Roda Roda und Carl Rößler
Der Feldherrnhügel
Roda Roda und Carl Rößler

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Erster Akt

Ein Zimmer in der Wohnung des Obersten v. Leuckfeld. Die Möbel stammen aus Mährisch-Ostrau. Man sieht ihnen an, daß sie Transferierungsreisen quer durch die Monarchie gemacht haben – aus Skandalizien nach Österreich unter der Sau, von Siebenbirien gar nach Wien. Und wieder zurück.

Erste Szene

Die Oberstin, ihre Tochter Minka, die Majorin, Frau Rittmeister Turek, ihre Tochter Ada, Oberleutnant Graf Rimanski.

Die Oberstin. Die Lampions besorgt der Herr Oberleutnant.

Rimanski (ein freundlicher Pole, etwas blasiert). Aber mit Freide, meine Damen. Es ist ja meine Aufgabe, Ihnen bei der Festfeier zum Regimentsjubiläum behilflich zu sein.

Die Oberstin. Gut. Und dann wird dem Herzog das Festgedicht aufgesagt.

Frau Rittmeister (eine Tschechin). Aber, ich bitte, wohär sollen wir beispielsweise das Festpoäm nähmen?

Die Oberstin. Gedichte hat immer der Regimentsadjutant beizustellen.

Frau Rittmeister. Und aufsagen könnte es meine Ada so scheen . . .

Die Majorin (nicht die schönste, nicht die jüngste Frau des Regiments). Aber gehen Sie! Mit der böhmischen Aussprache!

Frau Rittmeister. Ich muß sehr bitten. Meine Tochter hat die scheenste deitsche Aussprache in ganz Pilsen gehabt.

Ada Ja, Mutter, ich möchte so gerne aufsagen . . . (Ihr Eifer ist löblich; aber sie stößt mit der Zunge an).

Die Majorin. Die Tochter des Herrn Obersten. 10

Minka (ein verdammt hübsches Mädchen). Man kann ja das Gedicht auch vierstimmig aufsagen.

Rimanski. Das wäre vielleicht schmerzloser.

Die Oberstin. Meine Minka spricht das Gedicht, und damit basta.

Frau Rittmeister. Und dann Vorträge. Meine Tochter singt so scheen . . .

Rimanski (melancholisch). Meinen Sie, daß das so amüsant ist?

Die Oberstin. Jedenfalls Musik. Und wir Damen kommen alle mit in die Offiziersmesse.

Rimanski (notiert). Musikalischer Abend, verschärft durch Damen. (Er steht auf.) Also, meine Damen, ich werde alles besorgen. Wenn Sie noch etwas wünschen, verfügen Sie ganz über mich. Ich kann doch nur leichten Dienst tun.

Die Oberstin. Der Herr Oberleutnant war auf Urlaub?

Rimanski. Ja, Gnädigste. Krankheitshalber.

Minka. Was hat Ihnen denn gefehlt?

Rimanski. Ich war . . . (zögernd, verlegen) gemütskrank.

Minka. Und da wählt man Sie zum Vorstand des Vergnügungskomitees?

Rimanski. Herr Oberst hat mich wollen aufheitern. – Kiß die Hand, Gnädigste! Empfehle mich, meine Damen!

Die Majorin. Ich geh mit, lieber Herr Oberleutnant!

Frau Rittmeister. Ich auch.

Die Damen (empfehlen sich schnatternd).

Die Majorin. Frau Rittmeister. Ada. Rimanski (ab).

Die Oberstin (begleitet sie).

Minka (nimmt an der Tür gerührten Abschied von Rimanski. Sie bleibt, ins Nachblicken versunken, stehen).

Die Oberstin (reißt sie mit rauher Hand aus ihren Träumen). Darf ich bitten, Fräulein?! 11

Minka. Mama, ich finde den Oberleutnant furchtbar interessant. Es ist so schön, wenn ein Mensch gemütskrank ist.

Die Oberstin. Schwätz nicht!

Minka. Ich heirate nur einen Mann, der tiefsinnig ist.

Die Oberstin. Wenn einer dich nimmt, wird er schon von selbst tiefsinnig.

Minka. Du hast für meine seelischen Ambitionen keinen Sinn.

 

Zweite Szene

Die Oberstin, Minka, Mali. Später Hechendorf.

Mali (meldet). Herr Exzellenz von Hechendorf.

Die Oberstin. Wir lassen bitten.

Mali. Wir lassen bitten. (Ab.)

Die Oberstin. Hechendorf?? Ja, lebt denn der noch?

Minka. Der ist doch wegen Altersschwäche in Pension gegangen. Der arme Greis!

Hechendorf (kommt. In Zivil, Reiseanzug. Er atmet Lebensfreude. Hat offenbar die Absicht, sein Ruhegehalt noch hundert Jahre im besten steierischen Schilcherwein anzulegen). Ah, meine liebe, verehrte gnädige Frau! Die Freude! Küß die Hand! (Zu Minka.) Ja, was is denn das? Das ist ja das Fräulein Minka? Ah, da legst dich nieder! Die ist ja größer als ich. Kommen S' her, kleines Fräulein, geben S' mir a Handerl!

Minka (geschraubt). Es freut mich sehr.

Hechendorf (kopiert sie). Es freut sie sehr. Was sagen Sie, liebe Oberstin? Es freut sie sehr. – Mäderl, ich kenne Sie ja noch, wie Sie so klein waren. Na, wo steckt denn der Oberst?

Minka. Im Arbeitszimmer. 12

Hechendorf (klopft und schreit). Leuckfeld! Leuckfeld! (Er wendet sich zu den Damen.) Na, und Sie, Frau Regimentsmama? Halten wir stramme Zucht? Dienstreglement dritter Teil – Pflichten der Regimentskommandeuse?

 

Dritte Szene

Die Vorigen. Der Oberst.

Der Oberst (kommt. Ein gesunder Fünfziger, ungebeugt von der Last empfangener Nasen; seine Bierruhe ist durch keinen Ehrgeiz getrübt. Er erscheint in Bluse, Salonhose. Der Kragen aufgeknöpft). Wer schreit denn so? (Er sieht Hechendorf einen Augenblick an und bleibt erstaunt stehen.) Hechendorf – nein, das bist du nicht. Du bist doch vor fünf Jahren wegen Altersschwäche pensioniert worden?

Hechendorf. Ja, mein lieber Freund – Pension ist eine Radikalkur.

Der Oberst. Du warst doch magenleidend?

Hechendorf. Jetzt hab ich einen Appetit wie der Dackel von einem Kadetten.

Die Oberstin. Also gleich Frühstück besorgen! Komm, Kind! (Ab mit Minka.)

Der Oberst (ruft nach). Ins Arbeitszimmer, bitte!

Hechendorf (ruft nach). Recht was Kräftiges, wenn ich bitten darf!

Der Oberst. Hechendorf, ich bin ja ganz starr! Hast du dich verändert! Wie du vor fünf Jahren in Pension gegangen bist, da war . . .

Hechendorf (nimmt ihm das Wort aus dem Mund). . . . da war ich ein alter, gichtbrüchiger Greis. Kein Wunder, daß man magenkrank wird. Was hab ich alles schlucken müssen! Wie hab ich mich quälen müssen! Am letzten Manövertag (er nimmt seinen Bauch mit beiden Händen zusammen) hab ich 13 fünf Zäune und drei Hecken springen müssen. Mit dem Bauch, lieber Freund! Was hab ich mich geplagt, um schlank zu werden! Von einem Kavalleriegeneral verlangt man Beweglichkeit und Sport. (Mit breitem Lachen.) Jetzt ist mein Sport: der Bauch und seine Pflege. Weißt du, was ich bei meiner Pensionierung gewogen hab? Sechs und sechzig Kilogramm. Und jetzt bin ich Seine Korpulenz von Hechendorf.

Der Oberst. Ich freu mich kolossal, daß es dir so gut geht. Du bist natürlich zu unserm Regimentsjubiläum gekommen?

Hechendorf. Selbstverständlich. Ich will mit meinem alten Regiment essen, trinken und tanzen. Dienst machen könnts ihr allein. Ihr habts doch nette Damen beim Fest?

Der Oberst. Schau, schau, du alter Steiger!

Hechendorf. Ich sag dir, in Graz gibts Weiberln . . . Überhaupt Graz . . .!

Der Oberst. Du lebst in Graz?

Hechendorf. Und wie! Wenn ich an mein Leben als Aktiver zurückdenk – und jetzt . . . Also, verstehst du. (wichtig, lehrhaft) wenns um vier in der Früh regnet – gießt – muß mich mein Diener wecken und muß mir melden. »Ich bitte, Seine Exzellenz, der Korpskommandant befiehlt Ihnen, aufzustehen und auszurücken.« Um vier Uhr früh. (Mit sardonischem Grinsen.) Dann setz ich mich im Bett auf, schau mir den Regen draußen an und sag: »Mein lieber Johann, sag du Seiner Exzellenz, ich bin pensioniert, ich rück nicht aus, ich steh nicht auf, und er kann mir den Buckel herunterrutschen.« Dann mach ich im Bett rechts um und schlaf weiter bis neun Uhr.

