Ferdinand Raimund
Der Barometermacher auf der Zauberinsel
Ferdinand Raimund

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Zweiter Aufzug.

Erste Szene.

Saal im indianischen Geschmacke. An der Seite ein Thronstuhl, worauf Quecksilber sitzt, neben ihm Soldaten, gegenüber Zwerge. Tutus Dienerschaft kniend zu Quecksilbers Füßen. Hassan.

Chor.
    Huldiget alle dem Sieger,
Weihet ihm Leben und Blut,
Gegen bezauberte Krieger
Kämpfet umsonst euer Mut.

Hassan. Hoher Fremdling, der du unter dem Schutze übernatürlicher Mächte stehst, vernimm aus dem unwürdigen Munde deines demütigsten Sklaven die Huldigung aller Bewohner dieser Insel. Alles beugt sich vor deiner Übermacht; Männer, Weiber und Kinder; Elefanten, Tiger und Affen.

Quecksilber. Ich versteht schon, das Blatt hat sich g'wendet.

Hassan. Herr, und nun wagt es noch zum Überflusse dein Sklave, sich in dem Bewußtsein seiner Schönheit zu deinen Füßen zu werfen und seine Huldigung dir ganz insbesonders darzubringen.

Quecksilber. Warum will Er etwas Extra's haben, ich hab' geglaubt, Er ist schon bei den Affen dabei.

Hassan. Nein, Herr, ich möchte mich erkühnen, dir meine Unterwerfung in Versen vorzutragen.

Quecksilber. Was? in Versen will Er mit mir reden? Tu' Er mir doch das nicht an, da laß' ich mich lieber schlagen. Er in Versen reden? Das kommt mir gerade so vor, als wenn ein Ochse fliegen will.

Hassan. So wahr ich ein schöner Mann bin, das ist stark.

Quecksilber. G'nug für jetzt! Auf die Nacht wird ein großes Feuerwerk veranstaltet, eine brennende Pyramiden mit zweihundert Feuerrädern, und den – (auf Hassan deutend) setzt man mit seiner Schönheit oben hinauf. Nun entfernt euch! (Alles ab bis auf die vier Zwerge.) Und ihr führt mir Tutu herauf. (Die vier Zwerge ab.) Zuerst werde ich dem Alten noch den Text recht lesen, hernach ihr, dieser undankbaren Person.

 
Zweite Szene.

Tutu wird von vier Zwergen gebracht. Vorige.

Erster Zwerg. Halt! Stehen geblieben, sag' ich!

Tutu (sieht auf ihn herab). Was ist denn das für ein Lärm da herunten? Jetzt hab' ich's schon g'nug!

Erster Zwerg. Still! Nicht mucksen, oder ich lasse dir fünfundzwanzig herabmessen.

Tutu. Was ist denn das, Herr Schwiegersohn, wo steht denn das g'schrieben, daß man mich so fidonmäßig behandelt? G'schieht das auf Ihren Befehl?

Quecksilber. Oui!

Tutu. Oui? Da kann ich Ihnen nichts darauf antworten als pfui!

Quecksilber. Ich kann es nicht hindern. Du bist in den Händen meiner Armee.

Tutu (zu den Zwergen). Meine beste Armee, es freut mich, Sie kennen zu lernen! – Wenn ich's nur g'wußt hätt', ich hätt' sie alle g'fangt. Nur einige Mausfallen aufrichten, so g'hören sie mein.

Erster Zwerg. Schweig, oder es kostet deinen Kopf. (Zieht den Säbel.)

Tutu. Schreit schon wieder herauf auf mich in' vierten Stock.

Quecksilber. Nehmt ihm die Fessel ab. (Es geschieht.) Laßt uns allein.

Erster Zwerg. Ganz wohl. (Tritt zornig vor Tutu hin.) Teremtete! (Stößt den Säbel in die Scheide und geht mit den andern dreien ab.) Ebata!

Tutu (sieht ihm nach). Ha! Ha! Fisolen von einem Menschen!

 
Dritte Szene.

Tutu. Quecksilber.

Quecksilber. Jetzt wollen wir ein bissel eine Abrechnung halten. – Wo haben denn Sie und Ihre Mademoiselle Tochter die Lebensart g'lernt, ehrlichen Leuten ihre Kostbarkeiten zu stehlen? Bin ich deswegen in Ihr Land kommen?

Tutu. Wer hat's Ihnen g'schafft, daß Sie kommen sollen? Wären Sie wegblieben.

