Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Erster Schlesischer Krieg

Es ist ein Irrtum, wenn man angenommen hat, daß Friedrich II. im voraus mit Frankreich einverstanden gewesen sei; mit voller Wahrheit konnte er den Truppen, die er zu der Unternehmung in Krossen vereinigte, sagen, er habe keine anderen Verbündeten als sie. Am 16. Dezember 1740 überschritten die preußischen Truppen die Grenze und fanden in Schlesien Verbündete, die der König nicht erwartet hatte. Man möchte fast sagen, der Dreißigjährige Krieg ging dort noch immer fort: denn die Restauration des Katholizismus, die in jener Epoche in Böhmen durchdrang und dann auch in Schlesien unternommen wurde, war doch hier auf mannigfaltigen Widerstand gestoßen; sie war von Karl XII. bei seinem Vordringen nach Sachsen inhibiert worden, allein bei dem Beginn der neuen Regierung schien sie wieder in Angriff genommen zu werden; sie glaubte, an jene schwedische Konvention nicht mehr gebunden zu sein. Das Vorrücken österreichischer Truppen, denen man die Absicht gewaltsamer Konversion zuschrieb, erweckte ängstliche Besorgnisse, als das preußische Kriegsheer eindrang. Die Truppen der Königin und Landesfürstin wurden als Feinde, die des Königs, der Schlesien erobern wollte, als Freunde und Erretter betrachtet; in der Landeshauptstadt Breslau wirkte noch ein anderes Motiv, das der städtischen Gerechtsame, mit dem religiösen zusammen. Auch in Breslau wurde der König bei seiner Ankunft willkommen geheißen. Er hatte binnen wenigen Wochen Schlesien so gut wie erobert; Schwerin okkupierte die Grenzplätze am Gebirge. Nie wurde eine gewaltsame Besitzergreifung friedlicher vollzogen.

Nachdem die Preußen Glogau eingenommen hatten, hat man in der Umgegend ihren Sieg mit evangelischen Dankfesten gefeiert. Der evangelische Teil der Bevölkerung schloß sich an und gelangte zu den Rechten, die ihm entzogen oder doch verkümmert worden waren. Den Katholischen wurde Toleranz verheißen; denn die Besitznahme war nicht darauf berechnet, den alten religiösen Streit wieder zu erneuern. Friedrich II. wollte das ganze Gebiet, wie es vor ihm lag, unterworfen halten. Die Toleranz, die seiner Gesinnung entsprach, war hier zugleich von der Politik geboten. Nur soviel ist klar, daß das katholische Element das Übergewicht verlor, das es seit dem Dreißigjährigen Kriege in dieser Provinz behalten hatte. Die Idee des Staates, der doch ein protestantischer war, forderte die Gleichberechtigung der Bekenntnisse.

