Josef Ruederer
Prinz Dschem
Josef Ruederer

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Cäsar wendet sich laut lachend zu Sforza:
Mein lieber Vetter, hocherlauchter Herzog,
Euch dank' ich einzig, daß die Krämerseelen,
Die widerwärt'gen, endlich Reißaus nahmen,
Daß sie das eigne Bild verzerrt im Spiegel
Des andern mit Entrüstung wiederfanden,
Und nun, so wünsch' ich, alle drei vereint,
Sich fressen wie die Schlange das Kaninchen.
Drum kommt zu mir, ich nenn' Euch einen Mann,
Und obendrein Verbündeten und Bruder.

Sforza Ihr seid ein fürchterlicher Mensch.

Cäsar                                                         Warum?
    Auf Lucrezia weisend:
Fragt diese da, die sagt's Euch auf den Kopf,
Don Cäsar kann auch zärtlich sein und lieben;
Gelt du? Steh' nicht so steinern an dem Sarg,
Tanz' oder sing', mach', was du willst, lieb Schwester,
Nur keine tragische Grimasse.

Lucrezia                                         Geh!

Vanozza Ja, geht. Ihr beide geht, du und der Papst.

Alexander Giovanni, Herzog, sprecht, warum das mir?

Sforza Ihr traft mich stets mit unfehlbarem Hieb,
Jetzt wollt' auch ich beizeiten sichergehn. Er strebt zur Türe.

Cäsar indem er ihm entgegentritt:
Laßt Euch, bevor Ihr scheidet, noch erzählen
Ein fein' Histörchen, wie man's selten hört,
Im Stile des Boccaccio.

Alexander                             Wie, du willst?

Vanozza In diesem Augenblick?

Cäsar                                           Vielleicht gefällt's auch Euch,
Vielleicht Lucrezia und auch der Mutter,
Denn die Geschichte münzt sich nicht auf ihn,
Auf ihn allein, sie ist nicht eng begrenzt,
Sie hat vom Weltgeist was, drum hört mich an!
Es war ein junger unerzogner Bursch,
Ein frisch ernannter Kardinal des Papstes,
Der hatt's auf eins der süßesten Geschöpfe
Der ganzen Stadt, ein Wesen zart und jung,
Mit goldnem Haar und wundervollem Aug',
So schön, na, seht Euch meine Schwester an,
Dann habt Ihr gleich das volle Ebenbild,
Und stellt Euch weiter vor, dies Kind vermählt,
Vermählt mit Gott, dem Herrn, wie eine Nonne,
So treu, so dienend und so fromm. Was tun?
Der junge Bursch, der Kardinal, er trug
Zu jener Zeit noch was in seiner Brust,
Was man so glatthin dumme Ehrfurcht nennt,
Vor einer Schwester und dem Kind zugleich.
Drum nahm er seine Zuflucht zu 'nem Freunde,
Der ihm so nah als wie der eigne Bruder,
Ja, Bruder, fassen wir das Wort beim Kopf;
Den weiht' er ein und bat um Beistand ihn,
Denn, Ihr versteht, er wollte sichergehn.

Sforza Was soll das im Vergleich auf mich?

Alexander sehr unruhig:                                 Don Cäsar!

Vanozza Entsetzlich' Bild, was werden wir vernehmen?

Cäsar Geduld, jetzt fängt erst die Geschichte an.
Denn, stellt Euch vor, der Bruder, nein, der Freund
Nahm an, doch während um das Weib er warb,
Vergafft' er sich in dieses Himmelswesen
So stark, so rettungslos und blind,
Daß er den Freund aufs niedrigste verriet.
Was soll ich sagen, das er alles tat und log?
Er stellt' ihn dar als schrecklich Ungeheuer,
Als einen Fant, der jeden Meineid schwört,
Als aller Menschheit Auswurf und Betrüger.
Der Kardinal jedoch, verfemt, geschmäht,
Geächtet, wie er war, griff zu dem Schwert,
Und als in einer schwülen Sommernacht
Die beiden er so fand, wie er's geträumt,
So wild verschlungen wie ein Pantherpaar,
Erschlug er ihn, wie Kain den Abel schlug,
Denn, Ihr versteht . . .

Sforza fällt hastig ein:         Ihr wolltet sichergehn.

Alexander Mein Sohn!

Vanozza mit zitternden Händen:
                                Da ist's, da habt Ihr's!
    Gegen Lucrezia:                                       Was sagt die?

Cäsar mit gellendem Gelächter.
Die? Ha, ha, ha, erst geht's um mich!

Alexander                                                 Hör' auf!

Cäsar Blut ward geleckt, jetzt wurd' es mir zum Trank,
Zum täglichen, und in der Gier, dies Weib,
Dies sinnlos angebetete zu küssen
Und mein zu nennen, stier vor Eifersucht,
Zerbrach ich jeden, der ihr nahe kam,
Kaum daß vom Rand der Lippen er genippt,
Zerbrech' ich jeden, der ihr nahe kommt.

Sforza Dann gebt auch mir den Rest; ich kann nicht leben,
So niederträchtig es erscheint, so klein,
Bin ich von diesem Weibe fern.

