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Dat säbenteihnte Kapittel

Siebzehntes Kapitel

Worüm Fridrich eigentlich kein Spitzbauw was; worüm de Kaiser Napoleon nicks mit den Herrn Ratsherrn tau dauhn hewwen will, un worüm de Oberst mit den Herrn Ratsherrn Heimlichkeiten hett.

Warum Friedlich eigentlich kein Spitzbube war; warum Kaiser Napoleon nichts mit dem Ratsherrn zu tun haben will, und warum der Oberst mit dem Herrn Ratsherrn Heimlichkeiten hat.

Vör den Rathus tau Stemhagen höll de Wagen still, un mit einen Satz was min Vader raf von sinen Sack un heit de annern noch en beten sitten bliwen, bet hei sei röp. As hei up de Dehl kamm, begegent em Marik Wienken mit Licht, denn 't was all mitdewil düster worden. Marik, wat uns' Deinstmäten was, hadd binah dat Licht fallen laten un wull eben upschrigen, as sei minen Vader ut Hannern sin Mondierung herute kennen ded; hei treckt sei äwer fix in sin Stuw' un säd: »Holt din Mul, Marik! Du büst jo'n verstännig Mäten!« Marik was man düsig, äwer nicks grippt de Dummheit beter unner de Arm, as wenn sei för klauk utgewen ward; in Marik ehren Kopp würd dat denn ok en ganz Deil heller. »Is de Herr Amtshauptmann noch hir?« frog min Vader. »Ja, Herr.« »Denn sett dat Licht hir hen un gah nah de Stuw' rin un lat di nicks tau min Fru marken un segg den Herrn Amtshauptmann: buten wir ein, de em spreken wull, un denn bring em hir rin.«

Vor dem Rathaus zu Stavenhagen hielt der Wagen still, und mit einem Satz war mein Vater von seinem Sack herunter und sagte den anderen, sie möchten noch ein bißchen sitzen bleiben, bis er sie riefe. Als er auf die Diele kam, begegnete ihm Marie Wienke mit Licht, denn es war mittlerweile schon dunkel geworden. Mariechen, unser Dienstmädchen, hätte beinahe das Licht fallen lassen und wollte eben aufschreien, als sie meinen Vater aus Hanne Besserdichs Kleidern herauskannte; er zog sie aber schnell in seine Stube und sagte: »Halt deinen Mund, Marie! Du bist ja ein verständiges Mädchen!« – Mariechen war nur dummlich; aber nichts greift der Dummheit besser unter den Arm, als wenn sie für klug ausgegeben wird; in Mariechens Kopf wurde es denn auch ein ganz Teil heller. – »Ist der Herr Amtshauptmann noch hier?« fragte mein Vater. – »Ja, Herr.« – »Dann setze das Licht hierhin und geh' in die Stube hinein und laß dir meiner Frau gegenüber nichts merken und sage dem Herrn Amtshauptmann: draußen wäre einer, der ihn sprechen wollte; und dann bring' ihn hier herein.«

Na, dat geschach, un de oll Herr kamm herin: »Gun Abend, min Sähn, wat willst du, un wat deihst du hir in den Herrn Burmeister sin Stuw'?« »Herr Amtshauptmann, wat makt min Fru un Kinner?« »Min Jüngschen, wat weit ick von din Fru un Kinner? Wo kümmst du tau Fru un Kinner?« »Gottsdausend«, röppt min Oll, »kennen Sei mi denn nich? Ick bün jo de Burmeister!« »Das ist denn eine andere Sache!« röppt de oll Herr. »Das is ja eine ganz besondere Sache! Ne, wat denn? Consul Stavenhageniensis in 'ne korte Jack! Äwer wat seggt Horaz? Nil admirari, seggt hei! Vör allen in desen Tiden, min Herzenskindting.« »Herr Amtshauptmann, min Fru?« »Weit, dat Sei los sünd, min Herzenskindting, un ward sick sihr freuen.« »Äwer...« »Nee, 't schadt ehr nich, ok nich, wenn sei Sei in 'ne korte Jack süht. Kamen S' man!«

Dies geschah nun, und der alte Herr kam herein: »Guten Abend, mein Sohn, was willst du, und was tust du hier in des Herrn Bürgermeisters Stube?« – »Herr Amtshauptmann, was machen meine Frau und Kinder?« – »Mein Jüngelchen, was weiß ich von deiner Frau und deinen Kindern? Wie kommst du zu Frau und Kindern?« – »Potztausend!« ruft mein Vater. »Kennen Sie mich denn nicht? Ich bin ja der Bürgermeister!« – »Das ist denn eine andere Sache!« ruft der alte Herr. »Das ist ja eine ganz besondere Sache! Ne, was denn? Consul Stavenhagenensis in einer kurzen Jacke! Aber was sagt Horaz? Nil admirari, sagt er! Vor allem in diesen Zeiten, mein Herzenskindting.« – »Herr Amtshauptmann, meine Frau?« – »Weiß, daß Sie los sind, mein Herzenskindting, und wird sich sehr freuen.« – »Aber ...?« – »Nein, es schadet ihr nicht, auch nicht, wenn sie Sie in einer kurzen Jacke sieht. Kommen Sie nur!«

All de Äwerraschungen dägen den Düwel nicks, sülwst nich de gauden. Wenn de Freud' den Minschen mit einmal in de Uhren schallt, as wenn twei Dutzend Muskanten tauglik dicht bi einen achter'n Busch losleggen, denn ritt dat einen dörch dat Hart un dörch den Kopp, un dat schönste Lied ward idel Weihdag'. Ne! ick law mi de Freud, wenn sei ankümmt as en schönen Singvagel in'n käuhlen Holt, wenn sei neger kümmt un ümmer neger von Twig tau Twig, bet sei mi tauletzt von den negsten Busch ehr Lied vull in de Uhren singt.