Der Oberst (neidisch). Ausschlafen! Nur einmal ausschlafen! Ich muß alle Tage hinaus, jetzt vor der Inspizierung – fünf Uhr früh bis elf. Dann der blöde Rapport. 14

Hechendorf. Rapport? (Er lacht laut und schlägt sich auf die Schenkel.) Um elf Uhr? Da sitzen wir alle in der Weinstube, wir pensionierten Kameraden, und dann wird geschimpft übern Dienst, daß es nur so knallt.

Der Oberst. Ja, du hasts gut, du Glücklicher!

Hechendorf. Aber, Kamerad, das kannst du doch auch haben. Du hast doch eine reiche Frau. Ihr habt drei Häuser. Laß dich doch pensionieren.

Der Oberst (sehnsüchtig). Das ist ja mein tiefster Wunsch. Aber meine Frau will nicht. Du kennst doch ihren Eigensinn. Sie will erst Exzellenz werden.

Hechendorf. Da hat s' weiter was – einen grünen Federbusch auf 'm Kopf. – Na, vielleicht pensionieren s' dich so.

Der Oberst, (verschmitzt geheimnisvoll). Hechendorf, ganz unter uns, meine Pensionierung kann ja gar nicht ausbleiben. Regimentsjubiläum – Gefechtsübung – Inspizierung – das sind ja lauter Fallstricke. Denk dir, der Herzog – – dann der Korpskommandant – er kann mich längst nicht leiden – er steht schon da mit erhobenem Werkzeug und möcht mich absägen. Sein Wunsch soll erfüllt werden. Ich habe da einen raffinierten Plan zu einer glänzenden Blamage.

Hechendorf. Na, hoffentlich gelingts. (Er klopft dem Obersten auf die Schulter.) Meinen Segen hast du.

Der Oberst. Außerdem plane ich beim Regimentsjubiläum einige Taktlosigkeiten . . .

Hechendorf. Großartig.

 

Vierte Szene

Der Oberst. Hechendorf. Mali. Wachtmeister Koruga.

Mali (kommt). Das Frühstück. 15

Der Oberst. Komm, Hechendorf! (Zum eintretenden Koruga.) Ich bin für niemand zu sprechen. Lassen Sie in die Regimentskanzlei sagen, ich bin unwohl, krank, komme heute nicht in die Kaserne. (Zu Hechendorf.) Ich bin bös mit dem Militär. (Zu Koruga.) Der Herr Adjutant soll mir den Rapport hierher bringen. (Ab mit Hechendorf.)

Koruga. Jawohl, Herr Oberst! (Zu Mali.) Was soll ich da machen? Muß ich doch mit dem Herrn Obersten konferieren, nachdeme heute das preußische Eintreffen auf telegraphisches Aviso zu erwarten stehet.

Mali. Reden S' doch nit so geschwollen!

Koruga. Wer redt geschwollen? Sie reden geschwollen, indeme Sie keine Ahnung haben vom Militärgeschäftsstil. Ich habe ein Strengreservattelegramm für den Herrn Obersten.

Mali (neugierig, zärtlich). Was steht denn drinnen?

Koruga. Dieses darf nur durch mich und den Herrn Obersten zur Kenntnis genommen werden.

Mali. Gehn S', hören S' auf! Es wird doch net aso a Geheimnis sein?

Koruga (leiert). Ein sehr großes Geheimnis. Es kommet der Flügeladjutant Seiner königlichen Hoheit, des Herzogs Karl Eberhard Eitel Ernst Alexis Friedrich Wilhelm Joachim Archibald zu Friesland, Ebersburg und Frankenhausen, Fürst von Wulfing-Büttel, Graf und Herr von Albach-Büttel, Tutzing-Büttel und im Sand.

Mali. Jesus, Maria – so viel Herzöge kommen?

Koruga. Sie Nocken, das is ja nur einer.

Mali. Warum hat er denn so viele Namen?

Koruga. Halt von seinen Vätern. Von jedem Vater hat er einen Namen.

Mali. Was is denn das für ein Herzog?

Koruga (leiert). Indem unser Regiment das 16 zweihundertjährige Jubiläum seines Bestehens feiert, werden Seine königliche Hoheit in Höchstihrer Eigenschaft als Oberstinhaber des Regiments in Anlaßnahme des Festes Höchstihre geheime Anwesenheit hierwärts zu avisieren . . . (Er verliert den Faden.) Na, der Herzog kommet eben zum Jubiläum von unserm Regiment.

Mali (laut). Jessas, a Herzog kommt!

Koruga. Nit so laut! Das ist Strengreservat-Dienstgeheimnis. Indem, daß auch nicht der Herzog kommt, sondern vorerst sein Flügeladjutant, und indem es quasi eine Überraschung ist, wovon wir dienstlich nur private Kenntnis haben.

 

Fünfte Szene

Mali, Koruga, Die Oberstin.

Die Oberstin (kommt mit Dragonerschritten).

Koruga (stellt sich stramm, salutiert drei Marschtakte lang und meldet dann). Frau Oberst, melde gehorsamst. Stand des Regiments einundzwanzig Offiziere, neunhundertzweiundsechzig Mann, achthundertzweiundsiebzig Pferde. Beurlaubt Rittmeister von Bohling, im Spital Leutnant Baron Maassen, Leutnant v. Delius und Leutnant Pschikopa.

Die Oberstin. Natürlich, die Herren Leutnants!

Koruga. Pferde gsund, Mannschaft gsund.

Die Oberstin. Was gibts denn? (Sie nimmt ihm die Depesche aus der Hand und liest sie.) Lassen Sie die Depesche da, Koruga – der Herr Oberst wird alles anordnen.

Koruga. Frau Oberst, meld gehorsamst, ist nur eine Stunde Zeit.

Die Oberstin. Na ja, der Herr Flügeladjutant wird 17 von der Bahn abgeholt werden und wohnt hier. Gehen Sie gleich in den Stall und lassen Sie anspannen. – (Energisch.) Es ist gut.

Koruga (salutiert stramm, wiederholt). Wagen anspannen lassen. (Ab mit Mali.)

Die Oberstin (zur Tür rechts, ruft). Minka!

 

Sechste Szene

Die Oberstin, Minka.

Minka (kommt). Was gibts denn, Mama?

Die Oberstin. Die Gastzimmer müssen hergerichtet werden. Ein deutscher Offizier kommt.

Minka (rasch). Ach, das ist nett! Er wohnt bei uns?

Die Oberstin.. Er bleibt übers Jubiläum.

Minka (sprudelt hervor). Ist er verheiratet? Ist er jung? Ist er schlank? Wie heißt er denn?

Die Oberstin. Das geht dich nichts an. Ich bitte mir aus, daß du dich sehr reserviert verhältst.

Minka (hat die Depesche gelesen). Denk dir, er heißt v. Lützelburg. Nein, wie romantisch! Man sieht das ganze Mittelalter vor sich.

Die Oberstin. Dummes Ding, schwätz nicht. Jetzt ist nicht deutscher Aufsatz.

 

Siebente Szene

Die Vorigen, Riedel.

Riedel (ein kleiner, netter Oberleutnant, Regimentsadjutant, freundlicher, fescher Wiener. Dienstanzug, ohne Kappe. Aktenstücke). Küß die Hand, meine Damen! Wie steht das werte Befinden? (Er küßt beiden Damen die Hände.) Wohl geruht, meine Damen?

Die Oberstin. Danke sehr. Was wünschen Sie, Herr Oberleutnant? 18

Riedel. Dienst, gnä Frau, alleweil der Dienst! Därf ich mich beim Herrn Obersten melden lassen?

Die Oberstin. Bitte, klopfen Sie nur! Komm, Minka!

Minka (aber bleibt, in Riedels Anblick versunken, stehen – bis der strengen Mutter Arm sie wegführt).

 

Achte Szene

Riedel, der Oberst, später Hechendorf.

Der Oberst (kommt hervor. Er hat nun die Ulanka angelegt und den Säbel umgeschnallt). Servus, Servus Riedel! Der Rapport – nicht wahr? Also rasch und schmerzlos – nicht den ganzen Speisezettel – nur das Wichtigste! Was gibts?

Riedel (liest aus dem Rapport vor). Herr Oberst, melde gehorsamst, bei der dritten Schwadron ein Mann desertiert.

Der Oberst. Desertiert? Glückliche Reise. Kanns dem Mann nachfühlen.

Riedel. Morgen vormittag Vorinspizierung durch Seine Exzellenz, den Korpskommandanten.

