Josef Ruederer
Die Fahnenweihe
Josef Ruederer

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Erster Akt

Festsaal des Gasthofs zur Post.

Großer, sehr tiefer Raum, der vorne an jeder Seitenwand ein breites Fenster hat. In ziemlicher Entfernung von den Fenstern nach rückwärts befindet sich je eine große Flügeltüre mit Milchglas, von denen die rechte auf eine Veranda, die linke durch einen Hausgang in das Innere des Gasthofs führt. Je zwei bronzene, leere Lampenträger sind an den hellgrün gestrichenen Wandflächen zwischen Türe und Fenster befestigt. Runde Tische und Rohrstühle stehen an den Seitenwänden ungeordnet durcheinander, doch lassen sie den Mittelraum völlig frei.

Im Hintergrund des Saales ist ein Podium errichtet. Darauf befindet sich eine kleine Bühne. Ihr hochgezogener Vorhang öffnet den Blick auf rohgemalte Kulissen und Versatzstücke, die eine Gebirgslandschaft darstellen. Auf das Podium führt eine kleine, verschiebbare Holztreppe. Die Bühnenumrahmung besteht aus Leinwand, die mit barocker Architektur weißgrau bemalt ist. Auf der linken Seite hat sie ein Tapetentürchen als Zugang zu den Ankleideräumen. Über der Bühne selbst sind zwei gleichmäßig verteilte, weiß bestrichene, längliche Ornamente angebracht, die in weithin leserlichen, schwarzen Buchstaben folgende Inschrift tragen:

Nicht viele Worte machen wir,
Wir heißen Euch willkommen hier,
Und geben schlicht, ohn' Falsch und Spott,
Nur unser biederes: Grüß Gott!

Es geht gegen Abend. Sattes, goldenes Licht flutet von der rechten Seite durch Fenster und Verandatüre in den Saal, wo Seppl und Lorenz eben eine Leiter vor dem Podium aufrichten. Burgl trägt einen Korb mit Tannengirlanden herein. Ihr Kind läuft bald auf der Bühne, bald hinter den Kulissen herum, ohne daß jemand sich darum kümmert. Vorn, am Tisch links, auf dem ein offener Maßkrug steht, sitzt der Seehansele und stiert, die Hände in der Tasche, gedankenlos vor sich hin. Er ist etwas angetrunken. Auf der rechten Seite, am vordersten Tische, stehen Pfarrer und Posthalter. Beide betrachten beim Aufgehen des Vorhangs sehr aufmerksam eine auf der Tischplatte ausgebreitete Fahne, deren schwarzlackierte Stange auf die Lehnen von zwei Stühlen gelegt ist. Die Spitze der Fahne krönt ein goldbronzener Engel. Posthalter hat das blau-weiße Tuch in die Höhe gehoben, damit es der Pfarrer um so besser betrachten kann.

Pfarrer nach einer Pause: Schön... sehr schön, wirklich sehr schön, Herr Posthalter!

Posthalter Also g'fallt's 'm Herrn Pfarrer?

Pfarrer Alle Hochachtung! Der Findelhausverein, der kann lachen.

Posthalter Die Hauptsache is, daß die Fahne zu Ihrer Zufriedenheit ausg'fallen is, Hochwürden.

Pfarrer Da dürfen Sie ganz beruhigt sein, ich habe selten so was Schönes gesehen, die prachtvollen Goldfransen, der schwere Atlas – einfach wunderbar.

Posthalter Das is mir aber sehr lieb, daß wir so Glück haben damit. Es freut ein' halt doch, wenn man eine Anerkennung kriegt...

Pfarrer Natürlich!

Posthalter lachend: Denn... am End, man hat sich ja die Sach' doch auch was kosten lassen.

Pfarrer nickend: Arbeit und Geld.

Posthalter selbstgefällig: Nun, vom Geld, da wär' ja weiter kei' Red, aber zu der Stickerei hat mei Frau doch mehrere Wochen braucht.

Pfarrer Um so schöner der Lohn für die gütige Spenderin! Sie hat für einen guten Zweck gearbeitet, und der Findelhausverein wird's ihr danken, ihr und Ihnen, Herr Posthalter.

Posthalter verneigt sich lächelnd: Oh, kei Red davon.

Pfarrer Nein, nein, in allem Ernst! Das ganze Dorf kann Ihnen dankbar sein. Sie sind kaum ein paar Jahr hier in unserm Nest und stiften da die kostbare Fahne, bauen in die Gregoriwiese ganz auf Ihre Kosten ein Findelhaus hinein – so eine Opferfreudigkeit verdient schon Anerkennung.

Posthalter lächelnd abwehrend: Oh... Hochwürden!