Alle Ueberraschungen taugen den Teufel nichts, selbst nicht die guten. Wenn die Freude dem Menschen mit einmal in die Ohren schallt, wie wenn dicht bei einem zwei Dutzend Musikanten zugleich hinterm Busch loslegen, dann reißt es einem durch das Herz und durch den Kopf, und das schönste Lied wird eitel Schmerz. Nein! Ich lobe mir die Freude, wenn sie ankommt wie ein schöner Singvogel im kühlen Wald, wenn sie näher kommt und immer näher von Zweig zu Zweig, bis sie mir zuletzt vom nächsten Busch ihr Lied voll in die Ohren singt.

De Freud' kamm bi min Mutting tauirst woll en beten hastig; äwer dat was äwerstahn; nu kamm sei von Twig tau Twig, un as min Vader rin kamm in de Stuw', dunn sung sei ehr Lied ehr vull in de Uhren, un as de Vagel tauletzt gor in 'ne korte Jack kamm, dunn was't ehr, as wenn hei ehr allerlei Wippkens in den Busch vörmaken ded, dat sei von Harten doräwer lachen müßt. Un de Erinnerung an desen Dag is in unsern Hus' lewig blewen bet in de spädsten Tiden: wenn min Vader unner Arbeit un Sorgen mal recht lustig an't Hus kamm, denn heit dat unner uns: »Vatting hett hüt de korte Jack an.«

Die Freude kam bei meiner Mutter zuerst wohl ein bißchen hastig; aber das war überstanden; nun kam sie von Zweig zu Zweig, und als mein Vater in die Stube hereinkam, da sang sie ihr Lied ihr voll in die Ohren, und als der Vogel zuletzt gar in einer kurzen Jacke kam, da war's ihr, als wenn er ihr im Busch allerlei Wippchen vormachte, daß sie von Herzen darüber lachen mußte. – Und die Erinnerung an diesen Tag ist in unserem Hause lebendig geblieben bis in die spätesten Zeiten: wenn mein Vater unter Arbeit und Sorge mal recht lustig nach Hause kam, dann hieß es unter uns: »Vatting hat heute die kurze Jacke an.«

As sick de Freud hallweg' tau Rauh set't hadd, fung de oll Herr an: »Un den Franzosen hewwen Sei glik mitbröcht, min Herzenskindting?« » Ick nich«, säd min Oll, »den Möller sin Fridrich hett woll 't Best dorbi dahn, un de Gülzowsche Schult hett em dorbi hulpen.« »Min Herzenskindting, dieser Fridrich muß ein verteufelter Kerl sein, ein resolvierter Mensch, will'n em mal rinne kamen laten.«

Als sich die Freude einigermaßen zur Ruhe gesetzt hatte, fing der alte Herr an: »Und den Franzosen haben Sie gleich mitgebracht, mein Herzenskindting?« – »Ich nicht,« sagte mein Vater; »Müllers Friedrich hat wohl das Beste dabei getan, und der Gülzowsche Schulz hat ihm dabei geholfen.« – »Mein Herzenskindting, dieser Friedrich muß ein verteufelter Kerl sein, ein resolvierter Mensch; wollen ihn mal hereinkommen lassen.«

Fridrich kamm, un de Schult ok. »Hür mal, min Sähn, büst du dat, de den Franzosen von den Wagen smeten hett?« Fridrich dacht bi sick: wo? dit sall jo woll wedder en Gerichtsdag warden? Un wil hei dese Frag mit »ja« beantworten müßt, set't hei sick stracks up de Achterbein un let dat an sick kamen. »Ja, Herr«, säd hei. »Weitst du denn ok woll, dat du den Möller in grote Verlegenheit bröcht best?« »Verlegenheit? Hei is't mit Verlegenheiten gewennt, un ein mihr ward em nich schaden.« »Büst du dat, de den Mantelsack von dat Franzosenpird namen hett?« »Ja, Herr.« »Hest du di dorbi nich mit acht Gröschen an den Franzosen sin Eigendaum vergrepen?« »Ick heww mi min acht Gröschen blot wedder namen«, säd Fridrich un vertellte de Geschicht. »Du hest sei di gegen Gesetz un Recht namen, un wo ward so einer nennt, de dat deiht?« Fridrich kek den ollen Herrn drist an, säd äwer kein Wurd. »Schult Besserdich, wo ward so'n Minsch nennt?« »Mit Verlöw, Herr Amtshauptmann, en Spitzbauw!« brok de oll Schult los. »Un dat is hei, Herr; hei hett hüt noch de oll Baukfinksch 'ne Wust ut den Rok stahlen, un so'n Kirl will min Fiken frigen?« »Wat will hei?« »Min Fiken, Herr, de bi Sei deint, Herr, de will hei frigen, Herr.« »So? So?« säd de Herr Amtshauptmann un kek Fridrichen von baben bet unnen an, »das ist denn eine andere Sache! Min Sähn, denn kannst du rute gahn; äwer ick ward di den gistrigen un den hütigen Dag gedenken.