Der Oberst. Sehr nett, sehr nett. Das wird ja ein paradiesischer Vormittag. Ha, welche Lust, Soldat zu sein! – (Vertraulich.) Sagen Sie, mein lieber Riedel – Sie sind doch der Sohn meines alten Regimentskameraden – erlauben Sie eine vertrauliche Anfrage. Sie sind erst vierundzwanzig? Haben Sie wirklich nichts Gescheiteres gewußt, als zum Militär zu gehen?

Riedel. Wie meinen, Herr Oberst?

Der Oberst. Es ist doch Irrsinn: erst zwanzig Jahre Rapporte machen, dann zwanzig Jahr Rapporte anhören; zwanzig Jahre sich schimpfen lassen, damit man hie und da einen andern ausschimpfen darf; immer Beschäftigung und nie was zu tun; zehn Jahr warten und fünf Minuten avancieren. Ich danke schön. – Na, bei mir hats nächstens geschnappt. – Noch was? 19

Riedel. Zutransferiert zum Regiment Rittmeister Freiherr v. Jennewein, überkomplett im siebzehnten Husarenregiment, zugeteilt dem Hofstaat Seiner Hoheit des Kurfürsten von Vicenza.

Der Oberst. Ah, der Herr Rittmeister v. Jennewein! Wieder ein neuer Lichtblick meines Daseins! Geben Sie einmal seine Qualifikationsliste her!

Riedel (gibt ihm ein Schriftstück).

Der Oberst (liest). »Betragen gegen Vorgesetzte etwas gleichgültig.« – Da hat er sehr recht. Mir ist er auch Wurscht. – »Gegen Untergebene: sehr gleichgültig. Nicht ohne Besserungsfähigkeit bei gelindem Zuspruch.« – Riedel, den schicken S' mir, wenn er herkommt. Dem werd ich schon gelinde zusprechen. – »Vermögensverhältnisse: gegen Gläubiger hervorragend gleichgültig.« – Also Schulden auch noch! – »Besondre Bemerkung: In Scheidung von seiner Frau.« – Gegen die scheint er also am allergleichgültigsten zu sein. – Mein Nebenberuf ist wohl nach Auffassung seiner Exzellenz die Erziehung verwahrloster Rittmeister. Ich soll den jungen Herrn bessern. Wenn sich Exzellenz nur nit schneidt! – War der Herr Rittmeister schon in der Regimentskanzlei?

Riedel. Nein, Herr Oberst.

Der Oberst. Schicken Sie mir ihn gleich her. Dem werd ich schon das Alphabet abfragen.

Riedel (liest). Flügeladjutant des Oberstinhabers, Herzogs Karl Eberhard, eintrifft fünf Uhr vierzig. Für Empfang und Quartier ist zu sorgen. Korpskommando.

Der Oberst. Empfang? Aus mir machen s' noch einen Bahnhofportier. Der nächste Offizier, der kommt, muß den Preußen eben abholen.

Hechendorf (kommt von links, mit einer Serviette in der 20 Hand und einem Glas Wein). Der Wein ist ausgezeichnet. Komm doch, Leuckfeld! Ah, Pardon!

Der Oberst. Bleib nur, Exzellenz. Ich hab grade Rapport.

Hechendorf. Rapport? Nein, ich hab genug von Rapporten. (Ab.)

Riedel. Korpskommandoverordnung. Programm des Jubiläums genehmigt. Am Vorabend Zapfenstreich mit Musik. Fackelzug. Begrüßung der Offiziere der Garnison in der Offiziersmesse (er zeigt auf den Obersten) durch den Regimentskommandanten.

Der Oberst. Das wird schön lang dauern. Adio Nachtruhe!

Riedel. Erster Jubiläumstag. sechs Uhr zwanzig morgens – Paradeausrückung zu Fuß auf den Exerzierplatz. Anrede des Obersten (er zeigt auf ihn) deutsch und slovakisch.

Der Oberst. Sechs Uhr zwanzig eine Rede in zwei Sprachen – das ist die höchste Bosheit.

Riedel. Acht Uhr dreißig Feldmesse für die katholische Mannschaft, gleichzeitig Gottesdienst für alle Andersgläubigen in der Synagoge. Neun bis zehn Festpredigt, hierauf Defilierung vor Seiner königlichen Hoheit, dem Regimentsinhaber.

Der Oberst. Weiß schon, die königliche Hoheit beglückt uns auch. Der wird eine Freude an mir haben.

Riedel. Zwölf Uhr Frühstück mit Musik in der Offiziersmesse. Ansprache des Obersten (er zeigt auf ihn) an Seine königliche Hoheit, den Oberstinhaber.

Der Oberst. Das ist also die dritte Rede. In wieviel Sprachen?

Riedel. Dritter Jubiläumstag. Gefechtsübung . . . 21

Der Oberst. Aha! (Er knöpft seine Ulanka zu.)

Riedel. . . . unter Leitung Seiner Exzellenz, des Herrn Korpskommandanten.

Der Oberst (stöhnt auf). Riedel, Sie sind ein Grazer. Welches ist das beste Kaffeehaus in Graz? Das mach ich nimmer mit. Das gibt mir den Rest. – Lieber Oberleutnant Riedel, der preußische Flügeladjutant kommt heute, er wohnt bei mir. Ich lasse die dienstfreien Herren dann bitten, herzukommen, damit wir ihn zusammen empfangen.

Hechendorf (kommt aus dem Nebenzimmer). Leuckfeld, das dauert mir zu lang.

Der Oberst. Bitte, Exzellenz, komm nur herein, wir sind schon fertig.

Riedel (mit einer Verbeugung, dienstlich). Exzellenz, Oberleutnant Riedel stellt sich gehorsamst vor.

Hechendorf (reicht ihm die Hand). Hechendorf. Freut mich sehr. (Zum Obersten.) Na, was hat denn das kleine Rapporterl Angenehmes gebracht?

Der Oberst. Sehr nette Sachen. Fünf Reden in fünf Sprachen, ein paar Ausrückungen und eine kleine Inspizierung.

Hechendorf. Gelt, da freust dich halt? Da gratulier ich dir von ganzem Herzen.

Der Oberst. Ich dank dir.

Hechendorf (zu Riedel). Das ist Ambition. Da nimm dir eine Abschrift, Herr Oberleutnant!

 

Neunte Szene

Riedel. Der Oberst. Hechendorf. Mali. Später die Gräfin und Lili.

Mali. Die Damen möchten den Herrn Obersten sprechen. (Sie bringt eine Visitenkarte.)

Der Oberst (liest). Gräfin Kopsch-Grantignan? Comtesse Kopsch-Grantignan? Kenn ich nicht. 22

Hechendorf. Das ist ja die Obersthofmeisterin der Kurfürstin von Vicenza. Wie kommst du denn zu dem feinen Verkehr?

Der Oberst. Keine Ahnung. (Zu Mali.) Ich lasse die Damen bitten.

Riedel. Herr Oberst, ich empfehle mich gehorsamst.

Hechendorf. Ich geh mit in die Kaserne. Servus, Leuckfeld!

Gräfin Kopsch-Grantianan (rauscht herein – ein Wasserfall von Vornehmheit – mit Comtesse Lili, einer schönen, großen, blonden, einundzwanzigjährigen Dame).

Stumme Verbeugung.

Hechendorf rund Riedel (ab).

Die Gräfin (geht auf den Obersten zu). Ich kenne Sie schon aus alten Tagen. Von einem Abend beim Fürsten Windisch-Grätz.

Der Oberst (verblüfft). Gewiß.

Die Gräfin. Ich bin sehr glücklich, Ihr Regiment wiederzusehen. Mein Großvater hat es bei Custozza kommandiert.

Der Oberst. Das Regiment wird sich freuen, bei seinem Jubiläum die Gräfin begrüßen zu dürfen.

(Die Damen setzen sich.)

Die Gräfin. Ja, das Jubiläum. Ich gratuliere Ihnen, lieber Oberst! Aber bitte, nehmen Sie doch Platz!

Der Oberst (etwas befremdet, setzt sich). Danke gehorsamst.

Die Gräfin. Ich hätte mir erlaubt, lieber Oberst, Sie zu mir zu bitten. Aber die Angelegenheit, die mich zu Ihnen führt, ist eigentlich eine dienstliche. 23

Der Oberst (verbeugt sich).

Die Gräfin. Es handelt sich um ein junges Mitglied meiner Familie.

Der Oberst. Einem Mitglied der gräflichen Familie steht mein Regiment immer offen.

Die Gräfin (deutet aus Lili). Ich danke, aber es handelt sich um meine Tochter.

Der Oberst (sieht sie fragend an). Verstehe ich recht, Gräfin? In einer dienstlichen Angelegenheit?

Die Gräfin. Es ist zu Ihrem Regiment ein Rittmeister Freiherr v. Jennewein transferiert . . .

Der Oberst. Ja, ich erwarte ihn.