Pfarrer Nun, die muß Ihnen auch bei der Einweihung zuteil werden. Da wird's zugehen!

Posthalter Ja, es kann 'n g'hörigen Sturm geben, die nächsten zwei Tag.

Pfarrer Ich glaub's! Morgen abend die Fahnenweihe –

Posthalter Mit Prolog, Theater und Tanz.

Pfarrer Und übermorgen die Grundsteinlegung vom Findelhaus –

Posthalter Auch sonst bringen wir noch alle möglichen Knalleffekt!

Pfarrer Vielleicht ein Feuerwerk?

Posthalter Nein, aber nur im Vertrauen g'sagt, Hochwürden: fünf Hektoliter Hofbräuhausbier.

Pfarrer Was?

Posthalter Das hat mein Freund, der Rettinger, eigens aus München g'schickt, weil er weiß, daß 's Hochwürden so gern trinken.

Pfarrer Zu aufmerksam vom Herrn Rettinger! Er kommt doch hoffentlich selber zu unserem Fest?

Posthalter Freilich, heut' abend schon, zu der Theaterprob' mit 'm Götzensperger.

Pfarrer Mit dem Herrn Aktuar?

Posthalter Der hat uns ja eigens das Festspiel zu der Fahnenweih' geschrieben.

Pfarrer Ja der Herr Götzensperger ist ein famoser Dichter! Und der kommt also mit? Das ist fein. Vielleicht schau ich da doch noch auf einen Sprung zu der Prob' her, wenn's mir meine Zeit erlaubt.

Posthalter Oh, das war schön.

Pfarrer Aber jetzt muß ich fort. Empfehlen Sie mich der Frau Gemahlin und leben Sie wohl, Herr Posthalter! Er gibt ihm die Hand, die der Posthalter, nachdem er sie geschüttelt hat, noch einen Augenblick festhält.

Posthalter sieht sich um und spricht leiser: Ich... ich hätt' zwar gern noch ein Wort mit'm Herrn Pfarrer gesprochen.

Pfarrer Was gibt's denn?

Posthalter Es is' eigentlich hier net der Ort... Laut und scharf: Du, geh a hinter zu de' andern, Seehansele, und arbeit' was!

Seehansele schaut ihn verbissen an und schleicht zu den Burschen.

Posthalter Es betrifft nämlich 's Findelhaus, Hochwürden.

Pfarrer Das Findelhaus?

Posthalter Oder vielmehr die Gregoriwiesen, auf die das Findelhaus baut wird.

Pfarrer So? was ist denn damit?

Posthalter Der ganze Platz soll mir ja doch von der Gemeinde verkauft werden, net?

Pfarrer Versteht sich von selber. Wie können Sie denn sonst das Findelhaus hinbauen?

Posthalter Ganz schön. Mich macht bloß das eine stutzig, daß ich von der Gemeinde noch keinen offiziellen Bescheid hab'.

Pfarrer lachend: Das ist es? Oh, darüber machen Sie sich keine Sorgen!

Posthalter Meinen Hochwürden net, daß vielleicht so a Neidhammel kommen könnt und...

Pfarrer Wär' nicht übel! Wenn Sie da nunter eigens so ein teures Findelhaus stiften, nachher wird man wohl auch ein Entgegenkommen zeigen und Ihnen den Platz um entsprechendes Geld überlassen.

Posthalter Ja, wenn das Hochwürden selber sagen!

Pfarrer Versteht sich! Ich hab das alles dem Gemeindekollegium schon entsprechend vorgestellt, Sie kriegen den ganzen Komplex.

Posthalter Ja, nachher!

Pfarrer Sie und kein anderer! Meinen Sie vielleicht gar, ich möcht' einen Menschen, wie den Mohrenwirt, auf dem Grundstück?

Posthalter G'rad den hab ich eben im Verdacht, daß er auf die Wiesen spekuliert hätt'.

Pfarrer Kann schon sein, aber da gibt's nichts, ich und der Bürgermeister sind ganz einig, die Gregoriwiesen bekommen Sie.

Posthalter schnell: Also is' schon fest beschlossen?

Pfarrer im Gehen: Ich plaudere da zwar a bissel aus der Schul und – lächelnd – mindere eine Überraschung –

Posthalter ebenfalls lächelnd: Oh! oh!

Pfarrer Aber weil Sie mich gefragt haben, sollen Sie 's wenigstens andeutungsweise erfahren.

Posthalter Ich weiß wirklich gar net, wie ich 'm Herrn Pfarrer für die vielen Bemühungen danken soll.

Pfarrer Keine Ursach! Wer so viel tut, der soll auch den Lohn haben, – unter der rechten Türe – die Bauern können nur froh sein, wenn ein Mann, wie der Herr Posthalter, sich für immer hier festsetzt. Das ist ja klar, da...