Fridrich gung un schull in sinen Harten up den Schulten un den Amtshauptmann. »Wat will hei mi gedenken?« frog hei sick, as hei up de Dehl stunn. Hadd hei äwer wüßt, wat dit Wurd bi den ollen Herrn in den Mun'n führt, hadd hei woll so nich fragt, denn in'n Bösen gedacht de oll Herr sindag' nich wat; dat Bös' gung an em voräwer, dat hackte em nich an, un hei makte drei Krüzen achter her; kamm em äwer dat Gaude entgegen, denn was em bang, dat hei't so rasch verliren süll, denn heit dat: »Neiting, Fritz Sahlmann, Westphalen, Kinnings, helpt mi doran gedenken.«

Friedrich kam, und auch der Schulz. »Hör mal, mein Sohn, bist du das, der den Franzosen vom Wagen geschmissen hat?« – Friedrich dachte bei sich: wie? dies soll ja wohl wieder ein Gerichtstag werden? – und weil er diese Frage mit ja beantworten mußte, setzte er sich stracks auf die Hinterbeine und ließ es an sich kommen. »Ja, Herr,« sagte er. – »Weißt du denn auch wohl, daß du den Müller in große Verlegenheit gebracht hast?« – »Verlegenheit? Er ist Verlegenheiten gewöhnt; und eine mehr wird ihm nicht schaden.« – »Bist du das, der den Mantelsack vom Franzosenpferd genommen hat?« – »Ja, Herr.« – »Hast du dich dabei nicht um acht Groschen an des Franzosen Eigentum vergriffen?« – »Ich habe mir meine acht Groschen bloß wieder genommen,« sagte Friedrich und erzählte die Geschichte. – »Du hast sie dir gegen Gesetz und Recht genommen, und wie wird so einer belangt, der dies tut?« – Friedrich sah den alten Herrn dreist an, sagte aber kein Wort. – »Schulz Besserdich, wie wird so ein Mensch genannt?« – »Mit Verlaub, Herr Amtshauptmann, ein Spitzbube!« brach der alte Schulz los. »Und das ist er, Herr; er hat heute noch der alten Buchfinksch eine Wurst aus dem Rauch gestohlen! Und so ein Kerl will meine Fiken heiraten?« – »Was will er?« – »Meine Fiken, Herr, die bei Ihnen dient, Herr, die will er heiraten, Herr.« – »So? so?« sagte der Herr Amtshauptmann und sah Friedrich von oben bis unten an, »das ist denn eine andere Sache! – Mein Sohn, dann kannst du herausgehen; aber ich werde dir den gestrigen und den heutigen Tag gedenken.« Friedrich ging und schalt in seinem Herzen auf den Schulzen und den Amtshauptmann: »Was will er mir gedenken?« fragte er sich, als er auf der Diele stand. Hätte er aber gewußt, was dieses Wort beim alten Herrn besagen wollte, dann hätte er wohl nicht so gefragt; denn im Bösen gedachte der alte Herr niemals etwas; das Böse ging an ihm vorüber, das blieb nicht an ihm haften, und er machte drei Kreuze dahinter her; kam ihm aber das Gute entgegen, dann war ihm bange, daß er's zu rasch verlieren sollte, dann hieß es: »Neiting, Fritz Sahlmann, Westphal, Kinder, helft mir daran gedenken.«

As Fridrich ut de Dör was, dreiht de oll Herr sick üm un lachte ut vullen Harten: »Neiting, üm Fritz Sahlmannen sin Wust von hüt morrn büst du nu doch rüm, de kriggt de Baukfinksch in Pinnow, denn wenn dese Bengel, de Fridrich, den Schulten sin Fik frigen sall, denn möt wi em doch irst wedder ihrlich maken.« »Ja«, röp min Oll un läd en Achtgröschenstück up den Disch, »un hir is dat Geld, wat hei den Franzosen namen hett.« »Na, un nu, Schult, wennihr ward de Hochtid?« lachte de oll Herr. De oll Schult stunn dor un makt en Gesicht, as hadd em einer von achter 'ne Brill von Schauhsahlen upset't; hei wüßt nich, wat üm em geschach. »Herr Amtshauptmann«, säd hei endlich, »de Kirl is jo äwerst en Snurrer.« »Schult«, säd de oll Herr, »de Sak kann sick ännern. In'n Amt sünd in desen Tiden Burhäw' fri kamen, un wer weit, wo hohe Herzogliche Kammer doräwer denkt.« »Ja, hei is doch äwerst ok en Spitzbauw, Herr.« »Schult, dat wull ick blot noch mal von Em hüren. As de Kirl hüt morrn sick de acht Gröschen ut dat Fellisen halt hett, hadd hei dunn nich dat Ganze behollen künnt? Wer hadd dor wat von wüßt? Un wenn hei't up den Nacken namen hadd un wir dormit äwer de preußsche Grenz gahn, wecke Hund un wecke Hahn hadd dornah kreiht? Ne, wat denn?« »Je, Herr, äwer mit de acht Gröschen un de Wust?« »Dat ein hett hei in sinen Unverstand för sin Recht hollen un dat anner för en Spaß.« »Je, Herr«, seggt de Schult un kratzt sick an den Kopp, »wenn dat ok all so is, min Fik is doch tau jung för den ollen Bengel.« »Mit Verlöw, Herr Amtshauptmann«, föll hir Mamsell Westphalen in, »dat ick mang Gerichtssaken un Burenangelegenheiten red. Schult Besserdich, dat is en dummen Snack von Em; denn wenn Sin Fik noch 'ne junge, dumme Dirn is, dann is dat gaud, dat sei en erfohren Mann kriggt, denn dat hett ümmer sin Ort hadd. Un, Herr Amtshauptmann, nehmen S' nich äwel, hei is en resolvierten Kirl un in dese Tid tau bruken, un gistern abend ick will nicks nich gegen Herr Droin seggen, denn hei möt weiten, wenn dat Tid is, mit Obergewehr un Unnergewehr up en Minschen lostaugahn, äwer gistern gung Fridrich itzig un allein up den Franzosen los, un wenn sine Redensorten ok för Ehre Stuw' un mine Uhren nich rendlich naug wiren, so säd ick doch tau mi: dat is en Kirl, de hett dat mit de Daht. Un, Schult Besserdich, de beiden passen för enanner, denn wat hei in de Daht hett, het sei in de Würden; un, Herr Amtshauptmann, sei kann sick en Kirl von den Liw' hollen, denn sei hett en gottgesegentes Mulwark, un dat segg ick