Quecksilber. Ist das der Dank, daß ich Ihnen alle Vogelhäuseln, alle Hühnersteigen vergolden hab' wollen, alle Seekarpfen in Goldfisch' verwandeln, damit Sie s' hätten versetzen können, wenn Ihnen 's Geld ausgangen wär'?

Tutu. Warum machen Sie denn mich aus? Was geht mich denn Ihr Staberl an? Geben Sie besser acht auf Ihre Sachen; warum haben Sie so herumg'schlagen damit, daß man neben Ihnen nicht sicher war.

Quecksilber. Warum haben Sie ihr's nicht weggenommen? – Hätten Sie s' besser erziehen lassen.

Tutu. Was kann ich mehr tun? Sie hat drei Gouvernanten g'habt; eine von Paris, die andere von Lyon und eine von Breitenfeld. Sie ist sehr gut erzogen, darum darf ich ihr auch nichts sagen, sonst macht sie mich aus.

Quecksilber. Kurzum, Sie sind ein undankbarer Mensch, und ich nehm' Ihre Tochter jetzt nicht mehr.

Tutu. So sind Sie ein schmutziger Mann!

Quecksilber. O, Sie tuschieren mich nicht. Ich kann gar nicht schmutzig sein, denn ich bin ein reicher Mensch und folglich ein Kerl, der sich gewaschen hat. Wo soll da ein Schmutz herkommen?

Tutu. Sie sind auf meine Insel kommen, Sie haben ja nicht einmal einen Paß g'habt.

Quecksilber. Das macht alles nichts, wenn ich auch keinen Baß und keinen Tenor hab', eine schön're Stimme hab' ich doch als Sie.

Tutu. Ja, da bilden Sie sich was drauf ein, wenn ein solcher Stutzer einen alten Mann, wie ich bin, eins anhängen kann. Meine Tochter ist unschuldig an dem Betrug, Sie sein schuld, warum haben S' just ein goldenes Staberl mitgebracht; hätten S' mit ein' Haslinger so herumg'schlagen, kein Mensch hätte ihn verlangt. Und müssen S' denn just aufs Stubenmädel so hinüberblinzeln? Da muß sie ja eifersüchtig werden. Das müssen Sie sich abg'wöhnen, das ist nicht schön. Meine arme Zoraide ist ohnehin aus Lieb' zu Ihnen völlig damisch. Ich weiß nicht, was sie an Ihnen schön findt? Ich muß ihnen aufrichtig sagen, ich möcht' Sie nicht, es ist nichts an Ihnen. Sie haben ja schon gar keine aufrichtige Physiognomie! Da schaun S' mich an, wie alles offen ist.

Quecksilber. Ja, bis daher (deutet auf die Stirne), aber da ist's zu.

 
Vierte Szene.

Zoraide. Vorige.

Zoraide (ganz blaß, tritt langsam vor). Lassen Sie uns allein, Papa.

Tutu. Da schauen Sie s' an, Sie Tyrann! Vor Kummer hat sie sich nicht einmal g'schminkt. Sehn Sie die blassen Wangen? Der Frühling ihres Lebens hat eine Gavott' darauf getanzt, und jetzt haben sie sich in einen alten Weibersommer verwandelt! Hab' ich ihr deswegen so empfindsame Romane lesen lassen? den indianischen Eulenspiegel – die schöne Melusina – damit Sie die zarten Gefühle wieder vernichten, die diese Meisterstücke in ihrer Seele zurückg'lassen haben? Hat sie deswegen die vier Spezies gelernt, damit sie zu ihren glücklich durchlebten achtundzwanzig Jahren –

Zoraide (schnell einfallend). Zwanzig –

Tutu. Will ich sagen zwanzig. – Acht Jahre ist sie in die Schul' gangen, die gelten nichts. Die unglücklichen Momente Ihrer Bekanntschaft dazu addieren, mit ihren Tränen multiplizieren und mit Ihrer Wortbrüchigkeit diese Summe dividieren, und das Fazit, das herauskommt; daß sie eine alte Mamsell bleiben muß, weil sie niemand mehr nimmt, wenn sie mit Ihnen Bekanntschaft g'habt hat. Ich hätt' Ihnen noch verschiedene Vorwürf zu machen, aber ich muß mich jetzt ein wenig niederlegen, um auszuruh'n; aber das sag' ich Ihnen, wie Sie dastehn in Ihrem goldpapier'nen Frack – wir sind hier auf einer Zauberinsel. Ich werd' jetzt gleich nachschaun, und wenn ich wo in einem bezauberten Winkel eine übertragene Fee find', die sich meiner annimmt, so sollen Sie mich kennen lernen, Sie Bösewicht, Sie! (Geht ab.)