Die Gräfin (unsicher). Der Baron ist der Sohn einer lieben Freundin, einer gebornen Trautmannsdorf. . . . Er verkehrte bei uns und hegte den Wunsch, unsrer Familie anzugehören. Und da auch meine Tochter für den scharmanten Mann un petit faible hatte, so willigten wir ein. Die Hochzeit war festgesetzt, und eben an diesem Tag ereignete sich das Peinliche . . .

Der Oberst (erstaunt). Wie?

Die Gräfin. Unser Stammsitz ist in Ungarn. Nun ist in Ungarn leider die gottlose Zivilehe eingeführt – und wir gingen mit meiner Tochter und ihrem Bräutigam aufs Standesamt. Wir kommen zurück – wir wollen zur Kirche fahren – da . . . ein Affront . . . Ich kann es jetzt nicht erzählen . . .

Der Oberst. Und die kirchliche Trauung?

Die Gräfin. Die fand eben nicht statt. Ich habe einfach nicht geduldet, daß er nach diesem Vorfall meine Tochter weiterheiratet.

Lili (mit Nachdruck). Ich bin mit Baron Jennewein zur Hälfte verheiratet. 24

Der Oberst. Sehr bedauerlich . . . Ich weiß aber nicht, wie ich dienstlich . . .

Die Gräfin. Denken Sie sich, lieber Oberst, der Baron erklärt die Ehe einfach für gültig. Eine Ziviltrauung, die doch bloß Formsache ist. Sie müssen einschreiten.

Lili. Ja, Sie müssen einschreiten.

Der Oberst. Gräfin wünschen also, daß auch die kirchliche Trauung stattfindet?

Die Gräfin. Im Gegenteil. Ich wünsche, daß er die standesamtliche Trauung annullieren läßt.

Lili (mit Nachdruck). Verbieten Sie ihm, mit mir verheiratet zu sein!

Der Oberst. Gnädigste Gräfin, der Fall ist etwas kompliziert. Aber ich bitte Sie, überzeugt zu sein, daß ich genau nach den Dienstvorschriften vorgehen werde.

 

Zehnte Szene

Der Oberst, die Gräfin, Lili, die Oberstin.

Die Oberstin (kommt). Ich höre eben, welcher Besuch . . . Wie kannst du die Gräfin in deinem Schreibzimmer empfangen? Darf ich die Damen in meinen Salon herüberbitten? Kommen Sie, Comtesse! (Sie geht mit Lili voraus.)

Der Oberst (bietet der Gräfin den Arm, sie wenden sich zum Gehen).

Die Gräfin. Denken Sie sich, der Baron hatte die Dreistigkeit, sich nach der Ziviltrauung Vertraulichkeiten gegen meine Tochter zu gestatten.

Der Oberst. Vertraulichkeiten? Das müssen Sie mir ganz genau erzählen. (Beide ab.) 25

 

Elfte Szene

Mali, Offiziersdiener Ornstein.

Mali (kommt mit Ornstein).

Ornstein (klein, nett und mosaisch. Uniform. Er trägt einen großen Packen). Das ist das Paket vom Herrn Oberleutnant Rimanski. Die Damen sollen sichs ansehen.

Mali. Sind das die Lampions fürs Jubiläum?

Ornstein. Jubiläum?! Drei Viertelstunden schlepp ich das schwere Paket daher – heißt, wie ich jubilier! – Bitte, Fräulein, sagen Sie den Damen, der Diener vom Herrn Oberleutnant Rimanski is da.

Mali. Es ist Besuch drin. Warten Sie.

Ornstein. Gemacht. Was meinen Sie, was ich in die drei Jahr, was ich bei Militär bin, gewartet hab? Entweder ich schlaf, oder ich wart. Oder ich putz Stiefel. Auch ä Leben.

Mali. Sind Sie bald fertig mit Ihrer Dienstzeit?

Ornstein. In vier Monaten bis hundert Jahr.

Mali. Seien S' froh – dann können S' z' Haus gehen . . .

Ornstein. Ich wollt, ich wär schon da.

Mali. . . . können heiraten . . .

Ornstein. Das werd ich. So ä Blonde möcht ich heiraten wie Sie.

Mali (kokett). Ah, gehen S'! Warum denn eine Blonde?

Ornstein. Ich hab Sehnsucht nach ä trauten deitschen Heim mit guter jüdischer Küche.

Mali. Wollen Sie nicht Platz nehmen, Herr Ornstein?

Ornstein (setzt sich). Ä schöne Wohnung. Was zahlt der Oberst da Zins?

Mali. Ich weiß nicht. 26

Ornstein. Ä Mensch soll in ä Wohnung leben und nicht wissen, was sie kostet! (Ironisch.) Sie wären eine Frau für mich.

Mali. Meinen S' wirklich?

Ornstein. Ob der Oberst versichert ist?

Mali. Das weiß ich nicht.

 

Zwölfte Szene

Mali, Ornstein, Kunitschek.

Kunitschek (kommt. Ein leichter Schleier von Melancholie ist über seinem Antlitz. Hautpflege mangelhaft). Is sich Ornstein hier?

Ornstein. Wo stecken Sie denn? Ich kann das Paket allein schleppen. Ich möcht wissen, wofür ich Sie eigentlich bezahl.

Kunitschek. Ich bitt, ich . . .

Ornstein. Sie haben gar nix zu bitten. Sie gehen augenblicklich zu Oberleutnant Rimanski und räumen das Zimmer aus.

Mali (zu Ornstein). Sind denn nicht Sie der Diener vom Herrn Oberleutnant?

Ornstein. Gewiß, aber ich werd das Zimmer doch nicht selbst aufräumen. Dafür hab ich meine Leut, die ich bezahl.

Kunitschek. Weißt du, Ornstein . . .

Ornstein. Was heißt Ornstein? Wer ist Ornstein? Für Sie bin ich der Herr Ornstein – verstanden? Wenn das Zimmer geräumt ist, kommen Sie hierher. Ich hab ka Lust, mich mit dem Paket abzuschleppen. (Energisch.) Abtreten!

Kunitschek (ab).

Ornstein. Ich sag Ihnen, Fräulein Mali, was ich mir mit dem Kunitschek aussteh . . . 27

Mali. Die Mannschaft ist halt oft gar nicht intelligent.

Ornstein. Kunststück! Wissen Sie, was der Mann in Zivil ist? Ä Kuhhirt. Und was bin ich? Ä Beamter in ä Kunstbutterfabrik. Ich kann eigentlich mit ihm gar nicht verkehren. – Mit was kochen Sie übrigens, Fräulein Mali?

Mali. Immer mit reiner Butter.

Ornstein. Mit reiner Butter? Das ist doch sehr ungesund. Ich sag Ihnen, versuchen Sie einzigesmal unsre Margarine. Ich hab immer ä Muster bei mir. (Er reicht ihr ein Päckchen.)

Mali. Etwas, was mit so was gebacken ist, möcht ich nicht essen.

Ornstein. Brauchen Sie es denn zu essen? Kochen Sie für sich etwas mit reiner Butter. Nur die Herrschaft solls essen. Sie werden sehen, wie die Leute werden aufblühen.

Mali. Das ist doch nichts für eine feine Herrschaft.

Ornstein. Haben Sie eine Idee! Es gibt überhaupt nix Feineres als Kunstbutter. Voriges Jahr hab ich verkauft fünftausend Kilogramm dem Erzbischof von Krakau.

Mali. Reden S' halt mit der Frau Oberstin.

Ornstein. Im ganzen Regiment hab ich nur vor einer Person Angst – das ist die Frau Oberstin.

 

Dreizehnte Szene

Die Vorigen. Koruga.

Koruga (kommt). Wo is Herr Oberst?

Mali. Der Herr Oberst hat Besuch.

Koruga. Melden Sie gehorsamst Herrn Obersten, daß ich da sei, um Herrn Obersten gehorsamst zu fragen, wer auf die Bahn gehet, den Herrn Preußen abholen. 28

Mali (wiederholt den Auftrag murmelnd. Ab).

Koruga (lacht Ornstein vertraulich an und geht auf ihn zu). Ornstein, auf Befehl von Herrn Adjutanten soll ich gescheitesten Kopf unter allen Offiziersdienern kommandieren als Burschen zum Herrn Herzog. Wen werd ich kommandieren? Was glauben S', Ornstein?

Ornstein. Auch ä Frag. Is außer mir vielleicht irgend ä Doktor der Philosophie unter die Offiziersdiener?

Koruga. Möcht ich Ihnen gern nehmen, aber was macht dann Herr Oberleutnant Rimanski?

Ornstein. Ich hab doch meine Filiale Kunitschek. Das werd ich schon schieben.

Koruga. Nehmen S' Ihne zsamm beim Herzog, indeme anläßlich des Jubiläums is Beförderung – werd ich Sie dann vorschlagen zum Unteroffizier.