Als Friedrich aus der Tür war, drehte der alte Herr sich um und lachte aus vollem Herzen: »Neiting, um Fritz Sahlmanns Wurst von heute früh bist du nun doch gekommen – die kriegt die Buchfinken in Pinnow; denn wenn dieser Bengel, der Friedrich, des Schulzen Fik freien soll, dann müssen wir ihn doch erst wieder ehrlich machen.« – »Ja,« rief mein Alter und legte ein Achtgroschenstück auf den Tisch, »und hier ist das Geld, das er dem Franzosen genommen hat.« – »Na, und nun, Schulz, wann wird die Hochzeit?« lachte der alte Herr. – Der alte Schulz stand da und machte ein Gesicht, als hätte ihm jemand von hinten eine Brille von Schuhsohlen aufgesetzt; er wußte nicht, was um ihn geschah. »Herr Amtshauptmann,« sagte er endlich, »der Kerl ist ja aber ein Schnorrer.« – »Schulz,« sagte der alte Herr, »die Sache kann sich ändern. Im Amt sind in diesen Zeiten Bauernhöfe frei geworden, und wer weiß, wie Hohe Herzogliche Kammer darüber denkt.« – »Ja, er ist aber doch auch ein Spitzbube, Herr.« – »Schulz, das wollte ich nur noch mal von Ihm hören. Als der Mann heute morgen sich die acht Groschen aus dem Felleisen holte, hätte er da nicht das Ganze behalten können? Wer hätte was davon gewußt? Und wenn er es auf den Nacken genommen hätte und wäre damit über die preußische Grenze gegangen, welcher Hund und welcher Hahn hätte danach gekräht? Ne, was denn?« – »Je, Herr, aber mit den acht Groschen und der Wurst?« –»Das eine hat er in seinem Unverstand für sein Recht gehalten, und das andere für einen Spaß.« – »Je, Herr,« sagt der Schulz und kratzt sich den Kopf, »wenn das alles auch so ist – meine Fik ist doch zu jung für den alten Bengel.« – »Mit Verlaub, Herr Amtshauptmann,« fiel hier Mamsell Westphal ein; »daß ich in Gerichtssachen und Bauernangelegenheiten hineinrede: Schulz Besserdich, das ist ein dummer Schnack von Ihm; denn wenn Seine Fik noch eine junge dumme Dirne ist, dann ist es gut, daß sie einen erfahrenen Mann bekommt; denn das hat immer seine Art gehabt. Und, Herr Amtshauptmann, nehmen Sie's nicht übel, er ist ein resolvierter Kerl und in dieser Zeit zu brauchen, und gestern abend – ich will nichts gegen Herrn Droi sagen, denn er muß wissen, wann es Zeit ist, mit Obergewehr und Untergewehr auf einen Menschen loszugehen – aber gestern ging Friedrich ganz allein auf den Franzosen los, und wenn auch seine Redensarten für Ihre Stube und meine Ohren nicht reinlich genug waren, so sagte ich doch zu mir: das ist ein Kerl, der hat es mit der Tat! Und, Schulz Besserdich, die beiden passen für einander, denn was er mit der Tat hat, hat sie mit den Worten: und, Herr Amtshauptmann, die kann sich einen Kerl vom Leibe halten, denn sie hat ein gottgesegnetes Mundwerk, und das sage ich.«

De oll Schult kek Mamsell Westphalen an un denn wedder den Herrn Amtshauptmann, hei was ganz verdutzt, all de Inwennungen, de hei makt hadd, wiren em t'rügg slagen, hei söcht nah nige un funn kein, bet em tauletzt dat inföll, wat em tauletzt ümmer inföll; hei kratzt sick also achter de Uhren un säd: »Je, Herr Amtshauptmann, ick möt irst hüren, wat Mutter dortau seggt.« »Recht, min leiw' Schult! Vör allen äwer möt Hei irst hüren, wat Sin Fiken dortau seggt. Ick för min Deil heww Em man klor maken wullt, dat dese Fridrich kein Spitzbauw is.«

Der alte Schulz sah Mamsell Westphal an und dann wieder den Herrn Amtshauptmann; er war ganz verdutzt: alle die Einwendungen, die er gemacht hatte, waren ihm zurückgeschlagen; er suchte nach neuen und fand keine, bis ihm zuletzt das einfiel, was ihm zuletzt immer einfiel; er kratzte sich also hinter den Ohren und sagte: »Je, Herr Amtshauptmann, ich muß erst hören, was Mutter dazu sagt.« – »Recht, mein lieber Schulz! Vor allem aber muß Er erst hören, was Seine Fiken dazu sagt; ich für mein Teil habe Ihm nur klar machen wollen, daß dieser Friedrich kein Spitzbube ist.«

Somit was denn dese Angelegenheit vörlöpig up den Nümms- un Nahrensdag herut schaben; de Fru Amtshauptmannen was mit Mamsell Westphalen all rup up dat Sloß gahn, un bi de anner Gesellschaft was de Mäudigkeit inkihrt, as de Stadtdeiner Luth von sin Fort nah Kittendörp taurügg kamm un ansäd, dat de Herr Landrat 'ne schöne Empfehlung maken let un hei schickte sinen eignen Herrn Kammerdeiner mit von wegen dat Sülwertüg.