 
Fünfte Szene.

Zoraide. Quecksilber.

Quecksilber. Comment vous portez-vous, ma chère Princesse? Je suis victeur sur Isle de Monsieur Tutu.

Zoraide. O, ich versteh'! Weil Sie mich recht peinigen wollen, darum reden Sie Französisch. Sie wissen schon, daß das kein Mensch aushalten kann. Hier bring' ich Ihr goldenes Staberl zurück; Sie hätten's auch, ohne daß Sie mit Ihrer Zwergelarmee unsern Palast verwüstet haben, wieder bekommen.

Quecksilber. Haben Sie mir nicht das Tor vor der Nasen zug'schlagen? Haben Sie mir nicht sagen lassen, ich soll mich aus dem Staub' machen, oder Sie lassen junge Tiger auf mich aus?

Zoraide. Davon hab' ich nichts g'wußt, es war ein Mißverständnis.

Quecksilber. Nein, der Portier hat mir's g'sagt.

Zoraide. Da kann ich nichts dafür. Ein besonderes Zutreffen von Umständen –

Quecksilber. Die sind? –

Zoraide. Der Portier hat einen Rausch g'habt.

Quecksilber. Das ist mir auch schon einmal passiert.

Zoraide. Wirklich? Sie haben sich einen Rausch trunken?

Quecksilber. Ja! War das nicht ein schöner Zug von mir? Doch wir kommen von der Hauptsach' ab. Was Sie mir antan haben, will ich Ihnen großmütig verzeih'n. Ich hab' meinen Stab wieder, und somit sind wir g'schiedne Leut', und damit Ihnen meine kleine Armee in Ihrem Palaste keine Ung'legenheit mehr macht, so soll sie verschwinden. (Winkt in die Kulisse.)

Der erste Zwerg erscheint.

Quecksilber. Ihr könnt zum Rückzug blasen; wenn ich euch brauch', werd' ich euch schon wieder rufen. (deutet aufs Horn.)

Erster Zwerg. Ganz recht. (Geht ab.)

Zoraide (bemerkt das Horn, für sich). Ha, dieses Horn muß ich haben.

Quecksilber. Jetzt werd' ich mein segelfertiges Boot besteigen, und somit Mademoiselle, adieu pour jamais! (Will ab.)

Zoraide. Wie? Sie wollen mich verlassen?

Quecksilber. Haben Sie etwas dagegen einzuwenden?

Zoraide. Ob ich etwas dagegen einzuwenden hab', fragst du? Hast du dich denn nicht verbindlich gemacht, der Sklave meines Herzens zu sein? Und jetzt sagst du mir nicht einmal den Dienst auf, wie sich's g'hört, rennst davon, ohne deine vierzehn Täg' abzuwarten?

Quecksilber. Ich bin ja keine Köchin.

Zoraide. Und doch willst du mir die Suppen versalzen und mich blandieren, mich, die ich so unschuldig bin wie ein Lamm?

Quecksilber (für sich). Wenn sie nur nicht so hübsch war! (Laut.) Was soll das? Lassen Sie mich, Sie falsche Personag'! Was haben Sie für Beweise Ihrer Unschuld?

Zoraide. Hast du den Rausch schon vergessen?

Quecksilber. Pah, Larifari! Das ist bei mir gar keine Entschuldigung.

Zoraide. Nicht? Ist denn die Lieb' nicht auch ein Rausch, und sagt darum nicht Schiller: Wer niemals einen Rausch hat g'habt, das ist kein braver Mann?

Quecksilber. Der Schiller sagt das bei Ihnen? Bei mir singt das der Hausmeister im Neusonntagskind.

Zoraide. Gleichviel! Was kümmern mich alle Hausmeister von der ganzen Welt, da die Doppeltür deines Herzens verschlossen ist. Öffne sie deiner Zoraide.

Quecksilber. Ich hab' keinen Schlüssel dazu. Schicken S' nach dem Schlosser.

Zoraide. Du spottest meiner noch?

Quecksilber. Lassen Sie mich gehn.

Zoraide. Halt! (Für sich.) Jetzt weiß ich nichts mehr, als ich fall' in Ohnmacht. – Weh mir! Wie wird mir?

Quecksilber. Nun, was ist's?

