatte ihm jemand anderes vorher weggeschnappt. Die später erschienenen Denkwürdigkeiten Diese erschienen zuerst 1718 als »Mémoires de Mademoiselle de Montpensier«. Der Regent ließ die Ausgabe einziehen; 1735 erschien eine zweite Ausgabe, die Saint-Simon in seiner Bibliothek besaß. der Prinzessin sprechen freimütig von ihrer Neigung zum Herzog von Lauzun. Antoine Nompar de Caumont, Marquis de Puyguilhem, später (1692) Herzog von Lauzun (1632 bis 1723), der Typus des Herzenbrechers am Hofe des Sonnenkönigs. Schon im Jahre 1665 hatte er die Bekanntschaft mit der Bastille gemacht. In Pignerol traf er den früheren Finanzminister Foucquet, der sichtlich erstaunt war, daß ein Edelmann es gewagt, seine Blicke zu einer Prinzessin von Geblüt zu erheben. Im Jahre 1688, nach seiner Freiwerdung, ging Lauzun nach England, wo er beim Ausbruch der Revolution die Königin und den Prinzen von Wales über den Kanal rettete. Er ward 1696 Schwager Saint-Simons. Sie legt dar, wie töricht es von ihm war, daß er seine Heirat mit ihr, zu der er bereits die Erlaubnis des Königs erhalten hatte, verschob, nur um sie mit mehr Prunk und Aufsehen feiern zu können. Ihre Verzweiflung darüber, daß der König seine Erlaubnis wieder zurückzog, war grenzenlos. Die im Ehevertrag gemachten Schenkungen blieben bestehen und hatten auch durch andere Urkunden Gültigkeit. Vom Prinzen von Condé gedrängt, hatte der Herzog von Orleans den König veranlaßt, seine Einwilligung wieder zurückzunehmen. Noch viel mehr daran schuld waren aber Frau von Montespan und Herr von Louvois. Auf sie richtete sich denn auch aller Zorn der Prinzessin und Lauzuns. Letzterer stand beim Könige in Gunst, jedoch dauerte dies nicht lange. Er vergaß sich nämlich öfters in Gegenwart des Königs, und noch öfter vor dessen Mätresse, und machte es damit dem Minister leicht, ihn zu verderben. Louvois ließ ihn schließlich verhaften und nach Pignerol bringen, wo er auf sein Geheiß hin sehr schlecht behandelt wurde und zehn Jahre verblieb. Trotz der Trennung ließ die Leidenschaft Mademoiselles für ihn nicht nach. Dies benutzte man, um den Herzog von Maine auf ihre und Lauzuns Kosten, der dadurch seine Freiheit erkaufte, großartig zu versorgen. Die Prinzessin mußte zu ihrer tiefen Betrübnis Eu, Aumale, Dombes und einige weitere Herrschaften an den Herzog von Maine abtreten. Sodann geschah es, vorgeblich als Zeichen der Dankbarkeit, daß der König seinen unehelichen Kindern, um sie noch mehr zu erhöhen, auch noch die Livree der Prinzessin verlieh. Der ihr aufgedrungene Erbe war der Montpensier stets sehr wenig angenehm, und sie war immer im Verteidigungszustande für den Rest ihrer Güter, den ihr der König für seinen geliebten Sohn zu entreißen trachtete.

siehe Bildunterschrift

5. François-Michel Le Tellier, Marquis de Louvois (1641-1691)

Pierre Mignard.
Reims, Museum.

»In Louvois hätte niemand, der ihn sah, die Eigenschaften eines wirksamen Ministers suchen sollen. Eine große massenhafte, schwerfällige Gestalt, starke, beinahe rohe, wenig ausgebildete Gesichtszüge, eine rücksichtslose, heftige Art, sich zu betragen, so daß man, wenn es möglich war, der Notwendigkeit, ihn zu sehen, auswich, ließen weder Spannkraft, noch Geist, noch Verständnis der Welt in ihm erwarten.« (Ranke: »Französische Geschichte.« Leipzig 1877, 3. Auflage, III. Bd., S. 487.) Eine genaue Schilderung von Louvois hat anscheinend keiner seiner Zeitgenossen, die doch so gerne Porträts entwarfen, uns hinterlassen. Man muß, will man sich an die literarische Überlieferung halten, die Erscheinung des gewaltigen Ministers aus einzelnen gelegentlichen Bemerkungen rekonstruieren. Vergl. Rousset: »Histoire de Louvois.« Paris 1863, IV. Bd., S. 551.