Somit war denn diese Angelegenheit vorläufig auf den Nimmermehrstag hinausgeschoben; die Frau Amtshauptmann war mit Mamsell Westphal schon auf das Schloß gegangen, und bei der anderen Gesellschaft war die Müdigkeit eingekehrt, als Stadtdiener Luth von seiner Fahrt nach Kittendorf zurückkam und ansagte, der Herr Landrat ließe eine schöne Empfehlung sagen und schickte wegen des Silberzeugs seinen eigenen Herrn Kammerdiener mit.

Dordörch was denn nu allens schön in Ordnung kamen, de Herr Amtshauptmann schrew nu noch ein Breiw an den französchen Oberst, min Oll säd Luthen genau Bescheid, wat hei tau dauhn un tau seggen hadd, Fridrich un Luth nemen den Schassür tüschen sick up den Wagen, de Herr Kammerdeiner un Fritz Besserdich set'ten sick vörn up, un furt gung dat in de düstre Nacht un den deipen Weg nah Bramborg hentau.

Dadurch war denn nun alles schön in Ordnung gekommen; der Herr Amtshauptmann schrieb einen Brief an den französischen Oberst, mein Vater sagte dem Stadtdiener genau Bescheid, was er zu tun und zu sagen hätte, Friedrich und Luth nahmen den Chasseur zwischen sich auf den Wagen, der Herr Kammerdiener und Fritz Besserdich setzten sich vorne auf, und fort ging es in der dunklen Nacht und dem tiefen Weg nach Brandenburg zu.

»Ja«, säd de oll Schult, as hei allein in de Nacht nah Gülzow hentau gang, »ji hewwt gaud reden! So'n Amtshauptmann un Burmeister un Mamsell up den Sloß, dat sünd vörnem Lüd' un hewwen keinen äwer sick; äwer so'n Schulten kummandiert jedwerein. Ja, wenn Mutter nich wir! Un de Kirl wir kein Spitzbauw, un hei wir en teihn Johr jünger, un hei hadd 'ne Burstäd', un min Fik wull em, ja denn denn kreg hei de Dirn doch nich, denn Mutter litt't nich.«

»Ja,« sagte der alte Schulz, als er allein in der Nacht nach Gülzow ging, »ihr habt gut reden! So ein Amtshauptmann und Bürgermeister und 'ne Mamsell auf dem Schloß, das sind vornehme Leute und haben keinen über sich; aber so einen Schulzen kommandiert ein jeder. Ja, wenn Mutter nicht wäre, und der Kerl wäre kein Spitzbube, und er wäre so ein zehn Jahre jünger, und er hätte eine Bauernstelle, und meine Fiken wollte ihn, ja, dann – dann kriegte er das Mädchen doch nicht, denn Mutter leidet es nicht.«– –

Kein Minsch kann mi nu verdenken, dat ick bi dat Vertellen von 'ne lustige Geschicht nich Lust heww, grugliche Geschichten mit mang tau mengen, un dorüm red ick nich wider as nödig von den französchen Schassür; ick segg nicks dorvon, wo em tau Maud' was, as hei nah Bramborg kamm, nicks dorvon, as hei vör't Krigsgericht stunn, nicks dorvon, wo em de Angst, de Dodesangst ümmer neger kamm, as hei sinen bösen Lohn kreg. Un wenn ick't ok wull, so künn ick't nich, denn ick schriw man Ding', de ick kenn, un dit kenn ick nich; ick heww't mindag' nich äwer't Hart bringen künnt, en armen Sünner niglich up den letzten Gang tau bekiken un tautauseihn, wo ein Sünner den annern von minschlichen Gerichtswegen vörilig vor dat Gericht von unsern Herrgott bringt. Äwer dat was nu einmal so, un dat geschach ok so; un as sin bläudig Liw up den Sand lagg, hett woll keiner doran dacht, dat de Kugeln wid hinnen in Frankrik vel harter in en Hart slogen as in sin eigen ick mein in sin olle Moder ehr.

Kein Mensch kann mir nun verdenken, daß ich beim Erzählen einer lustigen Geschichte keine Lust habe, grauliche Geschichten hineinzumengen, und darum sage ich von dem französischen Chasseur nichts weiter als nötig ist; ich sage nichts davon, wie ihm zumute war, als er nach Neubrandenburg kam; nichts davon, wie er vor dem Kriegsgericht stand; nichts davon, wie ihm die Angst, die Todesangst, immer näher kam, als er seinen bösen Lohn erhielt. Und wenn ich's auch wollte, so könnte ich's nicht, denn ich schreibe nur Dinge, die ich kenne, und dieses kenne ich nicht; ich habe es niemals übers Herz bringen können, einen armen Sünder neugierig auf dem letzten Gang zu begucken und zuzusehen, wie ein Sünder den anderen von menschlichen Gerichtes wegen voreilig vor das Gericht unseres Herrgotts bringt. Aber es war nun einmal so, und es geschah auch so; und als sein blutiger Leib auf dem Sande lag, hat wohl niemand daran gedacht, daß die Kugeln weit hinten in Frankreich viel härter in ein Herz schlugen, als in sein eigenes – ich meine in das Herz seiner alten Mutter.

Ick will drüm blot vertellen, dat dörch de Afliwerung von den lewigen Franzosen de Möller un de Bäcker von den Murdverdacht fri kemen un dat dörch sin Geständnis un dörch dat Tügnis von den Inspekter Nicolai un den Herrn Kammerdeiner de Landrat von Ürtzen wedder tau dat Sinige kamm un dat de Oberst von Toll, as de Auditör dat bore Geld taurügg behollen wull as herrnlos Gaud, upstunn un mit strenge Würd' säd: mit Row un Deiwstal süll sin Regiment nich anteert warden. Dormit stunn hei up, namm dat Fellisen un säd tau Luthen: »Min leiw' Fründ, Sei schinen mi en vernünftig Mann tau sin, nemen S' hir den versiegelten Mantelsack un gewen S' em den Herrn Amtshauptmann Wewer, hei süll dormit dauhn, wat hir tau Lan'n Rechtens wir.« Luth kreg 'ne Schrift dortau, un so wir de Sak afmakt.

