Ferdinand Raimund
Moisasurs Zauberfluch
Ferdinand Raimund

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Erster Aufzug.

Erste Szene.

(Indische Landschaft.)

(In der Ferne die Hauptstadt des Diamantenreiches, auf einem entfernten Hügel die Ruine des zertrümmerten Tempels Moisasurs. In der Mitte des Theaters ein herrlicher Tempel im indischen Geschmacke, mit der goldenen Aufschrift: Wer sich der Tugend weiht, hat nie des Bösen Macht zu scheuen. Die Statue der Tugend, eine verschleierte weibliche Figur, einen Lilienstengel haltend, sitzt auf einem Piedestal in der Mitte des Tempels. Auf den Säulen sind Lilien angebracht.)

Hassan. Mansor. Omar.

Chor.

(Das Volk bringt einen Boten von Hoanghus Heer frohlockend auf die Bühne und umringt ihn fragend.)

Wackrer Bote, sei willkommen!
Strahlt aus deinem Auge Sieg?
Ist das Heer zurückgekommen,
Ist geendet unser Krieg?
Ja, es spricht dein froher Sinn;
Du bringst Heil der Königin!

Bote. Sieg bring' ich euch, so wahr die Sonn' auf Indien scheint. Gebt mir Palmenwein dafür. (Er nimmt einem eine Flasche von der Seite.) Der Krieg trinkt Blut, der Friede Sekt.

Volk. Erzähl' uns erst! (Halten ihn ab vom Trinken.) Halt, halt!

Bote. Gerettet ist das Reich, von unsern Grenzen ist der Feind vertrieben, geendet ist der heiße Krieg.

Volk. Sonne, sei gelobt! (Ales sinkt mit dem Haupt zur Erde, und bleibt einen Augenblick in dieser Stellung.)

Bote. Da liegt das Volk, jetzt netz' ich meinen Hals. (Trinkt.) Der König sendet mich voraus, daß ich den Tag der Königin berichte, an dem er seinen Einzug hält.

Mohr. Und wenn man fragen darf, wann strahlt uns dieser große Tag?

Bote. Spion von Ebenholz, was hast du nach dem Tag zu fragen? Nacht hat die Sonn' auf dein Gesicht gebrannt, das heißt; Du sollst im Finstern wandeln.

Mohr. Du hassest mich?

Mansor. Schweigt. (Zum Boten.) Sogleich wird unsre Königin erscheinen, dann stellen wir dich vor. Mit Sehnsucht harret schon Alzind' der Rückkehr ihres tapferen Gemahls.

Bote. Doch was erblick' ich – Moisasurs Tempel eingestürzt, und die Sonne leuchtet noch? Und wer hat diesen aufgebaut, wozu ist der bestimmt?

Mansor. Ein erhabnes Schauspiel wird sich deinem Auge zeigen.

Bote. Wird dieser Mohr vielleicht darin gebraten? (Für sich.) Das wär' mein liebstes Schauspiel auf der Welt.

Mohr. Für dich vergift' ich einen Pfeil.

Mansor. Lästre nicht! Der Tugend Tempel ist's.

Bote. Ja, ihm soll man das Laster opfern.

Mansor. Es ist geschehn. Dem bösen Geiste Moisasur wird in unsrem Reich kein Opfer mehr gebracht.

Bote. Wehe dann dem Diamantenreich! Schon seit Jahrhunderten hat diesem grimmigen Tiger durch unzähl'ge Opfer man geschmeichelt; werft ihm Beute vor, wenn ihr nicht wollt, daß euch sein stets geschäft'ger Zahn zerreißt.

Mansor. Die Königin, die, seit der König kriegt, das Zepter schwingt im Reich, hat, weil der Krieg, trotz all der reichen Opfer, die man unsern Göttern brachte, sich doch nicht glücklich wenden wollte, mit den weisen Priestern sich beraten und glaubt, daß die guten Götter zürnen, weil neben ihnen und der mächtgen Sonne Moisasurs böser Geist verehret wird. Sie hat Moisasurs Tempel niederreißen lassen. Doch wie's geschah, da rollte fürchterlicher Donner, die Erde bebte, als hätte das Gewicht der umgestürzten Säulen das ganze Reich in seinem Mark erschüttert.