Zoraide. Ich sinke! (Fällt in Quecksilbers Arme.)

Quecksilber. Sie sinkt schon wieder. Liegt schon da! – Sie, so sind Sie doch gescheit! – Also hier halte ich den Brillant in meinen Armen, der in Falschheit à jour gefaßt ist? – Da kann man wirklich sagen, das ist ein Augenblick von G'wicht. – Und ich bin halt doch in sie verliebt! – Aber das dauert mir schon ein wenig zu lang mit der Ohnmacht, ich muß mich doch anfragen. Sie, möchten S' nicht ein wenig aufstehn? – Na, so werden S' nur munter, ich geb' Ihnen mein Wort, ich bleib' Ihnen treu, und will Sie wieder lieben, wie vorher.

Zoraide (erwacht). Ach, was hör' ich? Ist es auch dein Ernst? Ihr Götter, ich dank' euch, er ist wieder moi. Nie werd' ich diesen Augenblick vergessen!

Quecksilber. Ich auch nicht.

Zoraide. Also nichts kann uns mehr trennen? Aber mein Vater ist aufgebracht; wenn er sich unsrer Verbindung widersetzte?

Quecksilber. O, darum sorg' dich nicht. Dem werd' ich schon etwas vorblasen, daß er g'nug hat.

Zoraide. Blasen? Ich versteh' dich nicht.

Quecksilber. Wie er sich muckst, so blas' ich in mein Horn, und meine Zwergenarmee ist wieder da.

Zoraide. Ach, das ist schön, das möcht' ich sehen. O, mach' mir doch eine kleine Prob' damit, ich kann's nicht glauben.

Quecksilber. Nicht? Ich werd' dir gleich eine Kompagnie herblasen. (Nimmt das Horn herab.)

Zoraide. O laß es mich doch versuchen, ob ich es auch kann. Ich bitte dich, ich will nur einige rufen.

Quecksilber. Meinetwegen. Aber acht geben. (Gibt ihr das Horn.)

(Zoraide bläst in das Horn.)

(Musik.)

 
Sechste Szene.

Vorige. Sechs Amazonen erscheinen mit Lanzen und Schilden.

Zoraide. Schützt mich vor dem Grimme dieses Narren! Das Horn ist mein. Erkennst du nun Zoraide? Hahaha!

Quecksilber. Ha, Schlange!

Die Amazonen (halten ihre Lanzen vor und rufen): Zurück!

(Quecksilber stürzt zu Boden. Die Amazonen eilen Zoraiden nach.)

 
Siebente Szene.

Linda. Quecksilber.

Linda. Was hör' ich denn für einen Lärm da herinnen? Wer liegt denn da auf dem Boden? Der Fremde! – Ach, der arme Narr, er rührt sich gar nicht. Er wird doch nicht tot sein? Mir wird völlig angst! (Rüttelt ihn.) Sie! Gnädiger Herr! – Leben Sie noch? – Machen Sie mir doch nicht so angst. Wenn S' tot sind, so sagen Sie's.

Quecksilber (richtet sich auf). Wo bin ich, leb' ich noch?

Linda (ängstlich). Ich weiß 's nicht.

Quecksilber. Wer ist hier? Ha, ein Frauenzimmer? Aus meinen Augen, Schlange!

Linda. Du lieber Himmel, er hat den Verstand verloren.

Quecksilber. Ich den Verstand? Ha, ha, ha! Kann der Elefant seine Flügel verlieren? die Katz' ihre Aufrichtigkeit? der Has' seinen Mut? das Kamel seine schlanke Taille?

Linda. Gehn S', richten S' die Tier' nicht so aus.

Quecksilber. Kannst du einem Sesseltrager seine Zartheit, einem Kipfelweib ihre Verschwiegenheit und einem Schusterbuben seine Bescheidenheit rauben? Kannst du einem Menschen seine Zufriedenheit entreißen, der gerade fünfundzwanzig bekommen soll?

Linda. Nein, was Sie z'sammenreden –

Quecksilber. Eh' ich einen Verstand verlier', eh' wird sich der Mond einen Karbonari, und die Sonne eine Wildschur machen lassen.

Linda. Ich bitt' Sie, hörn S' nur einmal auf von dem unsinnigen Diskurs. Ich hab' Ihnen für einen so guten Menschen g'halten.

Quecksilber. O! ich hab' sie auch für gut gehalten.

Linda. Wen?

Quecksilber Wen? Deine Gebieterin! Die saubre Mamsell.