Ich will darum nur erzählen, daß durch die Ablieferungen des lebendigen Franzosen der Müller und der Bäcker von dem Mordverdacht freikamen, und daß durch sein Geständnis und durch das Zeugnis des Inspektors Nicolai und des Herrn Kammerdieners der Landrat von Oertzen wieder zum Seinigen kam, und daß der Oberst von Toll, als der Auditeur das bare Geld als herrenloses Gut zurückbehalten wollte, aufstand und in strengen Worten sagte: mit Raub und Diebstahl solle sein Regiment nicht besudelt werden. Damit nahm er das Felleisen und sagte zu Luth: »Mein lieber Freund, Sie scheinen mir ein vernünftiger Mann zu sein: nehmen Sie hier den versiegelten Mantelsack und geben Sie ihn dem Herrn Amtshauptmann Weber; er solle damit machen, was hier zu Lande Rechtens sei.« Luth bekam eine Schrift dazu, und so war die Sache abgemacht.

Äwer nu kamm 'ne Swirigkeit dormang, doran hadd keiner dacht: wat süll mit minen Unkel Hersen warden? As de Möller un de Bäcker un de annern all ut de Gerichtsstuw' rute un von em weg gahn wiren, stunn min Unkel Hers' dor as en schönen einsamen Eikbom in en Hau, den de Förster allein in sine Statlichkeit verschont hett. De Oberst kek em verwunnert an un frog em: »Wat stahn Sei hir noch?« Min Unkel Hers' rögte sine Telgen, un an sin düsterrodes Gesicht kunn einer seihn, dat in sin Zoppen'n de Stormwind anfung tau brusen. »Dat wull ick Sei fragen«, was sin Antwurt. Wir in desen Ogenblick en frömd Minsch in de Dör kamen, hei hadd woll swigen süllt, wer Oberst un wer Ratsherr wir. 'ne statsche Uniform hadden beid an, un beid hadden 'ne vörnem, stolze Min, un beid hadden sei dese ut Gewohnheit von wegen dat Kummandieren; was de Oberst en por Toll länger, so was min Unkel en halwen Faut dicker; hadd de Oberst den Krig unner de Näs', so hadd min Unkel em äwer dat ganze Gesicht, denn hei hadd sick en por Dag' nich balbieren laten kunnt, oll Doktor Metz hadd vörgistern äwerschaten, un wat de Dag' vörher un gistern un hüt wussen was, wog gaud so vel as de Snurrbort von den Franzosen.

Aber nun kam eine Schwierigkeit dazwischen, an die niemand gedacht hatte: was sollte aus meinem Onkel Herse werden? Als der Müller und der Bäcker und die anderen alle aus der Gerichtsstube heraus und von ihm weggegangen waren, stand mein Onkel Herse da, wie ein schöner einsamer Eichbaum in einer Lichtung, den der Förster um seiner Stattlichkeit willen allein verschont hat. Der Oberst sah ihn verwundert an und fragte ihn: »Was stehen Sie hier noch?« – Mein Onkel Herse bewegte seine Zweige, und an seinem dunkelroten Gesicht konnte man sehen, daß in seinem Wipfel der Sturmwind zu brausen anfing. »Das wollte ich Sie fragen,« war seine Antwort. Wäre in diesem Augenblick ein fremder Mensch zur Tür hereingekommen, er hätte wohl schweigen sollen, wenn man ihn gefragt hätte, wer Oberst und wer Ratsherr wäre. Eine stattliche Uniform hatten beide an, und beide hatten eine vornehme stolze Miene, und beide hatten sie diese aus Gewohnheit, wegen des Kommandierens; war der Oberst ein paar Zoll länger, so war mein Onkel einen halben Fuß dicker; hatte der Oberst den Krieg unter der Nase, so hatte mein Onkel ihn über das ganze Gesicht, denn er hatte sich ein paar Tage nicht barbieren lassen können; der alte Doktor Metz hatte vorgestern übergeschlagen, und was den Tag vorher und gestern und heute gewachsen war, wog reichlich so viel wie der Schnurrbart des Franzosen.

»Wer sünd Sei?« frog de Franzos'. »Ick bün en Ratsherr, en Stemhäger Ratsherr«, säd min Unkel. Dat schint denn nu den Franzosen doch tau verblüffen; hei gung up un dal, un tauletzt blew hei vör minen Unkel stahn un säd: »Ick seih den Vurtel för den Kaiser Napoleon nich in, wenn ick noch länger mit Sei in'n Lan'n herüm treck. Sei känen gahn.« So wat was min Unkel denn nu nich gewennt. »Herr«, röp hei, »dese Behandlung...!« »Ick bedur uprichtig«, föll em de Oberst in't Wurd, »dat Sei äwerall inkummodiert sünd. Sei möten schir ut Verseihn mitnamen sin.« Dat was denn nu doch för minen Unkel en tau starkes Stück! Hei hadd sick den ganzen Weg lang un de Winternacht dormit tröst't, dat hei en utgesöchtes Opfer von den korsikanischen Draken wir, un nu süll dat Ganze en blotes Verseihn sin? Hei hadd in sine Unschuld taum wenigsten up 'ne öffentliche Ihrenerklärung vör de Frunt von en ganzes französches Regiment rekent, un nu stödd em mit Respekt tau seggen de französche Oberst mit den Faut vör den Allerwertsten un säd: hei kunn nu gahn. »En Mann, as ick bün«, röp hei, »ut Verseihn mitnamen!« »Sei känen noch von Glück seggen«, säd de Oberst un kloppt em fründlich lachend up de Schuller, »in den Krig kümmt männigmal wat Slimmeres vör, dor ward männigein ut Verseihn dodschaten. Seihn S' de Sak as 'ne Prüfung von Gott an.« »Wenn dat 'ne Prüfung sin sall«, säd min Unkel, »denn is't man 'ne sihr dumme.« De Oberst lacht un fot minen Unkel unner'n Arm: »Kamen Sei, Herr Ratsherr, ick bün recht vergnäugt in minen Harten, dat de Sak so ut de Welt kamen is un dat ick den Herrn Amtshauptmann heww tau Willen sin künnt. Un ick hadd woll noch en por Würd' in't geheim mit Sei unner vir Ogen tau reden.« In't geheim un unner vir Ogen, dat wiren denn nu en por Würd', de kunn min Unkel Hers' nich wedderstahn, hei folgte also.

