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Krieg

In dieser Betrachtung, die der Einstellung unserer Geister auf Gegenwärtiges und Künftiges gewidmet ist, hat der Krieg nicht bloß die Bedeutung des bewegenden Ereignisses, das die Zeiten scheidet, sondern auch des kritischen Ereignisses, das den Zustand, in dem das Abendland bisher gelebt hat, offenbart.

Es ist seltsam, wie wenig unsere Zeitgenossen begreifen, daß ein Zeitalter versunken ist und daß von dem Glanze jener Tage nichts wiederkehrt. So wie sie noch immer von Vierteljahr zu Vierteljahr das Ende des Kampfes voraussehen, so glauben sie und werden sie glauben, bis das neue Geschlecht sie ablöst, daß nach dem Frieden und einer kurzen Übergangszeit das wieder eintritt, was sie normale Verhältnisse nennen. Freilich werden die Schulden ein Kopfzerbrechen machen; so mag man eine Zeitlang sparsamer leben, und alles wird sich finden.

Nichts wird sich finden, alles muß neu geschaffen werden in eiserner Arbeit. Neu wird unsere Lebensweise, unsere Wirtschaft, unser Gesellschaftsbau und unsere Staatsform. Neu wird das Verhältnis der Staaten, der Weltverkehr und die Politik. Neu wird unsere Wissenschaft, ja selbst unsere Sprache.

Wem von euch ist es nicht in den Sinn gekommen, wenn er einen der frühen Schriftsteller der verflossenen Epoche las, etwa Stendhal oder Balzac, daß er sich fragte: Wie, ist das möglich? Dreißig Jahre vor dieser Zeit blühte das spielende Jahrhundert in seinem Perlmutterglanz, und diese Menschen in dunklen Kleidern reden in ihrer neuen Aktensprache der Wissenschaft von Industrie und Börse, von Dampfschiffen und Kammern, von bürgerlicher Gesellschaft und Militarismus, und wundern sich nicht über die Neuheit ihrer Welt, und wissen kaum, was vor ihnen war? Ist dann wirklich einmal die Rede von einem alten Edelmann, der in jener Tändelzeit jung war, so erscheint er wie ein Fossil, ein Abgestorbener, ein zopfiges Gespenst.

So fremd werdet ihr an uns vorüberschreiten. Wir, die wir uns auf Sachlichkeit manches zugute taten, und wissenschaftlich, ernst, wo nicht gar tief zu sein wähnten: Wir werden euch trotz aller unserer Technik leichtfertig, flach, vorurteilsvoll, vielleicht auch roh vorkommen, und der negerhafte und pathetische Luxus, mit dem wir uns umgaben, wird euch nicht wie der des 18. Jahrhunderts eine Grazie, sondern ein Abscheu sein. Denn euer Leben wird abermals ernster und härter, doch so Gott will geistiger und reiner, und in seinen Freuden anmutiger sein.

Der Krieg ist es, der euch von uns scheidet. Wir werden ihn begreifen, wenn wir ihn als das kritische Ereignis fassen, das er ist, als den Ausbruch aller tiefen Übel und Schwächen der abgelaufenen Epoche. Denn jede Deutung als eines Mißgeschickes, Mißverständnisses, schuldhaft gewollten Frevels versagt. Schuld ist freilich in die örtlich-zeitliche Bestimmung des Geschehenen verstrickt, Schuld von allen Seiten. Doch wenn ein Erdteil sich jahrelang zerfleischt und so wenig wie am ersten Tage seine Gründe und Ziele kennt, so ist die geistige, sittliche und physische Erkrankung in den Tiefen seines organischen Aufbaus verwurzelt.

Die Krise, die wir erleben, ist die soziale Revolution. Der Grund, weshalb sie sich nicht im Innern der Nationen, sondern an ihren Grenzen entzündet hat, liegt in der Eigenart unserer Wirtschaft, die zur Weltwirtschaft erwachsen ist, und die in ihren Auswirkungen, Imperialismus und Nationalismus, die explosivsten ihrer Konflikte an den Rändern der Staatseinheiten gehäuft hat. Die schwerer entzündlichen Sprengstoffe im Innern der fester gefügten Staaten bleiben einstweilen unberührt, durch den Druck von den Grenzen her gebändigt.

Als unbändige Volksvermehrung vereint mit der Mechanisierung den individuellen Produktionsprozeß vernichtete, wurde die Erde eine einzige gewaltige Produktionsstätte. Doch ihre nationale Spaltung blieb, und innerhalb der Nationen vertiefte sich die Spaltung der Stände. Wirtschaftlich betrachtet: eine große Fabrik, doch nicht einheitlich gebaut, sondern in den Wohnhäusern und Kammern eines Straßenvierecks untergebracht und unter den Hausparteien aufgeteilt. Die politische und die soziale Entwicklung hielt mit der wirtschaftlichen nicht Schritt. Das ging so lange, als sich die Erzeugung in mäßigen Grenzen hielt und der Nationalismus sich langsam entwickelte.