Cäsar indem er sich erst gegen den schlafenden Dschem wendet:
                                                  Um Euch ist's nicht,
Ich denk' an einen andern, denk' an ihn,
Der jetzt vor uns in sel'gen Schlaf versunken,
Auch denk' ich an die sonderbare Mischung,
Die Ihr so gut, so kenntnisreich geschildert,
Doch nicht zuletzt denk' ich an Euch, mein Vater,
Und frag': Wo ist's, das vielgerühmte Gift?
Wann endlich hat es die erhoffte Wirkung?

Alexander ringt die Worte schwer heraus:
Mensch, Sohn, was rollst du auf in mir?

Vanozza                                                         Bist Kain!

Alexander Don Gandia, dein Bruder, dieser Mord!
Und dann, welch' Wahnsinn, dieses Spiel, der Sarg?
Ich bin nicht schuld, will nicht den Tod des Prinzen.

Cäsar Wollt wie der Heiland nicht den Tod des Sünders,
Wollt, daß er lebe, sich als Christ bekehre,
Und doch, er geht nicht aus dem Sinn, der Spruch:
Um dann am dritten unter Höllenqualen
Die Brust und Därme jählings zu zerreißen.

Alexander Noch einmal, ich hab' nichts gemein mit dir,
Und was du tust, es fällt auf deine Rechnung.

Cäsar Das trüg' ich noch, denn wahrlich, dort steht viel!
Indes, Ihr spracht doch mit Ben Ali Bey,
Dem türkischen Gesandten einen Tag,
Berietet schwer und jetzt – ein altes Weib,
Steht Ihr vor Eurem Sohne wie Vanozza.

Alexander Dies mir!

Cäsar                         Ja, dir und der, Lucrezia,
Die nur noch schielt nach diesem Prinzen.

Alexander                                                         Geh!

Cäsar Geht Ihr herab von Gottes Thron, ich bleib'
Und weiß nach meinem eigenen Gesetz
An Eure Statt mich heute noch zu stellen.

Alexander Du willst?

Cäsar                           Mir ist's um Macht, nicht um den Prunk.
Nur wer zu handeln weiß, das merkt, bleibt oben.

Alexander Nun denn: Bis die Gesandten wiederkehren,
In einer Stunde steh' ich Red' und Antwort.
    Er tritt langsam vom Thron herunter und geht zu Lucrezia.
Leb' wohl, mein Kind.

Lucrezia schmiegt sich an ihn: Mein Vater!

Alexander                                                     Keine Furcht!

Cäsar Macht's mit dem Abschied nicht zu lang, und dann
Reicht, eh' Ihr geht, auch diesem Sünder da
Noch einmal Eure Rechte, reicht sie ihm!

Alexander zu Sforza: Ihr habt uns weh getan, es sei verziehn.
    Er macht das Zeichen des Segens über Sforza und geht ab.

Lucrezia Auch ich vergeb' Euch, wie es Christenpflicht.

Sforza Was soll das sein?

Vanozza                             Mir ist's, als läute eine Glocke.

Cäsar Die ruft mich ab, kommt, Freund und Schwager, mit.

Sforza Wozu?

Cäsar               Der Vatikan ist weit gedehnt,
Ein Riesenbau voll brütender Verstecke;
Steigt Nebel hoch vom Tiber, kann es sein,
Daß auf so manchem Flur das andre Ende
In Dunst vergeht, gleich einem Spiegelbild,
Auch huschen Ratten, Mäuse auf und nieder
Im Dämmerschein, man weiß nicht, wo man tritt,
Drum reich' ich Euch den Arm, Ihr zieht mit mir
Erhobnen Haupts; ich sag', Ihr sollt nicht fallen,
Ihr sollt so sicher wie Don Cäsar gehn.

Sforza Laß los!

Cäsar                 Voran, sie warten schon auf dich.
    Er zerrt den Widerstrebenden hastig zur Türe hinaus.

Vanozza ihnen nachschauend:
Der muß mit ihm geraden Wegs zum Tod
Und nicht einmal die Hostie darf er nehmen.

Lucrezia hat sich hastig Dschem genähert:
Prinz, sie sind fort, jetzt laßt uns wirklich reden.

Dschem streckt sich: Ach, uff, ich schlief gar fest und weiß von nichts.
Wie meintet Ihr, Prinzeß?

Lucrezia mit zärtlichem Ausdruck: Wir wollen schwärmen.

Dschem Geht's nicht um das Gebet, dann ist mir's recht.

Lucrezia Gebannt die Not; so braucht's nicht des Gebetes.
Doch sagt, was zittert Ihr davor?

Dschem                                               Ich zittern?

Lucrezia Ihr tut's!

Dschem                 Ich wüßte wahrlich nicht, warum!
Wollt Ihr mit Eurer Andacht mir zu Leib,
Dann müßt Ihr's besser machen als bisher,
Denn glaubt und hört: So stark Ihr Euch bemüht,
Noch zog's mich nicht in Eure Himmelssphären.