Bote. Der Löwe brüllt, wenn man ihn ans der Höhle treibt.

Mansor. Doch wie die Erde bebt, fest steht der königliche Sinn. Sie läßt dafür in diesem Tal der Tugend einen Tempel bauen und schreibt auf ihn: Wer sich der Tugend weiht, hat nie des Bösen Macht zu scheuen. Soeben wird er eingeweiht, dort nahet schon die Priesterschar.

Mohr. Wenn nur die Tugend uns vor Moisasurs Rache schützt! Den ganzen Morgen hat der Himmel sich mit Donnerwolken überzogen, die in sich brummen, als ob sie Zaubersprüche murmelten, und der Blitze Feuerzungen lecken an der Kuppel dieses Tempels.

 
Zweite Szene.

Feierlicher Marsch. Indische Tänzer schweben voraus, dann die Priester der Sonne. Zierlich gekleidete Mädchen, das Haupt mit weißen Rosen bekränzt, gruppieren sich um die Stufen des Tempels, die Priester beschäftigen sich im Innern desselben. Dann erscheint Alzinde und ihr Hofstaat. Sie begibt sich auf einen Seitenthron, neben ihr die Großen des Reichs. Das Volk verteilt sich um den Tempel und den Thron gegenüber. Vorige.

Chor.
        Singt das Lob der Schönheitsblume,
Die auf Indiens Flur erblüht,
Und die zu der Götter Ruhme
Für das Heil der Tugend glüht.
Sende deinen Strahl, o Sonne!
Nieder auf ihr weises Haupt,
Weil ihr Herz mit frommer Wonne
An der Götter Allmacht glaubt.

Alzinde. Volk meines sieggekrönten Reichs! Ich habe dich versammeln lassen, um einzufallen in den großen Chor, den das Gefühl des Dankes anstimmt, weil die Götter uns erleuchtet, daß wir durch Moisasurs Sturz der Sonne Zorn versöhnt; daß sie von dem Augenblick mit Siegesglück die Pfeile unsres Heeres nach dem Busen unsrer Feinde wendet. Vielleicht, indem wir hier die Götter preisen, hat mein Gemahl, der königliche Held, den kleinen Rest des müdgekämpften Feindes aus den Grenzen dieses Reichs verjagt.

Mansor. So ist es, du erhabne Tochter der gewalt'gen Sonne, die deine Ahnung zur Prophetin weiht, die Wahrheit deines Wortes bestätigt dieser Bote hier.

Bote. Der, große Königin, mit seinen Knien den Staub an deinem Thron hier küßt, aus Ehrfurcht teils und teils aus Müdigkeit, weil er im schnellsten Lauf aus des Königs Lager eine holde Last dir bringt, eine Nachricht von dem ungeheuersten Gewicht! Friede, dieses goldne Wort, laß in alle Palmen schneiden, daß sie dann mit vollem Rechte Friedenspalmen heißen. Gesiegt hat dein erhabener Gemahl, noch gestern abends ward die letzte Schlacht gewonnen, und in der Nacht der Friede abgeschlossen, durch den ein Teil vom Feindesland noch zu dem deinen fällt. Nur heute ruht das Heer; doch morgen bricht es auf und zieht mit Zimbelklang und Jubelsang im Vaterlande ein. Dies zu berichten ward ich gesendet, mein Auftrag ist erfüllt, der Bote hat geendet.

(Steht auf und tritt zurück.)

Alzinde (sinkt auf die Knie). Sonne, sei gelobt!

Alle. Heil den Göttern! Heil dem König Hoanghu!