Als aber die Staaten, nationalistisch erstarkt, sich gezwungen sahen, eine energische Wohlstandspolitik zu treiben, um ihren wachsenden Aufwand für Zivilisation, Rüstung und Machtentfaltung zu bestreiten, als die Mechanisierung den Staatskörper ergriffen und ihn zum bewußten Wirtschaftssubjekt und Konkurrenten gemacht hatte, gab es Zwiespalt zwischen den Parteien.

Jeder wollte so viel Arbeit wie möglich, denn Arbeit bringt Nutzen. Um zu arbeiten wollte er so viel Rohstoffe wie möglich, und um sie zu bezahlen, wollte er so viel Absatz wie möglich. Er wollte sogar noch mehr Absatz, als zur Bezahlung der Rohstoffe nötig war, denn die heimische Produktion sollte alle anderen überflügeln, und der Absatz im eigenen Lande ließ sich nicht beliebig steigern. Was er nicht wollte, waren fremde Fabrikate im eigenen Lande, denn die beeinträchtigen den Absatz, die Preise und den Nutzen.

Der Kampf ging also um Rohstoff und Absatz, politisch ausgedrückt um Kolonien und Einflußgebiete. Die Welt war aber klein geworden, die unbesetzten Gebiete knapp und von allen umworben.

In sein letztes Stadium trat der Kampf, als die äußerste Schlußfolgerung gezogen wurde: Schutzzoll. Der hatte bei den meisten überdies politische Gründe: Man wollte die Intensivwirtschaft des Bodens erhalten, um im Kriege Selbstversorger zu sein, und um den herrschenden Stand der Grundbesitzer gegen Bodenentwertung zu schützen. Gleichzeitig begann der Kunstgriff, den man drüben dämpfen (dumping) nennt: Man warf dem Gegner die eigene Überschußware unter Selbstkosten über die Zollmauer und schädigte sein Schutzsystem.

Allmählich war auch der Nationalismus zum Gipfel gestiegen, denn die europäischen Unterschichten waren in die Historie getreten. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts waren sie anational gewesen, Geschichte war nur von den herrschenden Kasten gemacht worden; jetzt waren sie verbürgerlicht, zivilisiert und interessiert, und gaben dem Wirtschaftskampf die nationale Färbung. Durch Staatenbildung, Staatenerstrebung und Irredentismus mehrten die neuen Nationalgefühle, insbesondere die östlichen, den politischen Sprengstoff.

Im Innern der Staaten aber bestand die schroffe Scheidung der Stände. Das Proletariat, an der Tatsache des Produktionsprozesses interessiert, an seinem Verlauf nahezu unbeteiligt, war etwa in der Lage des Matrosen, dem das Schiff wichtig, die Ladung gleichgültig ist; es führte seinen Wirtschaftskampf, und zwang den Unternehmer, für jede Lohnerhöhung sich durch Zollerhöhung und gesteigerten Absatzdrang schadlos zu halten.

So verlief der imperial-nationalistische Wirtschaftskampf nach außen und innen vollkommen anarchisch. Wenigen war er in seinem logischen Zusammenhang bewußt; am wenigsten den Staatsmännern, die ihn führten. Klar war nur der Drang, den eigen-nationalen Einfluß zu heben, den fremden zu schädigen, den eigenen Absatz zu fördern, den fremden zurückzudrängen; so lückenhaft aber war der Zusammenhang, daß viele, unter ihnen Bismarck, am Werte des wichtigsten Kettengliedes, der Rohstoff-Kolonien zweifelten. Bekannt waren auch die Kampfmittel; es waren Bündnisse, Zollverträge, Rüstungen zu Land und See, Einsprüche gegen fremden Erwerb, Einmengung in Konflikte. Was als Endzustand vorschwebte, ist schwer zu sagen: allenfalls eine etwas bessere Erdeinteilung, als man sie gerade hatte; meist war man auf den gelegentlichen Vorteil aus.

Niemand war sich auch recht darüber klar, wo ihn der Schuh drückte. England schob sein Mißbehagen auf Mängel seiner technischen Erziehung und die Konkurrenz der Deutschen; Deutschland litt an seiner geographischen Lage und fand sich von Erwerbungen ausgeschlossen; Frankreich merkte, daß seine Industrie zurückging, und fand, daß das elsässische Textilgebiet ihm fehle; Amerika klagte über hohe Löhne und Finanzkrisen und griff zu Schutzzöllen. Nie wurde auch nur ein Versuch gemacht, die Anarchie in Ordnung zu verwandeln.

Die innere Anarchie: wenn die Außenwirtschaft ihre Grenzen hat, so muß die Innenwirtschaft ergiebiger, vor allem solidarischer gestaltet werden. Kräfte und Stoffe im Innern sinnlos vergeuden, um sie von außen unter Opfern wiederzugewinnen, ist keine gesunde Wirtschaft.

Die äußere Anarchie: wenn alle sich um die kargen Tröge des Absatzes und Rohstoffes streiten, so muß geteilt werden. Durch den Kampf wird das Futter nicht mehr, sondern weniger, denn es wird verdorben und zertreten.