Eigentlich war das Ziel schon erreicht, ehe noch der wahre Kampf begann. Eine Zeitlang hoffte Friedrich II., seine Erwerbung, wenn nicht vollständig, doch in großem Umfang mit der Einwilligung des Wiener Hofes zu behaupten. Auch wären die alten Minister, welche in der Erinnerung an die große Allianz lebten, nicht abgeneigt gewesen, auf die Anträge des Königs von Preußen einzugehen. Ihr jüngster Kollege jedoch, Bartenstein, widerstrebte ihren Ansichten; er rechnete darauf, daß Frankreich für Österreich sein werde, so daß es der Allianz mit England nicht bedürfen würde. Und dem nun schloß sich die junge Königin an; sie war von Natur mit allen Gaben einer Regentin ausgerüstet, sie vereinigte die Tugenden einer Hausfrau und Mutter mit der Entschlossenheit einer großen Fürstin; sie war fähig, die Deliberationen ihrer Minister zu leiten, nicht jedoch, ohne daß sie bei ihren Entscheidungen persönlichen Impulsen Raum gegeben hätte. Sie scheute nicht vor extremen Entschlüssen zurück; von dem Selbstgefühl ihrer Stellung nahm sie die Norm ihrer Handlungen. Ihr Erbrecht hielt sie für erhaben über allen Zweifel, jeden Angriff auf dasselbe zugleich für ein moralisches Verbrechen. In ihr wallte welfisches und habsburgisches Blut. Das Kaisertum, das sie für ihren Gemahl zu erwerben hoffte, nahm sie gleichsam zum voraus in Besitz. Die stolze Haltung ihres Hauses, das sich für das erste aller regierenden Häuser hielt, repräsentierte sich in ihr, noch verstärkt durch ihre Vermählung mit einem Fürsten aus dem Hause Lothringen, das seine Herkunft von Karl dem Großen ableitete. So traten einander der junge König von Preußen und die junge Königin von Ungarn und Böhmen in entgegengesetzten Stellungen gegenüber; beide in der Blüte ihrer Jahre, der König von seinen Ansprüchen, die Königin von ihren Rechten durchdrungen; der König seinem Bekenntnis nach Protestant, und seiner Überzeugung nach Deist, mit der Bewegung der Geister nach unbekannten Zielen hin einverstanden; die Königin, katholisch gläubig den ererbten Ideen des österreichischen Hauses gemäß und entschlossen, die Einheit der Religion in ihren Landen mit aller Macht aufrechtzuerhalten, so daß sie doch auf den Spuren Ferdinands II. einherging, während sich Friedrich II. von den Spuren seiner streng protestantischen Ahnherrn entfernte. In diesem Augenblick stand Friedrich II. mit siegreichen Waffen bereits in Oberschlesien. Der russische General Münnich hat ihm wohl einen Vorwurf daraus gemacht, daß er nicht sogleich bis nach Wien vorgedrungen sei und dem ganzen Streit auf einmal ein Ende gemacht habe; diese Art von Ehrgeiz aber lag nicht in Friedrich II. Er wollte nur eben den Anspruch durchführen, den er von seinen Altvordern überkommen hatte, wobei er denn auch der von dem Hause Österreich aus dem Lande, das ihm nicht gehört habe, unrechtmäßig bezogenen Einkünfte gedachte, und so mächtig genug werden, um eine unbedingte Selbständigkeit zu behaupten; Österreich zu stürzen, war er nicht gesonnen. Aber ein beschränkter Anspruch ist zuweilen noch schwerer durchzuführen, als ein unbeschränkter. Friedrich II. hatte den schwersten Kampf zu bestehen.

Die erste Armee, welche Österreich ins Feld brachte, um ihn aus dem ergriffenen Besitz wieder zu vertreiben, wurde dem König Friedrich II. doch sehr gefährlich. Die geschickte Strategie des Generals Neipperg brachte die preußischen Stellungen in Unordnung, so daß diese mit der Stirne gegen Berlin gewandt vorrücken mußten, und unbezweifelt war die Überlegenheit der nationalen Reiterscharen, die Neipperg ins Feld führte. Bei Mollwitz am 10. April 1741, wo die Heere zusammenstießen, war der Vorteil eine Zeitlang auf österreichischer Seite, so daß der König von seinen Generalen genötigt wurde, sich aus dem Getümmel des Schlachtfeldes zu entfernen, um seine Person, an der alles liege, zu retten. Aber die eigentliche Waffe der Preußen war die Infanterie, wie sie in der Schule des alten Dessauers eingeübt worden war. Vor ihrem Kleingewehrfeuer prallte der Angriff der Österreicher zurück; das vordringende mörderische Rollen desselben trieb sie dann in die Flucht.