Linda. Was hat s' Ihnen denn getan?

Quecksilber. Sie hat mir das Zauberhorn entfremdet.

Linda. Nun, da haben wir's, so bin ich schon zu spät kommen. Ich habe Sie warnen wollen vor ihrer List, sie macht es allen Leuten so. Hätten Sie sich nur nicht in sie verliebt, wären Sie gleich zu mir kommen.

Quecksilber. Lassen Sie mich gehn, ich bin zu desperat.

Linda. Sein S' gut, ich bitt' Ihnen! – Hören S'!

Quecksilber. Mich so zu betriegen! (Sieht Linda an.) Sie ist ein sauberes Mädel! – So zu hintergehn! – (Wie vorn.) Und was s' für schöne Augen hat! – (Heftig.) Nein, nein! (Linda ansehend.) Das Mädel g'fallt mir, bei der bleib' ich.

Linda. Ich werd' Sie g'wiß recht gern haben. Sie haben Ihr Horn verloren? Machen Sie sich nichts draus.

Quecksilber. Sie setzen mir g'wiß ein andres auf?

Linda. Ich will Ihnen mein Herz dafür schenken. Sie können freilich damit keine Armeen herblasen, aber einen einzelnen Verteidiger werden S' ewig an ihm haben. Tausend Getreue werden Ihnen nimmer zu Gebot' stehn, aber wenn Sie an das Herzenstürl anklopfen, so wird Ihnen eine treue Person entgegenkommen, und Sie werden sehn, wenn Sie mich heiraten, so werden Sie noch glücklich werden, und Sie werden auf alle Hörner vergessen.

Quecksilber. O, du liebes Maderl du! Wie heißst denn?

Linda. Linda.

Quecksilber. O, du lieber Narr! Linda – der Nam' ist so lind wie eine samtne Schlafhauben. Nun gut, du sollst mein werden; aber Rache muß ich haben! Mein Zauberhorn muß ich erobern, das Zauberstaberl soll mir helfen. Ruf' meine Bedienten und alles, was du im Palaste von Männern findst, z'sammen. Jedem will ich eine Million geben zum Geschenk, wenn sie mir mein Horn erobern, und dir versprech' ich goldne Berg' zur Belohnung.

Linda. Vivat! Jetzt bekomm' ich einen Mann. O, du goldner Mann. Ich bin gleich wieder da. (Geht ab.)

 
Achte Szene.

Quecksilber (allein). Das Madel ist brav, die heirat' ich. Wart', Prinzessin, du sollst mich kennen lernen! Ich überfall' diese Nacht mit meinen Leuten das Schloß, erober' das Zauberhorn und laß' Zoraide und ihren Vater in den tiefsten Kerker setzen, auf den Boden hinauf oder zwischen die Winterfenster, nimm 's Horn auf den Arm, das Mädel auf den Rücken und dann fort aus dem Haus' der Falschheit und der Papierlerei!

 
Neunte Szene.

Voriger. Linda mit Quecksilbers Leuten und mehreren von Tutus Gefolge.

Chor.
Linda.
        Ihr Freunde, folget nur,
Ihr seid auf goldner Spur!
Ihr sollt es nicht bereun,
Sein Lohn wird euch erfreun.
 
Chor.
Wir wollen uns bestreben
Ums herrliche Metall,
Und wagen selbst das Leben,
Erzähl' uns nur den Fall!
 
Linda.
Zu hohem Preise,
Listiger Weise,
Ward ihm entwandt
Ein silbernes Horn.
 
Chor.
Sollen mit den Waffen
Wir dir's verschaffen?
Gib nur Befehle,
Gleich packen wir an!
 
Quecksilber.
Ich will euch lohnen
Mit Millionen,
Schwöret mir Treue
In meine Hand.
 
Chor.
Wir schwören zur Stelle,
Wir bleiben dir treu,
Doch schaffe nur schnelle
Die Schätze herbei!
Rezitativ.
Quecksilber.
Wohlan! Haltet eure Turbans hoch,
Hiernieden drücke euch kein Joch;
Jauchzt im fröhlichen Verein,
Ein goldner Regen fällt hinein!
 
Chor.
        Jauchzt im fröhlichen Verein,
Ein goldner Regen fällt hinein!
        Quecksilber. Liebes Staberl, sei mir hold!

Chor und Linda. Liebes Staberl, sei ihm hold!

Quecksilber. Hohe Freude schafft dein Gold!

Chor und Linda. Hohe Freude schafft dein Gold!