Ornstein. Gott soll mich beschützen und bewahren – tun Sie mir das nix an! Meine schöne freie Stellung aufgeben? Unteroffizier werden? Den ganzen Tag reiten? Mit meine Ofüß? Sie wissen doch, die Pferd können mich nicht leiden. Warum soll ich werden Unteroffizier? Bin ich ä Napoleon?

Koruga. Sie sein S' der intelligenteste Mann. Muß ich Ihnen eingeben.

Ornstein. Herr Wachtmeister, ich werd Ihnen machen ä Freundschaftsgeschenk mit zehn Gulden, und Sie werden mich nicht eingeben.

Koruga. Nach Dienstreglämänt dürft ich eigentlich nix annehmen.

Ornstein. Sie dürfen nichts annehmen, damit Sie mich vorschlagen zum Unteroffizier. Aber Sie dürfen doch nehmen, damit Sie mich nicht vorschlagen? 29 Außerdem nehmen Sie nix, sondern ich stecks Ihnen in die Taschen – sehen Sie – so.

Koruga (lächelnd). Sie sein S' Schlaucherl.

 

Vierzehnte Szene

Ornstein. Koruga. Der Oberst. Später der Bezirkshauptmann.

Der Oberst. Koruga, gehen Sie in die Kanzlei – ich lasse einen der Herren Rittmeister bitten, unsern Gast von der Bahn abzuholen.

Koruga mit Ornstein (ab).

Der Oberst. Bitte, kommen Sie nur weiter, lieber Herr Bezirkshauptmann!

Der Bezirkshauptmann (in Gehrock. Weltmann, vierzig Jahre alt. In ihm ist die Bodenscheu des altösterreichischen Amtsschimmels. Er sieht so intelligent aus wie alle, die dieses Stück verboten haben). Danke, Herr Oberst! Herr Oberst haben ja jedenfalls die angenehme Nachricht schon erhalten . . .

Der Oberst. Lieber Herr Bezirkshauptmann, wieviel angenehme Nachrichten habe ich in der letzten Zeit nicht erhalten! Was meinen Sie denn?

Der Bezirkshauptmann. Den Besuch Seiner königlichen Hoheit, des Herzogs.

Der Oberst. Ja, von der Heimsuchung weiß ich schon.

Der Bezirkshauptmann. Ein sehr schwieriger Fall für die Behörden. Der Herzog will uns überraschen, und diese Fiktion muß ihm unter allen Umständen bleiben. Andrerseits müssen wir zu seinem Empfang alles vorbereiten. Ich habe schon angeordnet, daß die Straßen, durch die Seine königliche Hoheit fährt, wie zufällig abgesperrt sind. Und dann das Wichtigste; der Empfang. Ich habe die Weisung, Seine königliche Hoheit im Namen des Bezirkes zu begrüßen. Die Leitung der 30 Empfangsfeierlichkeiten haben selbstverständlich der Herr Oberst. Wo soll der Empfang stattfinden?

Der Oberst. Das ist sehr einfach: wir gehen auf die Bahn und holen ihn ab.

Der Bezirkshauptmann. Herr Oberst, im strengsten Vertrauen: ich habe auf dienstlichem Wege erfahren, daß Seine königliche Hoheit im Automobil kommt.

Der Oberst. Da erwarten wir ihn eben in der Offiziersmesse.

Der Bezirkshauptmann. Sehr gut. Ganz ausgezeichnet. Dadurch bekommt die Sache auch den höhern Orts gewünschten inoffiziellen Anstrich.

Der Oberst. Zuerst spielt die Musik zur Begrüßung . . .

Der Bezirkshauptmann. Ja, ja, Herr Oberst. Wenn ich mir die Frage erlauben darf: welches Musikstück?

Der Oberst. Na, ich denke – wo er ein Deutscher ist – die »Wacht am Rhein«.

Der Bezirkshauptmann (springt erschrocken auf). Nur nit, nur nit! Das Lied hat einen provokanten Beigeschmack – grad hier an der Grenze. Da müßt ich als offizielle Persönlichkeit, so leid es mir tut, den Saal verlassen.

Der Oberst. Na, dann spielen wir »Heil dir im Siegerkranz«.

Der Bezirkshauptmann. »Heil dir im Siegerkranz« ist auch ein etwas kitzliges Lied – aber unter diesen ganz besondern Umständen könnte mans vielleicht riskieren.

Der Oberst. Und dann kommen die Ansprachen.

Der Bezirkshauptmann. Aber alle improvisiert, Herr Oberst – nicht wahr?

Der Oberst. So improvisiert, daß man stecken bleibt.

Der Bezirkshauptmann. Herr Oberst, erlauben Sie noch eine Anfrage. Ich lasse natürlich seit einigen Tagen 31 die Hotels überwachen – man kann nie wissen bei einem so hohen Herrn . . . Und es wäre sehr peinlich, wenn grade hier . . . (Wichtig.) Da hat mich eines meiner Organe auf eine sonderbare Dame aufmerksam gemacht. Ich lasse sie beobachten, so ganz unauffällig – und was stellt sich heraus? (Mit Betonung.) Sie ist eine Russin.

Der Oberst. Ist das so was Gefährliches?

Der Bezirkshauptmann. Herr Oberst, eine Russin ist immer gefährlich. Ich habe mir die Dame sofort kommen lassen. Sie hat sich etwas exzentrisch benommen und sich in Widersprüche verwickelt.

Der Oberst. Donnerwetter! Was hat sie denn gesagt?

Der Bezirkshauptmann. Sie hat sich auf einen Offizier Ihres Regiments berufen. Ich habe dann geheime Nachforschungen gepflogen – und erfahre, daß ein solcher Offizier in Ihrem Regiment gar nicht existiert.

Der Oberst. Wer soll denn das sein?

Der Bezirkshauptmann. Ein Rittmeister Baron Jennewein.

Der Oberst (betroffen). Was? Schon wieder Jennewein? Der ist ja zu meinem Regiment transferiert.

Der Bezirkshauptmann. Schau, schau! Woher weiß sie denn das? Das ist eine ganz Schlaue. Sie behauptet, sie hat in Familienangelegenheiten mit Herrn v. Jennewein zu tun.

Der Oberst. Sie wird doch nicht auch mit ihm verheiratet sein? Was ist das für eine Dame?

Der Bezirkshauptmann. Sie stammt aus den russischen Ostseeprovinzen, heißt Landiesen.

Der Oberst. Adelig?

Der Bezirkshauptmann. Da oben sind ja alle adelig. – Ich lasse die Dame selbstverständlich aufs schärfste 32 beobachten. (Mit Nachdruck.) In diesem Augenblick, zum Beispiel, weiß ich genau, ist sie auf einem Ausflug in Dohndorf, ungefähr zwölf Kilometer außerhalb der Stadt.

 

Fünfzehnte Szene

Die Vorigen. Mali. Dann Frau v. Landiesen.

Mali (meldet). Frau v. Landiesen.

Der Oberst (blickt den Bezirkshauptmann eine Sekunde spöttisch an. Dann zu Mali). Ich lasse bitten.

Mali (läßt Frau v. Landiesen ein. Ab).

Frau v. Landiesen (eine schöne Dame, eine elegante Dame, etwas exzentrisch. Der Genius des Ehebruchs. Man ahnt aufregende Dessous. Dialekt des Nord-Süd-Expreß). Herr Oberst . . . Ah, da ist ja auch der Herr, der sich so sehr für mein Wohlsein interessiert. Sie sind etwas betreten. Haben Sie vielleicht von mir gesprochen?

Der Oberst. Meine Gnädigste . . .

Der Bezirkshauptmann (offiziell). Gestatten, Herr Oberst, daß ich mich empfehle. (Sehr reserviert.) Gnädigste –!

Frau v. Landiesen. Grüßen Sie mir, bitte, den armen Polizisten, der dem Wagen nachfährt, in dem mein Dienstmädchen sitzt.

Der Bezirkshauptmann (ab).

Frau v. Landiesen. O, was sind die Beamten in diesem Lande merkwürdig! (Dieser Satz wurde von der Wiener Zensur mit großem Erfolg gestrichen.)

Der Oberst. Es ist wohl Herr Rittmeister v. Jennewein, der mir das Vergnügen Ihres Besuches . . .

Frau v. Landiesen. Ach, ich habe dem Armen eine entsetzliche Geschichte eingerührt. Gräfin Grantignan hat sie Ihnen wohl schon erzählt . . .?

Der Oberst. Ja, ich hörte von einem Zwischenfall bei seiner Trauung. Haben Sie da eine Rolle gespielt? 33

Frau v. Landiesen (kapriziös). Mein lieber Herr Oberst, wir Frauen haben es in der Liebe so schwer . . . Situationen sind alle gleich, Erlebnisse gleich, die Männer gleich und das Ende gleich. Der Rittmeister war auch nicht anders.

Der Oberst (lächelnd). In meiner Eigenschaft als Regimentskommandant werde ich da leider keine Abhilfe schaffen können.