Doch es fehlte nach außen die Einsicht, nach innen der Ansporn; trotz aller Reibungskämpfe schöpfte die Welt aus dem Vollen wie niemals zuvor und niemals wieder, und die leichte Bereicherung äußerte sich in Indolenz.

Anarchie der Wirtschaft und Gesellschaft ist die Grunderscheinung und Schuld des Vulkanismus, der unter der politischen Oberfläche des Abendlandes bebte, und seine kritischen Zonen unter die Staatengrenzen breitete. Eine zweite Reihe von Erscheinungen, die politische Taktik der Großstaaten während der letzten vierzig Jahre, lockerte die Kruste, und eine dritte, fast nebensächliche und zufällige Reihe, die Ereignisse um 1914, bestimmten Zeit und Ort des Ausbruchs.

Auch an der zweiten Reihe der Schuld und Irrung sind alle Staaten beteiligt. Sind sie entschuldbar bei der ersten, so sind sie es auch bei der zweiten, denn die mangelnde Einsicht in die Grunderscheinung äußert sich in der Hilflosigkeit des politischen Handelns.

Die Schuld Frankreichs ist die tiefste, aber auch die menschlichste. Das Rheingold des Elsaß ist nur das Sinnbild eines schwereren Verlustes. Unermeßlich ist, was diese Nation in vergangenen Jahrhunderten Europa geschenkt hat. Sie trug die Zivilisation und einen Teil der Kultur des Kontinents vom Westfälischen Frieden bis zur Revolution und brachte die bürgerliche Freiheit. Sie konnte aber, nach der Art ihrer Gaben, nur schenken, so lange sie mächtig war. Die Macht war verloren, sie gab uns die Schuld und spaltete in ihrer Leidenschaft Europa derart, daß jede politische Orientierung von den Vogesen ausgehen mußte, und nur die Wahl blieb: für den einen oder den anderen. Damit war die Freiheit der europäischen Politik vernichtet.

Englands Schuld ist fast eine persönliche, ein seltsamer Zug in diesem so unpersönlichen Lande. Auch England hatte viel gegeben, noch mehr erworben, und manches verloren. Die Pax Britannica stand hinter der Pax Romana nicht zurück. Man mag streiten, ob es recht ist, daß ein Volk den dritten Teil der Erde besitzt; dieses Volk hat ihn besessen und mit wenigen Ausnahmen seiner großen Verantwortung entsprechend verwaltet. In seinen Kolonien und Herrschaften war jeder Fremde unbehelligt, häufig gut aufgenommen, ja gern gesehen, alle Häfen und Kohlenplätze standen offen. Das Land begnügte sich mit Freihandel, aus wohlverstandenem, aber von Kleinlichkeit freiem Interesse. Seine Politik war eigensüchtig, gewalttätig, aber klar erkennbar, weit mehr auf eigenen Nutzen als auf fremden Schaden gerichtet. Das änderte Eduard VII. Er war zu lange Kronprinz gewesen und hatte sich in den Jahren erzwungener Muße und verhohlener Kritik die alten intriganten Bündnismethoden der europäischen Höfe angeeignet; er trieb sie zum Gipfel, indem er die Vogesenspaltung ausnutzte und Deutschland isolierte. Wie weit die Sorge um die sinkende Wirtschaftskraft seines Landes, wieweit verwandtschaftliche Verfeindung ihn bestimmte, ist schwer zu sagen; er war kein dämonischer Charakter und wurde dennoch zum Dämon Europas.

Rußland litt an den Schwächen orientalischer Reiche. Über sich selbst hinausgewachsen hatte es seinem tief angelegten, kindlich verträumten Volk zwar einige europäische Formen, doch keinen Wohlstand, keinen Mittelstand, keine Bildung, keine eigene Industrialwirtschaft und keinen Verkehr erworben. Die Regierung wagte nicht, der unerfahrenen Nation die Verwaltung anzuvertrauen, daher blieb ihr nichts anderes übrig, als die dünne, verfeinerte und theoretisierende Intelligenz zu verfolgen, das Volk zu verblöden und sich selbst durch das verbrauchte Mittel der Expansion zu stärken. Der Balkanstreit mit Österreich, die Schuldhörigkeit zu Frankreich bestimmte seinen Weg. Es ist kein Zufall, daß nach Ausbruch des Brandes russische Staatsintrige die Pulverkammer aufschloß und die letzte Explosion auslöste.

Daß Deutschland bei seinem gegenwärtigen inneren und äußeren Aufbau nicht imstande ist, eine folgerichtige und langatmige auswärtige Politik zu führen, habe ich in vielen Schriften, zum Teil lange vor Beginn des Krieges dargelegt. Es fehlen uns die Menschen und Einrichtungen, vor allem die Einheitlichkeit des Willens, der Initiative und Verantwortung, die organisch eingestellte Stetigkeit und Überlieferung. Diese Mängel sind nicht durch Personen und Ämter verschuldet, sondern durch uns selbst, die wir nicht unser Geschick selbst in die Hand nehmen, Männer unseres Vertrauens zur Ernennung vorschlagen, ihnen dann aber auch die Macht und volle Verantwortung gewähren; die wir vielmehr uns von einer kleinen, nicht übermäßig geschäftstüchtigen Kaste und deren Assimilanten verwalten lassen, die sich hilflos im bureaukratisch-parlamentarischen Dickicht, im neunzigfachen Veto verstrickt und obendrein von unserem Mißtrauen verfolgt wird.