Die letzten Worte spricht er bereits im Verschwinden zu dem ihn begleitenden Posthalter. Größere Pause. Seppl steht auf der Leiter und legt, nachdem er das linke Ornament während der vorigen Szene geschmückt hat, auf der inzwischen nach rechts verschobenen Leiter eine Girlande um den anderen Spruch.

Seehansele der hin und her getorkelt, kommt nun nach vorne und betrachtet neugierig die Fahne: Hi hi... glaub's, glaub's, daß der Fahna 'm Pfarrer g'fallt, hi hi... er is scho schön.

Burgl wirft die Girlanden in den Korb: Wie, Vater? Laß mi aber sehen... Ah, der is schön, der muß viel Geld kost't haben.

Lorenz der Seppl die Leiter hält: Mehr schon, als ihr euch denken könnt's.

Seehansele höhnisch: Der Herr Posthalter hat's halt.

Seppl Und wenn 's der net hat, nacher hat's der Herr Rettinger.

Lorenz ärgerlich: Schlag deine Nägel ein, daß der Spruch net 'runterfallt.

Seehansele wieder am Tische links vor dem leeren Maßkrug: Vom Herrn Rettinger mag der Lorenz halt nix wissen.

Seppl lachend: Scheint net.

Lorenz Lach net so dumm, schau g'scheiter nach, ob 's fest halt da droben.

Seppl Es werd scho halten, mein i.

Seehansele Wenn 's net halt, fallt 's eh wieder runter!

Lorenz Ja, war mir scho recht!

Seehansele Liegt was d'ran, wenn 's 'm Stadtfrack auf 'nicht Kopf haut?

Lorenz Geh, damischer... Seppl, mach, daß d' runterkummst, i mag nimmer länger dastehen.

Burgl Na, is der Fahnen schön!

Lorenz zu Seppl, der herabgestiegen ist: So, und jetzt trink aber Bier. Er hält ihm den Krug hin.

Seehansele Ja, bal ans da war!

Lorenz Habt's keins mehr? No, nacher b'stelln wir halt a neu's, beim Posthalter kommt 's auf a Maß mehr oder weniger net an.

Seppl Du mußt 's ja wissen, bist ja fast selber der Herr im Haus.

Lorenz geschmeichelt: No, des bin i grad net.

Seehansele Wir glauben dir 's scho'!

Lorenz Aber a Maß derf i scho no b'stelln...

Seehansele O mei, 'n Banzen, du darfst ja all's.

Lorenz lacht: Geh' nein, Burgl, bring eine her, oder na, bring glei zwei, bring glei drei Maß, brauchst bloß z' sagen der Lorenz hat 's b'stellt.

Seehansele Der Frau Posthalterin ihr Allerliabster.

Lorenz lachend die Hand erhebend: Ah, halt dei...!

Burgl rechts ab. Größere Pause.

Seehansele Ja, ja, die Frau Posthalterin –

Seppl Und der Herr Posthalter –

Seehansele Dös san Herrschaften.

Lorenz Sell braucht's aber gar net so höhnisch z'sagen, was haben s' enk denn tan?

Seehansele Nix haben s' mir tan.

Lorenz No ja, nacher seid's a net so griesgrami, jetz kommen lustige Tag.

Seppl I mach'n Schädel, wie i mag.

Lorenz Aber spötteln sollst net alleweil über die Leut, die uns was z' verdienen geben.

Seppl A schöner Verdienst, des Theaterspielen! I pfeif dir drauf, auf die ganz Komödi pfeif i.

Lorenz Brauchst ja net mitspieln, zwingt di ja kei Mensch.

Seppl Bal i a rechtschaffene Arbeit hätt', kriaget mi a keiner da nauf auf den Pamperlkasten.

Seehansele Mi a net.

Lorenz Aber tragen tut die G'schicht halt do was, ha?

Seppl Der Mensch muaß leben, des is der Fluch.

Seehansele gewichtig: Ja, ja!

Lorenz Ah, was! Leben und leben lassen, sagt der Posthalter.

Seehansele Ha, der Posthalter, der sagt gar viel, der tuat si' leicht, der hat jetz' 's Komödispieln eing'führt im Dorf und stellt uns als ang'malte Tropfen da 'nauf, und er selber, er sauft Schampanija mit seine Stadtfreundeln.

Lorenz Und du ärgerst di, weil er di net eing'laden hat dazu!

Seehansele Mei Liaba, i hab selber Schampanija trunken und hab' n a selber zahlt. I war der größte Bauer weit und breit, i bin sogar scho amal vierspänni g'fahrn auf München eini.

Lorenz Aber verkracht bist a dabei, samt die vier Roß und samt 'n Schampanija.