Seitdem waren die Preußen Meister des Schlachtfeldes. Es war der Kampf eines in seiner Bildung begriffenen neuen Militärwesens, man möchte sagen, der militärischen Kultur, mit dem herkömmlichen der österreichischen Armee, welches den Sieg davontrug und die Besitznahme von Schlesien bestätigte. Der König war hierauf in seinem Feldlager unablässig beschäftigt, von seinem Zelt aus seine Armee fortzubilden, Herr und Meister bis in das geringste Detail des Dienstes, vor allem beflissen, sich eine Reiterei zu schaffen, was für den weiteren Kampf unerläßlich war. Notwendig gewann aber dieser Kampf bei seiner Fortsetzung eine unmittelbare Beziehung zu den andern, nunmehr in offenen Streit geratenen Weltmächten. Maria Theresia hatte sich eine Zeitlang dadurch, daß die Haltung von Frankreich sehr zweideutig wurde, nicht irremachen lassen, auf die Fortdauer eines guten Verhältnisses zu dieser Macht zu trauen; endlich aber konnte sie sich darüber nicht mehr täuschen, daß der französische Hof die pragmatische Sanktion nur unter einem Vorbehalte, der sie zerstören mußte, nämlich dem der Rechte Dritter, angenommen zu haben erklärte; er nahm sich der Prätensionen Bayerns unumwunden an. Bei dem Zwiespalt, der eben zwischen den bourbonischen Mächten und England ausbrach, konnte sie nun allerdings auf England zählen, wo man ihr eine sehr lebhafte Teilnahme zu erkennen gab. Aber dadurch geriet Friedrich II. wieder in die Notwendigkeit, sich mit Frankreich zu verständigen, was er anfangs vermieden hatte; überzeugt, daß eine Verbindung der Engländer mit Österreich ihn in seinem Dasein bedrohen werde, schlug er sich auf die Seite der Franzosen. Eben in dieser Verbindung faßte er seine Forderungen in einer über die dynastischen Anrechte hinausgehenden Form zusammen.

Im Juni 1741 trat er mit Frankreich in ein Bündnis auf fünfzehn Jahre, dessen vornehmste Bedingung dahin lautete, daß es ihm Niederschlesien und Breslau gegen jedermann, wer es auch sei, garantiere. Soeben trat die in den Dingen liegende Tendenz vollständig zutage. Frankreich wendete alles an, um die Rechte des Kurfürsten von Bayern auf die österreichischen Gebiete durchzuführen und diesen selbst zum Kaisertum zu befördern.

Auch Bartenstein erblickte jetzt das Heil von Österreich in einer Erneuerung der alten großen Allianz gegen Frankreich; in diesem Gedanken selbst aber lag ein Rückhalt für Preußen. Eine große Allianz gegen Frankreich war unmöglich, weil Preußen, das ihr in einer früheren Periode zugehörte, die Waffen gegen Österreich ergriffen hatte. Das einzige Mittel der Verteidigung gegen Frankreich lag nun doch darin, daß man die in den ersten unbestimmten Formen, in denen sie auftraten, verworfenen Ansprüche Preußens nunmehr in den bestimmteren, in denen sie gemacht wurden, anerkannte; dem doppelten Anfalle Preußens und der bourbonischen Bundesgenossenschaft zu widerstehen, war Österreich unfähig. Darin lag nun auch das große Interesse von England. Unter dem Andringen des englischen Botschafters fand sich Maria Theresia in diese Notwendigkeit; sie verlangte nur ihrerseits, daß Preußen ihr zu Hilfe komme oder doch wenigstens neutral bleibe. Dazu aber hatte der König nunmehr wenig Neigung, denn Maria Theresia zeigte ihm einen tiefen und heftigen Widerwillen, den er für unversöhnlich hielt. Aber für ihn erhob sich jetzt eine andre Gefahr. Bei seiner Verbindung mit Frankreich hatte er die deutsche Idee, den Gedanken nämlich der fortdauernden Unabhängigkeit des Reiches nicht aufgegeben; denn so viel schien nicht daran zu liegen, ob die habsburgische oder die wittelsbachsche Dynastie im Deutschen Reiche vorwalte. Einer französischen Übermacht, die man einstweilen dulden müsse, meinte er sich in kurzer Zeit wieder entledigen zu können. Das war aber nicht der Sinn der französischen Regierung. Der umsichtige Kardinal Fleury, dem so vieles gelungen war, indem er die verschiedenartigen Interessen gegeneinander abwog, war nicht gewillt, Bayern so groß zu machen, daß ihm etwa eine neue Macht wie die des Hauses Österreich in dem zum Kaiser erhobenen Kurfürsten hätte entgegentreten können. Allem Anschein nach hätte es nur bei den Franzosen gestanden, die Stammlande von Österreich und die Hauptstadt selbst in diesem Augenblicke zu erobern; aber indem die Dinge diesen Zug nahmen, standen die Franzosen von einem solchen Unternehmen ab.