Die Fehler kurzatmiger und unsteter Politik treten darin zutage, daß man sich in alles einmischt, für die Galerie arbeitet, alle anderen stört und nichts für sich erreicht. Es ist nicht gesagt, daß man niemand stören und sich mit niemand verfeinden darf, aber eines ist sicherlich falsch: wenn man alle stört und sich mit allen verfeindet. Wir haben Frankreich gestört in Marokko, England in Transvaal, Rußland in Konstantinopel, Japan in Shimonoseki. Wir haben Gelegenheiten zu Verständigungen versäumt mit England, Rußland, Japan, und, innerhalb gewisser Grenzen, mit Frankreich.

Nicht um unsere Fehler stärker zu betonen als die anderer, sondern deshalb, weil sie unsere Fehler sind und uns näher angehen als die anderer, müssen wir uns bereit finden, ein Unwägbares zu beobachten, das unsere Politik durch eine gleichsam atmosphärische Einwirkung geschädigt hat.

Es ist kaum einzuschätzen, wie stark die letzte Generation vom Einfluß Richard Wagners gebannt war, und zwar nicht so entscheidend von seiner Musik wie von der Gebärde seiner Figuren, ja seiner Vorstellungen. Vielleicht ist dies nicht ganz richtig: Vielleicht war umgekehrt die Wagnersche Gebärde der erfaßte Widerhall – er war ein ebenso großer Hörer wie Töner – des Zeitgefallens. Es ist leicht, eine Gebärde aufzurufen, schwer, sie zu benennen: sie war der Ausdruck einer Art von theatralisch-barbarischem Tugendpomp. Sie wirkt fort in Berliner Denkmälern und Bauten, in den Verkehrsformen und Kulten einzelner Kreise, und wird von vielen als eigentlich deutsch angesehen. Es ist immer jemand da, Lohengrin, Walther, Siegfried, Wotan, der alles kann und alles schlägt, die leidende Tugend erlöst, das Laster züchtigt und allgemeines Heil bringt, und zwar in einer weitausholenden Pose, mit Fanfarenklängen, Beleuchtungseffekt und Tableau. Ein Widerschein dieses Opernwesens zeigte sich in der Politik, selbst in Wortbildungen, wie Nibelungentreue. Man wünschte, daß jedesmal von uns das erlösende Wort mit großer Geste gesprochen werde, man wünschte, historische Momente gestellt zu sehen, man wollte das Schwert klingen und die Standarten rauschen hören. Die ernste Zeit hat diesen Geschmack der älteren Generation gemäßigt. Unser ältlich-nüchterner Kanzler möge durch die Aussicht auf fünf Krönungszüge im Osten sich nicht bewegen lassen, ihn zu beleben.

Innerhalb einer ärmlichen, im Ziele nicht erkennbaren Außenpolitik wirkte diese Gebärde zuerst verblüffend, dann aufreizend und Mißtrauen erregend. Es kam so weit, daß man uns, die gutgläubigste aller Nationen, für Schaumschläger und Intriganten hielt. Unser gewaltiger Machtaufstieg hätte uns verpflichten sollen, soviel wie möglich zu schweigen, so wenig wie möglich uns einzumischen.

In dieser zweiten Reihe von Erscheinungen, den politischen, die den vulkanischen Grund lockerten, sind abermals Fehler von allen Seiten einbegriffen, auch von der unseren. Doch eines können wir mit gutem Gewissen sagen: Eine subjektive Schuld liegt bei unserem Volke nicht. Es war unser Fehler, daß wir nicht wußten, was wir wollten; eines wollten wir sicher nicht: den Krieg.

Die dritte und weitaus nebensächliche Reihe, die der örtlich und zeitlich auslösenden Momente, haben wir nicht zu erörtern, denn uns ist es nicht um Zeitgeschichte, sondern um Zeitwesen zu tun. Erst in Jahren, vielleicht niemals, werden diese Wirrnisse sich klären, jedenfalls nicht früher, als bis die Einzelheiten der französisch-englischen Abmachungen und die Vorgänge des österreichisch-serbischen Ultimatums offen liegen.

Was uns betrifft, ist dies: Der Krieg, eine soziale Revolution, erzeugt durch äußere und innere wirtschaftliche Anarchie und soziale Spannung, beschleunigt durch die Fehler der Kabinette.

Und wenn von einer wahrhaften, tiefen Schuld der Nationen gesprochen werden soll, so ist es die der Unterlassung. Es fehlte der Welt an schöpferischen, sittlichen Gedanken. Jeder fühlte, daß die Erde in ein neues Stadium der Zivilisation getreten war, daß sie anfing, eng und gefährlich zu werden. Doch man scheute sich, die Gesetze dieser Umwälzung, der Mechanisierung, zu ergründen und um ihre sittliche Erlösung zu ringen. Große Nationen traten wiedergeboren und ermächtigt auf den Schauplatz der Geschichte; allein sie besannen sich nicht, daß sie gesandt und verantwortlich waren, der Welt Ideen und Ideale zu schenken. Auch wir haben nichts geschenkt und geopfert, obwohl unsere Nation sich verjüngt und erneut hatte; unsere Schuld ist schwer, denn wir Deutschen sind um der Idee willen da.

