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Siam

(Tafeln 169-207)

Die Siamesen (Thai) sind die eigentlichen Beherrscher Hinterindiens gewesen. Sie teilen sich in die Thai jai und in die Thai noi. Die Thai jai oder die großen Thai saßen schon lange Jahrhunderte in Mittel- und Nordsiam und hatten dort gewaltige Königreiche gegründet mit den Hauptstädten Chiengsen, Chiengrai, Chiengmai, Sukhothai, Savankhalok und Lopburi. Um 1250 n. Chr. wurden die verschiedenen Thai-Reiche unter dem König Phra Ruang geeint, der seine Herrschaft bis an das Meer ausdehnte und den größten Teil der Halbinsel unterwarf. Die erste Blüteperiode des siamesischen Reiches fällt etwa in die Zeit um 500-700 n. Chr. Zur Zeit des Königs Phra Ruang (1250) erlebt die siamesische Kunst einen neuen Aufschwung, dessen beredte Zeugen die Bauten von Sukhothai, Savankhalok und Phitsanulok sind.

Um 1350 kamen die Thai noi oder Südsiamesen als letzte Welle der Völkerwanderung in die Halbinsel. Sie wurden von ihren Verwandten, den Thai jai, freundlich aufgenommen und man gestattete ihnen den friedlichen Durchmarsch. Aber bald wurden die geduldeten Gäste die Herren des Landes. Sie gründeten die Hauptstadt Ayuthia und das Reich von Ayuthia (1352-1767) behauptete die Vorherrschaft in ganz Siam. Bei der Zerstörung Ayuthias durch die Birmanen (1767) wurde fast das ganze Königreich in eine Wüste verwandelt, die nördlichen Hauptstädte wurden in Trümmer gelegt, die volkreiche Stadt selbst, die fast eine Million Einwohner zählte, wurde zerstört. Die üppige Tropenvegetation hat die alten Ruinenstädte im Norden des Landes so stark überwuchert, daß heute anstelle der Tempel und Paläste nur grüne Hügel sichtbar sind. Mit wenigen Ausnahmen sind die Baudenkmäler dieser vergangenen großen Epoche nicht mehr zugänglich. Als letzte reiche Nachblüte des siamesischen Stils können wir die Kunst unter der Maha Chakkri-Dynastie in Bangkok bezeichnen, das in der Nähe der Menam-Mündung angelegt wurde.

Ausgrabungen im Anschluß an den Eisenbahnbau bei Phrapathom und Phraten haben große Steinräder und andere buddhistische Skulpturen, darunter Darstellungen der Predigt im Gazellenhain, zutage gefördert, die mit Bestimmtheit den Schluß zulassen, daß buddhistische Sendboten vor Christi Geburt dorthin gekommen sind. Diese Annahme würde auch mit der Nachricht übereinstimmen, daß die beiden Mönche Sona Thera und Uttara Thera nach dem Konzil von Pataliputra im Jahre 242 v. Chr. nach Hinterindien gingen, um dort den Buddhismus zu verbreiten. Die Steinräder sind Kultbilder gewesen zu einer Zeit, als man Buddha unter der Gestalt eines Rades oder einer Lotosblume verehrte. Auch bei der Predigt im Gazellenhain ist Buddha selbst nicht dargestellt, sondern an seiner Stelle ein Rad unter einem Baum, dem auf beiden Seiten Jünger und andächtige Gestalten beigegeben sind. Nach Europa sind derartige Skulpturen noch nicht gelangt; sie werden in dem Tempel von Phrapatom und in dem Museum des Ministeriums des Innern in Bangkok aufbewahrt.

Aus der frühen Blütezeit Siams, die etwa der Guptazeit in Indien entspricht, sind Statuen auf uns gekommen, die wegen ihrer dünnen, an den Körper gewehten Gewänder bemerkenswert sind.

Im ganzen Osten war von jeher die Sitte verbreitet, daß bedeutende Herrscher, ob sie nun der brahmanischen oder der buddhistischen Religion angehörten, die von ihnen gestifteten Kultbilder mit ihren Porträtzügen versehen ließen. Wir haben genügend Beispiele aus der siamesischen Geschichte, in denen berichtet wird, daß ein König oder eine Königin einem Tempel eine Anzahl von Buddhabildern stiftete, deren Größe und Maße sich nach ihrer Gestalt richteten. Die Porträtähnlichkeit ist nicht besonders erwähnt, war aber zweifellos vorhanden. Solche Beispiele haben wir nicht nur aus Siam, auch in Java wird es von dem berühmten Erlangga und vielen anderen Fürsten berichtet.