 

Die unglaublichen Abenteuer Lauzuns – seine Rettung des Königs von England und des Prinzen von Wales – brachten ihn beim König von neuem in Gunst. Mit der Prinzessin von Montpensier, die ewig eifersüchtig war, hatte er sich überworfen. Selbst auf ihrem Sterbelager wollte sie ihn nicht wiedersehen. Von ihren Schenkungen hatte er nur noch Thiers und Saint-Fargeau. Er machte nie ein Hehl daraus, daß Mademoiselle seine Frau war, und erschien bei Hofe im großen Mantel, was der König höchst taktlos fand. Nach der Trauerzeit um sie änderte er die Farbe der Tracht seiner Dienerschaft in Schwarzbraun mit blauen und weißen Vorstößen um, zum Zeichen seiner weiteren Trauer um die Verlorene. Ihr Bildnis ließ er überall anbringen.

Monseigneur erbte ihren prächtigen Palast in Choisy. Er war hocherfreut, nun einen Erholungsort zu besitzen, nach dem er sich hin und wieder mit Menschen seiner Wahl zurückziehen konnte. Ihre Ehrendamen, Fräulein von Breval und Fräulein von Camhout, bekamen je 20 000 Franken vermacht. Die frommen Stiftungen und das, was ihrer Dienerschaft zugedacht war, entsprachen ihrem Reichtume wenig.

Die Prinzessin ist in den Denkwürdigkeiten über die Bürgerkriege und in ihren eigenen Aufzeichnungen genugsam geschildert, so daß es hier genügt, darauf hinzuweisen. Der König konnte ihr den Tag von Saint-Antoine Den 2. Juli 1652. niemals so ganz verzeihen. Ich war einmal Zeuge, wie er bei der Abendtafel eine Anspielung machte, zwar im Scherz, aber recht deutlich. Sie hätte die Geschütze der Bastille auf seine Regimenter gerichtet. Mademoiselle war ein wenig verlegen, wußte aber gar nicht übel zu antworten.

Ihr Leichenbegängnis fand mit aller Feierlichkeit statt. Sieben Tage lang hielten bei zweistündiger Ablösung je eine Herzogin oder Prinzessin und zwei Damen von Rang, alle tief verschleiert, die Totenwache. Auf allerhöchsten Befehl bestimmte der Oberzeremonienmeister die Damen. Die Gräfin von Soissons weigerte sich, diesen Dienst anzutreten. Der König war darüber sehr unwillig, drohte ihr, sie vom Hofe wegzujagen, und so fügte sie sich.

Dabei trug sich ein lächerlicher Vorfall zu. Zu Mittag, als die ganze Leichenwache versammelt war, barst die Urne, die auf einem Tische stand und die Eingeweide enthielt, mit fürchterlichem Gekrach, und es verbreitete sich unerträglicher Gestank. Einige Damen wurden halb ohnmächtig vor Entsetzen, die anderen flohen. Die Ehrenposten und die psalmodierenden Mönche liefen mit der Menge, die sich durch die Türen drängte, davon. Die Verwirrung war groß. Die Mehrzahl flüchtete in die Höfe und die Gärten. Die Eingeweide waren schlecht einbalsamiert und hatten durch ihre Gärung den Lärm verursacht. Alles wurde mit Wohlgerüchen durchräuchert und wieder in Ordnung gebracht, und nun verursachte der ausgestandene Schreck viel Gelächter.

Die Eingeweide der Toten wurden in das Zölestinerkloster übergeführt, ihr Herz nach Val-de-Grâce und der Körper nach Saint-Denis gebracht. Das Geleit dahin gab die Herzogin von Chartres, begleitet von der Herzogin von La Ferté, der Prinzessin von Harcourt und mehreren hohen Damen. Die Damen der Herzogin von Orleans schlossen sich in deren Wagen an. Ein paar Tage später, zur Leichenfeier zu Saint-Denis, erschien der ganze Hof. Der Erzbischof von Auch hielt die Messe ab. Die Leichenrede hielt Abt Anselmus, ein berühmter Prediger. Mademoiselle, die Tochter Monsieurs, hatte mit der Herzogin von Ventadour und deren Tochter, der Fürstin von Turenne, das Herz begleitet. Alles das waren Auszeichnungen, die nicht einmal den Prinzessinnen von Geblüt zukamen, wohl aber ihrem Rang als »petite-fille de France«, den ihr mein Vater als dem damaligen einzigen Mitgliede der Königlichen Familie durch den hochseligen König verschafft hatte.

siehe Bildunterschrift

6. Versailles, vom Vorhofe aus gesehen

Menant.

 


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