Nur den einen Gedanken hatten die Völker: wachsen und sich bereichern, aufsteigen und überflügeln, mächtig werden und erraffen. Und ihre Staatsmänner dienten diesen Zielen mit den alten Mitteln der List und Gewalt, mit den kleinen Mitteln der Heimlichkeit und Verständigung, der Begünstigung, Verlockung und Drohung, des Geldes und der Betriebsamkeit, mit den großen Mitteln der Rüstung zu Land und Meer. Jeder hoffte, der Klügere zu sein, unbemerkte Vorteile in merkliche zu verwandeln, den anderen klein zu kriegen, ohne daß er sich versah. Selbstverständlich schien: Mein Nutzen ist dein Schaden, mein Leben ist dein Tod. Warum sollte das, so meinte man, nicht in alle Zeit so weitergehen, da es doch immer gewesen war? Es konnte nicht weitergehen, denn alle Nationen waren zum Bewußtsein erwacht und kannten die armseligen Spielregeln, einer so gut wie der andere.

Daraus aber war gerade die höhere Pflicht zu entnehmen: Endet dies unergiebige und würdelose Spiel. Wetteifert; schafft sittliche Ideen, die allen dienen und niemand vernichten, schafft den universalen Gedanken der Solidarität, nicht durch lahme Schiedsgerichte und kraftlose Paragraphen, sondern durch lebendiges Zusammenwirken; tut das soziale Unrecht ab im Innern und das barbarische im Völkerverkehr; wandelt die Anarchie in Ordnung; schafft dem Gedanken der Menschheit sein Recht, doch nicht in verblasenem Pazifismus und utopischer Duselei; beginnt da, wo die Gefahr am dringendsten, die Schwierigkeit am größten, die Arbeit am härtesten ist, beginnt mit der Wirtschaft. Und dann, wenn das Gröbste geleistet ist, steigt auf zum Kulturellen, zum Geistigen und Menschlichen.

Noch heute wird es viele geben, die im Glauben an die Heiligkeit der Interessen und in selbstbewußter Erkenntnis des sogenannten Durchführbaren – nämlich des Trivialen – und des sogenannten Uferlosen – nämlich der sittlichen Pflicht – diese Gedanken verlachen. Ich sage euch aber: Der kommende Friede wird ein kurzer Waffenstillstand sein, und die Zahl der kommenden Kriege unabsehbar, die besten Nationen werden hinsinken und die Welt wird verelenden, sofern nicht schon dieser Friedensschluß den Willen besiegelt zur Verwirklichung dieser Gedanken.

Ein Völkerbund ist recht und gut, Abrüstung und Schiedsgerichte sind möglich und verständig: doch alles bleibt wirkungslos, sofern nicht als erstes ein Wirtschaftsbund, eine Gemeinwirtschaft der Erde geschaffen wird. Darunter verstehe ich weder die Abschaffung der nationalen Wirtschaft, noch Freihandel, noch Zollbünde: sondern die Aufteilung und gemeinsame Verwaltung der internationalen Rohstoffe, die Aufteilung des internationalen Absatzes und der internationalen Finanzierung.

Ohne diese Verständigungen führen Völkerbund und Schiedsgerichte zur gesetzmäßigen Abschlachtung der Schwächeren auf dem korrekten Wege der Konkurrenz; ohne diese Verständigungen führt die bestehende Anarchie zum Gewaltkampf aller gegen alle.

Der Wirtschaftsbund aber ist so zu verstehen:

Über die Rohstoffe des internationalen Handelns verfügt ein zwischenstaatliches Syndikat. Sie werden allen Nationen zu gleichen Ursprungsbedingungen zur Verfügung gestellt, und zwar für den Anfang nach Maßgabe des bisherigen Verbrauchsverhältnisses. Späterhin wird das wirtschaftliche Wachstum der einzelnen in Rechnung gezogen.

Die gleiche zwischenstaatliche Behörde regelt die Ausfuhr nach entsprechendem Schlüssel. Jeder Staat kann verlangen, daß die ihm zustehende Ausfuhrquote ihm abgenommen werde. Sie verringert sich entsprechend, sofern er die auf ihn entfallende Einfuhr ablehnt. Die Lieferungen der Staaten geschehen im gewohnten Verhältnis ihrer Gütergattungen. Freie Verständigungen über Abänderungen können getroffen werden, Quotenaustausch ist zulässig.

An internationalen Finanzierungen, die zu Lieferungen führen, kann jeder Staat Beteiligungen im Verhältnis seiner Ausfuhrquote verlangen.

Dies sind die grundsätzlichsten Bestimmungen, die vereinbart werden müssen, sofern nicht der stille Wirtschaftskrieg in seiner alten Form, oder aber, allen Abmachungen zum Trotz, der offene Wirtschaftskrieg in neuen ungeahnten Formen ausbrechen soll, der entweder zur Verarmung der nicht selbstversorgenden Staatsgruppen, oder zu unaufhörlichen Kriegsgewittern führt.

