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Das Leben

I

Ich rief dich nicht, du zerrtest mich hervor
aus meines Nichtseins tiefer Seligkeit
in diese qualgedehnte Spanne Zeit
und hämmertest mir stündlich dann ins Ohr:

»Das Sein, in das ich dich heraufbeschwor,
sieh, es ist nichts; ein Knäul von Widerstreit,
endend im Tod; und Unerkennbarkeit
ist deiner Weisheit Schluß: zeuch fort, du Tor!«

Ich rief dich nicht, doch gabst du mir die Kraft
zum Fluch, so fluch' ich dir: vermaledeit
in Grund sei jener lustverbrämte Saft

und süße Höllenschaum, der, todgefeit,
des Lebens Ringe ewig weiterträgt
und blutige Ketten um die Erde schlägt,

II

verflucht – doch fluch ihm nicht: es flucht durch dich;
und lieb es nicht: das sich in dir nur wieder
liebt wie in jeder Rose, jedem Flieder,
ob auch ein Wurm sich in die Blüte schlich.

Denn was du tust, das tut das Leben sich,
es singt in dir eins seiner bunten Lieder,
wenn es durch tausend Skalen auf und nieder
streicht seinen ungeheuren Geigenstrich.

Drum fluch ihm nicht und laß es nur geschehn,
daß jeder neue Morgen dich erneut,
und laß dich treiben, wie die Wolken wehn,

in wolkenhoher Unbekümmertheit.
Flieg! Flieg! der Gipfel ist schon festgestellt,
der deinen Flug zerbricht und dich zerschellt.


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