Wir finden in der siamesischen Kunst immer wiederkehrende Typen, doch wird diese rein schematische Art der Darstellung durch das plötzliche Auftauchen energischer Gesichtszüge durchbrochen, die den Herrscher verraten, der gewohnt ist, Zehntausende seiner Krieger in den sicheren Tod zu schicken und ganze Landstriche durch die Schärfe des Schwertes zu erobern und zu unterjochen. Man hat früher geglaubt, daß der Buddhismus die Religion des Friedens und der Duldung sei. Diese Auffassung hat sich aber nur solange halten können, bis man die genauen Tatsachen kennen lernte. Ebenso wie das Christentum seine Ketzerverfolgungen und Hexenprozesse mit qualvoller Verbrennung der Opfer hatte, so hatte auch der Buddhismus die Verfolgung und Hinrichtung Andersgläubiger aufzuweisen. Religionskriege, die furchtbarer waren als der dreißigjährige Krieg, entvölkerten ganz besonders Hinterindien. Die großen Kämpfe zwischen Birma und Siam, die Millionen von Menschen das Leben kosteten und mit einer Grausamkeit geführt wurden, die wir in Europa kaum ahnen können, wurden von birmanischer Seite unter dem Vorwande begonnen, daß die Siamesen nicht rechtgläubig seien und deshalb vernichtet werden müßten. Tatsächlich sind denn auch in diesen Kriegen alle Buddhatempel durch Feuer zerstört, die Buddhastatuen vernichtet worden und viele tausend Werke von hohem Kunstwert zugründe gegangen. Wenn man die Annalen der siamesischen Geschichte durchblättert, muß man dieses Volk bewundern, das klein an Zahl, aber unter großen Herrschern zu einem Heldenmut entflammt, wie er in der Geschichte nur selten verzeichnet wird, sich in kurzer Zeit wieder zum Herrn der Halbinsel aufwirft, selbst nach den schwersten Niederlagen, die das ganze Königreich an den Abgrund des Verderbens brachten.

Porträts dieser Fürsten mit den entschlossenen Zügen und dem herben strengen Ausdruck sind eigentlich wenig geeignet, als Repräsentanten des Buddha Gautama zu dienen. Taf. 187 zeigt ein solches Königsporträt. Wie fast stets in Hinterindien sind die Haare scharf nach der Stirn abgegrenzt, wie es scheint, durch ein schmales Golddiadem. Die Haare zeigen die schematische schneckenartige Lockenbildung. Auf dem Kopf erkennen wir den Schädelauswuchs, der dem Buddha der Tradition gemäß nach seiner Erleuchtung als besonderes Merkmal seiner Buddhawürde eigen ist. Auch dieser Aufsatz scheint durch ein goldgetriebenes Schmuckstück bedeckt zu sein.

Ein anderes Beispiel eines Porträts bildet der Bronze-Kopf auf Taf. 194. Die Augen, die bei den meisten Plastiken leer sind, waren früher durch Einlagen von Edelsteinen und Perlmuttstücken gefüllt und belebt, wie dies auch Taf. 193 zeigt.

Ganz gegen die sonstige Tradition der buddhistischen Kirche wird Buddha in Siam häufig in vollem Königsschmuck dargestellt, was doch eigentlich nur für den Bodhisattva Geltung hat, da in den heiligen Schriften ausdrücklich erwähnt wird, daß Prinz Siddhartha sein ganzes Geschmeide ablegte, als er in die Heimatlosigkeit ging. Aber bei der großen Vorliebe der Siamesen für ornamentalen Schmuck sind gerade in der letzten Zeit die Buddhastatuen im Königsschmuck bevorzugt worden.