Alzinde. O mein Gemahl, warum kann ich an deine Heldenbrust nicht fliegen, du edler Sohn der unnennbaren Götter, dessen Lieb' ich nicht für alle Kronen Asiens tauschen möchte! Juble, Volk! Sei ausgelassen froh! Ihr Priester weiht den Tempel ein, der Tugend Macht hat sich bewährt, ein ewig Denkmal sei ihr hier errichtet! Wer sagt mir doch, warum mein Glück mich zu freud'gem Wahnsinn treibt? Warum ist diese Lust so ungeteilt, so allgemein, daß ich kein Stück davon kann eurem Herzen überlassen? O sprecht, wer nimmt mir einen Teil der edlen Bürde dieses Freudenreichtums ab, womit die goldne Sonne mein Gemüt beschenkt? Verdien' ich denn, daß ich so glücklich bin?

 
Dritte Szene.

Fürchterlicher Donnerschlag. Die Bühne umzieht sich mit schwarzen Wolken, aus welchen rote Blitze sich schlangenartig winden. Auf der Erde sprüht Feuer, dann erscheint Moisasur als ein Ungeheuer mit Drachenfüßen und Drachenflügeln, auf dem Haupt eine rote Krone mit Schlangen umwunden, der ganze Körper ist in hellroten Samt gekleidet, um den Leib eine schwarze Schürze mit goldenen Schuppen gestickt. Alles sucht sich in den Hintergrund zu retten, einige flüchten auf Bäume. Alzinde, welche bei ihrer Rede vom Thron gestiegen, bleibt im Vordergrunde, der Thron verschwindet.

Vorige. Moisasur.

Moisasur (mit fürchterlicher Stimme). Alzinde, du verdienst es nicht!

Alzinde (fährt zusammen). Ha! – Wer bist du, scheußlich Ungeheuer, dess' Anblick mir Besinnung raubt? Wie giftig Unkraut stehst du da, das plötzlich aus dem Schoß der Erde treibt.

Moisasur. Moisasur heiß' ich, kennst du diesen Namen? Mit Flammenzügen hat der große Geist ihn auf das finstre Tor der Hölle einst geschrieben, und aus meinem Auge leuchtet ihre Sendung.

Alzinde. Was hat die Hölle an mich abzusenden? Ich habe dich und sie aus meinem Reich verbannt. Die Tugend ist mein Heil, dich hab' ich nie verehrt, und jedem Opfer Fluch, das dir mein Land noch bringt.

Moisasur. So nimm denn Fluch gen Fluch, verruchtes Weib, das meinen Tempel umgestürzt; so zieh' mein Haß denn einen Zauberkreis um dein verrätrisch Land; so will das Leben ich aus seinen Grenzen jagen, und lähmen diesen üpp'gen Teil der Welt! Vertrocknen soll der Baum, die Frucht, der Strom; verdorren soll das Gras, und was in deinem Reich mit Leben prahlt; dein Volk, die Diener deines Hofs, wem Blut nur in den Adern kreist, Mensch oder Tier, das steh' erstarrt und wandle sich in Stein! Und jegliches Geschöpf, das dieses Land mit frechem Fuß betritt, das werd' ergriffen von Versteinerung und steh' als Marmordenkmal meiner Rache da.

Alzinde. O, mein Gemahl!

Moisasur. Schau' hin und lab' dich an dem süßen Anblick! (Die Wolken öffnen sich, man sieht die Gruppen, wie sie ängstlich standen, nun im bunten Marmor, einige auf Palmen hängen, doch der Tugend Tempel strahlt im hellen Sonnenglanz.) Verflucht, daß ich den Tempel schauen muß, als Nebenbuhler meines Ruhms.

Alzinde. Entsetzlich Scheusal, von der Erde ausgespien, weil du ihr Innres zu vergiften drohst, wie kannst du dieses Reich zerstören, das die Sonne ihren Liebling nennt?

(Die Wolken schließen sich wieder.)