Seehansele Weil mi die Menschheit, die miserablige, elend hat sitzenlassen.

Lorenz So, deswegen?

Seehansele Ja, deswegen! Zu mir is kei Herr Rettinger kommen, der mir meine Schulden zahlt hätt, wie zum Posthalter.

Lorenz schnell: Stad bist d'!

Seehansele So ein', wenn i g'habt hätt, nacher hätt mei Burgl no' woaß Gott wen heiraten können, und brauchet jetz net mit 'm Seppl 'rumzieh'n.

Seppl I bin enk wohl net guat g'nug, ha?

Seehansele A was, i hab nix g'sagt, aber, wenn i dran denk an die Zeit, wie s' mir mitg'spielt hab'n, alle die schuftigen Kerl, nacher könnt i, nacher wollt i... Er ist zusammengefahren, weil er Kederbauer, Mutzenbauer und den Mohrenwirt unter der Verandatür gewahrt ... nacher...

Lorenz No, nacher?

Seehansele hat sich erhoben, immer den wütenden Blick auf Kederbauer geheftet, der mit seinem Bruder nach vorn kommt: Z'sammhaun könnt i an jeden, der beitragen hat zu mei'm Unglück.

Kederbauer sehr ruhig zu den anderen: Ist der Posthalter net da?

Lorenz Na, aber er werd bald wiederkommen.

Mohrenwirt setzt sich an den Tisch rechts, auf dem die Fahne ausgebreitet liegt: Also warten wir. Kederbauer und Mutzenbauer setzen sich zu ihm.

Seehansele immer mehr erregt, kommt zwei Schritte Kederbauer näher: Was i g'sagt hab, z'sammenhaun könnt i so an, da sollt 's mir auf a paar Jahr Zuchthaus net ankommen.

Mohrenwirt Was hat denn der Kerl?

Mutzenbauer Hi, hi, hi, der Seehansele!

Lorenz Was willst denn? Es tuat dir ja neamd was an!

Seehansele Hab a gar koa Angst, aber andre müssen Angst habn vor mir, andre, die kei so guats Gewissen habn.

Mohrenwirt Jetz, der is gut troffen.

Seppl Geh, Vater, oes habt's ja an Rausch!

Seehansele Von dene paar Maß? I kann no guat gehn und kann dem da fest in d' Augen glotzen.

Kederbauer barsch und ohne sich zu rühren: Was willst du?

Seehansele Anschaug'n möcht i di amal beim Tag, denn damals in der Nacht, woaßt scho, wann i moan, da hab i di net recht g'sehn, weilst a Larven ang'habt hast und n' falschen, langen Bart.

Kederbauer Wann?

Seehansele In dera Nacht, wo du mir – laut schreiend – 's Haberfeld trieben hast!

Kederbauer fest: Wer sagt des?

Seehansele I sag dös, du bist der Habermeister von der ganzen Gegend.

Kederbauer Des muaßt d' mir beweisen.

Seehansele Oh, bal i's nur könnt, bal i's nur könnt!

Kederbauer Ja, des is 's eben.

Seehansele Aber du bist 's... du bist 's do g'wesn, und seit dera Zeit verfolgt mich 's Unglück.

Kederbauer Hab i dei Geld verputzt?

Seehansele Haberfeld hast mir trieben!

Kederbauer Des hat a jeder und koaner tan.

Seehansele Aber du warst der Anführer, und i möcht di zum Dank in's Zuchthaus bringen, i möcht di...

Burgls Kind ist von der Bühne herabgefallen und schreit mörderlich, alle blicken zurück.

Seehansele wütend zu Seppl: Geh, hau dem Malefizbankert a paar runter!

Seppl zerrt das weinende Kind nach vorne: Bist net stad, meinst net – daß d' stad bist, wart i komm dir!

Burgl erscheint hastig an der rechten Tür mit drei Krügen: No, was gibt's denn scho wieder?

Seehansele Paß auf dein Pamsen auf und laß 'n net so rumschiab'n! Er setzt sich auf seinen alten Platz und blickt unausgesetzt zum anderen Tische hinüber. Dabei trinkt er viel und hastig.

Burgl Bal i a Bier hol, des machst scho guat, Vater.

Seppl Hättst 'n halt mitg'nommen! Des verfluchte Geschrei! 'n ganzen Tag muß ma' 's hören, von in der Fruah bis auf d' Nacht, bal ma drei so Pamsen hat und bal der ein' mehr schreit, wie der ander!

Lorenz spöttisch: Ja, Seppl, warum hast aber a soviel g'arbeit im Weinberg des Herrn!

Seppl A was, laß mir mei Ruh, der verdammte Spektakel!