Schon brahmanische Götter wurden mit besonders feiner Durchbildung des Schmucks gegeben, wie dies die Shiva-Statue auf Taf. 191 zeigt. Das breite Diadem Shivas und anderer brahmanischer Götter – auch Indra wurde so ähnlich dargestellt – wurde später auf Buddhastatuen übertragen (vergl. Taf. 190). Dabei wurde der hohe Kopfschmuck Shivas in eine kegelförmige Spitze mit mehreren Ringen umgebildet, wie sie ähnlich an den Profilen der Phrachedi vorkommt. Wurde Buddha nicht mit Diadem dargestellt, so hat sich doch die Erinnerung an dieses in Form eines abschließenden Bandes oder Stirnreifs erhalten (vergl. Taf. 192). Auch gibt man in Siam den Buddhastatuen über der Ausbuchtung des Schädels meist noch einen flammenartigen Aufsatz, der mitunter zu einer einfachen Spitze wird (vergl. Taf. 192 und 194). Diese Flamme zeigt in der Mitte das Unalom, die unten aufgerollte, nach oben zu schlangenförmig entwickelte Flamme, wie wir sie auch in der Kopfbedeckung der Shiva-Statue wiedererkennen. (Taf. 191).

Eine genaue geschichtliche Gliederung der siamesischen Plastik konnte vorderhand noch nicht gegeben werden, da durch den Zerstörungskrieg der Birmanen fast alle Anhaltspunkte verloren gingen und die geschichtliche Forschung in Siam auf fast unüberwindliche Schwierigkeiten stößt.

Mit dem Fortschritt der Jahrhunderte nahm die Stilisierung der siamesischen Statuen immer mehr zu. Das dekorative Element wurde mehr und mehr betont, die Körper wurden schlanker und die Gliedmaßen unnatürlich dünn. Es hat sich aber unter den Erzgießern des Königs eine gute Tradition erhalten und von diesen wenigen Künstlern werden in Anklang an frühere Epochen noch Statuen geschaffen, die über das Niveau der allgemeinen siamesischen Plastiken weit hinausgehen.

 

Obwohl der Buddhismus früh nach Siam gekommen ist, hat doch der Brahmanismus einen großen Einfluß behalten. Seine charakteristische Bauform, der Tempelturm, ist in der ältesten Architektur Siams vorherrschend. In den alten Brahmanenstädten Lopburi, Phimai, Phitsanulok sehen wir solche Tempeltürme, später sogar noch in Savankhalok und in Sukhothai.

Die Bauform des indischen Tempelturms, aus dem sich in Siam der Phraprang entwickelte, fand so großen Anklang, daß man sie in den buddhistischen Tempelbau einbezog. Zunächst hat man brahmanische Tempel in buddhistische umgebaut und dann bei Neubauten die althergebrachten Formen übernommen. Aber der indische Tempelturm wurde verändert. Man behielt zwar die quadratische Cella bei, aber nach und nach wurden die Unterbauten immer höher. Bei den alten brahmanischen Tempeln in Lopburi ist der Fußboden der Cella nur einige Stufen über den Erdboden erhöht. Dasselbe gilt auch für den Tempel Phraprang Sam Jot in Sukhothai (Taf. 169), der nachweislich früher ein brahmanisches Heiligtum war, später aber zu einem buddhististischen Tempel gemacht wurde, wie das Buddhabild in der Nische des zweiten Geschosses beweist. Bei dem Tempel Vat Mahathat in Phitsanulok (Taf. 172), etwa aus dem Jahre 1200 stammend, ruht der Tempelturm auf einer großen, mehrere Meter hohen, massiven Platte, über der sich noch ein dreifacher Unterbau erhebt, sodaß man auf einer ziemlich steilen und hohen Treppe im Osten zu dem Innenraum emporsteigen muß. In vielen Fällen ist der quadratischen Cella noch eine Vorhalle vorgelagert, wie dies auch auf Taf. 172 zu sehen ist. Auf Taf. 171 ist der Hauptbau im Hintergrund vollständig zusammengestürzt und es hat sich nur die Vorhalle, die hier prächtiger ausgebildet ist, erhalten.