Moisasur. Fluch gegen Fluch! Vernichtung für Vernichtung! An dir ist jetzt die Reih'! Ich bin's, der dir nach deinem Wunsch die holde Last der Freude von dem zarten Nacken reißt. Deine Liebe, deinen Reiz, deine Hoffnung, deine Ehre, deinen Ruhm, dein Diadem will ich auf einen Knäul zusammendrücken, und in den Pfuhl der Hölle schleudern. Erscheint, ihr Geister bleicher Nacht. (Vier schwarze Geister erscheinen und ergreifen die Königin.) Seid Zeugen und Vollführer meines Fluchs. Zerstöret ihren Reiz, die Krone reißt von ihrem Haupt, der Locken Glanz verwandelt mir in welkes Grau; die Haut schrumpft ein und überzieht damit ein fleischloses Gebein, das ihr mit halbverfaulten Lumpen dann behängt. Doch laßt die junge Seele nicht aus ihrem morschen Leib entfliehn, damit sie zehnfach jeden Schmerz empfind' und die Erinnrung ihres Glücks sie quäle. – Doch halt – damit des Menschen Habsucht bis zum Tod sie peinige, so laßt sie diamantne Tränen weinen, als Wehmutszeichen, daß sie Indiens Fürstin war. Nun schleppt sie fort, verwandelt sie, dann schleudert sie dem Nordwind in die eis'gen Arme, daß er mit ihr nach einem andern Weltteil rase und dort die alte Ariadne setz' auf nacktem Felsen aus. Befolgt, was ich befahl!

(Die Königin sinkt in Ohnmacht.)

Erster Geist. Noch nicht – in deiner Rache wüt'gem Eifer hast du vergessen, ihr ein Ziel zu setzen; ewig darfst du nicht verfluchen, wie du es von dem ew'gen Geiste bist. Drum sprich, wie lang an diesen Zauberfluch ihr Glück gefesselt bleibt, und wann und wie sich lösen können diese Schreckensbande?

Moisasur. Weil du mich mahnst an meine Pflicht, verruchter Geist, so höre meinen Spruch! Nur dann, wenn sie im Arm des Todes Freudentränen weint, kehrt ihr zurück, was ihr mein Zauberspruch entrissen. Nun regt die trägen Drachenglieder, eilet fort, Erwartung geißelt mein Gefühl. Den höchsten Berg der Welt will ich besteigen und durch der Hölle Mikroskop will ich mit süßer Lust auf ihr verbittert Leben schaun. (Ab.)

(Die Geister versinken mit Alzinden.)

 
Vierte Szene.

Auf dem Rücken einer Alpe, mit der Aussicht auf ferne Gletscher. In der Mitte ein Bergstrom. Der Horizont finster umwölkt. Rechts ein hohes Bauernhaus, Gluthahn gehörig, links eine arme Hütte, neben derselben sprudelt eine Quelle in ein natürliches Becken.

Gluthahn
(kommt erzürnt und erhitzt).
        Das ist ein schlechtes G'sind'
Im Rattental dahint';
Der Bauer Michel Stier
Kömmt vor'ges Jahr zu mir,
Weint wie ein altes Weib,
Und geht mir nicht vom Leib;
Mein lieber Nachbar Glut,
Ich bitt' Euch, seid so gut
Und zahlt mir auf mein Haus
Fünfhundert Taler aus.
(Heuchlerisch.)
Und ich, ich guter Narr,
Mein Herz, das ist halt wahr,
Das findt man nirgends mehr,
Ich bin so dumm, geb s' her.
Ich führ' ihn hin zum Tisch,
Wir schreiben einen Wisch;
Fünfhundert Taler bar
Geb' ich dir auf ein Jahr;
Und daß ich dich nicht druck',
So zahlst' mir achte z'ruck.
Wo ist das Jahr schon hin?
Was ich gelaufen bin,
Was ich schon schrei' und schelt',
Ich komm' nicht zu dem Geld.
A Zeitlang war er krank,
Der Teufel weiß ihm's Dank!
Jetzt ist er wieder g'sund,
Und zahlt mich nicht, der Hund!
Mit ihm red' ich noch gern,
Ihm zeig' ich doch ein' Herrn;
Doch ist sein Weib zu Haus,
Die macht mich noch brav aus.