»Wer sind Sie?« fragte der Franzose. – »Ich bin ein Ratsherr, ein Stavenhäger Ratsherr,« sagte mein Onkel. – Das schien den Obersten denn doch zu verblüffen; er ging auf und ab und blieb zuletzt vor meinem Onkel stehen und sagte: »Ich sehe den Vorteil für den Kaiser Napoleon nicht ein, wenn ich noch länger mit Ihnen im Lande herumziehe. Sie können gehen.« – So etwas war mein Onkel denn doch nicht gewöhnt: »Herr!« rief er, »diese Behandlung...!« – »Ich bedaure aufrichtig,« fiel ihm der Oberst ins Wort, »daß Sie überhaupt inkommodiert worden sind. Sie müssen rein aus Versehen mitgenommen worden sein.« – Das war denn nun doch für meinen Onkel ein zu starkes Stück! Er hatte sich den ganzen Weg entlang und die Winternacht hindurch damit getröstet, daß er ein ausgesuchtes Opfer des korsikanischen Drachen wäre – und nun sollte das Ganze ein bloßes Versehen sein? Er hatte in seiner Unschuld zum wenigsten auf eine öffentliche Ehrenerklärung vor der Front eines ganzen französischen Regiments gerechnet – und nun stieß ihn, mit Respekt zu sagen, der französische Oberst mit dem Fuß vor den Allerwertesten und sagte: er könnte nun gehen! – »Ein Mann, wie ich bin,« rief er, »aus Versehen mitgenommen!« – »Sie können noch von Glück sagen,« sagte der Oberst und klopfte ihm freundlich lachend auf die Schulter, »im Kriege kommt zuweilen noch viel Schlimmeres vor, da wird mancher aus Versehen totgeschossen. Sehen Sie die Sache als eine Prüfung von Gott an.« – »Wenn das eine Prüfung sein soll,« sagte mein Onkel, »dann ist es nur eine sehr dumme.« – Der Oberst lachte und faßte meinen Onkel untern Arm: »Kommen Sie, Herr Ratsherr; ich bin recht vergnügt in meinem Herzen, daß die Sache so aus der Welt gekommen ist, und daß ich dem Herrn Amtshauptmann habe zu Gefallen sein können. Und ich hätte wohl noch ein paar Worte im geheimen mit Ihnen unter vier Augen zu reden.« Im geheimen und unter vier Augen – das waren denn nun ein paar Worte, denen mein Onkel Herse nicht widerstehen konnte; er folgte also.

»Herr Ratsherr«, säd de Oberst, as sei buten up den Mark vör den Gasthof taum Goldenen Knop stun'n, denn in den Goldenen Knop was den Obersten sin Hauptquartier, »Herr Ratsherr, seggen Sei den ollen, braven Herrn Amtshauptmann, ick let em noch velmals grüßen, un wenn ick sin Bed' glücklicherwis' hadd erfüllen künnt, so süll hei tauseihn, dat hei ok min erfüllen ded, un min Bed' wir: hei süll, wenn dat mit Recht gescheihn künn, dat herrnlos' Geld dat lütt Mäten tauwen'n, de mi gestern unnerwegs den Breiw von em bröcht hadd. Un, Herr Ratsherr, Sei seihen in, dat dit geheim hollen warden möt, denn süs künn de Herr Amtshauptmann doräwer verdächtigt warden.« Min Unkel Hers' was nu wedder in sin vull Fohrwater: »Sei meinen doch Fiken?« frog hei iwrig. »Möller Vossen sin Fiken, de dor steiht?« Un wis'te up Fiken, de en beten afsid mit ehren Vader stunn un em den Arm üm den Hals leggt hadd un vör Freuden weinte. »De mein ick«, säd de Oberst un gung up dat Por tau.

»Herr Ratsherr,« sagte der Oberst, als sie draußen auf dem Markt vor dem Gasthof zum goldenen Knopf standen, denn im goldenen Knopf war des Obersten Hauptquartier, »Herr Ratsherr, sagen Sie dem alten braven Herrn Amtshauptmann, ich ließe ihn noch vielmals grüßen, und wenn ich seine Bitte glücklicherweise hätte erfüllen können, so möchte er doch zusehen, daß er auch meine erfüllte; und meine Bitte wäre: er sollte, wenn es mit Recht geschehen könnte, das herrenlose Geld dem kleinen Mädchen zuwenden, das mir gestern unterwegs den Brief von ihm gebracht hätte. Und Herr Ratsherr, Sie sehen ein, daß dies geheim gehalten werden muß, denn sonst könnte der Herr Amtshauptmann darüber verdächtigt werden.« – Mein Onkel Herse war nun wieder in seinem vollen Fahrwasser: »Sie meinen doch Fiken?« fragte er eifrig; »Müller Vossens Fiken, die dort steht?« – und er zeigte auf Fiken, die ein bißchen abseits bei ihrem Vater stand und ihm den Arm um den Hals gelegt hatte und vor Freuden weinte. – »Die meine ich,« sagte der Oberst und ging auf das Paar zu.