Burgl führt das Kind weg und schiebt es zur Bühnentür hinein, dann kehrt sie zum Tische links zurück.

Mohrenwirt bissig: No, des wird jetzt alles anders und besser, wenn erst einmal das schöne Findelhaus vom Herrn Posthalter auf der Gregoriwiesen steht.

Lorenz lachend: Natürli, da kann er alle seine drei Sprößling unterbringen, nacher hört und sieht er nix mehr davon.

Mutzenbauer lacht stumpfsinnig: Hi, hi, hi, hi. Da... da werd's Kinder geben im Dorf.

Mohrenwirt Die Buabn und Mädeln waren ja dumm, wenn's net alle Jahr Zwilling' b'stellen tat'n.

Seppl Ah, hörts auf, i will nix mehr wissen.

Lorenz Recht hast, Seppl, der Mohrenwirt muaß a net gar so anzüglich auf des Findelhaus werden, er hat kei Geld dafür hergeben, der Posthalter is so splendid g'wesen.

Kederbauer Oder noch a anderer.

Mohrenwirt höhnisch: Aus München.

Mutzenbauer lacht wieder stumpfsinnig.

Mohrenwirt Des müaßt ma net spannen!

Lorenz Der Posthalter tuat's amal stiften, und damit is ferti.

Kederbauer Na, ferti is no net, denn andre Leut haben da aber no mitz'reden.

Lorenz Wer hat mitz'reden?

Kederbauer Vor allem amal die G'meinde.

Lorenz De gibt 'm Posthalter d' Wiesen.

Kederbauer Wir Bauern, wir reden aber da no a Wort drei, vor allem i.

Lorenz Du?

Kederbauer Ja, i! I red für die halbete G'meind und a für mein' Bruader, denn der werd z'erst ruiniert durch den Schwindel mit der Gregoriwiesen.

Lorenz Wie leid't denn der an Schaden, wenn der Posthalter da nunter a Findelhaus baut?

Kederbauer Des sogenannte Findelhaus schädigt 'n net, aber was der Posthalter sonst no anbaut, wenn er amal die Platz hat, des ruiniert mein Bruader.

Mutzenbauer Ja, ja, ja... des... des... ruiniert mi, ha, ha, ha!

Lorenz Was soll denn der Posthalter no viel hinbauen?

Mohrenwirt Des wird er wohl wissen.

Kederbauer D' Gregoriwiesen is gar groß, da geht viel 'nauf.

Mohrenwirt Und wegen 'm Findelhaus allein wird er die Gregoriwiesen net kaufen.

Kederbauer Des macht er kei'm Kuckuck weis.

Mutzenbauer Hi, hi. Kei'm toten Hund.

Mohrenwirt Wir wollen uns amal nach 'm Jahr sprechen, da wer'n wir a Mordshotel da drunten sehn.

Kederbauer Und dann is mei'm Bruader sei Anwesen, des an die Gregoriwiesen angrenzt, einfach kaputt und verbaut.

Seehansele Da freu i mi nacher, bald a amal oaner von enk zwoa drinsitzt, Kederbauer.

Mohrenwirt De wehren si schon, du alter Süffling du, es gibt scho no Bauern im Dorf, die's no net ganz geduldi mit anschaugen, daß Hochwürden Herr Pfarrer und der ganze Magistrat die Gemeindeplätz einfach loshauen wollen für a Schandgeld.

Kederbauer Und daß 's Findelhaus 'n Namen für die feine G'schicht hergeben muß.

Lorenz Ja, was wollt's denn eigentlich nacher?

Kederbauer Wir wolln 'n Posthalter fragn, ob de Rederei wahr is, de im Dorf geht.

Lorenz Was für a Rederei?

Kederbauer Daß ihm die Gemeinde d' Gregoriwiese, de unser wertvollster Gemeindeplatz in der besten Lag' is, um 'n Spottpreis verkaufen will.

Mohrenwirt Und weil mi des a interessiert, hab i die zwei begleit't.

Lorenz Da soll der Kederbauer zum Pfarrer oder zum Bürgermeister gehn, da kriagt er Auskunft.

Kederbauer Die wollen nix wissen, da war i schon lang.

Seehansele mit etwas schwerer Zunge: Und bist abg'fahren, dös freut mi, Kederbauer, sixt, dös freut mi.

Lorenz Und beim Posthalter fahrt er a ab! Dafür steh' i.

Seehansele Freili fahrt er ab.

Kederbauer Des wolln wir sehn.

Lorenz Ich garantier' dir dafür und ganz recht g'schieht's dir, wenn d' abfahrst. Der Posthalter tut alles mögliche für uns, er laßt a Geld aufgeh'n, er laßt Theater spiel'n, jetzt hat die Frau Posthalterin wieder de großartige Fahnen g'stift.