Pfui, das sind doch undankbare Leut', nicht einmal pfänden wollen sie sich lassen. Gluthahn, wie wirst du jetzt das Geld ersetzen? Mit Freuden würd' ich einen andern darum betrügen, doch ich gewinn's nicht übers Herz, ich bin zu gut. (Heftig.) Aber mir soll noch einer kommen und Geld begehren. – Da grab' ich meine Taler eh' fünftausend Klafter in d' Erden ein und zünd' mein Haus an allen Ecken an, eh' ich so einem Schuft ein' Kreuzer auf fünfzig Schritte nur zeig'. Einen eignen Hund richt' ich mir ab, daß er s' vom Haus weg hetzt. (Heuchlerisch.) Ich muß anders werden, ich bin zu gut. Wo ist denn nur mein Weib schon wieder? Trautel, hörst denn nicht? Trautel!

 
Fünfte Szene.

Voriger. Trautel kommt, sie ist und spricht etwas kränklich.

Trautel. Aber, was schreist denn so?

Gluthahn. Wo bist denn, falsche Nummer, die auf den ersten Ruf nicht kommt.

Trautel. Ich soll ja nicht in d' Luft.

Gluthahn. Nun, so geh in die Gruft.

Trautel. Was willst denn?

Gluthahn. Die Mützen bring' heraus und die Pfeifen und den Rock nimm mit. (Zieht den Rock aus.)

Trautel (verdrießlich). Nu gleich. (Ab.)

Gluthahn (allein). Ein guts Weib ist s'; ich hätte das Weib nochmal so gern, wenn s' nur um das jünger wär', was s' zu alt ist, und um das besser, was s' z' schlecht ist. (Spricht leise, als oh er jemand etwas anvertraute.) Vor dreißig Jahren hat s' mich einmal um fünf Gulden betrogen, das vergiß ich ihr noch nicht; ich bin gut, ich hab' ein einzigs Herz, aber vergessen kann ich nichts. Ich hab' so ein kleins Büchel, da schreib' ich's hinein. (Deutet hinters Ohr.) Da hint' ist's.

 
Sechste Szene.

Voriger. Trautel bringt Mütze und Pfeife.

Gluthahn. Du lieber Himmel, wie gut könnten ein paar Ehleut' miteinander leben, wenn eines dem andern nachgäbe. (Fährt sein Weib derb an.) Kriechst immer untern Füßen herum? Was willst?

Trautel. Je nu, die Pfeifen bring' ich und die Mützen.

Gluthahn. So meld' dich!

Trautel. Sei nur nicht so grob mit mir, mir ist heut so nicht gut.

Gluthahn. Das ist rheumatisch Zeug, schlag dir's aus dem Kopf.

Trautel. Das kann ich nicht.

Gluthahn. Nu, so schlag' ich dir's heraus, ich kann's.

Trautel. Mir fehlt's im Herzen, und ich fühl' mich so schwach.

Gluthahn. Da sind wir alle schwach, wenn's uns im Herzen fehlt.

Trautel. Wenn du mir kein' Bader nimmst, so stirb ich noch.

Gluthahn. Solang noch's Herz schlagt, stirbt man nicht. Rheumatisch bist, sonst nichts. Egel setz' dir, da wird alles gut. Hab' erst einen zusammentreten unt' beim Bach, so kommen s' weg.

Trautel. Ich bin ja nicht rheumatisch.

Gluthahn. Im höchsten Grad; wenn ich dich nur anschau', fangt's mich an zum Reißen.

Trautel. Bringst gewiß kein Geld z' Haus, weilst so z'wider bist.

Gluthahn (wild). Mahnst mich noch?

Trautel (beiseite.) Ich muß dem Bösewicht nur schmeicheln, sonst ist gar nichts z' haben von ihm. (Streichelt ihm das Kinn.) Mann, meines Lebens Lust.

Gluthahn (höhnisch). Weib, meines Lebens Last – was willst denn außerbrateln von dein' Mann, den du aus List nennst deine Lust?

Trautel. Ich hol' mir den Bader.