Die Cella selbst ist durch einen mehrgeschossigen kuppelartigen Aufbau bekrönt, der oben in einer Bronzespitze endet, deren Form mit dem Dreizack Shivas zusammenzuhängen scheint (Taf. 172, 174, 177-179). Die horizontalen Schichtungen der Kuppelform, deren Anzahl stets ungerade sein muß, sind ganz ähnlich gebildet wie bei den Tempeltürmen von Angkor Vat in Cambodja. Diese Bauten sind aus shivaitischen Linga-Heiligtümern entstanden, was auch noch jetzt der siamesische Name »Shivalung« (d. h. Linga des Shiva) erkennen läßt. Heute gilt die ganze Bauform als Symbol des Zeugungsgliedes Shivas. Die einzelnen Stockwerke der Dachbildungen haben nach oben ein Lotosprofil; in der Hohlkehle, die dadurch entsteht, werden sogenannte Lotosblätter aufgestellt. In der Mitte ist eine Nische angebracht, der in früherer Zeit ein Schlangengiebel entsprechen hat.

Charakteristisch für den siamesischen Baustil sind die vielfachen Verkröpfungen an den Ecken der Bauwerke, die fast stets aus quadratischem Grundriß heraus entwickelt sind. Diese Vorliebe für Verdoppelung der Profile an den Ecken ist so allgemein, daß man sie später auf fast alle Bauglieder übertragen hat. Sie hat auch aus den ursprünglich runden Tempelsäulen (Taf. 172) quadratische Pfeiler mit vielfach verkröpften Eckbildungen gemacht. An Säulen und Pfeilern wird das Lotosprofil allgemein angewandt. Es ist auch auf die Außenwand der Cella mit ihren vielen Ecken übertragen worden.

Im späteren Verlauf der Entwicklung des siamesischen Baustils wurden die Phraprangs immer schlanker, die Schlangengiebel fielen ganz weg und wurden durch Lotosblätter ersetzt, sodaß schließlich die ganze Struktur einem Zuckerhut glich. Die Cella wurde massiv gebildet, war nicht mehr zugänglich und die zu ihr führende Treppe fiel fort. Die Anzahl der Unterbauten wurde immer größer und das ganze Bauwerk viel schlanker, so wie wir es z. B. auf Taf. 173 sehen. Die alten Tore der Cella sind zu Nischen geworden, in denen nun Götter- oder Buddhabilder stehen (Taf. 178, 179). Schließlich wurde das ganze Bauwerk, das ursprünglich den Tempel dargestellt hatte, zu einem schmückenden Bauglied und wurde selbst zur Bedachung anderer Bauten verwandt, z. B. von Glockentürmen (Taf. 174) oder als Dachreiter benutzt (Taf. 177). Es hat sich somit der alte Prozeß, der aus einem Stufenbau die Bedachung des indischen Tempelturms machte, wiederholt, indem jetzt der Phraprang seine ursprüngliche Funktion verlor und selbst zur Bedachung wurde.

Der Buddhismus hat sich aber nicht damit begnügt, nur die alten brahmanischen Tempeltürme in Siam zu übernehmen und mit der Zeit umzugestalten. Das wichtigste Bauwerk des Buddhismus, der Stupa, fand mit der Lehre zugleich Aufnahme in die Länder Hinterindiens (Taf. 175, 176, 180). Der runde Stupa, der in Indien noch so schlicht mit verhältnismäßig kleinem Unterbau, halbkugelförmiger Glocke und einfachem Schirm gebildet war, wurde in Siam immer reicher gestaltet. Wir haben im Norden des Landes in den Ruinen viele dieser alten Rundbauten (etwa aus den Jahren 800-1300 n. Chr.), die jedoch leider alle in Trümmern liegen und von dem Gestrüpp des Dschungels bedeckt sind. Verglichen mit den heutigen Stupas im Süden Siams ist fast gar keine Formveränderung festzustellen, abgesehen vielleicht von der Tendenz, die Bauten dem einheimischen Stilgefühl entsprechend immer schlanker zu gestalten. In Siam nennt man diese Bauten Phrachedi. Das größte Phrachedi wurde in Phrapathom (Taf. 176) errichtet. Es erhebt sich zu einer Höhe von 118 m. In seinem Innern birgt es den ursprünglich an dieser Stelle errichteten ältesten buddhistischen Bau des Landes.

Auch die Phrachedi sind wie die Stupas Bergeplätze für Reliquien Buddhas. Dem Kanon entsprechend haben sie einen dreifachen Unterbau und eine runde Glocke, die allerdings in spätester Zeit stark überhöht ist (Taf. 175, 180). Ein viereckiger Unterbau schließt diese Glocke nach oben ab. Hierauf erhebt sich der vielfache Etagenschirm. Bei größeren Phrachedi ist der unterste Schirmrand durch einen Kranz von Säulen gestützt (Taf. 176, 180). Dieser Umgang ist in Phrapatom so groß, daß man bequem darin wandeln kann.