Jahrzehnte werden vergehen, bis dieses System der internationalen Gemeinwirtschaft voll ausgebaut ist; weiterer Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte bedarf es, um die zwischenstaatliche Anarchie durch eine freiwillig anerkannte oberste Behörde zu ersetzen, die nicht ein Schiedsgericht, sondern eine Wohlfahrtsbehörde sein muß, der als mächtigste aller Exekutiven die Handhabung der Wirtschaftsordnung zur Verfügung steht.

Pazifist im üblichen Sinne bin ich nicht, schon deshalb, weil ich es nicht für möglich halte, irgendein Übel restlos aus der Welt zu schaffen. Ich halte den Krieg für ein großes Übel, doch nicht für das größte, und könnte mir denken, daß noch in Jahrhunderten hier und da zwischen Völkerschaften gekämpft wird. Niemals wieder darf es aber geschehen, daß die ganze bevölkerte Erde dem Blutrausch verfällt. Kein Schlagwort ist so elend Lügen gestraft worden wie das von den sittlich und geistig regenerierenden Kräften des Krieges, wie das von der großen Zeit. Gewiß geschieht an allen Fronten Großes, und Größeres vielleicht da, wo in dunkler Stille die Herzen der Mütter bluten. Doch wer hat so frevelhaft am Wert der Menschheit gezweifelt, daß Mut und Opfer ihm des Beweises bedurften?

Kahle Täuschung ist es, zu tun, als ob Front und Heimat zwei verschiedene Nationen wären, die heldenhafte der Söhne, die anfechtbare der Väter. Wir alle sind eine Nation, wir haben einen Ruhm und eine Schuld. Jeder ist allen und jeder für alle verantwortlich. Unser Ruhm ist das mutige Erdulden und Leisten der Front, das stille Opfern und Entbehren der Heimat; unser aller Verantwortung ist es, daß das Gesetz Deutschlands seine Kraft verlor, daß die Sittlichkeit sank, daß der Geist verflachte. Überblicken wir alle Länder, die unmittelbar oder mittelbar vom Kriege ergriffen sind, so finden wir überall die gleiche Entsittlichung in den Formen der gierigen Bereicherung, der Korruption, des Schwindels, der Denunziation, der Spionage, der Bosheit und Lüge. Überall die gleiche Entgeistigung in den Formen der Phrase, der Trivialität, der Urteilslosigkeit, des Selbstlobes, des niederen Massengeschmacks. Diesen Krieg erträgt die Erde nicht zum zweitenmal, wenn sie ihn physisch überstände, so ginge sie seelisch zugrunde.

Doch was bedeutet der nächste Krieg, da der gegenwärtige dauert? Da in jeder Stunde, von Bruderhand erschlagen, Menschen, unsere Menschen, unsere Brüder ihr Leben verhauchen? Was ist aus uns geworden, daß wir das ertragen?

Wir wollen einen ehrenvollen Frieden, und wir werden ihn haben. Doch die Zeit ist gekommen, daß die Menschheit den Frevel nicht mehr ertragen darf, denn heute weiß sie, eingestanden oder nicht: Dies Schlachten kann noch Jahre, kann noch Jahrzehnte fortgehen und wird dennoch das Angesicht der Erde nicht ändern, außer durch Verwüstung.

Es ist Zeit. Die Großen und Mächtigen haben gesprochen und den Krieg verurteilt. Es ist nicht einer, der ihn verteidigt; doch sie wissen nicht, wie sie ihn beenden, sie glauben, daß ihre Forderungen zu weit auseinander gehen.

Es ist Zeit, daß die Niederen und Geringen ihre Stimme erheben und Zeugnis ablegen, denn was in Jahren geschehen muß, das kann auch heute sein. So wahr wir fest entschlossen sind, jeder für sein Land zu kämpfen und zu sterben, solange ein ehrenvoller Friede uns nicht gewährt wird, so wahr wir uns unverbrüchlich einordnen in die Gesetze unseres Staates und in die Gefolgschaft unserer Führer, so wahr ist es unsere menschliche und göttliche Pflicht, an jedem neuen Tage von neuem die Hand auszustrecken und zu sagen: Brüder, laßt uns in Ehren und in Menschlichkeit uns finden. Wahrhaftig: Nicht der wird in Krieg und Frieden der Stärkere sein, der selbstgerecht und gekränkt die Versöhnung abweist, und nicht der wird, wenn es sein muß, sich schlechter schlagen, der sein Gewissen entlastet. Für die Unberührbarkeit und Ehre des Landes, für die Freiheit und den Lebensraum seiner Kinder zu streiten, ist Gottes Recht; wer um Ruhmsucht und Eroberung den Kampf will, über den kommt das Blut der Unschuldigen.

Die Großen haben gesprochen. Es ist Zeit, daß die Kleinen und Geringen reden, bevor die Steine und die Gräber ihren Mund auftun. Und da ich unter den Geringen ein Geringster bin, so will auch ich meine Stimme erheben, so schwach sie ist.

