Joseph Roth
Das Spinnennetz
Joseph Roth

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XXVI

Benjamin Lenz hat es mit Dollars bezahlt, er hat es nicht zu teuer bezahlt.

Theodor ertrug sein Porträt. Er fürchtete es nicht mehr.

Er trug einen modernen Anzug mit wattierten Schultern und einem einzigen Knopf am Rock. Er fühlte sich fremd in dieser Kleidung, er fand seine Taschen nicht, sie waren hoch angebracht und schief geschnitten.

Er trug seine breiten Füße in spitzen Schuhen aus dünnem Leder. Er fror und litt Schmerzen, aber er fand es hübsch.

Er hätte nach München fahren sollen. Er mußte doch mit Seyfarth sprechen. »Fahr nicht!« sagte Elsa. »Sie werden zu dir kommen.«

Er hatte Angst, daß sie nicht kommen würden. Aber er äußerte keine Furcht.

»Liebster«, sagte Elsa, »ich muß zu dir aufblicken.«

Und er ließ sie zu sich aufblicken.

Er verlor sich ein wenig. Er begann zu glauben, was sie sagte, woran sie glaubte.

Sie ging in die Kirche. »Ich bin es gewohnt!« sagte sie. Und er ging mit. Denn er war eifersüchtig.

Sie wollte nicht in ein Abteil steigen, in dem Juden saßen. Er stieg mit ihr in ein anderes Abteil.

Sie mußten in der Stadtbahn zweiter Klasse fahren. Er kaufte keine Wochenkarten.

In Berlin wurde sie oft müde. Sie wollte im Auto fahren. Und er fuhr.

Sie sah das Porträt Theodors verliebt an. Und Theodor wußte, daß seine Angst damals übertrieben gewesen. Es war die Aufregung. Ja das Porträt gefiel ihm. Klaften hatte es auch gemalt, als er noch Theodor für einen Genossen hielt, den Genossen Trattner.

»Wann hat er dich gemalt?« fragte Elsa. »Kennst du den Maler Klaften?« Und sie war stolz.

Theodor wartete auf eine Gelegenheit. Er wollte seiner Frau seinen Werdegang schildern.

Einmal erzählte er. Einen geeigneten Abend wählte er. Es blies der Wind durch den Kamin. Elsa stickte bunte Blumen in ein Kissen. Theodor begann von Trebitsch zu erzählen. Der war ein sehr gefährlicher Jude. Theodor hatte ihn zuerst erkannt. Man hörte nicht auf Theodors Warnungen. Leider. Den Prinzen verschwieg Theodor.

Aber den Maler Klaften beschrieb er. Den jungen kommunistischen Thimme. Er ließ den Polizeispitzel Thimme wachsen, älter und einen Führer werden. Und nicht um die Siegessäule hatte es sich gehandelt. Das ganze Zentrum Berlins hätte gesprengt werden sollen. Das Ekrasit lag in den Kanälen.

»Warst du in Lebensgefahr?« fragte Elsa.

»Nicht der Rede wert!« sagte Theodor.

»Erzähle von den Landarbeitern«, bat Elsa.

Theodor erzählte. Es waren keine Landarbeiter. Landstreicher waren es, bolschewikische Agitatoren, alle bis an die Zähne bewaffnet. Theodor hatte damals eigentlich Pommern von allen gefährlichen Elementen gesäubert.

»Ich muß zu dir aufblicken«, sagte Elsa.

Dann erzählte Theodor von Viktoria, dem Tierweib, dem gefährlichen, der Spionin, die sich in ihn verliebte und die ihm alles gestand.

Elsa dachte ein wenig nach und sagte:

»Das ist aber eigentlich nicht schön!«

»Mein liebes Kind«, sagte Theodor, »unsereins kennt nur die Idee!«

»Und die eigene Frau!« ergänzte Elsa.

»Und die eigene Frau!« wiederholte Theodor.

Und sie küßten sich.


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