Mohrenwirt Die Fahnen, das is erst 's rechte.

Kederbauer Die Frau Posthalterin als Fahnenpatin is eh scho gut.

Mutzenbauer Und der Herr... der Herr Rettinger daneben... ha... ha...

Lorenz Ah, du alter Troddel, mit dir is net z' reden, du verstehst ja net, was uns Geld eingeht durch die Leut!

Kederbauer Haben wir ebba was davon?

Lorenz Wohl haben wir was! Fremde kommen zu uns rein, die Anwesen steigen im Preis. Ja, und was i no' g'hört hab'! Unser Theater macht a Reis' um die Welt, nach Chicago, nach Paris und überall hin, bal 's amal besser bei'nander is.

Kederbauer Solche Spassetteln gehn uns hiesige nix an.

Lorenz Bin i am End net von hier?

Kederbauer verächtlich: Du bist koa Bauer mehr, du bist a halbeter Stadtfrack.

Lorenz eher geschmeichelt: Kannst am End recht haben, will so nix mehr wissen von dem Nest. I will lusti sein und will leben, i kümmer' mi nix um euern ganzen Krempel, und, gelt, – zum linken Tische – oes macht's es grad so?

Seehansele Grad so mach ich's.

Lorenz Jetzt g'fallst mir wieder, Seehansele. Halt nur fest zum Posthalter und laß di net irrmachen. Durch den Mann kannst dei ganz' Geld wiederkriegen. Wart, i laß a neu's Bier bringen, der Seppl hat so leer, Burgl a, wir trinken und trinken und werden alle miteinander no' große Künstler. Hurra, ha, ha, ha. Eilt zur Verandatür. Rosl, Rosl, a Bier her, a Bier her! Wieder zu den andern. Köpf in d' Höh, hat unser Oberst beim Militär g'sagt und lusti und lusti und alleweil fidel, – lachend – des hat er freili net g'sagt, ha, ha, ha, ha. No', wo bleibt denn die Bedienung, he, Rosl, Rosl, he, was is denn?

Rosl kommt eilig von rechts angerannt: Was meinst denn du, daß d' so schreist, b'soffener Kerl?

Lorenz theatralisch, aber immer mit Anflug von Dialekt: Rosl, umarme mich, ich liieebe dich!

Rosl Geh, spinnender Tropf, sei stad! Drunten vor der Veranda stehen Fremde bei der Posthalterin.

Lorenz So, laß sie hereinkommen und an meinem Busen ruhen!

Rosl stößt ihn weg und geht zum Tisch links: Wieviel Maß kriegst's ös?

Seehansele Soviel 's halt 'm Posthalter leid't.

Lorenz sehr geschäftig: Vier Maß bringst und schaugst bald wieder nach, ob's net leer sind. Wieder theatralisch, indem er sie zur rechten Türe geleitet: Gelt, Rosl, geliebtes Wesen? Er zwickt sie in die Hüften, daß sie laut quiekst und eilends hinausstürmt. Er schaut ihr nach, lacht unbändig und haut mit der Hand auf den Schenkel. So was! des gibt a Hetz, na, des gibt a Hetz! Wie vom Schlage getroffen taumelt er zurück und verändert seine Stellung, da ihm plötzlich die Wehrmüllerin, ein schwarzes Kopftuch übergeworfen, entgegen tritt. Was is! Was suchst du da?

Wehrmüllerin Di suach i.

Lorenz Zu was?

Wehrmüllerin Zu der Arbeit will i di hab'n.

Lorenz I hab jetzt koa Zeit.

Wehrmüllerin Du hast koa Zeit? und draußen steht d' Mühl scho' drei Tag, die Bretter sollen längst abg'liefert sein und du...

Lorenz Hol 'n Hannes vom Jochmüller rüber, der hilft dir.

Wehrmüllerin 'n fremden Menschen? Und wie soll i 'n denn zahl'n? I hab ja koa Geld mehr im Haus, i woaß ja net, was i anfangen soll.

Lorenz Ach mach, was d' willst!

Wehrmüllerin Des is aber do a Schand und a Spott! 'n Hanswursten kannst machen da herin, aber arbeiten willst nix, du nixnutziger Mensch, du!

Seehansele Au weh, Lorenz, jetzt hat's di, ha?

Alle lachen mit Ausnahme Kederbauers und Mutzenbauers. Letzterer glotzt stumpfsinnig vor sich hin.

Rosl die während der letzten Worte eingetreten ist und das Bier gebracht hat: Jetzt hockt er eahm.

Mohrenwirt Das großartige Reden von vorhin hat er a bissel verlernt.

Lorenz Was? 'n Finger ließ i mir abhacken, eh, daß i nachgeben tat.