Gluthahn. Hol' mir zwei Maß Wein.

Trautel. Nicht wahr, ich darf ihn holen?

Gluthahn. Aber ein' g'scheiten, das sag' ich dir.

Trautel. Ich dank' dir, sie haben ja nur einen im Ort.

Gluthahn. Und daß er nicht g'schwefelt ist.

Trautel. Ei, wer denn?

Gluthahn. Der Wein.

Trautel. Ich hab' g'glaubt, der Bader.

Gluthahn. Wer redt denn vom Bader?

Trautel. Ich.

Gluthahn. Und ich red' vom Wein.

Trautel. Was hab' ich vom Wein?

Gluthahn. Was hab' ich vom Bader?

Trautel. Ich hol' ja den Wein, aber zahl' mir den Bader, sonst geh' ich ja z'grund.

Gluthahn. Nu, so hol' dir ihn, aber wenn du bis morgen nicht g'sund bist, so darfst mir dein Leben nimmer krank werden.

Trautel (für sich). Endlich. (Laut.) Dank' dir, lieber Mann. (Will ab.)

Gluthahn. Da gehst her. (Trautel kehrt um.) Jetzt wirst du doch einsehn, was d' für einen Mann an mir hast.

Trautel. Nu, ich glaub's.

Gluthahn. Unter andern, hast mich gern?

Trautel (ironisch). Nu, wer wird denn dich nicht gern haben.

Gluthahn. Küß' mir d' Hand.

Trautel (tut es und spricht im Abgehen seufzend). O Seligkeit! (Geht ins Haus.)

Gluthahn (triumphierend). So muß man sich s' abrichten, dann weiß man, wer der Herr im Haus ist. Ich hätt' nicht nachgeben sollen, (heuchlerisch) aber mein Herz, ich bin gar zu gut.

 
Siebente Szene.

Voriger, Trautel mit einer leeren Flasche.

Gluthahn. Bist da? Da hast Geld, jetzt zieh dich.

Trautel (beiseite). Du lieber Gott, befrei' mich doch von mein' Leid, ich will ja gern sterben, daß ich nur den Mann nimmer sehn darf. (Geht gegen das Dorf ab.)

Gluthahn (allein, er schlägt Feuer und zündet seine Pfeife an). Wenn man dem Weib da so erlaubte, auf ihre Faust recht krank zu sein, die machte einen Aufwand damit, der nicht zu erschwingen wär'. (Schlägt sich vor die Stirn. Erbittert.) Wann ich nur das Geld nicht ausg'liehn hätt'. (Ein Sturmwind erhebt sich.) Öh, blas, du dummer Wind, blas auseinander die grau muntierten Wolken. Der Himmel ist schon vierzehn Tag' als wie ein Aschenweib. (Windstoß.) He, he, he, he, sei nur kein solcher Narr! – Die Kälten von dem Wind! (Windstoß.) Holla, der nimmt die Bäum' beim Kopf und beutelt s' recht, als wie ein Meister seine Lehrbuben. – (Windstoß.) Weil er kein' Kopf hat, so kann er auch kein' andern leiden. (Windstoß.) Nicht rauchen laßt er mich, der Schlaprament! Du sollst mich nicht sekieren, du lüstiger Patron; ich geh' jetzt hinein, just kriegst mich nicht. (Er geht unter die Tür und steckt den Kopf heraus.) Blas mich an jetzt, wannst dich traust. (Höhnisch.) Ja, auf d' Wochen, dummer Wind! (Schlägt die Tür zu.)

 
Achte Szene.

Sturmmusik. Alzindens Gestalt als altes Weib in Bettlerkleidung rauscht im Hintergrunde, zwischen den Flügeln des Nordwindes liegend, über die Bühne; den Strom der Luft auszudrücken, in welchem eine geflügelte Figur mit aufgeblasenen Backen, die Locken mit Eis behängt, wie durch einen Schleier sichtbar ist, bleibt der Phantasie des Malers überlassen. Die Musik geht in eine klagende über, und nach einer bedeutenden Pause kommt Alzinde auf die Bühne. Sie hat graues Haar, ihre Gestalt ist ehrwürdig, ihre Kleidung abgenützt, aber nicht zerrissen.