Lucrezia nachdem sie sich vorsichtig umgesehen:
Mein Freund, habt acht und gebt Euch nicht zu laut,
Nur flüsternd naht Euch meinem Ohr und sagt:
Ihr also schlieft, schlieft wirklich ein?

Dschem                                                       Ganz köstlich.
Und sah im Traum, denkt Euch, ein närrisch Bild,
Den Affen da, der sprang von Tisch zu Tisch,
Von Bank zu Bank, treppauf, treppab,
Und hielt dabei was in den Armen, ja,
Ein Frauenbild, ein köstlich' Weib, kurz Euch,
Der riß er aus so langsam alle Haare.

Lucrezia O pfui!

Dschem               Bedenkt, dies wunderschöne Haar,
Das Ihr zu färben wißt wie keine Frau
Italiens mit seltenen Essenzen.

Lucrezia Zu färben, wie? Mein Haar ist echt.

Dschem                                                           Ihr sagt?

Lucrezia Jedweder Faden aus dem reinsten Gold.
Da, seht doch selbst, ergötzt Euch, Prinz, daran
So oft Ihr wünscht, nur fleh' ich eine Gunst:
Wenn Ihr vermögt, dann laßt vor meinem Aug'
Das Ungetüm, den Affen, aus dem Spiele.

Dschem Er ist ja tot. Und doch, wer weiß es wohl,
Es lebt mehr Geist vielleicht in diesem Schädel
Als mancher hat, der hier den Großen spielt.

Lucrezia Ich hasse dies Gespenst und fürchte fast,
Es springt mir katzenartig an den Leib.

Dschem Schon möglich, daß der Teufel in ihm schlummert,
Von dem der Laffe, der Gesandte, sprach.

Lucrezia Hört auf!

Dschem                   Warum? Das war' doch wunderhübsch!
Und obendrein so neu, so lächerlich,
Wenn dieses kluge Tier, mein bester Freund,
Auf mein Geheiß das Christentum verschlänge,
Den Papst, Don Cäsar samt den Kardinälen.

Lucrezia Sagt noch ein Wort, ich halt' die Ohren zu.
Noch besser gleich, ich geh'.

Dschem                                         Ein Spiel, ein Scherz,
Komödienspuk, wie dieser Sarg.

Lucrezia                                             Ihr wißt?
Ich dacht', Ihr schlieft?

Dschem                               So halb und halb.

Lucrezia Dann außer Sorg', Lucrezia wacht,
Und duldet nimmer, daß Euch Leids geschieht.

Dschem Ihr seid sehr gütig.

Lucrezia                               Nochmals, fürchtet nichts.

Dschem Wen sollt' ich fürchten? Euern Bruder? Nein.
Gewiß, er ist ein Redner vor dem Herrn,
Und noch etwas: Er hat die rechten Augen,
Die Nachdruck geben, hat die Handbewegung
Des Imperators, der zu winken weiß.
Doch sonst, sein Gift, sein Dolch, die Folterkammer,
Und was er nebenbei noch führt im Wappen,
Vermag nur dem die Stirne zu befeuchten,
Der täglich für sein ew'ges Seelenheil
Vor der Madonna, den Aposteln winselt.

Lucrezia Ihr seht es so? Habt Dank! Gibt ihm die Hand.

Dschem indem er die Hand streichelt: Wie schön Ihr seid,
Wie weich faßt Eure weiße Haut sich an,
Wie schlank der Arm, die goldbereiften Finger,
Wie hebt von diesem Alabasterhals
Sich stolz und fest die Linie der Brüste,
Wie setzt das Haar so zart sich an die Stirn!

Lucrezia Und alles dies für Euch, mein Herr und Prinz,
Bestaunt es, freut Euch meiner Glieder, seht!
Ich wende mich vor Euch wie vor dem Vater,
Wenn ich vor ihm und seinem ganzen Hofe
Den Reigen wiege, den er liebt.

Dschem                                               Das tut,
Von Jugend auf sah gern' ich Weiber tanzen.

Lucrezia Doch gebt mir zu, noch keine konnt's wie ich.

Dschem Musik! Wo bleibt die Zimbel, bleibt die Laute?

Lucrezia Es geht auch so; ich halt' in kurzem Takt,
Nach rechts das Bein und dann nach links geschoben,
Die Arme hochgeschwungen wie zum Gruß,
Den Körper ganz zu Euch zurückgelehnt,
Und jetzt ein Sprung weit in die Luft hinaus.

Dschem Wird immer besser, immer päpstlicher!

Lucrezia                                                               Wie das?

Dschem Ich klatsch' Euch gern und freudig Beifall, seht!

Lucrezia ganz bei ihm:
Wenn's Euch gefällt, dann sprecht es aus, das Wort,
Nach dem ich lechze wie die Pilgerin,
Die wochenlang zum Heil'gen Grabe zieht,
Nach dem ich schreie in durchwachten Nächten,
Seit jenem Tag, der Euch nach Rom geführt.

Dschem immer behaglich:
Nun gut, ich geb' mich willig Euch gefangen
Und sag' mit dem, der Euch am besten kennt:
Don Cäsar hat mit Recht für Euch geschwärmt
Nicht minder tat's der Heil'ge Vater.