Quecksilber.
        Schnell die Mützen in die Höh'.
Stab, bring' einen goldnen Schnee.

Winkt mit dem Stab, alle halten die Turbans hoch und sind in gespannter Pause.)

Quecksilber. Linda. Chor.

Linda.
    Es kommt nichts von oben,
Es kommt nichts von unten,
Die Macht seines Stabes
Ist gänzlich verschwunden.
 
Quecksilber.
Was ihr auch plauscht,
Der Stab ist vertauscht.
Meiner war stark,
Und dieser ist ein Quark.
(Zerbricht den Stab.)
Chor.
    Ha, komme nur noch einmal her
Du verdorbner Millionär,
Halten wir dir unsre Treu,
Schlagn den Rücken dir entzwei.

(Alle gehen hohnlachend ab.)

 
Zehnte Szene.

Quecksilber. Linda. Dann Hassan.

Linda. Aber was haben S' denn gemacht? Warum hat es denn keine Dukaten g'regnet?

Quecksilber. Still! Ich bin froh, daß's keine Schläge g'regnet hat! Zum Tröpfeln hat's schon ang'fangen. Aber was nutzt das? Ich bin doch ein g'schlagener Mann. Die Falsche hat mir meinen Stock vertauscht.

Linda. Es gibt ja noch mehr Stöck' in der Welt, vergessen Sie sich selbst nicht.

Quecksilber. Was nützen mir jetzt alle Stöck' in dieser Welt! Alle Weinstöck', alle Haubenstöck', alle Hackstöck', dieser war der erste!

Linda. Nun, so lassen Sie jetzt den ersten Stock gehn, und ziehn wir uns in' zweiten oder dritten hinauf, so hab'n wir eine schönre Aussicht.

Quecksilber. Ach, du bist noch die einzige treue Seel', die ich hab'. Meine Dienerschaft hat mich verlassen.

Linda. Verlassen Sie sich auf mich, ich geh' mit Ihnen durch, wann S' wollen.

Hassan (erscheint an der Tür und horcht). Nun wart', du Katz'!

Quecksilber. Ich weiß jetzt nichts zu tun, als daß ich mein goldnes Schiff ins Versatzamt schick', damit wir ein Reisegeld kriegen.

Linda. Aber wie kommen wir denn fort?

Quecksilber. Da setzen wir uns z'sammen, hängen diesen bezauberten Schal um, und wo wir uns hinwünschen, können wir sein.

Hassan (für sich). Der Kerl beutelt die Talismane nur aus dem Ärmel heraus.

Linda. Nun, und da bist du so mutlos und willst davonlaufen? Das ist ja Kinderei. Mit dieser Binde wünschest du dich in das Kabinett der Zoraide, wenn sie allein ist, drohst sie umz'bringen, wenn sie dir dein Horn und deinen Stab nicht gibt, und du wirst sehn, sie bittet dich noch um Pardon.

Hassan. Ein sauberer Plan. Das entdecke ich augenblicklich meiner Gebieterin. Wart', du Hex'! (Geht ab.)

Quecksilber. Richtig, du hast recht, so geht's prächtig! Da wär' ich mit meinem Plutzerkopf nicht drauf kommen. Maderl, du bleibst schon bei mir, und wenn ich wieder reich bin, so vergold' ich dir den Trattnerhof in der Stadt, und mach' dir'n zum Präsent.

Duett.

Quecksilber. O liebes Maderl, sieh mich an,
Und denke dir, der schönste Mann,
Der Füße hat, als wie ein Pfau,
Macht dich zu einer gnäd'gen Frau.

Linda. Dann geb' ich täglich Assemblee!
Und meine Schalen zum Kaffee,
Die müssen von Brillanten sein,
Und goldne Kipfel tunkt man ein!

Quecksilber. Dann fahren wir mit Roß und Wagen;
Die Pferd' lass' ich mit Silber b'schlagen.

Linda. Ich lad' die schönsten Herren ins Haus.

Quecksilber. Und ich, ich wirf sie wieder 'naus.

Beide. Die Möbeln sind von Ebenholz,
Und wir sind beide schrecklich stolz.
Ich steig' daher, als wie ein Hahn,
Und schau' gar keinen Menschen an.

Quecksilber. Die Binde hier trägt uns mit flüchtigem Sinn
In einem Tag durch die vier Weltteile hin.

Linda. Im Morgenland nehmen das Frühstück wir ein.

Quecksilber. Und ich trink' in Grinzing g'schwind ein Glas Wein.