Die Profile des Phraprang hat man auf das runde Phrachedi übertragen, ihm einen aus dem Quadrat entwickelten Grundriß ges geben und den ganzen Unterbau einfach vom Phraprang übernommen. Die Glocke, die ursprünglich die Form einer Halbkugel hatte, ist zu einem Bauglied geworden, das ähnliche Umrisse zeigt wie die kuppelartigen Dächer indischer Tempeltürme. Darüber steht der stark nach oben ausgezogene Schirm, dessen Etagen in stilisierte Lotosbluten umgewandelt wurden (vergl. Taf. 175, 181).

Der heiligste und ursprünglichste Teil des Phrachedi ist genau wie in Indien die Glocke, in der die Reliquien untergebracht werden. Wegen der hohen Stellung, die das Phrachedi im Kult einnimmt, hat man es zum Mittelpunkt ganzer Tempelanlagen gemacht (vergl. Taf. 176, 180). Da die Phrachedi aber unzugänglich sind, brauchte man außerdem Räume zur Abhaltung gemeinsamer Gebete und Feiern der Mönchsgemeinde. Deshalb sind alle Tempel zu gleicher Zeit Klöster. Diese Anlagen haben zum Teil sehr große Abmessungen und sind in den prächtigsten Formen errichtet. Die Klöster zerfallen in eine Mönchsstadt, in der die Priester wohnen, und in die Kultgebäude, die durch eine große Mauer von dieser getrennt sind. Die Tempel sind nach einheitlichen, großzügig entworfenen Plänen gebaut und umfassen die verschiedensten Arten von Gebäuden, von denen hier nur Haupt- und Nebentempel, Predigthäuser und Hallen für die verschiedensten Zwecke erwähnt sein mögen. Den Mittelpunkt der ganzen Anlage bildet der Haupttempel, in dem das Hauptbuddhabild nach Osten schauend steht. In den ältesten Anlagen ist der Haupttempel manchmal ein fensterloser, fast quadratischer Bau, der mit einem massiven Dach mit langem First von Osten nach Westen bedeckt ist (Taf. 170). Nur durch das Portal im Osten dringt spärliches Licht in den Raum.

Die großen Bauten sind meistens von einer Säulengalerie umgeben, ähnlich den griechischen Tempeln; die Anordnung der Haupttempel hat in der Grundrißbildung große Ähnlichkeit mit antiken Tempeln.

Inwieweit Zusammenhänge vorliegen, können aber erst spätere Forschungen klären, wenn für Birma und zum Teil für Indien eingehende Studien über buddhistischen Tempelbau gemacht worden sind, ähnlich wie dies für Siam bereits geschehen ist. Der Haupttempel wird von acht Grenzsteinen umgeben, die den heiligen Bezirk bestimmen. Ein Wandelgang von rechteckigem Grundriß analog dem des Haupttempels schließt den inneren Hof ein, in dessen Mitte sich der Haupttempel erhebt. Dieser Wandelgang ist nach außen durch fensterlose Mauern abgeschlossen und öffnet sich nur nach dem Haupttempel in Säulenstellung, wie dies auch bei den Wandelgängen von Angkor Vat zu finden ist. Entlang den geschlossenen Wänden des Wandelgangs sind überlebensgroße, vergoldete Bronze-Buddha-Statuen angeordnet, die alle nach dem Haupttempel schauen» Nach den vier Himmelsrichtungen sind in den Hauptachsen große Portalanlagen in den Wandelgängen angelegt. Der äußere Tempelhof wird von reich profilierten Mauern mit prächtigen Toren eingefaßt.

Die Grundrißanordnung ist mannigfaltig.

Glichen die Hauptgebäude in dieser Beziehung griechischen Tempeln, so ist ihre Dachlösung ganz verschieden und erinnert lebhaft an altnordische Holzbauten. Die Dächer sind in mehrfachen Stockwerken übereinander getürmt und an den Längsseiten in einigen Abtreppungen gestuft. An den First- und Traufendungen erheben Schlangen zum Schutze ihr Haupt (Taf. 177, 180, 181, 182, 183). Diese malerisch mit buntglasierten Ziegeln gedeckten Dächer, deren Holzarchitektur, soweit sie nach außen in Erscheinung tritt, vergoldet ist, trägt stark zu dem imposanten Gesamteindruck siamesischer Tempel bei.