Frau v. Landiesen. Ich habe vorigen Sommer in Wien eine Porträtbüste von Jennewein gemacht und mich dabei ziemlich krampfhaft in ihn verliebt. Dann höre ich, er heiratet. Nun, ich wunderte mich nicht – alle meine Geliebten heiraten. Ich muß so etwas an mir haben. Aber ich wollte mir das endlich einmal ansehen – wie ein Mensch, den ich liebe, heiratet. Das muß doch eine neue Seelenerregung sein. Und ich fahre nach Schloß Tyring zu seiner Trauung. Das war doch schön von mir?

Der Oberst. Etwas sonderbar.

Frau v. Landiesen. Wieso?

Der Oberst. Wenn zu jeder Trauung eines Kavallerieoffiziers alle Damen kämen, die ihn geliebt haben . . .

Frau v. Landiesen. Es wäre ganz gut, wenn ein Mann bei dieser Gelegenheit seine Vergangenheit Revue passieren ließe.

Der Oberst. Es könnte manchmal eine lange Revue werden.

Frau v. Landiesen. Ich wollte nur den Rittmeister sehen. Das geschah auch – nach der Ziviltrauung. Ich spreche allein mit ihm im Saal – er stammelte einige verlegene Worte – (krapiziös) da gefiel er mir wieder. 34 Er war so schön und so dumm. Und ich habe ihn eben abgeküßt. Da kommt seine kleine Frau unseligerweise dazu . . .

Der Oberst. Und war wohl nicht sehr entzückt?

Frau v. Landiesen. Entzückt?? Im Gegenteil. Denken Sie sich. sie ärgerte sich.

Der Oberst. Aber, Gnädigste, Sie an Stelle der Comtesse . . .

Frau v. Landiesen. Ich hätte mich gar nicht geärgert. Aber solche Sensationen blühen mir nicht.

Der Oberst. Ich weiß nicht, was Gnädigste getan hätten.

Frau v. Landiesen (einfach, selbstverständlich). Wenn ich das als junges Mädchen erlebt hätte – ganz einfach, ich hätte ihn erschossen, sie erschossen und mich erschossen, und Sie auch – als Mitwisser.

Der Oberst. Solche Radikalmittel sind hier nicht gesellschaftsfähig.

Frau v. Landiesen. Daß die kirchliche Trauung unterblieb, ist für Jennewein unangenehm.

Der Oberst (liebenswürdig). Ich weiß wirklich nicht, wie ich Ihnen in dieser Angelegenheit dienen kann . . .

Frau v. Landiesen. Mich empfängt die Comtesse nicht. Jennewein glaubt sie nicht. Herr Oberst, Sie müssen der Comtesse die Sache aufklären.

Der Oberst. Gnädigste, das ist keine Mission für einen Reiterobersten. Ich kann nicht gut für die Harmlosigkeit meiner Offiziere in Liebeshändeln einstehen. Sie müssen schon selbst so freundlich sein.

Frau v. Landiesen. Aber sie will doch nicht mit mir sprechen . . .

Der Oberst. Ich werde Ihnen gern Gelegenheit dazu 35 verschaffen, Gnädigste. Sie bekommen eine Einladung zum Frühstück in die Offiziersmesse. Die Gräfinnen kommen auch.

 

Sechzehnte Szene

Der Oberst, Frau v. Landiesen, Riedel und Jäger.

Riedel (kommt mit Oberleutnant Jäger. Die Herren verbeugen sich. Diese Offiziere und alle folgenden erscheinen en parade – mit Tschapka (Helm), Kartusche, Säbel, Stiefelhosen).

Der Oberst. Nur näher, meine Herren! (Er stellt vor.) Herr Oberleutnant Riedel, Oberleutnant Jäger. Verzeihung, meine Herren! (Zu Frau v. Landiesen.) Erlauben Sie, gnädige Frau, daß ich Sie mit meinen Damen bekannt mache. – Bitte, Riedel, notieren Sie: eine Einladung zum Regimentsjubiläum für Frau v. Landiesen. Hotel . . .?

Frau v. Landiesen. Kontinental. – Vielen Dank!

Der Oberst. Bitte schön, gnä Frau.

Riedel (notiert).

Der Oberst (ab mit Frau v. Landiesen).

Oberleutnant Jäger (blond, stämmig – ein Mann, der stolz von sich behauptet, er wäre mit steierischem Sterz aufgepäppelt worden). Was? Noch ein paar Damen bei dem Fest? Man wird nicht wissen, ist das ein Regimentsjubiläum oder das Jubiläum einer höhern Töchterschule.

Riedel. Töchterschule stell ich mir jedenfalls amüsanter vor. – Aber sei froh, da hast du eine hübsche Tischdame.

Jäger. Danke bestens, ich bin nicht für Konversation beim Diner. Einem Gaul läßt man auch seine Ruh bei der Fütterung. – Und nach Parfüm stinkts hier wie auf dem Hofball. –Brr – Salonweiber! Das hab ich schon gefressen! Da können acht Tage mit nichts vergehen, eh man zu was kommt. Nein, nein – ein Weib, was über eine Chansonette hinausgeht, existiert nicht für mich. 36

 

Siebzehnte Szene

Riedel, Jäger, Rimanski, Mirkowitsch. Später Palitschek.

Diese und die folgenden vier Szenen müssen in besonders flottem Tempo gespielt werden. Der Feldherrnhügel ist nicht von Ibsen sondern von Rößler und Roda.

Rimanski und Mirkowitsch (kommen).

(Die jungen Herren grüßen dienstlich, durch Verbeugungen).

Mirkowitsch (breit, sonnverbrannt, großer Schnurrbart. Troupier von der Glatze bis zum Gamaschenknopf). Servus. meine Herren! Ist der Preuß schon da? Wer holt ihn denn ab?

Riedel. Unser Generalstäbler.

Mirkowitsch. Ich begreif nicht, daß man mit einem Preußen so viel Umstände macht . . . Ich hab alle Hände voll zu tun mit Stiefelzählen, Parademontur ausgeben – muß alles stehen und liegen lassen und herkommen, den Herrn Protestanten empfangen.

Jäger. Was fangt man eigentlich mit dem Bundesbruder an? Wenn er mich anredet – was soll ich ihm antworten? Ich sag eine Dummheit, und unsre Armee ist blamiert.

Rimanski. Ich werde überhaupt den Arzt fragen, ob ich bei meinem Gemütszustand mich solchen Aufregungen aussetzen darf.

Leutnant Palitschek (kommt – mit einem Sträußchen in der Hand. Provinzgigerl. Er hat im Saisontheater in Gmunden fünfzehnmal die Lustige Witwe gesehen – ohne daß sich sein Aggregatzustand verändert hätte).

Jäger. Servus, Palitschek! Schad, daß du nicht früher kommen bist – grad ist ein Schippong hinausgerauscht. Wann du schnell laufst, erwischst ihn noch.

Palitschek. Fräulein Minka? 37

Riedel. Nein, es war eine russische Dame – mit solchen Brillanten, Palitschek – das wär ein Partie für dich.

Palitschek (energisch). Pardon, ich muß sehr bitten – ich habe niemanden beauftragt, mir eine Partie zu suchen.

Rimanski. Bitte, keine Streitigkeiten! Das regt mich auf.

 

Achtzehnte Szene

Die Vorigen. Der Regimentsarzt.

Der Regimentsarzt (kommt. Er ist katholisch; aber noch nicht all zu lang. Jedenfalls mit Chrisam gesalbt; aber nicht mit Sattelseife. Im Gegenteil, er ist dick und recht behaglich).

Riedel. Ah, der Herr Regimentsarzt!

Jäger. Servus. Herr Regimentsarzt!

Der Regimentsarzt (zieht nach Zivilistenart den Hut). Guten Morgen, meine Herren, habe die Ehre! Ich habe einen Dienstzettel gekriegt. Es ist doch niemand krank beim Herrn Obersten?

Jäger. Woher! Da schickt der Oberst doch um den Zivilarzt.

Der Regimentsarzt. Oder hat der Herr Leutnant Palitschek schon wieder ein Duell?

Riedel. Nein, es ist wegen des Jubiläums.

Der Regimentsarzt. Ah, die Festlichkeit! (Zu Rimanski.) Herr Proviantoffizier, was kriegen wir denn da zu essen?

Alle (lachen).

Jäger. Das ist unserm Regimentsarzt das Wichtigste.

Der Regimentsarzt. Bitte, ich bin für die Gesundheit der Herren Offiziere verantwortlich. 38

Rimanski (blättert in einem Buch). Ich habe mir für unsre Gäste ein norddeutsches Kochbuch kommen lassen.

Der Regimentsarzt. Um Himmels willen, hör mir damit auf! Unsre Offiziersmenage ist ohnehin der langsame Hungertod. Das Fleisch gestern – das war ja mit Waffenfett gebraten. Ich bin nicht dreißig Jahre Soldat, um geschmiertes Rindsleder zu essen.

