Stanislaw Przybyszewski
Vigilien
Stanislaw Przybyszewski

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III.

Um dein Haupt ein Kranz welker Blumen wie ein Gurt erloschener Sterne, und dein Antlitz strahlt von den Spuren einstiger Schönheit.

An deine Füße brandet in wilden, zerschäumenden Wogen die Flut meines Lebens, und wie ein Wirbel kreist um dich die kranke Brut meiner Seele.

Mit grauen Flügeln schlägt um dich mein Schicksal rauschende Ringe, du meine Wiege, du mein Sarg.

Aus dem Meere meines Urgrunds bist du emporgestiegen, in der gebrechlichen Perlenmuschel meines Daseins fährst du einher, du schmerzhafte Schönheit, die du über alle Schönheit thronst, o Sehnsucht du!

Und warum mußtest du zu meinem Sarge werden, warum mußte dein Zukunftsjauchzen mir als Rabengekrächz mein Ende künden, und die Fackeln, die du Andern auf den Weg zum fernen Berg des Glückes stellst, mir als Totenkerzen um mein Bette stehen?

Das heilige Gotteswort, das Welten aus dem Nichts ruft, Du dem Einen! Die Adamsrippe, die ein neues, ungeahntes Urbild in sich trägt, dem Andern! der zukunftgährende Sauerteig des Lebens Du für Alle! nur auf Mein Haupt hast du mir mit dürren Stacheln bohrend einen Dornenkranz gedrückt, du schmerzhafte Schönheit, die du über alle Schönheit thronst, o Sehnsucht du!

Und dennoch stand es über meinem Haupt geschrieben, daß meine Seele, deiner göttlichen Urkraft schwanger, alle Kreatur und Welt in leuchtender Neugestalt gebären sollte. Denn Mir und all der Welt war von Anbeginn derselbe Anfang.

Meine Seele sollte Dir kraft Deiner Macht die Atmosphäre sein, in der sich alle Kreatur mit neuer Lust belebte; das ganze Allsein sollte sie umfangen, in jede Pore seiner Heimlichkeiten dringen, und über die Sterne, von einem zum andern, sollte sie sich wie ein Purpurmantel spannen, deiner königlichen Heilandsmajestät als Ruheteppich.

Und in der Unzucht meiner Träume hast du gelebt und in mein Wort dich einkerkern lassen und mir den Ton zur wüsten Heimatsfläche hingebreitet, um nur in Mir dein neues Reich, deine Erlösung zu finden.

Über den Bergen solltest du in roter Sonnenglut aufgehen für das Reich, das neue, meines Gehirnes. Und nie, nie solltest du versinken, denn in meinem Reiche sollte die Sonne nie untergehen.

Zur neuen Zukunft, zum dritten Reiche, in Mir erlöst werden wolltest Du.

Da throne Ich, deine Erlösung; Ich, deine Verdammnis. Da breitet meine Majestät sich über alles Wesen: Ich, dein letztes Wort, das mit weiten, langen Händen die gottgeborene Tat, die Tat des dritten Reiches, die Tat der wissenden Herrschaft, in die Zukunft schreibt.

Da sitz' ich da und brüte, wie ich dich erlösen könnt'.

 

Und jetzt seh' ich dich.

Um dein Haupt ein Kranz tausend nackter Blitze. Die Stürme von Jahrhunderten haben dein Haar zerrissen; eine Ewigkeit von Menschenglück, eine Unendlichkeit von Menschenjammer ist in dir brünstig geworden. Auf dem Regenbogen gährender Kräfte fährst du einher, und dein Wille wie ein Abgrund schäumender Macht.

O gib mir den Akkord, in dem sich deine Macht umfassen läßt! gib mir das Riesenwort, das dich sagen könnte! das Wort, den Akkord, der wie zuckende Fieberglut die Welt durchrast! den Akkord, den ein Himmel brennender Sterne mit der hektischen Röte des Wahnsinns färbt! stärker noch, mächtiger noch, – haa, wer kennt das grausige Lied des blutenden, wissenden Gehirns, wer kennt das Wort der neuen Tat?!

Ich, ich kenne das Lied, ich kenne das Wort: ich, der Sohn deiner ewigen Stürme, der Sohn deiner Nöte und Irrgänge.

Gib mir her den neuen Akkord! O, näher! oh, mächtiger! Schon braust er mit Flügeln in meinem Gehirn, schon schüttet sich die Brandung seiner Macht in meine Adern, schon dehnt sich mein Leib zum bäumenden Aufschwung, schon bersten die Wellen, schon ...

Vergebens, versunken ...

Wie ein Holzwurm bohrtest du dich in die Füße meines Thrones, bohrtest unablässig, bis er zu wanken begann, bis die Königskrone meines Hauptes wackelte und der Sessel der Caesaren morsch mit mir zu Boden brach, um mich her in Lumpen und Fetzen mein herrlicher Purpurmantel ...

Müde strahlt dein Antlitz von den Spuren einstiger Pracht; um dein Haupt ein Kranz welker Blumen, und in der gebrechlichen Perlenmuschel meines Siechtums fährst du dahin, du schmerzhafte Schönheit, die du über alle Schönheit thronst, o Sehnsucht du!


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