Alzinde. Wo bin ich wohl? Wohin hat die Gewalt des Sturmwinds mich getragen? wie heißt die Unglückswelt, auf der ich mich befinde? denn das ist nicht mein Reich, zu meinem Auge sprechen nie gesehne Dinge. Fremde Hütten, fremde Berge, ein fremder Himmel, ohne Sonne, ohne Mond, ohne Sterne, ohne Blau. Auch fühl' ich mich so schwach, ich will mich setzen, jene Quelle soll mich laben. (Sie setzt sich an den Rand des Beckens, sieht in den Wasserspiegel und springt auf.) Welch häßliche Gestalt schaut aus dem Spiegel dieses Quells? Doch nicht mein eignes Bild? – Nicht möglich! (Streckt die Hand aus und erschrickt davor.) Wem gehören diese welken Hände, diese abgelumpten Kleider? wessen Stelle muß ich hier vertreten? Ich bin das nicht, widerrufe, Quell! (besieht sich noch einmal – erstarrt.) Er wiederholt's – ich bin's – ich bin's! (Fällt verzweifelnd auf den Rasen hin.) Ich Unglückselige! (richtet sich auf und lacht verzweiflungsvoll.) Das ist Alzind', die Schönheitsblume Indiens, in eine welke Distel nun verwandelt. O du mein stolzer Geist, verjagt aus deinem üppigen Palast, was mußt du jetzt für ein verächtlich Haus bewohnen! Ich duld' es nicht! Verzweiflungsvolle Seele, sprenge doch die Riegel dieses morschen Kerkers! (Ängstlich.) Eilt mir zu Hilfe, Große meines Reichs – wo seid ihr, meine Diener? – (Stark rufend.) meine Sklaven! (Echo ruft: Sklaven.) Es ist umsonst, das Echo ist der einz'ge Sklave meines Rufes. Ich bin allein, verbannt von meinem Volke, meinem Gott. Was rauschet? Ha, ein Geschöpf aus dieser Welt. O du erbärmliche Gestalt.

 
Neunte Szene.

Gluthahn erscheint im Rocke. Vorige.

Gluthahn. Wer schreit denn so? Wie kommst du auf 'n Berg? Kriech weiter um ein Haus.

Alzinde. Wenn du ein Mensch bist, wie die Sprache mich's vermuten läßt, so sage mir, wie heißt die Welt, in der du lebst?

Gluthahn. Weiter geh!

Alzinde. Wenn du ein Mensch bist, nimm mich auf in deine Hütte, die Sonne wird dich dafür lohnen.

Gluthahn. Aha, die brennet mich aus Dankbarkeit auf den Buckel hinauf. Du, laß mich aus mit deiner Sonn', die kenn' ich nicht.

Alzinde. Er kennt die Sonne nicht, weh mir. Hab' Mitleid, Hunger führet mich an deine Hütte, speise mich mit etwas Reis.

Gluthahn. (erstaunt). Was willst du haben? einen Reis? Ein Bettelweib will ein' Reis; Sie schafft sich nur gleich an, was sie am liebsten ißt.

Alzinde. O reich' mir nur ein kleines Stückchen Zucker.

Gluthahn (lachend). Einen Zucker will sie, o du süßes Goscherl du. Wo hab' ich denn g'schwind was, ich gib ihr eine hinauf, daß s' ein Zucker macht, an dem s' langmächtig z' schlecken hat.

Alzinde. Hab' Mitleid, ich verschmachte, gib mir stärkendes Gewürz.

Gluthahn. Jetzt halt' ich's nimmer aus, jetzt will sie noch gar ein G'würz! Ich komm' in Narrenturm mitsamt dem Weib. Ich hab' kein G'würz noch gesehn, solang ich auf der Welt noch bin, die geht herum und bettelt um Gewürz.