Lucrezia Auch davon drang's zu Euch? Nun, das vergeßt,
Sagt besser mir, wie Ihr mich selber findet.

Dschem Ein feines Spielzeug für gefangne Türken.

Lucrezia Sonst nichts?

Dschem                         O doch, das auserwählte Weib,
Das Jungfrau blieb im Kampfe mit den Männern,
Den angetrauten, wie den anverwandten.

Lucrezia reißt sich los: Jetzt merk' ich, Ihr betrogt mit Eurem Schlaf
Die Welt noch stärker, wie mit Eurer Kunst,
Euch taub zu stellen, wenn gesprochen wird.

Dschem Was willst du denn? Dir hab' ich mich entdeckt,
Ich sprach mit dir viel mehr, als gut für mich
Und die gesegnete Verdauung.

Lucrezia                                         Wie?

Dschem Gewiß, mein Kind! Doch weil wir uns gefunden,
In Eurem Ausdruck wie die Zwillinge,
Die schon im Mutterleib sich unterhielten,
Vom Bau des Menschen und des Weltenalls,
Gesteht mir ein, hat Sforza wahr gesprochen?

Lucrezia Was quält Ihr mich?

Dschem                                     Und tat er's nicht? Dann schnell
Das Wichtigste; log Euer Bruder wohl?
Bei seinem Eide zu der Unbefleckten?

Lucrezia die ihm bis jetzt sehr unruhig gefolgt ist, lacht plötzlich hell auf:
Ha, ha.

Dschem       Ihr lacht?

Lucrezia                       Ob solcher Dinge muß ich's.
Dschem Weshalb?

Lucrezia                       Je nun, Ihr seid ein Türk', ein Heid',
Habt jedesmal zu Speis und Trank gegriffen,
Wenn ich gefleht, Ihr solltet Euch bekehren.
Und jetzt, welch unbegreifliches Geschehn,
Bekümmert Ihr Euch um Mysterien,
Als sei's Euch doch darum, die schwarze Seele
Dem wahren Gotte reuig zuzuwenden?

Dschem Der Glaube schert mich nicht, mir ist's um Euch.

Lucrezia bedeutungsvoll: Ich aber, merkt es wohl, ich bin der Glaube!
Ja, Prinz, ich leb' durch ihn, ich bete viel,
Und wie man sagt, sehr schön, so wunderschön,
Daß jüngst ein Erzbischof, ein alter Mann,
Behauptete, sein Aug' sei naß geworden,
Als hingestreckt er mich in seiner Kirche fand,
Der Welt entrückt, und aufgelöst in Gott.
Wollt Ihr mich selber einmal beten sehn?
So recht von Herzensgrund, aus tiefster Not?
Wollt Ihr mit mir zum Dom hinab,
Bekehren Euch zu uns, zu mir, zum Glauben?

Dschem Nein, nein!

Lucrezia                   Ihr tut's ja doch, und legt dort ab
Vor meinem Vater das Confiteor,
Den Kardinälen und dem ganzen Rom!
Ach, kam' erst dieser große Tag, wo Ihr
Von diesem Lager plötzlich Euch erhebt,
Der erste Laut von Euern Lippen rauscht,
Wo im Triumph ich Euch zu unserm Gott
Und dann zu mir, zu Euerm Engel führe,
Wo mit dem Sohn des grimmen Mahomed
Ich knieend pilgre zum Altar Sankt Peters,
Daselbst mit ihm das Abendmahl zu nehmen,
Prinz, malt Euch selber dieses Wunder aus!

Dschem Ich hab' noch ein viel größres in Bereitschaft,
Ein Wunder, das die Gläubigen springen läßt,
Gebirge hebt und Euch erschauern macht,
So überstark erscheint's.

Lucrezia                                 Ein Wunder, Ihr?

Dschem nickt: Nach allen Regeln der erhabnen Kirche.

Lucrezia Dann schenkt es mir, der Freundin gebt's!

Dschem                                                                     Noch nicht!
Doch kommt heraus, was in der Brust mir schlummert,
In Bauch und Rippen seit drei vollen Wochen,
Das unvergleichlich süßeste Geheimnis,
Das ich mit Stolz und hoher Fassung trage,
Gleichwie die Mutter mondelang ihr Kind,
Dann werdet Ihr, ich weiß und bau' darauf,
Den Prinzen Dschem erst recht mit Grund bestaunen,
Denn wahrlich, Fürstin, diese Offenbarung
Wirkt stärker noch als die von Sankt Johannis,
Sie legt die Hand an Dogmen und Gesetze,
Sie lacht der Wissenschaft, der Medizin.

Lucrezia Vertraut sie jetzt mir an und ich gelobe,
Daß ich sie treulich wahre in der Brust wie Ihr.

Dschem lächelnd: Das möcht' Euch wohl nicht gut bekommen, Fürstin,
Denn dies Geheimnis ist ein scharfes Schwert,
Das einzig hält vor meiner starken Haut.

Lucrezia Ich fass' es nicht.