So schwach meine Stimme ist, es gibt Pforten, vor denen ein fallender Tropfen wie Erzklang dröhnt. Auch wenn keines dieser Blätter in das fremde Land gerät, so wird mein schwaches Menschenwort sich seinen Weg bahnen, denn die Sprache, die aus heißem Herzen kommt, bedarf keiner Laute, und wenn ihr Ruf auch nur einem Herzen begegnet, so wird er ein Hagelkorn des Hasses schmelzen. Dereinst aber wird sich die eisige Saat in Tau verwandeln.

Feinde, Menschen, Brüder, höret! Es ist genug.

Ihr und wir, wir alle sind mit Blindheit und Wahnsinn geschlagen. Im blinden Wahnsinn haben wir eine Welt zertrümmert.

Ihr und wir, wir haben nur einen Gedanken: leiden machen. Ihr und wir, wir jubeln, wenn Menschen brennend aus den Lüften stürzen, wenn Menschen in der See ersticken, wenn Menschen zerrissen und vergiftet sterben, wenn man sie in Gefangenschaft treibt. Wir lesen bei Mahlzeiten Dinge, von denen der tausendste Teil uns erstarren machen müßte. Sind wir noch Menschen?

Die vier göttlichen Elemente, Feuer und Luft, Wasser und Erde haben wir zu Werkzeugen des Todes gemacht, und das genügte nicht, Gift und Hunger holte man zu Hilfe. Aller menschliche Geist zählt und rechnet und grübelt: noch eine neue Streitmacht, noch eine neue Gewalt, noch eine neue Todesart.

Sieben Millionen sind tot. Sieben Millionen mal in fünfzehnhundert Tagen hat der rasend gemachte, gehetzte Tod ein blühendes, hilfloses Menschenherz zerschnitten, und mit jedem Schnitt hat er ein zweites liebendes Herz getroffen. Ungezählt sind die Krüppel, die Blinden, die Wahnsinnigen und Gebrochenen; sie ziehen über die Erde und zeugen wider uns und euch. Die Kreuze auf den Feldern strecken ihre Arme aus, die gemordeten Wälder recken ihre verstümmelten Äste, die aussätzige Kruste der Erde, die zertrommelten Städte, sie blicken auf aus erloschenen Augen und zeugen wider uns und euch.

In Erdlöchern, in Schlamm und Wasser hocken seit vier Jahren unsere Brüder, schützen ihre armen Leiber gegen giftige Dünste, Eisensplitter und Bajonette und trachten nach dem Leben der anderen. Dem Leib der Erde und der Völker ist die Fruchtbarkeit unterbunden. Bleiche Kinder wachsen auf, bleiche Mütter arbeiten in Fabriken.

Der Wohlstand ist gebrochen, die friedlichen Gewerbe sind tot, die See ist verödet. Was noch geschaffen und geschleppt wird, sind Waffen. In den Städten aber rast der Tanz um das Kalb. Inmitten der Entbehrung prassen Bereicherte. Die Versuchung wächst, das Gewissen betäubt sich, die Sitte wankt.

Um die Erde kreist eine Gewalt des Hasses, wie der Planet sie niemals trug. Noch immer wächst sie, angefacht durch Rache, Verleumdung, Angst und Verblendung.

Und doch ist die Welt nicht böse und nicht schlecht; sie ist wahnsinnig und blind. Jeder glaubt, der andere wolle ihn vernichten, und solange jeder das vom anderen glaubt, bleibt allen nichts übrig, als zu kämpfen. Wollte aber jemand auch nur einen Tag länger den Kampf fortsetzen, als Unabhängigkeit, Unberührbarkeit und Lebensraum seines Landes fordern, so wäre er für sich allein, vor Gott und Menschen schuldig am Jammer der Millionen, und es wäre ihm besser, daß er nie geboren wäre.

Feinde, Brüder, es ist Zeit! Es ist sehr spät, und jede Minute tötet, und doch ist noch Zeit. Denn noch tötet jeder von uns in gutem Glauben, im Glauben an den Vernichtungswillen des anderen. Es mag auch wirklich in jedem Lande einige Menschen geben, die vernichten wollen, Verblendete, die glauben, man müsse vom Tode leben, vom Schmerz Gebrochene, die nach Rache schreien, und, furchtbar zu sagen, vielleicht auch Gewinnsüchtige und Machtgierige, die nach göttlichem Recht nicht fragen. Es gibt auch solche, die meinen, das ewige Gesetz vertrage einen Aufschub, wie schlechte Wechsel, und solche, die wähnen, der Krieg sei ein Gottesurteil, der Gott des Geistes und der Wahrheit sitze in Wolken wie Zeus auf dem Berge Ida und warte, bis er seine Feinde in die Hände seiner Lieblinge geben könne, damit sie mit ihnen verfahren nach ihrer und seiner Willkür, und neues Gesetz und Recht schaffen. Vielleicht glauben das in abgeschwächter Form auch einige Staatsmänner, und denken, der Krieg werde mit der Zeit die Lage so ändern, daß sie doch noch in aller Stille einige Erwerbungen machen können; deshalb scheuen sie sich, rund heraus zu reden und zu sagen, was sie verlangen.