Ähnlich sind die Dächer aller anderen Gebäude behandelt; selbst die großen, langgestreckten Wandelhallen zeigen an den Portalen eine Übereinandertürmung von verschiedenen Dächern und Giebeln.

Im Innern sind die Tempel reich mit Malereien geschmückt, die die Wiedergeburtsgeschichten Buddhas oder sein Leben, bisweilen auch das ganze Weltsystem, schildern. Besondere Prunkstücke siamesischer Schmuckarchitektur sind die Tür- und Fensterrahmen, die Tabernakel für die Tempelgrenzsteine, die Glockentürme, die Badeteiche mit ihren Hallen, die Klosterbibliotheken, die Predigtkanzeln. Reich geschnitzt und vergoldet sind die Tempelgiebel und das ganze äußere Holzwerk der Dächer (Taf. 180-183).

Als besondere Feinheit siamesischen Kunstschaffens muß noch erwähnt werden, daß alle Horizontallinien mehr oder weniger durchhängen und alle Senkrechten nach der Mitte des Gebäudes leicht geneigt sind (Taf. 180, 182). Besonders stark sieht man das Durchhängen an den Firstlinien. Die Dachflächen bilden ebenfalls keine geraden Ebenen, sondern hängen wie ausgespannte Segeltücher nach der Mitte zu fast unmerklich durch.

Die Kunst offenbart sich in Siam wie in ganz Hinterindien nur in einheitlichen Schöpfungen und kennt keine Trennung zwischen Malerei (Taf. 206, 207), Plastik, Architektur und Schmuckkunst. Die siamesischen Bauten verdanken ihren intimsten Reiz der vielfachen und umfassenden Anwendung des Kunstgewerbes. Die Tür- und Fensterrahmen dieser Prachtbauten sind entweder mit Malerei verziert oder in Schwarzgold-Lacktechnik behandelt. Manche Türen und Fenster sind in Perlmutt eingelegt, andere wieder sind mit Reliefschnitzerei überzogen. Selbst plastische Lackarbeiten findet man als Schmuck.

Die kostbarste Zierde der Gebäude bilden die prachtvollen, aber leider sehr vergänglichen Inkrustationen. Ganze Tempel sind mit Marmorplatten oder handgemalten Fayencekacheln überzogen. Am reichsten aber wirkt der Schmuck plastischen Mosaiks, wie z. B. Taf. 205 zeigt. In ähnlich prachtvoller Formensprache waren auch die siamesischen Paläste errichtet, doch ist nur sehr wenig davon erhalten (Taf. 183).

Reiche Formen zeigt auch das siamesische Kunstgewerbe bis auf den heutigen Tag. Besondere Erwähnung und Anerkennung verdienen siamesische Wachszeichenstoffe (Taf. 199), Silberschmiedearbeiten (Taf. 200-202), Holzschnitzereien (Taf. 204), Perlmutteinlegearbeiten (Taf. 198) von Bücherkästen, Möbeln und anderem Hausgerät (Taf. 203). Ein spezifisch siamesisches Kunstgewerbe sind die Schwarzgold-Lackarbeiten (vergl. Taf. 196,197).

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Tafel 169. Tempel Val Phraprang Sam Jot. Sukhothai. Siam.

 

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Tafel 170. Tempelruine. Sukhothai. Siam.

 

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Tafel 171. Tempelruine bei Phitsanulok. Siam.

 

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Tafel 172. Großer Phraprang des Tempels Val Mahathat Phitsanulok. Siam.

 

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Tafel 173. Ruinen des Tempels Vat Phutthaisavan. Ayuthia. Siam.

 

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Tafel 174. Glockenturm im Tempel Vat Phra Juravong, Bangkok. Siam.

 

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Tafel 175. Grabphrachedi im Tempel Vat Songkhran, Bangkok. Siam.

 

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Tafel 176. Prathommachedi von Südosten. Phrapatliom. Siam.

 

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Tafel 177. Maha Prang Prasat im Tempel Vat Phra Keo. Bangkok. Siam.