Dschem                               Auch Euer Bruder und der Papst,
Sie werden Augen machen, wenn sie's hören!
Und erst der Koch, der Arzt, der Apotheker!
Am Galgen baumeln werden die Begriffe
Von alters her und die von übermorgen,
Denn was noch gestern oben war, liegt heute,
Durch mein Rezept gebändigt mir zu Füßen.

Lucrezia Die Neugier bringt mich schier zum Rand,
Verheißungsvoll dringt's her zu mir von Euch,
Deshalb, wenn dieser Schleier sich einst lüften wird,
Dann hoff ich, wird was Gutes draus erstehen,
Und Ihr steigt nieder wie vom Himmelreich.

Dschem indem er wieder zur Gabel greift:
Ich halt' zunächst mich an die ird'schen Dinge,
An Früchte, Wein, und was es sonst noch gibt.

Lucrezia Das alte Spiel! Doch ich gewinn's mit Glück,
Ja, Dschem, in diesem Kampfe bleib' ich Siegerin.

Vanozza Die Siegerin!

Lucrezia                         Wie Mutter, du noch da?

Vanozza nickt: Noch da, noch hier, solang es Eurem Vater
Auf dieser Statt, und dem Allmächtigen
Im Jenseits so gefällt.

Lucrezia                           Dann frisch heraus.
Was sagst du jetzt zu ihm?

Vanozza                                   Das fragt Ihr mich?

Lucrezia Noch mehr als das: Was ist's mit dem Geheimnis?

Vanozza Erlauchte Herzogin, um solches Spiel
Hat Frau Vanozza sich nicht mehr zu kümmern.

Lucrezia Doch früher, gelt, da tatest du's?

Vanozza                                                     Mir das von Euch?
Doch nein, ich staune nicht.

Lucrezia                                     Was habt Ihr denn?

Vanozza Vergebt, ich hielt Euch einen Augenblick
Für meine Tochter.

  Lucrezia                       Nun, bin ich das nicht?

Vanozza Ihr seid des Papstes Kind.

Lucrezia                                           Gewiß, das auch.
Doch sag', warum stets Ihr?

Vanozza                                     In solchem Tone,
Ward mir von Seiner Heiligkeit befohlen,
Als wieder ich betrat den Vatikan,
Mit Euch, Ferraras neuer Herzogin,
An jedem Ort, zu jeder Stund' zu reden.

Lucrezia Du hörtest doch, ich geh' nicht nach Ferrara.

Vanozza Ein gottesfürcht'ges Haus, das dort regiert.

Lucrezia Gewiß, man rutscht darin mit Rosenkränzen
Von früh bis spät die Treppen auf und nieder,
Man trägt vom Baldachin die goldnen Quasten,
Die neben dem Sanctissimum sich ringeln,
Man geht zur Wallfahrt, büßt in Sack und Asche,
Jedoch man lacht nicht, nein, man lispelt,
Verdreht die Augen in dem Heiligenkult,
Und macht selbst noch im Liebesrausch ein Kreuz.
Ich, wahrlich, denk' mir Beßres aus als dies,
Ich seh' den Himmel leuchtend vor mir liegen,
Und seid Ihr klug, dann denkt Ihr, Frau, wie ich.

Vanozza Ich hab' die fünfzig Jahre, die ich zähle,
Auf röm'schem Boden und in diesem Haus'
An Wahnwitz so viel Schreckliches erlebt,
Daß ich das Denken längst verlernt.

Lucrezia leichthin:                                   Wie das?

Vanozza Da thront als Erster hier der große Papst.
Ich sah ihn stets, sah anders ihn als sonst
Die Welt ihn sieht, am Fest der Heiligen Ostern,
Da ist Don Cäsar, der sich selbst beschuldigt,
Daß er es war, der jenen totgeschlagen,
Den dieser Leib neun Monde trug wie ihn,
Da seid auch Ihr mit Euerm ew'gen Lächeln,
Mit dem Ihr all dies Gräßliche betrachtet,
Und da ist endlich . . .

Lucrezia                             Was?

Vanozza                                         Ihr fragt? Die Sünde!

Lucrezia Von der lass' jeden Sonntag von der Kanzel
Herab ich mir vom Geistlichen erzählen,
Und büße sie mit soviel Paternostern,
Als mir im Beichtstuhl dafür auferlegt.

Vanozza Indes, bedenkt, mit mir hat jener Mann,
Der Gott, den Herrn, vertritt auf dieser Welt,
Gezeugt die drei, die fluchbeladnen Kinder.

Lucrezia lächelnd: Gewiß, das hat er.

Vanozza                                               Geht, Ihr seid zu jung,
Zu leichten Sinnes, um es ganz zu fassen,
Das, was ich meine, das Entsetzliche.

Lucrezia Was meint Ihr denn?

Vanozza                                   Nie sprech' ich's aus.
Jedoch, war's wahr, was Euer Gatte sagte,
Und was der Heide selbst, der Prinz nicht faßte,
Daß Ihr, Don Cäsar und der Papst . . .

Lucrezia                                                     Geduld.
Die Antwort geh' ich einzig Dschem.

Vanozza                                                   Sie lautet?

Lucrezia langsam und eindrucksvoll:
Für Euch, Vanozza, daß wir alle drei,
Der Vater, Bruder und Lucrezia,
Nur denkbar sind, wenn wir zusamm'gehören.