Wehrmüllerin Und bal wir betteln müssen?

Lorenz I brauch' net betteln gehn, da derfst kei Angst net habn.

Seehansele Für was war denn d' Frau Posthalterin da?

Wehrmüllerin Hast 's g'hört, was der g'sagt hat? So red't scho 's ganze Dorf von dir.

Lorenz Jetz wird 's mir aber z' dumm.

Wehrmüllerin Mit die Finger deuten's scho auf di!

Lorenz Hör' auf, sag i.

Wehrmüllerin Des bal dei' seliger Vater derlebt hätt, – mit geballter Faust – der hätt di derschlagen.

Lorenz Mei Ruh will i habn.

Wehrmüllerin Heim gehst, sag i, zum letztenmal.

Lorenz sehr roh: Bal i amal net mag, na mag i net.

Wehrmüllerin fallt auf einen Stuhl: Oh, des is entsetzlich, jetzt, jetzt kommt – sie geht zum Weinen über – der Gerichtsvollzieher ins Haus und versteigert des ganze Anwesen...

Lorenz gereizt auf und ab gehend: Fang 's Flennen a no an.

Wehrmüllerin Und mi schmeißen 's auf d' Straßen 'naus.

Lorenz Weißt was? So verdirbst mir höchstens mein' Humor, hast mi verstanden? Pause. Mein' Humor verdirbst mir! Er geht noch erregter herum, sein Blick fällt auf Kederbauer, der die ganze Szene sehr aufmerksam verfolgt. Brauchst mi gar net so dumm anz'schaugn, Kederbauer, di geht 's nix an. Willst was sagn?

Kederbauer sehr ruhig: I sag gar nix.

Lorenz Des is a dei Glück, es geht neamd'n was an, kein Menschen geht 's was an und überhaupts, des paßt mir net, daß du – zur Wehrmüllerin – mi da so stellst, denn i laß mir nix g'falln, i bin majorenn.

Wehrmüllerin steht auf: I will nix mehr von dir, i geh scho.

Lorenz Is a 's beste.

Posthalterin, Fr. Wanninger mit Tochter, Fr. Specht und Frl. Schaitzach erscheinen langsam an der Verandatüre. Posthalterin trägt dunkles Hauskleid mit cremefarbener, gestickter Schürze und Schlüsselbund. Die anderen Damen in Straßentoilette mit Hut und Sonnenschirm.

Wehrmüllerin I geh, aber büßen muaßt's noch, was du mir antan hast, auf der Welt und in der Ewigkeit. Sie eilt durch den Ring der Eintretenden hastig nach rechts hinaus, alle sehen ihr erstaunt nach.

Fr. Wanninger Ach, die Alte ist gut!

Fr. Specht Wer war denn das?

Posthalterin ist zu Lorenz geeilt: Was is denn da los g'wesen? Schämt 's euch denn gar net?

Lorenz macht eine ärgerliche Bewegung.

Seehansele Net viel war los, der Lenz hätt bald sei Mutter g'haut.

Posthalterin sehr schnell: Natürlich der Lorenz wieder! Und die verrückte Müllerin hat gar nix getan, kann mir's schon denken. Heftig zur gaffenden Rosl: Mach, daß d' in d' Schenk kommst! Rosl rechts ab.

Fr. Specht tritt etwas vor: Wir stören wohl noch in der Prob'?

Posthalterin dreht sich verlegen um. In ganz verändertem Tone: Oh, nein, die hat ja noch gar net ang'fangt.

Fr. Wanninger gleichfalls mehr nach vorne: Hat no gar net ang'fangt? Was? Plötzlich in lautes Lachen ausbrechend: Ah, dann is sehr gut, sehr gut.

Fr. Specht Warum lachen S' denn so, Frau Rentbeamte?

Fr. Wanninger I muß so lachen, denn denken S' Ihnen, ich hab', – neues Lachen – ich hab' in meiner Dummheit des alte Weiberl, was da grad 'naus is, für eine, – sie lacht wieder – für eine von den Schauspielerinnen g'halten, so natürli hat sie 's g'macht. Ha, ha, ha, ha.

Fr. Specht Ja gelten S', Frau Rentbeamte, mir is fast grad so 'gangen, i hab g'meint, es war vielleicht die – die Heldenmutter, weil's gar so von der »Ewigkeit« g'redt hat. Beide lachen fürchterlich.

Posthalterin der diese Unterhaltung sichtlich fatal ist, zieht die Eingetretenen mehr nach vorne: Es ist mir sehr ungenehm, daß die Damen grad so was haben sehen müssen, aber...

Fr. Wanninger Oh, bitte!