Rimanski. Ich verstehe das Buch überhaupt nicht. Es sind so viel fremde Ausdrücke darin. Was ist das – schlesisches Himmelreich?

Mirkowitsch. Kraut, Pflaumen, Knödel . . . (Er sucht nach Ausdrücken.) Siegellack, Benzin, Petroleum, Wagenschmiere . . . – nicht zum Fressen.

Rimanski. Und Eisbein mit Sauerkohl?

Alle im Chor. Schweinshaxl mit Kraut.

Rimanski. Und Flammri?

Der Regimentsarzt. Flammri? O je! In Norddeutschland ist das eine Mehlspeis. In Wien klebt man damit Plakate an.

Rimanski. Aber rote Grütze – das klingt so appetitlich. Hast du das schon einmal gegessen?

Der Regimentsarzt. Nein, ich bin katholisch. – Rimanski, ich bitte dich, mach keine Experimente mit dem Menu! Bist ohnehin nicht ganz gesund. Wie gehts dir denn?

Rimanski. Ich hab dich schon fragen wollen – ich hab so ein Drücken . . .

Riedel. Was fragst ihn denn erst? Ich kann dir gleich sagen, was er dir verordnet: fehlts überm Kragen – Kopfwehpulver – unterm Kragen – Abführmittel.

Jäger. Laßts unsern lieben Regimentsbader in Ruh! Er ist ein ganz ein tüchtiger Mensch. Bloß von der Medizin versteht er nichts. 39

 

Neunzehnte Szene

Die Vorigen. Turek.

Rittmeister Turek (kommt. Tiefe Stimme, Kaiserbart, etwas Belehrendes im Ton. Prager Deutsch. Rittmeister aus Überzeugung). Guten Morgen, meine Herren!

Einige. Guten Morgen, Herr Rittmeister!

Die jungen Herren (grüßen dienstlich).

Turek. Nun, sind die Herren schon vollzählig?

Mirkowitsch. Mein Fähnrich fehlt.

Jäger. Schon wieder.

Mirkowitsch. Wo der wieder herumstreicht? Na, warte!

Jäger. Palitschek, paß auf – der ist bei deiner Josefine.

Turek. Es ist traurig, daß die Herren, statt sich mit Ernst und Eifer ihrer Berufsausbildung zu widmen – Josefinen nachlaufen.

Der Regimentsarzt. Laßt doch den jungen Menschen! Es ist noch fünf Minuten Zeit, er kann noch immer pünktlich sein.

Mirkowitsch. Pünktlichkeit ist – eine Viertelstunde zu früh.

Turek. Der neue Rittmeister ist auch noch nicht da.

Riedel. Jennewein? Der hat sich noch gar nicht gemeldet.

Jäger. Mein lieber Palitschek, da kriegst einen angenehmen Chef. Ich kenn ihn. Der frißt die Weiber alle selber, da bleibt für dich nichts übrig.

Turek (zu Palitschek). Es wäre für die jüngern Herren Offiziere besser, sich weniger um leichtfertige Damen zu 40 kümmern. Die Kavallerie hat ein erhabenes Ziel vor Augen: die Dressur des Pferdes. Weiber aber entfernen von den Berufspflichten, hindern am Auslangen mit den Bezügen und rauben Ehre und Gesundheit.

Der Regimentsarzt. Und machen einen gemütskrank, Amen. (Boshaft.) Nicht wahr – Rimanski? (Er klopft Rimanski auf die Schulter.)

Alle (lachen).

Palitschek. Ich höre, morgen sind auch Damen eingeladen.

Riedel. Aus Wunsch der Kommandeuse.

Rimanski. Also persönliches Regimentsjubiläum der Frau Oberstin.

Jäger. Sakrament, nicht einmal besaufen wird man sich dürfen, und anständig benehmen muß man sich auch.

Rimanski. Ganz einfach – was auch beschlossen wird, kommen tuts so: wir werden beisammensitzen und saufen und noch einmal saufen, bis wir uns die Bindfäden aus dem Mund ziehen. Und dann werden wir Karten spielen. Dann wird gestritten. Am nächsten Morgen werden sich zwei oder vier schießen – und dann fängt das neue Jahrhundert an.

Der Regimentsarzt Ich werde gut essen und trinken, und ansonsten häng ich mir die Wurschtigkeit dritten Grades ein. Ich bin zu meinem Vergnügen bei Militär.

Jäger. Und ich wegen dem feinen Verkehr.

 

Zwanzigste Szene

Die Vorigen. Der Major.

Der Major (kommt. Er ist vierzehn Jahre duldsamer 41 Rittmeister gewesen, und die ganze Zeit hat man ihn kalibriert. Heut noch träumt er von diesem chronischen Abiturium. Das gibt dem armen Major den Anschein, als hätte er einen Explosivstoff geschluckt, der jeden Moment losgehen kann).

Alle (erheben sich militärisch und verbeugen sich).

Der Major. Guten Morgen, meine Herren! Bitte, nur kommod! – (Vertraulich.) Sie, lieber Riedel, ich denke da über meine Rede für morgen nach. Da ist mir eingefallen: die Preußen haben doch Zitate so gern. Ein militärisches Zitat hat mir meine Tochter aufgeschrieben. (Er zieht einen Zettel aus der Tasche und liest monoton ab.) »Des Dienstes ewig gleichgestellte Uhr, wie Wallenstein so treffend sagt.« – Haben Sie nicht noch ein paar Zitate in der Kanzlei? Aber natürlich nur, wenn der Oberst sie nicht selbst braucht.

Jäger (halblaut). Vielleicht »Hoch lebe der Reservemann.«

Alle (lachen).

Der Major (gereizt). Meine Herren, Sie nehmen die Sache viel zu leicht. Militärischer Besuch aus dem Ausland – da kann allerhand passieren. Vergessen Sie nicht: die fremden Herren haben über ihre Eindrücke im Ausland dienstlich zu referieren.

Mirkowitsch. Heute machst eine Dummheit, und morgen stehts in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung.

Der Major. Also Vorsicht in Ihren Äußerungen über den Dienst, meine Herren!

Turek. Die Sprache des Soldaten sei freimütig aber verschwiegen.

Jäger (zu Riedel, halblaut). Kuschen und weiterdienen! 42

Turek. Wir müssen ihm imponieren, die Größe der Bundesarmee zu Bewußtsein bringen.

Jäger. Ah, was – wir flößen ihm mächtig Alkohol ein – dann kommt ihm schon die Größe zu Bewußtsein.

Turek. Wein, in mäßigen Mengen genossen, ist ein Mittel zur Hebung jener Dienstfreudigkeit, die dem Soldaten im Punkt zehn des Dienstreglements, erster Teil, auch für mißliche Verhältnisse ausdrücklich vorgeschrieben ist.

Mirkowitsch. Wo nur mein Fähnrich bleibt?

Der Major. Den hab ich ja eben mit einer Dame gesehen.

Jäger. Palitschek, das ist deine verflossene Josefine.

Der Major. Bedenken Sie, meine Herren, daß wir es mit einem besonders fähigen Offizier einer hervorragenden Armee zu tun haben.

Mirkowitsch. Gar so viel, wie man da hermacht, ist an denen Preußen auch nicht dran. Ganz nette Menschen sind s', nur schandbar gefroren. Reißen furchtbaren Pflanz und sagen alle »Sie« zu einander.

Palitschek. Was? Die sagen alle »Sie« zu einander? Das ist nicht möglich.

Jäger. Sie tragen halt die Röcke länger und die Nasen höher.

 

Einundzwanzigste Szene

Die Vorigen. Der Fähnrich.

Der Fähnrich (kommt atemlos, ohne die Tschapka abzunehmen, salutiert. Ein strammer, blutjunger Soldat. Macht immer blitzschnell Front, sooft ein vorgesetzter Erzieher ihn anspricht. Und man spricht ihn viel an). 43

Mirkowitsch. Ja, Sie, Fähnrich! Wo waren Sie denn?

Der Fähnrich. Melde gehorsamst – in der Kirche bei der Maiandacht.

Mirkowitsch. So sehen Sie grade aus. Sie werden bei mir noch beten lernen. Sie kennen mich noch nicht. Wenn ich auch in der Offiziersmesse gemütlich bin – im Dienst bin ich ein Viech. – Und ich bin immer im Dienst.

Der Fähnrich. Jawohl, Herr Rittmeister.

Mirkowitsch. Überhaupt sag ich Ihnen: Jetzt kommt das Jubiläum. Hüten Sie sich, nur im geringsten auffallend zu werden! (Er kommt ganz nahe zu ihm.) Ja, Sie – was fällt Ihnen denn ein? Sie tragen eine vorschriftswidrige Tschapka? Nächstens kommen Sie noch im Chapeau claque. Jetzt, wo ein fremdes Offizierskorps herkommt? Drei Tage Zimmerarrest wegen Kompromittierung der Monarchie!