Vanozza Auch zum Verbrechen?

Lucrezia lachend:                         Nennt Ihr's so?

Vanozza                                                                 Mein Gott
So weit, so tief seid Ihr gesunken, Frau,
Daß Euch das Blut die Adern nicht zerreißt,
Wenn's wütend pocht, vom eigenen geschändet?

Lucrezia rasend: Ein Wort noch und ich meld's dem Papst.

Vanozza winselnd:                                                               Das nicht!

Lucrezia Nun gut, dann redet nicht mehr Weibern nach,
Die Fisch und Kohl verkaufen auf dem Markte.
    Da Vanozza eine Bewegung machen will:
Zum letztenmal, ich duld' es nicht von Euch,
Und obendrein, sagt an, was wollt Ihr denn?
Don Cäsar tat's dem Prinzen kund und Euch:
Ich bin ja rein und keusch, ich bin Virago,
Trotzdem ich zweimal am Altar vermählt
Und küssend einst mit Eurem ältsten Sohne
Dem Herzog Gandia des Nachts hinab
Zum Tiber durch Zypressenhaine schritt.

Vanozza mit einer plötzlichen Bewegung:
Laßt mich zurück in das Kastell!

Lucrezia                                             Warum?

Vanozza Laßt wieder mich in meine Welt versinken
Des Grabs und der Vergessenheit.

Lucrezia                                               Du bleibst!

Vanozza Mir schwirrt der Kopf, ich halt' mit beiden Händen
Die Schläfe fest, um all dies Für und Wider
Aus diesem grausen Labyrinth der Nacht
Auf einen Rettungspfahl zu bannen.

Lucrezia faßt sie zärtlich an:                   Nein.
Nicht weinen, Mutter. Lachen sollst du, komm!
Ich werf mich in mein kostbarstes Gewand
Für diese Stunde, die die Würfel rollt,
Gewißheit schafft und die Entscheidung bringt,
Wem Dschem gehört und wer ihn ganz verliert.

Vanozza Da spielt Ihr mit?

Lucrezia in höchstem Feuer: Ja, Frau, da spiel' ich mit!
Ich setz' mein Leben ein, Gebet und Tanz,
Die Seele wie den Körper will ich geben,
Von Kraft das Letzte, was ein Weib vermag,
An Höllenkunst und himmlischer zu bieten.
Dann wird der Freund nicht länger widerstehn,
Als Christ mit mir zur heil'gen Kirche pilgern,
Und offenbaren, was ihn so bewegt.
    Sie eilt nach rechts ab, von Vanozza gefolgt.

Der Arzt ist während der letzten Szene durch die Geheimtüre wieder leis eingetreten und hat sich Dschem genähert:
                                                          Mein Prinz,
Ihr eßt zu viel, hört auf, zu hastig!

Dschem Den Schinken noch!

Arzt                                       Ich sag' Euch, nein.

Dschem                                                                   Wohlan!
Den Pfirsich da.

Arzt                           Jedwede Haftung lehn' ich ab.

Dschem Ging' es nach dir, verbissener Asket,
Ich müßte wahrlich leben von der Luft.

Arzt Je nun, der Magen, seht, das ist ein Ding,
Ein regelrechter Sack, etwa so groß
Wie ich jetzt zeige; stopft Ihr da hinein
Tagaus, tagein, daß nichts entwischen kann,
Sagt, was dann wird?

Dschem                             Der Sack platzt auseinander.

Arzt Nun ja!

Dschem         Nun ja, dann platzt er halt!

Arzt                                                           Ach geht!

Dschem Du bist ein Jud', nicht wahr? Kennst meinen Glauben?

Arzt Soviel zur Not, daß ich noch eben weiß,
Der Koran untersagt Euch streng den Wein.

Dschem Um Paragraphen hab' ich nie gefeilscht,
Ich bete einzig zu dem Fatum – höchstens zum Affen gewendet:
Zu diesem noch.

Arzt                           Und diese Gottheit lehrt?

Dschem Dschem, halte dich an Speis' und Trank, noch mehr:
An erster Stelle an den Heil'gen Vater.

Arzt Versteh' ich nicht.

Dschem                         Dann will ich dir's erklären.
Wieviel bezahlt mein Bruder Bajazid,
Der edle Sultan, jährlich an Dukaten
Für meinen Unterhalt im Vatikan?

Arzt Ihr hörtet selbst, die Fünfzigtausend sind's.

Dschem Doch zwanzigmal soviel erhält der Papst,
Bringt er mich um. Nun gut, was macht man da?
Man sucht, solang' man lebt, den geiz'gen Filz
Nach Möglichkeit aufs Trockene zu legen.
Zuerst, na, ja, weil's ganz vortrefflich schmeckt,
Und dann, mein Jud', jetzt kommt der größte Schlag:
Es geht auf Kosten seiner Heiligkeit,
Zieht seiner Kirche Würmer aus der Nase
Und nimmt, – ach was, die lump'gen Krämerseelen –
Sie haben's längst gemerkt und feilschen
Um Pfauenzungen in Burgundersauce,
Und was ich sonst vergeblich hab' bestellt.