Posthalterin Aber die Müllerin ist eine ganz ordinäre Person, die keinen Anstand und kein Benehmen hat.

Fr. Specht Was Sie sagen?

Posthalterin Sie hat kein' Funken von Dankbarkeit für das viele, was wir ihrem Sohn tun.

Fr. Wanninger Es gibt halt scho recht garstige Leut auf der Welt, net wahr, Frau Spezialkassier?

Fr. Specht Na, und ob.

Posthalterin B'sonders hier... aber, bitte, wollen die Damen denn nicht die Fahne betrachten? Sie kommt mit den Damen ganz nahe heran und bemerkt den Mohrenwirt, der grüßt. Ah, der Herr Moosreiner! Was verschafft uns denn die sonderbare Ehr?

Mohrenwirt erhebt sich: I will Sie net stören, i hab' 'nicht Posthalter g'sucht.

Posthalterin spitzig: Den finden 's entweder im Keller oder auf 'm Speicher, oder im Dorf! Man hat so viel zu tun in so 'm großen Hauswesen, b'sonders, wenn ma' aber Fest arrangiern muß.

Mohrenwirt bissig: Kann mir 's denken, Frau Posthalterin. Werd' 'n Herrn Gemahl scho' finden. Habe die Ehre! Zu Kederbauer und Mutzenbauer: Macht's weiter!

Mutzenbauer der sich nicht erheben will: Aber i muß 'nicht Posthalter no'...

Kederbauer Steh auf, wir kriag'n 'n scho'.

Alle drei gehen langsam dem Hintergrund zu und dann durch die Verandatür ins Freie.

Die Damen, mit Ausnahme der Posthalterin, sind während der Szene an die Fahne getreten und haben ihr Entzücken durch lebhafte Gebärden ausgedrückt.

Posthalterin wendet sich zum linken Tisch: Und was wollt's ihr da? Ihr habt's g'nug z' tun auf'm Theater oder habt's euere Rollen z' lernen. Seid's so freundli und richt's euch her, der Herr Aktuar wird heut' abend a strenge Prob' halten.

Die Angeredeten und Lorenz verziehen sich während der folgenden Szene mit ihren Krügen nach rückwärts und verteilen sich auf der Bühne, wo sie sich zu schaffen machen. Seehansele und Lorenz nehmen erst langsam die Leiter ab und tragen sie zur linken Türe hinaus. Dann kommen sie wieder und schlendern auf der Bühne herum, wo sie in die rechte, vordere Ecke ein Tischchen und dahinter einen Stuhl stellen. Seppl und Burgl ergreifen kurz vor dem Auftreten des Posthalters den Korb mit den Tannengewinden und entfernen sich damit durch die Bühnentüre. Lorenz folgt ihnen später durch die gleiche Türe.

Fr. Wanninger ganz begeistert: Nein, nein, nein, so was! Ach, Frau Posthalterin, die Fahne is zu schön!

Fr. Specht Wunderbar!

Fr. Wanninger zu Fräulein Schaitzach, die immer die Betrachtende und Kühle spielt: D' Fräul'n Marie wird's natürli eh' scho' g'sehn hab'n.

Frl. Schaitzach sehr ruhig: Bis jetzt noch net.

Fr. Wanninger Ja, schaun's nur! Die Stickerei! Wally, paß auf! Den heiligen Vincentius hat ja d' Frau Posthalterin selber g'macht.

Wally Was?

Fr. Specht Gelt, da schauen's, Fräulein Wally? Nehmen's Ihnen d' Frau Posthalterin nur zum Muster.

Fr. Wanninger Jetzt muß i aber scho' recht unb'scheiden fragen. Frau Posthalterin! Was mag die Fahne wohl kost' haben?

Posthalterin geschmeichelt: Davon soll ma' ja eigentlich net reden, weil's doch für so 'n hohen Zweck is.

Fr. Wanninger Nein, Sie haben ganz recht, man soll eigentlich net davon reden, aber natürlich, 's interessiert ein' halt doch! net wahr, Frau Spezialkassier?

Fr. Specht Oh, freilich, interessiert 's ein'.

Posthalterin Im strengsten Vertrauen kann ich's ja sagen, die Fahne kommt uns auf rund zwölfhundert Mark.

Das Sonnenlicht vor der Verandatür läßt etwas nach. Es beginnt sehr allmählich zu dämmern, doch bleibt die Szene bis zum Auftragen der Lampen immer noch hell und genügend erleuchtet.

Fr. Wanninger Ja, gelt, Frau Spezialkassier?

Fr. Specht Des is a schön's Geld, des will verdient sein, nun, ich mein aber auch die Leut hier müßten der Frau Posthalterin doch auch so dankbar sein, daß sie's ordentlich auf die Händ' tragen.


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