Aber ich schwöre euch, es gibt nicht ein einziges Volk auf der Erde, das die Vernichtung eines anderen Volkes will und wollen kann. Jedes Volk weiß in seinem inneren Bewußtsein, daß es nur einen Frieden geben kann und geben wird: der Friede, der in drei oder in zehn oder in zwanzig Jahren geschlossen werden wird, ist genau der gleiche Friede, der heute geschlossen werden kann und geschlossen werden soll. Nur versöhnt er nicht mehr lebendige Völker und gesunde Länder, sondern arme, verrohte Krüppel und Stätten der Verwüstung.

Prüft das, und wenn es wahr ist, so sprecht es aus. An dem Tage aber, an dem ihr, Völker der Erde, das Wort aussprecht, das einfache, klare, selbstverständliche Wort: Keinem Volke soll seine Unabhängigkeit und sein angestammter Boden geraubt, keinem sollen seine Lebensbedingungen verkürzt werden, an dem gleichen Tage ist der Krieg gebrochen und der Frieden in eurer Hand. Denn die Angst der Völker vor einander ist erloschen, es können weder Gruppen noch Staatsmänner sie neu entfachen, sie können auch nicht mehr durch vieldeutige, geschäftskluge Forderungen den Zweifel offen lassen, ob nicht doch, unter der Verhüllung von Sittensprüchen der Angriff auf das Leben des anderen lauert.

Welchen Weg dann die Staatsmänner wählen, um die leichte Aufgabe zu lösen, wie man zu Verhandlungen kommt, ist ganz gleichgültig. Der einfachste Weg scheint mir der beste. Es sollte zunächst jeder Staat fünf Forderungen nennen, die er für die wichtigsten hält, dann kann jeder rückfragen nach dem, was ihm unklar scheint oder was er nicht verstanden hat, dann soll er antworten.

Es ist keine Gefahr, daß die Antworten unbefriedigend ausfallen. Denn wem eine offenkundig ungerechte Forderung abgelehnt wird, kann ebensowenig um deswillen den Krieg fortsetzen, wie der, der eine offenkundig gerechte Forderung ablehnt; es würde ein neuer Krieg mit neuen Kriegsgründen sein, den niemand will. Sind aber die Antworten erteilt, so mag man entscheiden, ob eine neue Reihe schriftlicher Fragen gestellt oder die mündliche Verhandlung begonnen werden soll.

Menschen und Völker, besinnt euch! Es geht um eure Seelen. Es wird kein anderer Frieden über die Erde kommen, als der Frieden der Gerechtigkeit und der guten Gesinnung. Wäre ein anderer Frieden erreichbar, ihr dürftet ihn nicht nehmen, denn er wäre kein Frieden, sondern ein heimlicher, vergifteter Krieg. Der gerechte Frieden, der Frieden Gottes kommt, wir mögen ihn wollen oder nicht. Wollen wir ihn, so wird er uns geschenkt, wollen wir ihn nicht, so wird er uns auferlegt. Sind wir seiner würdig, so werden wir ihn erleben, sind wir seiner unwürdig, so werden ihn auch unsere Kinder nicht erleben.

Was der gerechte Frieden ist, wissen wir. Wissen wir es, und handeln nicht danach, so sind alle unsere Sittensprüche Heuchelei und unser Gewissen wird am Tage der Entscheidung auf uns lasten. Wir tragen die Verantwortung für eine Zivilisation und Kultur, für das Glück und das Leben der Millionen. Diese Verantwortung ist die kleinere. Wir tragen die Verantwortung um der Gerechtigkeit und um unserer Seelen willen, diese Verantwortung ist vor Gott und ist die größere. Die Seelen der Erschlagenen stehen auf und fordern von uns Rechenschaft. Sie fordern von uns nicht Rache, sondern Versöhnung zur Ehre Gottes. Brüder, wir wollen einander vergeben, damit uns miteinander vergeben werde. Nicht der ist schwach, der Vergebung empfängt, nicht der ist stark, der sie zurückweist.

Vier Jahre lang haben unsere Heere zu Lande, zu Wasser und in der Luft einander standgehalten und sind nicht ermüdet. Ihre Taten sind größer als alles Heldentum der Sage und Geschichte. Das edelste und stolzeste aber wird es sein von allem, was dieser alte Planet erlebt hat und erleben wird, und ein Leuchten wird von ihm ausgehen über das Weltall, wenn der Tag anbricht des großen Opfers, der freien, menschlichen und göttlichen Versöhnung. Der Tag, an dem wir uns vergeben allen Haß und allen Kummer, alle Tränen und alle Wunden, allen Tod und alle Rache. Der Tag, an dem wir uns die Hände reichen, um gemeinsam die Wunden zu heilen, die Witwen und Waisen zu trösten, die Erde neuaufzubauen. An diesem Tage sind unsere gefallenen Brüder wahrhaft verherrlicht, an diesem Tage ist die Erde entsühnt, und das Gottesreich um einen Schritt der Welt genähert.


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