Fiken let den Arm von ehren Vader sinen Nacken los, äwer de Tranen kunn sei nich wehren, un as de Oberst neger kamm, was't ehr, as müßt sei noch mihr weinen, un as de Oberst ehr de Hand gaww, makte sei en stillswigenden Knicks, sei kunn kein Wurd herutbringen. So lang' de Nod as 'ne düstere Nacht up ehr legen hadd, so lang' was sei still un ruhig, ahn sick links un rechts ümtaukiken, ehren Gang gahn, un blot dat Vertrugen up Gott hadd ehr as en schönen Stirn lücht; nu dor de Sünn upgahn was, stunn sei still, ehr Hart bläuhte as 'ne schöne Rosenblaum tau dat Licht in de Höcht, de frische Morgenwind spelte in ehre Bläder, dat sei sick ümkiken kunn nah rechts un nah links un nah rüggwarts un vörwarts, un de Morgendau föll an de Ird.

Fiken ließ den Arm von ihres Vaters Nacken los, aber den Tränen konnte sie nicht wehren, und als der Oberst näher kam, war's ihr, als müßte sie noch mehr weinen; und als der Oberst ihr die Hand gab, machte sie stillschweigend einen Knix; sie konnte kein Wort herausbringen. So lange die Not wie eine dunkle Nacht auf ihr gelegen hatte, so lange war sie still und ruhig, ohne sich links und rechts umzusehen, ihren Weg gegangen. Und nur das Vertrauen auf Gott hatte ihr als ein schöner Stern geleuchtet. Jetzt, da die Sonne aufgegangen war, stand sie still, ihr Herz blühte wie eine schöne Rosenblume zum Licht empor, der frische Morgenwind spielte in ihren Blättern, daß sie sich umsehen konnte nach rechts und nach links und nach rückwärts und vorwärts, und der Morgentau fiel zur Erde.

De oll Möller stunn ok stillswigend vör den Obersten; äwer as de frog, ob hei de Vader von dat lütt Mäten wir, dunn kamm't em mit Würden äwer den Hals. »Ja«, säd bei, »Herr. Un wenn't ok wohr is, wat uns' Herr Amtshauptmann seggt, dat Jungs beter un Dirns tau quarig sünd, denn dat sünd sei, Herr, as Sei an Fiken seihn känen« un dorbi wischte hei sick sülwst 'ne Tran ut de Ogen, »so weit ick doch för Ehre Gaudheid keinen annern Wunsch, as dat uns' Herrgott Sei mal so'n oll lütt Dirnken schenken müggt, as min lütt Fiken is«. De Oberst müggt dat ok woll denken; äwer hei säd dat nich, hei wenn't sick rasch nah Fiken üm un frog: »Min leiw' Döchting, kannst du schriwen?« »Ja, Herr«, säd Fiken un makt en Knicks.
»Sei kann allens«, säd de Möller, sei kann schrewen Schrift lesen un kann schriwen as en Schaulmeister; denn sei möt jo all min Schriften besorgen.« »Na, denn, min lütt Dirning«, säd de Oberst, »schriw mi hir mal dinen Namen un den Urt rin, wo du her büst; äwer plattdütsch«. Un Fiken schrew in dat Taschenbauk von den Obersten: »Fiken Vossen up de Gielowsche Mähl in't Stemhäger Amt.« De Oberst les' dat, klappt sin Bauk tau, gaww ehr un ehren Vader de Hand un gung mit de Würden: »Adjüs! Un wi treffen mägliche Wis' noch einmal wedder tausam.«

Der alte Müller stand ebenfalls stillschweigend vor dem Obersten; aber als dieser fragte, ob er der Vater des kleinen Mädchens sei, da kam das Reden über ihn und er sagte: »Ja, Herr. Und wenn es auch wahr ist, was unser Herr Amtshauptmann sagt, daß Jungens besser und Mädchen zu quarrig sind, denn das sind sie, Herr, wie Sie an Fiken sehen können« – und dabei wischte er sich selbst eine Träne aus den Augen – »so weiß ich doch für Ihre Güte keinen andern Wunsch, als daß unser Herrgott Ihnen mal so ein liebes kleines Dirnchen schenken möchte, wie meine kleine Fiken ist.« – Der Oberst mochte das auch wohl denken; aber er sagte es nicht, er wandte sich rasch nach Fiken um und fragte: »Mein liebes Kind, kannst du schreiben?« – »Ja, Herr,« sagte Fiken und machte einen Knix.

»Sie kann alles,« sagte der Müller, »sie kann geschriebene Schrift lesen und kann schreiben, wie ein Schulmeister; denn sie muß ja alle meine Schriften besorgen.« – »Na, denn, mein kleines Dirning,« sagte der Oberst, »schreib mir hier mal deinen Namen und den Ort herein, wo du her bist; aber plattdeutsch.« – Und Fiken schrieb in des Obersten Taschenbuch: ›Fiken Vossen up de Gielowsche Mähl in't Stemhäger Amt‹.

Der Oberst las es, klappte sein Buch zu, gab ihr und ihrem Vater die Hand und ging mit den Worten: »Adieu! Und wir treffen möglicherweise noch einmal wieder zusammen.«


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