 

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Tafel 178. Der große Phraprangbau im Tempel Vat Arun. Bangkok. Siam.

 

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Tafel 179. Blick in den Hof des Tempels Vat Arun. Bangkok. Siam.

 

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Tafel 186. Tempel Vat Rajabophil. Bangkok. Siam.

 

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Tafel 181. Tempel Vat Ammarin. Bangkok. Siam.

 

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Tafel 182. Tempel der Königin-Mutter. Udong. Siam.

 

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Tafel 183. Dusit Maha Prasat. Halle, in der die Leichen der siamesischen Könige vor der Verbrennung aufgebahrt werden. Bangkok. Siam.

 

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Tafel 184. Stuckplastik vom Tempel Vat Mahathat. Sukhothai. Siam.

 

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Tafel 185. Türsturz aus den Ruinen von Phimai. Siam. Klimer-Zeit (1000 n. Chr.)

 

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Tafel 186. Kopf einer Buddhastatue aus Mittelsiam. Steinskulptur. Khmer-Zeit. Um 800 n. Chr. (MVM., Sammlung Döhring.)

 

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Tafel 187. Kopf einer Buddhastatue aus Mittelsiam. Stein. Wahrscheinlich Königsporträt. Um 800 n. Chr. (MVM., Sammlung Döhring.)

 

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Tafel 188. Profil eines Buddhakopfes. Stein. Aus Ayuthia. Siam. Um 1500 n. Chr. (MVB., Sammlung Döhring.)

 

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Tafel 189. Profil eines Bronze-Buddhakopfes aus Chiengmai, jetzt im Tempel Vat Benchamabophit, Bangkok. Siam. Um 1200 n. Chr.

 

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Tafel 190. Oberer Teil einer stehenden Buddhastatue. Bronze. Sukhothai. Siam. (MVB.)

 

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Tafel 191. Oberer Teil einer Shiva-Statue. (Original im Museum in Bangkok. Siam. Abbildung nach dem Abguß im Museum für Völkerkunde, Berlin.) Um 1150 n. Chr.

 

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Tafel 192. Bronze-Buddhakopf aus Savankhalok. Siam. Um 1300 n. Chr. (Im Besitz des Herrn Dr. Erich Döhring, Mobile/Ala, U.S.A.)

 

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Tafel 193. Bronze-Buddhakopf aus dem Tempel Vat Mahathat, Savankhalok. Siam. (Früher: Museum für Völkerkunde, Hamburg.)

 

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Tafel 194. Bronze-Buddhakopf aus Ayuthia. Siam. Wahrscheinlich Porträt. (MVB)

 

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Tafel 195. Vergoldeter Bronze-Buddhakopf. Siam. Spätere Ayuthia-Periode. Um 1700 n. Chr. (MVB., Sammlung Döhring.)

 

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Tafel 196. Schwarzgold-Lackarbeit. Siam. Detail von einem Bücherschrank. (MVB.)

 

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Tafel 197. Schwarzgold-Lackarbeit. Siam. Detail von einem Bücherschrank. (MVB.)

 

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Tafel 198. Perlmutteingelegter Fries von dem Seitenteil eines Bücherkastens. (MVB.)

 

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Tafel 199. Wachszeichenstoff. Siam. (Im Besitz des Herrn Gesandtschaftsrats Zobel, Bangkok. Siam.)

 

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Tafel 200. Silbergetriebene Gefäße aus dem Norden Siams. (MVL., Sammlung Döhring.)

 

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Tafel 201. Silbergetriebener Griff mit Darstellung der Liebesgeschichte des Affenhelden Hanuman mit der Königin der Fische, Mä Macha. Siam.

 

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Tafel 202. Silbergetriebener Spucknapf. Siam. (MVL., Sammlung Döhring)

 

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Tafel 203. Wassergefäß aus gebranntem Ton. Siam. (MVL., Sammlung Döhring.)

 

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Tafel 204. Holzgeschnitzter Giebel. Siam. (MVB.)

 

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Tafel 205. Eingang zum Tempel Vat Arun. Bangkok. Siam. Giebel und Turmspitze mit plastischem Mosaik geschmückt.

 

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Tafel 206. Hanuman kämpft mit Tao Kampan. Gemälde. Siam.

 

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Tafel 207. Hanuman tötet den Riesen Virunrachambang. Gemälde. Siam.

 


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