Linda. Dann bleibn wir in Holland ein wenig zu Haus.

Quecksilber. Und schaun in Brasilien zum Fenster heraus.

Linda. Des Mittags, da speisen wir beide allein.

Quecksilber. Da kehrn wir beim Sperl in Afrika ein.

Linda. Ein G'frornes sollt' doch auf die Jausen wohl sein?

Quecksilber. Da setz' ich dich mitten ins Eismeer hinein.

Linda. Und wann's zum Soupiern aufn Abend wird kühl?

Quecksilber. Da essen wir in Ofen, da friert uns nicht viel.

Linda. Doch gehen wir schlafen,
Das fällt mir nicht ein,
Wo wird unsre Ruhe
Am sichersten sein?

Quecksilber. Das sollst du schon wissen.
Das ist ja bekannt, Am sichersten ruht sich's
Im Österreicher-Land.

(Beide ab.)

 
Elfte Szene.

Gemach der Zoraide mit zwei Seitenfenstern, von einer Lampe beleuchtet. Zoraide und Hassan treten ein.

Zoraide. Er hat also gut verstanden? Daß nicht hernach wieder eine Dummheit herauskommt, wie gewöhnlich, wenn man Ihm etwas glaubt.

Hassan. Nein, meine Gebieterin. Ich schwör' es bei meiner Schönheit, daß ein jedes Wort sich so verhält. Er besitzt die Zauberbinde und will dich in deinem Gemach überfallen, um seine Talismane zurück zu fordern.

Zoraide.. Und meine Kammermamsell hat richtig mit ihm eine Amour?

Hassan. Richtig! Sie hat ihn noch zu dieser List beredet.

Zoraide. Die Undankbare, ist das mein Lohn? Hab' ich ihr nicht erst zu ihrem Namenstage fünf Gulden und ein musselinenes Kleid von mir gegeben?

Hassan. Richtig. Es ist enorm!

Zoraide. Was ich dieser Person alles getan hab'!

Hassan. Wenn ich bedenk', die vielen Ohrfeigen, die Sie ihr gegeben haben.

Zoraide. Ah. das ist das wenigste.

Hassan. Für mich wäre es das meiste.

Zoraide. Die Person wagt es mir den Rang abzulaufen?

Hassan. Mir einen andern vorzuziehn?

Zoraide. Bei allen Göttern, das ist zu viel!

Hassan. Bei meiner Schönheit, das ist zu viel.

Zoraide. Jetzt marschier' Er mir hinaus, denn sich mit Ihm auch noch ärgern, das ging' mir just noch ab. Fort! Alle zwei hinaus! – Er und Seine Schönheit!

Hassan (für sich). Das ist der Neid. Was kann ich dafür, daß die Natur mich mit diesen Reizen ausgestattet hat? (Will ab.)

Zoraide. Halt! Man gebe sogleich Befehl, daß die Wachen im Vorsaale lauern, und wenn ich ruf', so wird er gepackt und festgehalten, den Talisman werde ich ihm schon früher zu entreißen suchen.

(Hassan ab.)

 
Zwölfte Szene.

Zoraide (allein). Jetzt steigt herauf, ihr Furien der Rache! Du sollst mir nicht zu pfiffig werden, und wenn ihm noch hundert Zaubermittel zu Gebot stünden. Der Zauber, den unsere Anmut bewirkt, macht alle zu schanden. – Was rauscht denn im Garten? Was seh' ich? Bin ich denn auf dem Blocksberg? Wer reitet denn da durch die Luft? Er selbst. (Man hört einen Hahn krähen.) Auf einem Hahn! Und wie schön er oben sitzt, wie ein englischer Reiter. O du herrlicher Talisman, dich will ich besitzen! (Musik.) Nun wart'! (Setzt sich auf den Stuhl und stellt sich schlafend.)

 
Dreizehnte Szene.

Vorige. Quecksilber kommt auf einem großen Hahn zum Fenster hereingeflogen. Wie der Hahn im Gemache ist, steigt Quecksilber ab, der Hahn fliegt wieder zum entgegengesetzten Fenster hinaus und kräht.

Quecksilber. Still! Du vertraktes Tier! Kräht der Kerl, daß einem die Ohren zerspringen möchten. Wenn die Fee keine andern Pferd' im Stall hat, das ist eine fatale Expedition. Auf keinem Hahn wird nimmer ausg'ritten.

Melodram.