Alzinde. Du Unmensch, sprich, soll ich an deiner Schwelle sterben?

Gluthahn. Was unterstehst du dich, an meiner Tür willst du da sterben? A solche Ungelegenheit, daß ich dich noch begraben lassen könnt'; gehst hinunter übern Berg und schaust dich um ein Platzel um, wost' hinwerden kannst.

Alzinde. Sonne, was erlebe ich.

Gluthahn. Schläg' wirst gleich erleben, wenn du nicht gehst.

Alzinde (stolz und kräftig). Ich befehle es dir, mich zu bewirten, ich bin Indiens Königin.

Gluthahn. Jetzt ist's heraußen. Das Weib ist närrisch. Sie ist Indiens Königin, ich lach' mir noch einen Buckel, größer als der ihrige. Wenn du jetzt nicht gleich von meiner Tür weggehst, so jag' ich dich übern Berg hinunter. Marsch! Du verzuckertes indisches Bettelweib du! (Ab. Schlägt die Tür zu.)

 
Zehnte Szene.

Alzinde (allein, mit Verzweiflung). Weh mir! So bin ich denn auf einem fremden Stern, ausgeschlossen aus der Sonne Strahlenreich. Nicht Menschen hausen hier. Dämone sind es, Söldner jenes Drachensohns, der mich hierher gebannt. Hier darf kein Weihrauch duften, keine Palme blühn, ein wüstes Grab ist diese Höllenflur. Seht, seht, wie kleine Furien mit gehörnten Köpfen über jene kahlen Felsen springen. Nie werd' ich mehr mein Volk, meinen Gemahl erblicken. Verloren ist mein Leib, verloren meine Seele. (Sinkt auf die Knie und ruft:) Sonne, rette mich! (Echo: Rette mich.) Umsonst, sie hört mich nicht; das Echo höhnt mich aus, ihr Strahl dringt nicht auf dieses fluchbeladne Land. Welche Angst ergreift mein Gemüt? Von allen bin ich hier verlassen und auch zu ihr kann ich nicht flehen. Entsetzliches Geschick! Was ist der Mensch, dem man die Hoffnung auf das Höchste raubt? Mein Aug' wird trüb, mir ist, als hätten diese Berge Licht und Farbe eingebüßt und flößen mit des Himmels schauerlichem Grau zusammen. Die Welt zerrinnt vor meinen Blicken, ich sehe nichts, als jenen Strom, der konvulsivisch sich durch dieses Chaos windet und seine nassen Arme nach mir streckt. Hinweg von mir, du schrecklicher Gedanke, der mich ergreift, und nach dem Strom hinzieht. Ich folg' dir nicht, – umsonst, ich muß – Verzweiflung, freu' dich deines Siegs, ich muß hinein. (Sie eilt gegen den Strom, plötzlich:) Ha, der Sonne Bild! (Sie blickt empor, ihr ganzes Wesen löst sich in zitternde Freude auf.) Sie ist's! (Steigend.) Sie ist's, die – (Mit zitternder Stimme.) die Sonne! Meine Sonne, meiner Seele höchster Trost! (Sinkt auf ein Knie, dann springt sie freudig auf.) Freude, Freude, sie ist hier! Ihr Wälder, Klippen, Bäume, Quellen, meinen Blicken neu geboren, grün gekleidet, wie mein Hoffen, hört es, ich bin nicht verlassen, nicht verstoßen von der ew'gen Sonne! O wie ist mir wieder leicht, wie hat ihr Strahl mein Innerstes gelichtet. Nun hab' ich Mut zum Dulden, Mut zum Tragen.

Muß ich fern von allen Lebensfreuden
Kämpfen auch mit Gram und Leiden,
    Kann ich's doch der Sonne klagen,
    Mit Bewußtsein zu ihr sagen;
Habe alle Freuden meiner Jugend
Aufgeopfert für den Ruhm der Tugend
    Und erwarte meinen Lohn
    Einst an deinem Himmelsthron.

(Sie setzt sich auf einen Rasen und versinkt in Nachdenken.)


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