Die Franzosen waren in demselben Falle wie Friedrich II.; sie hatten nur beschränkte Absichten, auch sie wollten Osterreich nicht vernichten. Nicht sowohl das Haus Habsburg-Österreich war ihnen zuwider, als überhaupt eine zentrale Macht in Deutschland, die sich ihnen entgegensehen konnte. Ihr Gedanke ging dahin: drei oder vier ziemlich gleich starke Staaten in Deutschland zu errichten, von denen ihnen keiner für sich selbst jemals Widerstand zu leisten fähig gewesen wäre. Es war nicht sowohl eine Eröffnung geheimer Pläne, als das vor Augen liegende Verhalten Frankreichs, was dem König von Preußen diese Gefahr ins Bewußtsein brachte; er wollte, wie er sagt, nicht die Übermacht von Österreich in Deutschland brechen, um französische Ketten zu schmieden. Aus diesen Betrachtungen und Gegensätzen ist der Vertrag zu Klein-Schnellendorf am 9. Oktober 1741 entsprungen. Dem König wurde darin von seiten Österreichs Niederschießen und Breslau abgetreten; selbst Neiße, welches zur Vollendung seiner Eroberungen unentbehrlich war, wurde ihm überlassen. Dafür aber versprach er, gegen General Neipperg einstweilen keine Feindseligkeiten auszuüben; er ließ ihm vollkommen freie Hand gegen die Franzosen. Und war das nun nicht dasselbe, was Maria Theresia von ihm gefordert hatte, nämlich die Neutralität? Nicht ganz und gar; Friedrich II. behielt sich das tiefste Stillschweigen über das geschlossene Abkommen vor, eine in diesem Falle sehr wesentliche Bedingung; denn wenn es bekannt wurde, mußte er die Feindseligkeiten der Franzosen erwarten, während er sich doch auf die Freundschaft von Österreich nicht verlassen konnte. Eben darin liegt das Eigentümliche seiner Stellung. Er durfte zwar die Franzosen über Österreich nicht Herr werden lassen, noch weniger aber zugeben, daß Österreich die Angriffe, die es erfuhr, siegreich abwehrte; denn die Königin würde dann ihre Waffen gegen ihn gewendet haben. Die Abkunft von Klein-Schnellendorf hat für Österreich die glücklichsten Erfolge herbeigeführt; es konnte nun seine Macht ungeteilt gegen die Franzosen und Bayern wenden, denen es sich auch sofort gewachsen erwies. Seine Kräfte aber wurden dadurch verdoppelt, daß sich die Königin entschloß, zugleich eine Vereinbarung mit den Ungarn zu treffen, welche zwar den monarchischen Rechten Abbruch tat, aber den Enthusiasmus der Nation für die Königin erweckte und deren Streitkraft ihr dienstbar machte. Maria Theresia gelangte in den Stand, die Angriffe der Franzosen und ihrer Verbündeten mit Erfolg zurückzuweisen. Ein so vollkommener Sieg des Hauses Österreich aber, wie sich nach den Verhältnissen erwarten ließ, lag doch, wie berührt, wieder nicht in dem Sinne des Königs Friedrich. Gewiß, der Übermacht der Franzosen wollte er ein Ziel setzen, aber die österreichische Übermacht doch auch nicht herstellen; auch er faßte in dem Augenblicke den Gedanken, Sachsen und Bayern durch alte österreichische Gebiete zu verstärken; sie würden dann, da es durch seine Hilfe geschehen, allezeit von ihm abhängig geblieben sein; er dachte dabei zugleich seinen schlesischen Besitz auf immer zu befestigen, die Bedingung zur Vergrößerung seiner Nachbarn sollte ihre Einwilligung in die Verstärkung Niederschlesiens durch die Grafschaft Glatz und einen Teil von Oberschlesien bilden, ohne welche das erste gegen Österreich selbst nicht zu halten sein werde. In dieser Absicht ergriff er im Februar 1742 aufs neue die Waffen und drang in Mähren ein; er fühlte sich dazu berechtigt, weil das ihm versprochene Stillschweigen keinen Augenblick beobachtet worden war, was dann nicht verfehlen konnte, ihn in Mißverständnis mit Frankreich zu bringen, so daß er der Besorgnis Raum gab, Frankreich könnte, durch ein eignes