Arzt Das also, Prinz, ist Euer ganzer Trumpf?

Dschem Der letzte, der mir noch geblieben.

Arzt                                                               Traurig!

Dschem Verklag' das Schicksal, edler Salbenmischer,
Das spielt mit mir; nun laß dir sagen, wie:
Einst riß der große Mahomed, mein Vater,
Der Mann, vor dessen Urgewalt erlagen
Zwei Kaisertümer und zwölf Königreiche,
Nachdem er eingezogen in Byzanz,
Das Kreuz herab von der Sofienkirche,
Um drauf im vollsten Strahlenglanz den Halbmond
Als wucht'ges Zeichen seiner Macht zu setzen.
An diesem Tag', es war ein Frühlingsmorgen,
Da hab' ich mich zum erstenmal geregt,
So sagt' man mir, in meiner Mutter Leib.
Und weil der Sultan das als Zeichen nahm,
Als glückliches, bestimmt' er mich als Erben.
Als jenen, der die Krone tragen sollt'.

Arzt Ihr ward der Auserkorene, nicht er, der Bajazid?

Dschem lachend: Der nahm es krumm und tobte wie besessen,
Er hetzte gegen mich die Janitscharen,
Das ganze Heer samt Volk und Gassenjungen,
So daß es hieß, dem Dolch erliegen oder –
Auf einer Barke übers Meer entweichen.

Arzt nickt: Ihr gingt nach Rhodus zu den Johannitern?

Dschem Zu Christen, ja; das tut der Heide stets,
Wenn ihm das Wasser bis zum Halse reicht.

Arzt Der Jude auch.

Dschem lachend:       Nur, daß der oben bleibt!
Ganz oben, wie die aufgedunsne Blase,
Dem Fettaug' gleich, das auf der Suppe schwimmt.

Arzt mit entsprechender Gebärde:
Gott hört . . .

Dschem               Gewiß, mich aber zog's hinab,
Durchs tiefste Joch, das je die Christen spannten.
Ja freilich, erst, da sang man ein Te Deum
Zur Rettung Dschems, darauf ein Halleluja,
Dann zelebrierte man ein Amt und dann –
Verschacherte man mich – wohin? Ja, weiß ich's selbst?
In alle Welt, nach Ungarn, England und Florenz,
Bis mich das Papsttum als das Kalb erstand,
Das golden thront im Herzen seiner Kirche.

Arzt Ein Handel, wie kein Jud' ihn machen konnte!

Dschem Drum sag' ich ja, ich halt' mich schadlos d'ran.
    Er nimmt ein Kristallgefäß und trinkt hastig.

Arzt Zum letztenmal: So treibt Ihr's nicht mehr lang.

Dschem Heraus damit, wie viele Monde noch?

Arzt Was, Monde? Wißt, ich geb' Euch nur noch Tage.

Dschem ist leicht zusammengefahren und setzt das Gefäß ab:
Nur noch – dann freilich ist's wohl an der Zeit.

Arzt Das eben sag' ich.

Dschem                           Nein, nein, nicht dies.
Komm' her. Er winkt ihn näher.
                    Du bist des Papstes Arzt, siehst ihn im Bett,
Im Hemd, ja nackt, wie ihn sein Gott erschuf.
Kennst seine Seufzer, seine Schlingbeschwerden,
Weißt auch das Allermenschlichste von ihm,
Und doch, du hassest ihn.

Arzt                                         Ich bitt' Euch, Herr,
Im Vatikan hört jeder Heilige,
Der an die Wand gemalt, jedweder Ritter,
Der in den seidnen Teppich ist gewoben,
Was hier gesprochen wird.

Dschem                                       Dir, Jud', vertrau' ich's doch:
Ich lieb' das Pfaffenkind, das hier gekniet,
Ich lieb' Lucrezia.

Arzt                             Wie, seid Ihr toll?

Dschem reißt aus seiner Brusttasche ein Pergament:
Da, hier, Ghaselen, von mir selbst gedichtet.
Auf ihre Schönheit, ihren Sinnesreiz.

Arzt Und die, mein Prinz, soll ich ihr geben?

Dschem                                                           Narr!
Das könnt' ich selber doch! Nein, diese Verse –
Verbrennen sollst du sie, sobald ich tot.

Arzt Warum, mein Prinz? Warum?

Dschem                                         War' ich ein Mann,
Wie Mahomed, der Vater, einer war.
Kam' ich daher mit ungemeßnen Scharen,
Und könnt' ich setzen auf die Peterskirche
Den goldnen Halbmond statt des Kruzifixes,
Dann packt' ich dieses Weib in meinen Harem
Als allererste meiner Odalisken.
Sie aber, die die heilige Madonna
Herabnahm von der Kirche des Apostels,
Und drauf die Venus hat gesetzt, sie soll
Sich nimmer rühmen dürfen, einen Türken
Bei sich zu bergen, nicht 'mal einen toten.

Arzt Ich tu', wie Ihr befahlt, indes, ich fass' es nicht.
Was fragt Ihr überhaupt nach diesem Weib?