Quecksilber (sieht Zoraiden). Ha, da ist sie! Sie schläft! (Die Musik drückt das Schnarchen aus.) Welch' ein sanfter Schlaf! Ach, warum ist sie so falsch und so schön?

Zoraide. Er ist doch noch verliebt, der Gimpel!

Quecksilber. Sie spricht im Schlaf'! Es muß ihr von mir geträumt haben; – doch Quecksilber, nimm dich in acht! Heda, aufg'standen!

Zoraide (als ob sie sich ermunterte). Was ist das? Wer ist hier?

Quecksilber. Ego sum.

Zoraide. Was willst du hier?

Quecksilber. Ich hab' Ihnen fragen wollen, wieviel Uhr es ist.

Zoraide. Welche Frechheit! Laß mich hinaus!

Quecksilber. Nicht von der Stell'! Wie Sie um Hilf' rufen, so werf' ich Sie zum Fenster hinaus. Mein Horn will ich haben und mein spanisches Röhrl, oder Sie kommen nicht ganz aus dem Kabinett.

Zoraide. Welch' unerhörte Keckheit! Entflieh, oder dieser Dolch –

Quecksilber. Wart', du meineidiges Gareisel! (Springt um den Dolch.)

Zoraide (ersieht ihren Vorteil, entreißt ihm die Binde und ruft in dem Augenblick:) Wache!

 
Vierzehnte Szene.

Vorige. Wache stürzt herein und ergreift schnell Quecksilber. Später Hassan.

Zoraide. Haltet ihn. (Eilt mit der Binde ins Gemach.)

Quecksilber. Laßt mich! Ich bin Ludwig der Springer. (Reißt sich los und springt zum Fenster hinaus.)

Hassan (eilt herbei). Habt ihr ihn schon? Nur nicht loslassen, das rat' ich euch.

Wache. Er ist entflohn.

Hassan. Was?

Wache. Durchs Fenster.

Hassan. Richtig, dort lauft er. (Ruft.) He! Wart' Er ein wenig, daß ich Ihn einholen kann.

Zoraide (kommt zurück). Fort mit ihm.

Hassan. Er ist schon fort. (Deutet auf das Fenster.)

Zoraide. Was, entflohn? Das ist nicht möglich.

Hassan. Bei meiner Schönheit, es ist so.

Zoraide. Nun auch recht, weil ich nur seine Gaben habe.

 
Fünfzehnte Szene.

Tutu. Vorige.

Tutu (in einer Art Schlafrock, eine große bunte Laterne in der Hand). Was macht ihr denn bei der Nacht für ein Revolter? Nicht einmal ausruhn kann man sich ordentlich.

Zoraide. Papa! Freuen Sie sich mit mir.

Tutu. Über was soll ich mich denn freuen? Ich weiß ja von nichts.

Zoraide. Ich hab' dem Fremden seine Zaubergaben abgelockt, und nun hat er nichts mehr, alle sind in meiner Hand. Er selbst ist entflohn zum Fenster hinaus.

Tutu. Das sein Geschichten! Aber warum sagt mir denn niemand etwas davon?

Zoraide. Wann soll man Ihnen denn was sagen? Alle drei Wochen werden S' einmal munter, hernach setzen Sie sich zum Essen und nach dem Essen legen Sie sich wieder nieder.

Tutu. Ein jeder Mensch hat seine Passion, ich bin am lustigsten, wenn ich schlaf'.

Zoraide. Niemand wird diese Nacht mehr schlafen. Ein großes Freudenfest wird bereitet, welches morgen den ganzen Tag nicht enden soll. Gedichte auf die Größe meines Verstandes müssen auf allen Straßen ausgestreut werden. Freude muß diese Insel beleben! So freuen Sie sich doch ein wenig mit Ihrem kannefaßenen Schlafrock.

Tutu. Nun, wenn ich mich nicht freu', so weiß ich's auch nicht. Vor Freuden tut mir schon ordentlich der Magen weh.

Zoraide. Ich geh' mich jetzt umzukleiden. Triumph, es ist gelungen. (Eilt ab.)

Tutu. Jetzt richtet alles zum Fest' her, meine roßhaarenen Polster nicht zu vergessen. Im chinesischen Lusthaus wird gespeist auf einhundertundfünfzig Personen. Nach Tisch wird großer Ball, und wenn ich vielleicht einschlummern sollt', so wird der Menuett mit dem Paukenschlag g'macht. Mit Stiefel und Sporn wird nicht getanzt. Auch bittet man keine Hunde mitzunehmen. (Alle ab.)


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