Die Offiziere (haben sich einstweilen nach dem Rang – man vergleiche das Personenverzeichnis – in einer Front aufgestellt).

Riedel (bleibt an der Tür).

 

Zweiundzwanzigste Szene

Die Vorigen. Der Oberst.

Der Oberst (kommt. Alle verbeugen sich gleichzeitig. Der Fähnrich salutiert).

Der Oberst. Guten Morgen, meine Herren! Danke, danke – nur kommod! Also, meine Herren (er zieht die Uhr) der Zug ist schon längst da – unser Besuch muß im Augenblick kommen. Ich bitte die Herren, unserm Gast ganz kameradschaftlich offen entgegenzukommen, ihm selbstverständlich mit allen dienstlichen Angaben zu dienen, wie Ihnen der Herr Major jedenfalls schon gesagt haben wird . . . 44

Der Major. Jawohl, Herr Oberst!

Der Oberst. Ich bitte auch, nicht zu viel zu trinken. Keine banalen Gespräche von Weibern und dergleichen, damit der Herr vom Geist der befreundeten Armee . . .

(Man klopft.)

Der Oberst. Herein!

 

Dreiundzwanzigste Szene

Die Vorigen. Lützelburg. Ein Rittmeister. Koruga.

Rittmeister v. Lützelburg (kommt in Begleitung eines Rittmeisters).

Koruga (tritt hinter ihnen ein – mit einer Dienstmappe).

Lützelburg (hochgewachsen, Kürassieruniform, Parade, sehr, sehr, sehr stramm). Herr Oberst, Rittmeister und Flügeladjutant v. Lützelburg, herzoglich friesisches Leibkürassierregiment, meldet sich zur Stelle.

Der Oberst (verbeugt sich). Leuckfeld. Wir freuen uns alle sehr, Herr Kamerad, den Vertreter Seiner königlichen Hoheit, unsres hohen Oberstinhabers, bei uns zu sehen.

Lützelburg (schnarrt). Habe hohen Befehl, Grüße und Gratulationen Seiner königlichen Hoheit zu überbringen dem Regiment, dem Herrn Kommandeur und (er macht stramm Front zu den Offizieren) sämtlichen Herren Offizieren.

Der Oberst. Ich danke, Herr Rittmeister! (Händeschütteln.) Herr Kamerad wohnen selbstverständlich bei mir.

Lützelburg (schlägt die Hacken zusammen).

Riedel (ist einstweilen Koruga entgegengegangen. Halblaut). Was fällt Ihnen ein, zu stören?

Koruga. Herr Oberleutnant, melde gehorsamst, äußerst dringende Dienststücke. (Er übergibt sie Riedel und geht ab.)

Der Oberst. Was ist denn? 45

Riedel (hält einen Brief hoch). Äußerst dringend – vom Korpskommando.

Der Oberst (zu Lützelburg). Verzeihung! Der Herr Major wird die Güte haben, Sie mit den Herren des Regiments und meinen Damen bekannt zu machen. Ich bitte, mich fünf Minuten zu entschuldigen.

Lützelburg (stellt sich, beim Major beginnend, jedem Herrn mit einem kurzen »Lützelburg« und einer Verbeugung vor und geht dabei die Reihe ab. Jeder Herr antwortet rasch durch eine Verbeugung und Nennung seines Namens. Zuletzt stellt sich Lützelburg dem Regimentsarzt vor).

Der Regimentsarzt. Rosenstock.

Der Major. Darf ich bitten? (Ab mit Lützelburg und sämtlichen Offizieren.)

(Die folgende Szene rasch.)

Riedel. Korpskommandoverordnung »Es ist Meldung zu erstatten über die Eheangelegenheit des Rittmeisters v. Jennewein, und zwar ausführlich und sofort.«

Der Oberst (ärgerlich). Ausführlicher Bericht – sofort? Jetzt vor dem Jubiläum? Wo der Preuß da ist, wo der Herzog morgen kommt?

Riedel. Exzellenz befiehlt, die Ehe ungesäumt in Ordnung zu bringen.

Der Oberst. Ich kann die Gräfin doch nicht von der Wache zwangsweise zum Altar vorführen lassen?

Riedel (liest ein zweites Aktenstück vor). »Auf Betreiben des Gläubigers, Pferdehändlers Lorenz Mittermaier, Pfändung der Gage und der eigenen Pferde des Rittmeister Baron Jennewein.«

Der Oberst. Dieser Jennewein! Das auch noch!

Riedel. »Es wird um Erlaubnis der Personalpfändung des Rittmeisters in der Kaserne gebeten.« 46

Der Oberst (scharf). Personalpfändung? Wird bewilligt.

Riedel (liest ein drittes Dienststück). »Kammervorsteher des Kurfürsten von Vicenza. Seine Hoheit (mit Nachdruck) empfiehlt Herrn Rittmeister v. Jennewein und hofft, daß der schneidige Offizier dem Herrn Obersten willkommen sein wird.«

Der Oberst. Sehr willkommen. Der wird recht angenehme Tage bei mir haben. Bericht über Ehe – Pfändung – Ordnung der Ehe. Ein russisches Verhältnis. Eine ungarische Braut oder halbe Frau. Eine Empfehlung vom Kurfürsten – Ich danke sehr. (Er schlägt auf den Tisch. Sehr ärgerlich.) Das hält kein Dienstpferd aus. Da gibts nur eins: man läßt alles verhageln und geht in Pension. – Ich halte mich an die Vorschrift. Riedel, sehen Sie nach – da stehen meine Dienstbücher: A–36, »Vorschrift über die Heiraten im k. u. k. Heere.« Haben Sie es?

Koruga (meldet). Herr Rittmeister v. Jennewein. (Ab.)

 

Vierundzwanzigste Szene

Der Oberst, Riedel, Jennewein.

Rittmeister v. Jennewein (blond, hübsch, stramm, in dunkler Husarenuniform. Die Frauen lieben ihn, und er weiß es). Herr Oberst, Rittmeister v. Jennewein meldet gehorsamst seine Einrückung vom siebzehnten Husarenregiment.

Der Oberst (höhnisch). Ah, das freut mich sehr. Es sind auch schon einige Liebeszeichen für Sie da, Herr Rittmeister. (Streng.) Sind Sie verheiratet?

Jennewein (laut). Jawohl. Herr Oberst!

Der Oberst. Ihre Frau aber sagt: Sie sind ledig.

Jennewein. Jawohl, Herr Oberst!

Der Oberst. Riedel, ist die Ehe giltig? 47

Riedel. Nach Zivilgesetz – ja. Die militärische Vorschrift verlangt eine kirchliche Trauung.

Der Oberst. Nach Ihrer Behauptung sind Sie verheiratet. Ihre Frau sagt: Nein. Zivilgesetz: Ja. Militärgesetz. Nein. (Wütend.) Dieser Zustand ist unmilitärisch. Die kirchliche Trauung muß vollzogen werden.

Jennewein. Die Gräfin will aber nicht.

Der Oberst. Dann lassen Sie sich nach der Trauung in Gottes Namen scheiden. – Sie waren bisher im Hofdienst?

Jennewein. Jawohl, Herr Oberst!

Der Oberst. Sie haben Schulden?

Jennewein. Jawohl, Herr Oberst!

Der Oberst. Viel Schulden?

Jennewein. Jawohl, Herr Oberst!

Der Oberst. Sie werden sie binnen drei Tagen bezahlen.

Jennewein (plötzlich lächelnd). Jawohl, Herr Oberst!

Der Oberst. Warum lachen Sie denn?

Jennewein (mit steinernem Ernst). Drei Tage – so lang hat man mir bei meinem frühern Regiment nie Zeit gelassen.

Der Oberst. Haben Sie sie auch bezahlt?

Jennewein. Ich habe sie zentralisiert – bei einem Gläubiger.

Der Oberst. So leichtsinnige Soldaten dulde ich nicht. (Sehr zornig.) Ich wünsche klipp und klar reinen Tisch. Sie werden hier strengen Dienst machen. Sie bekommen die fünfte Schwadron, ganz slovakische Mannschaft. Sie können doch Slovakisch?

Jennewein. Nein, Herr Oberst!

Der Oberst (ausbrechend). Was?? Nicht einmal 48 Slovakisch können Sie? Ich befehle Ihnen, binnen acht Tagen Slovakisch zu lernen.

Jennewein. Jawohl, Herr Oberst!

Der Oberst. Binnen achtundvierzig Stunden zu heiraten.

Jennewein. Jawohl, Herr Oberst!

Der Oberst. Binnen drei Tagen sich scheiden zu lassen.

Jennewein. Jawohl, Herr Oberst!

Der Oberst. Und binnen drei Tagen Ihre Schulden zu bezahlen. (Ab.)

Jennewein (zu Riedel, gemütlich). Da habe ich ja für die nächste Zeit Beschäftigung genug.

 
Vorhang

 


 


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