Dschem Ein Scheusal, eine Dirne, weiß es wohl,
Ein Mörderweib, so schlimm fast, wie der Bruder,
Das heut' mich opfert, wenn's Gewinn verspricht.
Doch rings aus diesem riesigen Palast,
Von dem die Fama sagt, er habe Tausende
Und Abertausend gähnender Gemächer,
Rings aus den ungemeßnen Höfen, Gängen,
Wo jeder Schritt sich scheu verliert im Winde,
Aus allen Flügeltüren weht ein Hauch
Von Heiligkeit, mit Weihrauch überflutet,
So still hinweg die greulichsten Verbrechen;
Und diese Heiligkeit, verstehst du jetzt?
Herr über Tod und Leben, diese fürcht' ich.

Arzt Was, Ihr als Muselman?

Dschem                                 Ich sag' es ja,
Sie mag mir tanzen, wie sie will, halbnackt,
Nein, hüllenlos im wilden Wirbeltanz,
Sie mag sich lagern neben mich des Nachts
Und streicheln meine aufgedunsnen Wangen,
Nur beten soll sie nicht, nur niemals beten,
Niemals aus tiefstem Herzensgrunde beten!

Arzt Im Ernst, Ihr könntet Euch versündigen
Am streng gehaltnen Glauben Eurer Vater?

Dschem Das nicht, doch an mir selbst. Ja, Jud' und Arzt,
Wenn sie die Hände hebt, bin ich imstand',
Ich glaub' an ihre Unschuld.

Arzt                                             Seid Ihr toll?

Dschem nickt grimmig:
An jene, die Don Cäsar falsch beschwört',
Und sink' mit ihr zu Füßen der Madonna.

Arzt Nein, nein!

Dschem               Ja, ja! Noch eh' sie mich verschachern.

Arzt ganz verzweifelt:
Mein Prinz!

Dschem               Halt! Hörst du nichts? Es ist schon Zeit,
Bald nahen sie gewappnet, die Gesandten;
Wer mag mich holen, wer von dannen führen?
Wohin auf Erden diesmal geht der Kurs?
Nach Nord? Nach Süd? Nach Ost? Nach West? Wohin?
Und doch, es gibt nur dieses eine Ziel,
Lucrezia, wie treib' ich von ihr weg?
Wie halt' ich zwischen Szylla und Charybdis?

Arzt Da lieber noch den Tod durchs Gift der Borgia.

Dschem lachend: Ja, wenn das ging'!

Arzt                                                     Wie das? Nehmt Euch in acht,
Ich fürchte diese Weine, diese Speisen,
Schau jedes Neue mit Entsetzen an.

Dschem Zu spät, mein Freund!

Arzt                                           Zu spät?

Dschem                                                     Ei, das Geheimnis,
Das wunderbare, das Lucrezia reizt,
Nimm's endlich auf mit Schaudern und mit Lachen!

Arzt Versteh' ich Euch?

Dschem                           Der Borgia grause Mischung,
Wie sagte er, der Jammermensch, der Sforza?
Die schmeckt am ersten Tag wie süßer Schaum,
Gemengt mit köstlichem Falernerwein,
Um dann am dritten unter Höllenqualen
Die Brust, die Därme jählings zu zerreißen.

Arzt Nun denn?

Dschem               Bei mir schlug's fehl! Drei Tage, nein,
Ich trag's drei Wochen jetzt mit mir herum
Und spür' noch nichts von der gerühmten Wirkung.

Arzt Man hat Euch Gift . . .?

Dschem nickt:                       In allerfeinster Form!
Gewickelt war's in leckere Pasteten
Von Butterteig, mit Sauce übergossen;
Ich schmeckt's sofort und hielt beim Essen ein,
Dann biß ich zu, daß mir die Zähne krachten,
Ich hoffte, von der Erde zu entschweben,
Das weite Rom als Vogel zu betrachten,
Und so die Borgias noch einmal zu segnen,
Von oben her, wo aller Segen kommt.
O schöner Trug, ich hielt es wie der Igel
Das süße Gift im festgepackten Brei;
Der volle Magen ließ das Zeug nicht durch,
Auch wenn man preßte wie auf dicke Schläuche.
Jetzt sitz' ich da und schmatze fröhlich weiter
Und freu' mich stets am läppischen Gesichte,
Das Cäsar und sein Vater täglich schneiden,
Wenn sie mich grinsend fragen, wie mir's geht.

Arzt läuft verzweifelt hin und her:
Schon recht, indes, es muß etwas geschehn,
Ein Gegengift!

Dschem mit vollem Gewicht: Das ist Lucrezia!
Die laß mir, Jud', sie treibt das andre weg.
Als wie der Christen Schreck, der Beelzebub
Den Teufel jagt aus seinem Lager.

Arzt                                                       Nein!

Dschem Doch, großer Arzt, so hab' ich nichts zu fürchten,
So kann ich ruhig dem Tod . . .
    Er fährt zusammen und weist auf die rechte Türe.
                                                Halt, wer ist da?

Arzt Ben Ali Bey, der türkische Gesandte.


 << zurück weiter >>