großes Bündnis in dem nordischen Europa verstärkt, sich endlich sogar mit Österreich gegen ihn alliieren. Immer in der Anschauung der von allen Seiten drohenden Gefahr bewegt sich seine Politik. Mit Bayern und Sachsen vereinigt, würde er eine haltbare Stellung gegen Frankreich sowohl wie gegen Osterreich haben behaupten können; allein so sicher waren diese Verbündeten nicht; es zeigte sich bald, daß die Bayern ohne die Hilfe der Franzosen schlechterdings sich nicht verteidigen konnten. Die große Position, die Friedrich in Mähren einnahm, konnte er nicht behaupten, ohne sich selbst zu gefährden; wenn ihm aber Österreich jetzt anbot, ihm Niederschlesien durch einen förmlichen Friedensschluß abzutreten, so war ihm das doch in seiner Lage noch nicht genügend; er forderte nun von der Königin auch Oberschlesien und Glatz. Dagegen aber sträubte sich die Königin; sie machte nochmals einen Versuch, die preußische Armee zurückzuwerfen, der aber vollkommen mißlang. Die Schlacht von Chotusitz 17. Mai 1742 gewann Friedrich ohne seine beiden Feldmarschälle, mit einem schon von ihm umgeformten Heere, das er mit einer Genialität anführte, die sein angebornes strategisches Talent zuerst zur Erscheinung brachte. Maria Theresia wurde inne, daß sie den doppelten Feindseligkeiten von Frankreich und Preußen nicht widerstehen könne, und allmählich schwiegen ihre Bedenken. Auf den Rat der Engländer, die ihr in der entscheidenden Stunde nicht ohne große pekuniäre Aufwendungen zu Hilfe gekommen waren, fügte sie sich in die Abtretung von Schlesien in den Grenzen, welche Friedrich forderte, mit Glatz, dem Teil von Oberschlesien bis an die Oppa, so daß das vielbestrittene Jägerndorf ihr zuletzt doch verblieb. Darauf ging dann Friedrich unverzüglich ein; er ermächtigte seinen Minister in Breslau, auf diese Grundlage abzuschließen; es ist der Friede von Breslau (11. Juni 1742), der das Verhältnis der beiden deutschen Mächte auf immer bestimmt hat. Aus den dynastischen Ansprüchen hat sich der politische Gedanke herausgebildet. Niemals war eine Erwerbung für irgendeinen Staat opportuner und wichtiger als für den preußischen die Eroberung Schlesiens, welches eine gleichartige Bevölkerung in bezug auf Herkunft, Landesart, Religion in sich schloß und der preußischen Krone erst die Kräfte verschaffte, durch die sie sich andern Kronen ebenbürtig zu einer europäischen Macht erhob, in der Mitte von Polen und Sachsen, die dadurch immer auseinandergehalten wurden, in der Mitte auch der Machtbezirke von Rußland und von Österreich. Soviel Österreich an Ausdehnung verlor, so kann man doch sagen, daß die österreichische Monarchie in diesem Konflikte zu einer näheren Identifizierung mit den Nationalitäten der Landschaften und Völker, aus denen sie sich zusammensetzte, gelangte. Von größtem Wert war für sie die erwachende Hingebung der Ungarn; in Böhmen und Österreich regten sich die katholischen Sympathien für das Erzhaus aufs neue. Hier behauptete sich doch das im Laufe des Dreißigjährigen Krieges gegründete System. Es ist die vornehmste Handlung Friedrichs II., daß er Schlesien diesem System entrissen und es mit seiner Krone verbunden hat; Aktion und Reaktion hiegegen haben die Geschicke der beiden Mächte bestimmt. Und so war es wohl erlaubt, auch in einem kurzen Artikel von diesem Ereignis eingehender zu handeln. Daran darf heutzutage niemand zweifeln, daß die Unternehmung mit gutem Gewissen gewagt werden konnte; in der Natur der Sache liegt, daß ihr Widerstand geleistet ward; Angriff und Verteidigung waren beide gerechtfertigt. Doch liegt es auch in der Natur der menschlichen Verhältnisse, daß die große Frage durch einen Frieden noch nicht definitiv entschieden wurde.


 << zurück weiter >>